Herbert "Hacki" Wimmer wird 70 Jahre alt

Am 31. Mai saß Wimmer gut gelaunt bei der DFB-Gala der Weltmeister in Düsseldorf am Tisch der 74er und man merkte ihm kaum an, dass es ihm nicht so gut ging. Drei Hüftoperationen sind der Preis für seine Highspeed-Karriere ("Ich war gerne das Rennpferd, das den Platz rauf und runter lief"). Das Gehen fällt ihm schwer, "aber ich lasse mich nicht unterkriegen".

Am 22. Oktober ist seine Frau Renate verstorben, nach 40 Jahren gemeinsamer Ehe. Ein Grund mehr, warum Wimmer heute nicht groß feiern wird. Aber er wird nicht alleine sein, Tochter und Sohn wohnen im selben Ort. Am Abend ist er zumindest in Gedanken bei seiner Borussia, die in Dortmund spielt. Die Heimspiele sieht Wimmer weiterhin mit Begeisterung: "Es ist wie früher, alle sind in Bewegung, es gibt keinen Schwachpunkt."

Aber einen Hacki Wimmer haben sie nicht, der bleibt einmalig.

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An so einem Tag Geburtstag zu haben, das ist natürlich etwas Spezielles. Herbert Wimmer, den alle Welt wegen seiner Haken auf dem Fußballplatz "Hacki" rief, ist am deutschen Schicksalstag, dem 9. November, auf die Welt gekommen. Als der Erste Weltkrieg zu Ende war, war er noch nicht auf der Welt. Aber als vor 25 Jahren die Mauer fiel, da feierte er seinen 45. Geburtstag. Ergo wird der Jubeltag des Mannes, der stets ein wenig im Schatten eines Großen stand, auch heute nicht ganz so viel Aufmerksamkeit auf ihn ziehen.

Herbert Wimmer dürfte es recht sein. Als "Wasserträger" von Günter Netzer ging er in die Annalen ein. "Herbert Wimmer hat den aus dem Radsport bekannten Begriff in den Fußball übertragen", schrieb der SID in einer Würdigung am Freitag. Nicht jeder wäre stolz darauf, aber der stets bescheidene Wimmer, der von 1966 bis 1978 in der Bundesliga nur für Borussia Mönchengladbach spielte, hat sich damit arrangiert. "Dank ihm hab ich eine Karriere gemacht, an die ich nie gedacht hätte", sagte Wimmer über den genialen Spielmacher Günter Netzer.

Netzers Höhepunkt war auch sein Höhepunkt. Der EM-Gewinn 1972, den es nur mit Ramba-Zamba-Fußball nicht gegeben hätte. Auch in Wembley, beim ersten deutschen Sieg in England überhaupt, musste ja einer die Drecksarbeit machen. Herbert Wimmer, das Laufwunder seiner Zeit, war sich dafür nie zu schade. Dabei war er eigentlich gelernter Rechtsaußen. Das wissen viele heute nicht mehr. Überhaupt scheint es mittlerweile Nachholbedarf zu geben in der Causa "Hacki" Wimmer.

Kein Verkäufer in eigener Sache

Eine Sonntagszeitung hat ihn neulich in die Reihe der größten deutschen Stürmer aufgenommen. Dort wird er in einem Atemzug mit Gerd Müller und Klaus Fischer genannt. Dabei hat er in 36 Partien nur vier Tore für Deutschland geschossen – in jedem neunten Spiel eines. Die Deutsche Presseagentur hatte ihm gar 58 Europapokal-Tore angedichtet, dabei waren es nur sechs.

Immerhin haben sie ihn alle nicht vergessen, auch wenn es leichter möglich gewesen wäre als bei jenen Mitstreitern, die auch nach der Karriere stets präsent geblieben sind. Aber Wimmer war nie Bundesliga-Trainer, Manager oder TV-Experte. In dem Sohn eines Tabak-Großhändlers steckte kein Verkäufer in eigener Sache, wie es ein Beckenbauer oder Netzer bis heute sind. Sein Naturell ähnelte eher dem von Gerd Müller oder Katsche Schwarzenbeck, die erst aufblühten, wenn die Mikrofone und Kameras eingepackt waren.

All das schmälert die Verdienste des Fußballers Wimmer nicht. Mit Borussia gewann er alle fünf Meisterschaften des Vereins, er war immer dabei in der "Goldenen Zeit". Als er 1978 aufhörte, ging es bergab. Zufall, würde er gewiss sagen, doch Zweifel sind erlaubt.

Europameister 1972, Weltmeister 1974

Mit Deutschland wurde er 1972 in Brüssel Europameister. Im Finale gegen die Sowjetunion schoss er sogar ein Tor. Mit dem schwachen linken Fuß traf er zum vorentscheidenden 2:0 "und damit war das Spiel rum", erinnerte er sich gerne. Vergrößerte Fotos von dem nicht ganz unhaltbaren Aufsetzer hat er in seinem Keller in Brand bei Aachen, auch die Medaille und das Trikot seines Gegenspielers Kolotow. "Das Spiel habe ich auf Videokassette und wenn man weiß, dass es gut ausgeht, schaut man es sich gern an", sagte Wimmer dem DFB-Journal vor zwei Jahren. Aber eigentlich sei er keiner, der so gerne zurückschaue.

Dabei gibt es viel zu sehen im Rückblick auf eine Bilderbuch-Karriere. Sogar den größten Titel, den es im Fußball überhaupt zu gewinnen gibt. 1974 war er im deutschen WM-Kader, wie fast alle Europameister von 1972, aber er war von der Stammelf auf die Bank gerutscht. Nur 22 Minuten in der Vorrunde gegen Australien durfte er zunächst ran. Nach der "langen Nacht von Malente" in Folge des DDR-Spiels schien er jedoch zu den Gewinnern zu gehören. Gegen Jugoslawien stand er im Team, nach 70 Minuten war seine WM dann aber vorbei. Die verletzte Achillessehne brachte ihn um weitere Einsätze. Das Finale gegen die Holländer sah er in München auf der Tribüne, neben Günter Netzer. Weltmeister war er trotzdem, damit hatte er weniger Probleme als Kurzarbeiter Netzer ("Man beleidigt mich, wenn man mich Weltmeister nennt").

Am 31. Mai saß Wimmer gut gelaunt bei der DFB-Gala der Weltmeister in Düsseldorf am Tisch der 74er und man merkte ihm kaum an, dass es ihm nicht so gut ging. Drei Hüftoperationen sind der Preis für seine Highspeed-Karriere ("Ich war gerne das Rennpferd, das den Platz rauf und runter lief"). Das Gehen fällt ihm schwer, "aber ich lasse mich nicht unterkriegen".

Am 22. Oktober ist seine Frau Renate verstorben, nach 40 Jahren gemeinsamer Ehe. Ein Grund mehr, warum Wimmer heute nicht groß feiern wird. Aber er wird nicht alleine sein, Tochter und Sohn wohnen im selben Ort. Am Abend ist er zumindest in Gedanken bei seiner Borussia, die in Dortmund spielt. Die Heimspiele sieht Wimmer weiterhin mit Begeisterung: "Es ist wie früher, alle sind in Bewegung, es gibt keinen Schwachpunkt."

Aber einen Hacki Wimmer haben sie nicht, der bleibt einmalig.