Helmut Sandrock: "Für den DFB gibt es keine Zwischenjahre"

Sandrock: Wir haben über die Liegenschaft ein Exposé erstellen lassen, es gibt auch schon den einen oder anderen Interessenten. Als Eigentümer haben wir verschiedene Optionen, der Verkauf der Immobilie ist nur eine davon. Es gibt auch die Variante, die heutige Zentrale zu vermieten. Und denkbar ist auch, dass wir die Räumlichkeiten, zumindest teilweise, weiter selber nutzen. Als Heimat für ein Organisationskomitee – das ist durchaus vorstellbar. Die zeitlichen Abläufe lassen dies jedenfalls grundsätzlich zu. Die Entscheidung über den Zuschlag für die EM 2024 wird noch vor der Fertigstellung der Akademie getroffen. Wenn unsere Bewerbung erfolgreich sein sollte, könnte man also tatsächlich überlegen, ein Teil des Hauses auch nach 2018 weiter in Eigenregie zu nutzen.

DFB.de: Aus Sicht der Nationalmannschaft hat Oliver Bierhoff das Jahr 2015 als Zwischenjahr bezeichnet. Gilt dieser Begriff für den Verband insgesamt?

Sandrock: Was das A-Team betrifft, hat Bierhoff Recht, schon weil im Jahr 2015 nicht die Endrunde eines großen Turniers ansteht. Für den DFB insgesamt gibt es keine Zwischenjahre. Wie sehr uns die Akademie auch 2015 fordern wird, habe ich schon beschrieben, daneben gibt es viele weitere Aktivitäten, die in den kommenden Monaten viel Aufwand mit sich bringen. Das Finale der Champions League in Berlin, das DFB-Pokalfinale, der DFB-Bundestag 2016 will in 2015 schon vorbereitet sein, und, und, und. Für einige unserer Mannschaften stehen außerdem Turniere an, andere kämpfen in der Qualifikation. Es ist viel los – ausruhen können und wollen wir uns als DFB nicht.

DFB.de: Highlights sind die Frauen-WM in Kanada, die U 21-EM in Tschechien und die U 20-WM Neuseeland.

Sandrock: Ja. Und die U 17 kann sich für die EM in Bulgarien qualifizieren, die auch noch in 2015 stattfinden wird. Bei all diesen Wettbewerben haben wir hohe Ziele. Wenn eine Mannschaft des DFB bei einem Turnier antritt, muss sie den Ehrgeiz und das Selbstverständnis - nicht die Arroganz - haben, bei der Titelvergabe eine Rolle zu spielen. Silvia Neid hat das für die Frauen und die WM in Kanada genau so formuliert. Mir hat auch sehr gefallen, wie Horst Hrubesch die Aufgabe mit der U 21 von Beginn an angegangen ist. Klare Zielrichtung: "Ich will mich für die EM 2015 qualifizieren und dann möglichst die EM gewinnen". Die Ambition ist hoch - und geht noch weiter. Sollte die U 21 die EM gewinnen, wäre unser Team gleichzeitig für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro qualifiziert.

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2014 war intensiv, 2015 wird kaum anders. Der DFB hat viel bewegt, und er will viel bewegen. Die Arbeiten für die Realisierung DFB-Akademie schreiten voran, diverse Turniere bedeuten diverse Chancen auf weitere Titel. DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock blickt im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Steffen Lüdeke auf die kommenden zwölf Monate aus Sicht des DFB.

DFB.de: Frohes neues Jahr, Herr Sandrock. Das Jahr 2015 ist noch jung, Weihnachten und Silvester gerade erst vorüber. Haben Sie die Zeit nutzen können, um ein intensives Jahr 2014 endlich mal so richtig sacken zu lassen?

Helmut Sandrock: Ja, und das hat richtig gut getan. Die Weihnachtszeit war wichtig für mich, genauso aber für meine Familie. Ich habe in den vergangenen zwölf Monaten im Grunde durchgearbeitet. Die DFB-Akademie war und ist ein unglaublich herausforderndes, spannendes und auch zeitintensives Projekt. Die WM hat den gesamten DFB gefordert, nicht nur während der Zeit in Brasilien, fast noch mehr im Vorfeld. Daneben gab es mit der U 19-EM und der U 20-WM der Frauen zwei weitere Großveranstaltungen, die den DFB in Beschlag genommen haben. Hinzu kam die Umsetzung von sehr komplexen und großen IT-Projekten mit unserem Partner SAP. Alle Mitarbeiter waren extrem gefordert, nicht nur der Generalsekretär. Um Weihnachten herum habe ich deswegen versucht, mich ganz bewusst aus allem rauszuziehen, mal nicht ständig aufs Blackberry zu schauen und nicht permanent erreichbar zu sein. Mir war es wichtig, meiner Familie viel Zeit zu gönnen.

DFB.de: Ist es in Ihrer Rolle schwer, Berufs- und Privatleben in Einklang zu bringen?

Sandrock: Ja, und das gelingt nur, weil mich meine Familie so großartig unterstützt. Eine Führungsposition, egal wo, erfordert vollen Einsatz und ein hohes Zeitbudget. Die soziale Komponente ist aber auch äußerst wichtig, man muss sich wohlfühlen und sich des Rückhalts der Familie sicher sein. Ich bin sehr dankbar, dass dies bei mir der Fall ist.

DFB.de: Beim Ballon d'Or ist Deutschland als einzige Nation in allen Kategorien vertreten. Was sagt das über den Fußball in Deutschland und damit auch den DFB aus?

Sandrock: Es ist der Ausdruck jahrelanger Entwicklungsarbeit im DFB, der Bundesliga und auch des Amateurfußballs. 2014 war das erfolgreichste Jahr in der Verbandsgeschichte, das eben nicht nur durch die WM in Brasilien so außergewöhnlich war. Die WM-Titel der U 20 der Frauen und der männlichen U 19 bei der EM in Ungarn kommen ja hinzu.

DFB.de: Ausgerechnet in dieser Situation wurde vom Verband mit dem Bau der DFB-Akademie der größtmögliche Umbruch beschlossen. Warum wird ausgerechnet im Erfolg ein neuer Weg eingeschlagen?

Sandrock: Nichts ist vergänglicher als der Erfolg. Das ist ein Satz fürs Phrasenschwein, aber es ist nun einmal so. 1996 waren wir Europameister, um die Jahrtausendwende haben wir dann feststellen müssen, dass die Nationalmannschaft große Probleme bekommt und auch die Vereine bei den internationalen Wettbewerben extreme Schwierigkeiten haben. Den Fehler, zu glauben, dass wir nur den Status quo bewahren müssen, machen wir nicht wieder. Der Fußball ist global, die Entwicklung rasant und es wird überall viel Geld investiert. Wir müssen uns entwickeln, uns ständig hinterfragen und weiter verbessern. Für die Ausbildung und Entwicklung unsere Spitzenspieler und Spitzentrainer benötigen wir die bestmöglichen Bedingungen - daher ist die Errichtung einer Akademie konsequent und zukunftsweisend.

DFB.de: Die Franzosen haben Clairefontaine, die Engländer St. George's Park. Große Erfolge gab es für diese Nationen in jüngerer Vergangenheit nicht. Zeigen nicht diese Beispiele, dass Leistungszentren alleine keine Garantie für Erfolge sein können?

Sandrock: Erfolg und Misserfolg lassen sich sicher nicht nur auf das Vorhandensein einer Akademie reduzieren. Für uns ist dieser Schritt die logische und konsequente Weiterentwicklung der bisherigen Talent- und Eliteförderstrategie im Spieler- und Trainerbereich.

DFB.de: Auch die Amateurvereine haben Anteil an den Erfolgen in der Spitze. Ausdruck der Dankbarkeit gegenüber den Amateurvereinen ist die "Ehrenrunde". Der DFB schickt den WM-Pokal auf Reisen. Im Jahr 2015 haben Amateurspieler die Möglichkeit, sich wie Philipp Lahm zu fühlen und den Pokal in den Händen zu halten.

Sandrock: Ja, und auf die Realisierung dieses Projektes freuen wir uns sehr. Der Gedanke hinter der Aktion ist simpel: Die WM hat nicht der DFB alleine gewonnen, nicht die Liga, nicht irgendein Verein. Die WM hat auch der gesamte Amateurfußball gewonnen. Also ist es nur folgerichtig, diesen Erfolg für die Basis ein Stück weit erlebbar zu machen. Natürlich können wir nicht alle 25.000 Vereine besuchen, es wird deswegen über das Amateurfußball-Portal FUSSBALL.DE eine Aktion geben, über die sich Vereine als Teilnehmer der "Ehrenrunde" bewerben können. Geplant ist, dass wir etwa 60 Vereine besuchen. Über das genaue Prozedere werden wir zeitnah informieren.

DFB.de: Die "Ehrenrunde" startet bald, schon im Fluss ist ein anderes Rennen: der Architekten-Wettbewerb für die Gestaltung der DFB-Akademie. Welchen Stand gibt es hier?

Sandrock: 30 Büros sind noch im Rennen, sie wurden im Dezember mit den Auslobungsunterlagen ausgestattet. Wir müssen nun abwarten, welche Entwürfe beim Preisgericht eingehen. Auf der Jurysitzung am 9. Februar wird der Kreis der Kandidaten auf zehn reduziert. Der Wettbewerb nimmt also den vorgezeichnet Verlauf. Höhepunkt wird die Auswahl der Besten im Mai sein, dann werden wir wissen, wie die Akademie aussehen wird, wenn 2018 alles fertig ist.

DFB.de: Der Wettbewerb läuft, die Architekten sind am Zug. Ist die Annahme richtig, dass 2015 für den DFB und den Generalsekretär in Sachen DFB-Akademie ein wenig weniger Arbeit wartet?

Sandrock: Überhaupt nicht. Die Architektur ist von großer Bedeutung, das schon. Aber sie bestimmt lediglich die Hülle, nicht das was drinnen stattfindet. Vor uns liegt die Herausforderung, Fragen zur Struktur, zur Organisation, zum Management und zur Zusammenarbeit mit künftigen Partnern zu beantworten. Darüber hinaus haben wir unser Projektteam seit Beginn dieses Jahres um Winfried Nass erweitert. Er wird sein Know-how für die technische Koordination des Bauvorhabens einbringen. Generell gilt: Wir müssen etliche Entscheidungen bereits heute vorbereiten bzw. auf der Zeitschiene bis 2018 schon treffen.

DFB.de: Können Sie dafür Beispiele geben, mit welchen Fragen befassen Sie sich aktuell?

Sandrock: Da gibt es einige. Wir müssen noch final klären, welche Bereiche des DFB zukünftig in der Akademie zusammengezogen werden. Wir müssen den neu ins Auge gefassten Bereich Forschung und Entwicklung konkret definieren. Gerade dieser Bereich muss gut und professionell geplant und umgesetzt werden. Wir müssen uns darüber Klarheit verschaffen, mit welchen Dienstleistern, Firmen, Universitäten, etc. wir zukünftig im sportlichen Bereich zusammenarbeiten wollen. Es ist erkennbar, dass wir da Optimierungsbedarf haben, ganz einfach, weil in den letzten Jahren Parallelstrukturen aufgebaut wurden.

DFB.de: Die Akademie wird doch erst 2018 bezogen, sind diese Planungen nicht viel zu früh? In vier Jahren kann viel passieren.

Sandrock: Nein, wir müssen die Ampel in Richtung Akademie bereits heute auf grün stellen. Ein konkretes Beispiel ist die Fußball-Lehrer-Ausbildung - der Umzug von Hennef nach Frankfurt. Alleine hinter dieser Einzelmaßnahme steht eine Vielzahl von organisatorischen und personellen Fragestellungen, die wir frühzeitig angehen müssen. Ähnliches gilt für besondere Bereiche, wie etwa Scouting, Spielanalyse, Sportmedizin, Sportwissenschaft.

DFB.de: Diente diesem Zweck auch die Reise in die USA? Gemeinsam mit Oliver Bierhoff und Hansi Flick waren Sie in der vergangenen Woche im Head-Office von Athletes' Perfomance in Phoenix.

Sandrock: Athletes' Performance war ein wesentlicher Motor, ein erheblicher Baustein der Entwicklung der Nationalmannschaft in der vergangenen Dekade. Jürgen Klinsmann hat mit Mark Verstegen und dessen Coaches neue Ideen in der Nationalmannschaft geholt. Dies hat sich seit zehn Jahren überaus bewährt. Und Athletes' Performance ist einer der aktuellen Partner, bei dem wir uns in Bezug auf die Zukunft und die Akademie die Frage stellen, ob wir eine strategische Kooperation finden können. Wir denken darüber nach, die punktuelle Kooperation bei den Maßnahmen des A-Teams auszuweiten. Möglich ist eine dauerhafte, stationäre Lösung, von Athletes' Performance als fester Bestandteil der DFB-Akademie. Die Philosophie und das Know-how von Athletes' Performance haben sich auf höchster Ebene ausgezahlt. Es ist daher nur konsequent, wenn wir eruieren, wie wir dies in Zukunft und dauerhaft für alle Teams des DFB nutzen können. Auch im Sinne einer einheitlichen Philosophie unserer Mannschaften. Die Gespräche in Phoenix waren sehr interessant, eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen.

DFB.de: Genauso wie in Sachen Nachnutzung der Otto-Fleck-Schneise. Zuletzt wurden Überlegungen kolportiert, die Gebäude als Heimat für das mögliche Organisationskomitee der EM 2024 zu verwenden…

Sandrock: Wir haben über die Liegenschaft ein Exposé erstellen lassen, es gibt auch schon den einen oder anderen Interessenten. Als Eigentümer haben wir verschiedene Optionen, der Verkauf der Immobilie ist nur eine davon. Es gibt auch die Variante, die heutige Zentrale zu vermieten. Und denkbar ist auch, dass wir die Räumlichkeiten, zumindest teilweise, weiter selber nutzen. Als Heimat für ein Organisationskomitee – das ist durchaus vorstellbar. Die zeitlichen Abläufe lassen dies jedenfalls grundsätzlich zu. Die Entscheidung über den Zuschlag für die EM 2024 wird noch vor der Fertigstellung der Akademie getroffen. Wenn unsere Bewerbung erfolgreich sein sollte, könnte man also tatsächlich überlegen, ein Teil des Hauses auch nach 2018 weiter in Eigenregie zu nutzen.

DFB.de: Aus Sicht der Nationalmannschaft hat Oliver Bierhoff das Jahr 2015 als Zwischenjahr bezeichnet. Gilt dieser Begriff für den Verband insgesamt?

Sandrock: Was das A-Team betrifft, hat Bierhoff Recht, schon weil im Jahr 2015 nicht die Endrunde eines großen Turniers ansteht. Für den DFB insgesamt gibt es keine Zwischenjahre. Wie sehr uns die Akademie auch 2015 fordern wird, habe ich schon beschrieben, daneben gibt es viele weitere Aktivitäten, die in den kommenden Monaten viel Aufwand mit sich bringen. Das Finale der Champions League in Berlin, das DFB-Pokalfinale, der DFB-Bundestag 2016 will in 2015 schon vorbereitet sein, und, und, und. Für einige unserer Mannschaften stehen außerdem Turniere an, andere kämpfen in der Qualifikation. Es ist viel los – ausruhen können und wollen wir uns als DFB nicht.

DFB.de: Highlights sind die Frauen-WM in Kanada, die U 21-EM in Tschechien und die U 20-WM Neuseeland.

Sandrock: Ja. Und die U 17 kann sich für die EM in Bulgarien qualifizieren, die auch noch in 2015 stattfinden wird. Bei all diesen Wettbewerben haben wir hohe Ziele. Wenn eine Mannschaft des DFB bei einem Turnier antritt, muss sie den Ehrgeiz und das Selbstverständnis - nicht die Arroganz - haben, bei der Titelvergabe eine Rolle zu spielen. Silvia Neid hat das für die Frauen und die WM in Kanada genau so formuliert. Mir hat auch sehr gefallen, wie Horst Hrubesch die Aufgabe mit der U 21 von Beginn an angegangen ist. Klare Zielrichtung: "Ich will mich für die EM 2015 qualifizieren und dann möglichst die EM gewinnen". Die Ambition ist hoch - und geht noch weiter. Sollte die U 21 die EM gewinnen, wäre unser Team gleichzeitig für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro qualifiziert.