Helmut Kiessl bei der WM 74: Die längsten 45 Minuten seines Lebens

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Die WM 2014 in Brasilien läuft seit wenigen Tagen. Viele Fans fiebern beim Turnier mit. In der Erwartung auf hochklassigen Fußball, aber auch auf außergewöhnliche Erlebnisse. Vor diesem Hintergrund hatte der Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola die Fans aufgefordert, kuriose Geschichten einzureichen, die sie rund um die vielen WM-Klassiker der deutschen Nationalmannschaft erlebt haben. Im zehnten Teil der Serie durchlebt Helmut Kiessl noch einmal das Finale der WM 1974.

Immer wieder der Blick zur Stadionuhr

Wie häufig Helmut Kiessl an diesem 7. Juli 1974 auf die Uhr geschaut hat, weiß er nicht mehr. Immer wieder blickt er zur Stadionuhr. Dann schaut er auf seine eigene Uhr. „Aber die ging auch nicht anders“, erzählt er mit einem entspannten Lächeln. Erst nach einer gefühlten „Unendlichkeit“ pfiff Schiedsrichter Jack Taylor ab und Deutschland war zum zweiten Mal Weltmeister. Die Erinnerung daran ist für den 65-Jährigen auch 40 Jahre später noch sehr präsent. „Es ist so, als wäre es gestern gewesen.“

Helmut Kiessl hatte auf dieses Turnier hingefiebert. Bei der WM 1966 war er noch in der Ausbildung und die Eltern wollten den 17-Jährigen nicht nach England reisen lassen. Mexiko vier Jahre später war ihm zu weit und zu teuer. Aber 1974 sollte es dann endlich so weit sein. Die Tickets für das Turnier im eigenen Land wurden über das Deutsche Reisebüro vertrieben. Da Helmut Kiessl in Frankfurt einen großen Andrang vermutet, versucht es der Bad Vilbeler zum Verkaufsstart in einer Filiale in Bad Homburg. „Ich bin nachts um zwei Uhr hingefahren und war nicht der Erste dort.“ Die Nacht vertrieben sich die Fans mit Fachsimpeleien. Ist Netzer besser als Overath, welche Rolle spielen die Frankfurter Grabowski und Hölzenbein bei dem Turnier. Schließlich ergattert er die begehrten Karten, sein Ticket für das Finale, ein Sitzplatz auf Höhe des Sechzehn-Meter-Raums, kostet ihn 40 Mark.

Der frühe Rückstand – „ein Mordsschock“

Zuvor sieht der 25-Jährige sieben weitere Spiele der WM, darunter auch das 0:1 gegen die DDR in Hamburg. Von der „Untergangsstimmung“ auf der Heimfahrt ist zwei Wochen später keine Rede mehr. Deutschland steht im Finale. Mit seinem Bundeswehrkumpel Rainer bricht Helmut Kiessl am Freitag mit dem Auto nach München auf. Am Samstag schauen sie sich noch das Spiel um Platz drei an, das ebenfalls in München ausgetragen wird.

Am Finaltag ist dann strahlender Sonnenschein. Das war 1974, anders als 2006, keine Selbstverständlichkeit. Unvergesslich die Regenschlacht gegen Polen in Frankfurt und auch bei dem Spiel gegen Schweden in Düsseldorf gingen schwere Schauer nieder. „Die ausländischen Gäste haben schon gefragt, ob es bei uns immer regnen würde“, erinnert sich Helmut Kiessl. Am 7. Juli ist davon keine Rede mehr. Aber: „Ich habe mich noch über das schöne Wetter gefreut, da stand es schon 0:1.“ Helmut Kiessl hofft vor dem Foulelfmeter noch auf Sepp Maier, der bei dem Turnier überragend gehalten hat. „Aber dieser Neeskens hat voll drauf gehalten.“ Das frühe 0:1 war für Helmut Kiessl „ein Mordsschock“.

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„Menschenskinder, was für ein Glück“

Ob der Foulelfmeter zum Ausgleich wenig später berechtigt war, weiß Helmut Kissl zu diesem Zeitpunkt nicht. „Ich habe nur die Chance zum Ausgleich gesehen und nicht weiter drüber nachgedacht.“ Paul Breitner verwandelt sicher. „Das war ein Befreiungsschlag und ein Riesenjubel, wir waren wieder im Rennen.“ Das 2:1 noch vor der Pause wird dann über die rechte Seite eingeleitet, vor der Tribüne, wo Helmut Kiessl saß. „Ich bin mir heute noch nicht sicher, ob Bonhof schießen oder nach innen passen wollte, denn der Ball war ziemlich scharf geschossen.“ Gerd Müller war es egal. Er vollendete in unnachahmlicher Manier.

Nach einem Halbzeitbier und einer Pausenwurst begann das große Zittern. „Rinus Michels hat den niederländischen Spielern wohl ordentlich den Marsch geblasen, denn es war in der zweiten Halbzeit fast schon eine Abwehrschlacht“, erinnert sich Helmut Kiessl. In der 75. Minute schöpft er dann Hoffnung. „Da habe ich Mut gefasst und gedacht, die Viertelstunde wird doch wohl auch noch rumgehen.“ In der 80. Minute wird Bernd Hölzenbein bei einem der wenigen Entlastungsangriffe im Strafraum der Niederländer zu Fall gebracht. „Aber der Schiri wollte in dem Spiel wohl keinen dritten Elfmeter pfeifen“, glaubt er. Nachdem der Unparteiische das Spiel dann endlich abgepfiffen hat, war der Jubel grenzenlos. „Ich dachte, Menschenskinder, was für ein Glück, dass Du das miterleben darfst, im eigenen Land Weltmeister zu werden.“

50 Briefe mit Sonderstempel nach Hause geschickt

Nach dem ersten Jubel eilt Helmut Kiessl schnurstracks zum Postamt im Stadion. Dort reiht er sich in die Warteschlange der Briefmarkensammler ein, um die begehrten Sonderstempel „Deutschland, Fußball-Weltmeister“ zu erhalten. „Ich habe mir mehr als 50 Briefe nach Hause geschickt.“ Kumpel Rainer wartete derweil geduldig. Dann ging es endlich in die Münchner Innenstadt. In den Kneipen rund um den Marienplatz wird bis in die Nacht gefeiert.

Erst am Montag geht es wieder in die hessische Heimat. Auf seiner Arbeitsstelle bei den Farbwerken Höchst ist Helmut Kiessl dann am Dienstag ein gefragter Mann. Immer wieder muss er erzählen, wie das war mit dem WM-Finale live im Stadion. Auch in Brasilien wird Helmut Kiessl als Mitglied im Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola wieder mitfiebern.

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Die WM 2014 in Brasilien läuft seit wenigen Tagen. Viele Fans fiebern beim Turnier mit. In der Erwartung auf hochklassigen Fußball, aber auch auf außergewöhnliche Erlebnisse. Vor diesem Hintergrund hatte der Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola die Fans aufgefordert, kuriose Geschichten einzureichen, die sie rund um die vielen WM-Klassiker der deutschen Nationalmannschaft erlebt haben. Im zehnten Teil der Serie durchlebt Helmut Kiessl noch einmal das Finale der WM 1974.

Immer wieder der Blick zur Stadionuhr

Wie häufig Helmut Kiessl an diesem 7. Juli 1974 auf die Uhr geschaut hat, weiß er nicht mehr. Immer wieder blickt er zur Stadionuhr. Dann schaut er auf seine eigene Uhr. „Aber die ging auch nicht anders“, erzählt er mit einem entspannten Lächeln. Erst nach einer gefühlten „Unendlichkeit“ pfiff Schiedsrichter Jack Taylor ab und Deutschland war zum zweiten Mal Weltmeister. Die Erinnerung daran ist für den 65-Jährigen auch 40 Jahre später noch sehr präsent. „Es ist so, als wäre es gestern gewesen.“

Helmut Kiessl hatte auf dieses Turnier hingefiebert. Bei der WM 1966 war er noch in der Ausbildung und die Eltern wollten den 17-Jährigen nicht nach England reisen lassen. Mexiko vier Jahre später war ihm zu weit und zu teuer. Aber 1974 sollte es dann endlich so weit sein. Die Tickets für das Turnier im eigenen Land wurden über das Deutsche Reisebüro vertrieben. Da Helmut Kiessl in Frankfurt einen großen Andrang vermutet, versucht es der Bad Vilbeler zum Verkaufsstart in einer Filiale in Bad Homburg. „Ich bin nachts um zwei Uhr hingefahren und war nicht der Erste dort.“ Die Nacht vertrieben sich die Fans mit Fachsimpeleien. Ist Netzer besser als Overath, welche Rolle spielen die Frankfurter Grabowski und Hölzenbein bei dem Turnier. Schließlich ergattert er die begehrten Karten, sein Ticket für das Finale, ein Sitzplatz auf Höhe des Sechzehn-Meter-Raums, kostet ihn 40 Mark.

Der frühe Rückstand – „ein Mordsschock“

Zuvor sieht der 25-Jährige sieben weitere Spiele der WM, darunter auch das 0:1 gegen die DDR in Hamburg. Von der „Untergangsstimmung“ auf der Heimfahrt ist zwei Wochen später keine Rede mehr. Deutschland steht im Finale. Mit seinem Bundeswehrkumpel Rainer bricht Helmut Kiessl am Freitag mit dem Auto nach München auf. Am Samstag schauen sie sich noch das Spiel um Platz drei an, das ebenfalls in München ausgetragen wird.

Am Finaltag ist dann strahlender Sonnenschein. Das war 1974, anders als 2006, keine Selbstverständlichkeit. Unvergesslich die Regenschlacht gegen Polen in Frankfurt und auch bei dem Spiel gegen Schweden in Düsseldorf gingen schwere Schauer nieder. „Die ausländischen Gäste haben schon gefragt, ob es bei uns immer regnen würde“, erinnert sich Helmut Kiessl. Am 7. Juli ist davon keine Rede mehr. Aber: „Ich habe mich noch über das schöne Wetter gefreut, da stand es schon 0:1.“ Helmut Kiessl hofft vor dem Foulelfmeter noch auf Sepp Maier, der bei dem Turnier überragend gehalten hat. „Aber dieser Neeskens hat voll drauf gehalten.“ Das frühe 0:1 war für Helmut Kiessl „ein Mordsschock“.

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„Menschenskinder, was für ein Glück“

Ob der Foulelfmeter zum Ausgleich wenig später berechtigt war, weiß Helmut Kissl zu diesem Zeitpunkt nicht. „Ich habe nur die Chance zum Ausgleich gesehen und nicht weiter drüber nachgedacht.“ Paul Breitner verwandelt sicher. „Das war ein Befreiungsschlag und ein Riesenjubel, wir waren wieder im Rennen.“ Das 2:1 noch vor der Pause wird dann über die rechte Seite eingeleitet, vor der Tribüne, wo Helmut Kiessl saß. „Ich bin mir heute noch nicht sicher, ob Bonhof schießen oder nach innen passen wollte, denn der Ball war ziemlich scharf geschossen.“ Gerd Müller war es egal. Er vollendete in unnachahmlicher Manier.

Nach einem Halbzeitbier und einer Pausenwurst begann das große Zittern. „Rinus Michels hat den niederländischen Spielern wohl ordentlich den Marsch geblasen, denn es war in der zweiten Halbzeit fast schon eine Abwehrschlacht“, erinnert sich Helmut Kiessl. In der 75. Minute schöpft er dann Hoffnung. „Da habe ich Mut gefasst und gedacht, die Viertelstunde wird doch wohl auch noch rumgehen.“ In der 80. Minute wird Bernd Hölzenbein bei einem der wenigen Entlastungsangriffe im Strafraum der Niederländer zu Fall gebracht. „Aber der Schiri wollte in dem Spiel wohl keinen dritten Elfmeter pfeifen“, glaubt er. Nachdem der Unparteiische das Spiel dann endlich abgepfiffen hat, war der Jubel grenzenlos. „Ich dachte, Menschenskinder, was für ein Glück, dass Du das miterleben darfst, im eigenen Land Weltmeister zu werden.“

50 Briefe mit Sonderstempel nach Hause geschickt

Nach dem ersten Jubel eilt Helmut Kiessl schnurstracks zum Postamt im Stadion. Dort reiht er sich in die Warteschlange der Briefmarkensammler ein, um die begehrten Sonderstempel „Deutschland, Fußball-Weltmeister“ zu erhalten. „Ich habe mir mehr als 50 Briefe nach Hause geschickt.“ Kumpel Rainer wartete derweil geduldig. Dann ging es endlich in die Münchner Innenstadt. In den Kneipen rund um den Marienplatz wird bis in die Nacht gefeiert.

Erst am Montag geht es wieder in die hessische Heimat. Auf seiner Arbeitsstelle bei den Farbwerken Höchst ist Helmut Kiessl dann am Dienstag ein gefragter Mann. Immer wieder muss er erzählen, wie das war mit dem WM-Finale live im Stadion. Auch in Brasilien wird Helmut Kiessl als Mitglied im Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola wieder mitfiebern.