Helmer: "Ein Endspiel in Wembley ist das Größte"

DFB.de: Rührt das vielleicht daher, dass dort keine Vereinsmannschaft spielt?

Helmer: Das weiß ich nicht. Es kann auch sein, dass es dort so viele besondere Spiele gab. Alle Leute, Spieler wie Zuschauer, gehen dort ehrfürchtig ins Stadion. Zumindest habe ich den Eindruck.

DFB.de: Werden Sie am Samstag vor Ort sein?

Helmer: Nein, leider nicht. Ich darf am Sonntag den Doppelpass auf Sport1 moderieren. Und darauf muss ich mich ein wenig vorbereiten. Wenn ich morgens erst von London einfliegen würde, mit der Zeitumstellung, würde ich wahrscheinlich sogar den Beginn der Sendung verpassen.

[nb]


[bild1]

Borussia Dortmund gegen Bayern München, das erste rein deutsche Endspiel im wichtigsten Klubwettbewerb Europas, am Samstag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF und bei Sky) im Londoner Wembleystadion. Vor dem geschichtsträchtigen deutschen Duell in der Champions League schaut DFB.de zurück in die Fußballgeschichte.

Thomas Helmer ist dieser Tage ein begehrter Gesprächspartner. Als ehemaliger Spieler von Borussia Dortmund und Bayern München ist seine Meinung vor dem Champions League-Finale in London am kommenden Samstag gefragt. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Niels Barnhofer spricht der Europameister von 1996 über Siegchancen, Wembley und sein Verhältnis zu den beiden Klubs.

DFB.de: Herr Helmer, haben Sie gezählt, wie viele Interviews Sie dieser Tage gegeben haben?

Thomas Helmer: Nein, das habe ich irgendwann aufgegeben. Wenn ich allen Nachfragen nachkommen würde, wäre ich gut ausgelastet.

DFB.de: Welche Frage ist Ihnen denn noch nicht gestellt worden?

Helmer: Habe ich auch schon überlegt. Man merkt aber, je näher das Finale rückt, desto mehr Leute fragen einen, wie das Spiele ausgeht. Egal ob am Flughafen, beim Bäcker oder an der Tankstelle.

DFB.de: Sie arbeiten selbst als Journalist, wie würden Sie das Interview mit sich selbst aufziehen?

Helmer: Den Gedanken musste ich mir zum Glück noch nicht machen. (lacht) Aber es gibt auf beiden Seiten interessante Themen. Die Bayern haben zuletzt zweimal das Champions-League-Finale verloren. Da stellt sich die Frage, warum das diesmal nicht passieren wird. Und der BVB wird sich auch nicht mit dem zweiten Platz zufriedengeben. Es gibt schließlich nichts Schlimmeres, als ein Endspiel zu verlieren.

DFB.de: Wie stufen Sie den Titel Champions-League-Sieger ein?

Helmer: Das ist relativ einfach: Für einen Profifußballer ist das auf Vereinsebene das Größte, was er erreichen kann.

DFB.de: Sie sind Europameister, Deutscher Meister, UEFA-Cup-Sieger und DFB-Pokal-Sieger geworden. Wie sehr wurmt es sie, dass Sie in Ihrer Karriere die Champions League nie gewinnen konnten?

Helmer: Das ist halt so. Ich bin nicht jemand, der dem Nicht-Erlebten hinterher weint. Ich war ja auch nie in einem WM-Finale oder Halbfinale. Man darf nicht undankbar sein. Ich glaube, ich durfte schon eine Menge in meiner Karriere erleben.

DFB.de: Denken Sie dennoch an das Endspiel von Barcelona 1999 zurück?

Helmer: Ich weniger - ich habe ja damals nicht gespielt. Ich habe im ersten Spiel der Champions-League-Saison in Bröndby ein Eigentor gemacht, und laut Aussage von Ottmar Hitzfeld war ich auch am zweiten Gegentor beteiligt. Wir haben das Spiel 1:2 verloren. Ottmar Hitzfeld ist ein wenig abergläubisch, er hat mich danach nie wieder von Anfang spielen lassen. Ich wusste dann, dass meine Champions-League-Zeit unter ihm beendet ist. Aber da ist nichts hängengeblieben. Ottmar Hitzfeld und ich haben heute ein sehr gutes Verhältnis.

DFB.de: Weinen Sie dem Titel trotzdem noch eine Träne nach?

Helmer: Die Niederlage gegen Manchester United war für mich genauso schockierend wie für alle anderen. Ich war zu der Zeit Kapitän, deswegen sage ich immer noch, dass das "meine Jungs" waren. Sie hatten super gespielt - bis auf die letzten Sekunden. Das hat es so bitter gemacht.

DFB.de: Wären Sie mit Borussia Dortmund 1997 Champions League-Sieger geworden, wenn Sie länger geblieben wären?

Helmer: Wie sagt mein Freund Peter Neururer immer: "Das Leben ist kein Konjunktiv." Ich fand das so, wie meine Karriere verlaufen ist, völlig in Ordnung. Das war genau richtig für meine persönliche Entwicklung. Dortmund war zu meiner Zeit noch nicht so erfolgreich, das kam ja erst Mitte der 90er. Diese Phase des Aufbaus war für mich als junger Spieler genau richtig, so konnte ich immer spielen. Der Pokalsieg war dann die Krönung.

DFB.de: Welche Verbindung haben Sie zu den Vereinen?

[bild2]

Helmer: Einer meiner besten Freunde bei Borussia Dortmund ist Stadionsprecher Norbert Dickel. Er ist Patenonkel meines Sohnes. Insofern habe ich dorthin eine sehr persönliche Beziehung. Auch zu Michael Zorc oder Hans-Joachim Watzke, wenn ich die anrufe, ist das immer sehr angenehm, sehr entspannt, das hat fast schon freundschaftlichen Charakter.

DFB.de: Wie ist das bei den Bayern?

Helmer: Dadurch, dass ich in Hamburg lebe, ist die räumliche Distanz schon groß geworden. Aber ich spiele ab und zu noch in der Bayern-Traditionsmannschaft. Das ist ziemlich gut organisiert. Vor gar nicht allzu langer Zeit haben wir zum Beispiel bei Real Madrid vor rund 70.000 Zuschauern gespielt. Wenn es meine Zeit erlaubt, kicke ich da gerne mit. Zu diesen Gelegenheiten trifft man natürlich viele Weggefährten wieder. Das ist immer sehr schön.

DFB.de: Beim Thema Vergangenheit: Was bedeutet Ihnen das Aufeinandertreffen der beiden Klubs im Endspiel der Champions League?

Helmer: Das hat für mich sicherlich nicht den Stellenwert wie für die Jungs, die unten auf dem Rasen stehen und die Verantwortlichen. Da habe ich mittlerweile doch eine gewisse Distanz.

DFB.de: Wie sehr sind Sie von dieser Endspielpaarung überrascht?

Helmer: Nicht besonders!

DFB.de: Haben Sie auch die Borussia dort erwartet?

Helmer: Ich habe vor der Saison gesagt, dass sie eine sehr gute Rolle spielen können und zu den Geheimfavoriten zählen. Sie hatten eine schwierige Gruppe am Anfang. Aber man hat die Entwicklung des Teams auch in der Bundesliga gesehen. Das direkte Spiel nach vorne nach Ballgewinn - so gut können das auch in Europa nicht viele Mannschaften.

DFB.de: Wie haben Sie die Bayern zu Saisonbeginn bewertet?

Helmer: Mit diesem Kader habe ich sie sofort höher angesiedelt. Mit den Neuverpflichtungen haben sie ihre Hausaufgaben sehr gut erfüllt. Sie haben das Team dort verstärkt, wo es notwendig war. Sie haben noch einmal mehr Konkurrenzkampf aufgebaut. Und man sieht, was dabei herausgekommen ist. Man muss wirklich sagen, dass das beeindruckend ist.

DFB.de: Und wer gewinnt nun am Ende?

Helmer: Ja, wenn wir das alle wüssten, bräuchten wir am Samstag das Spiel nicht mehr anschauen. (lacht) Ganz nüchtern betrachtet, sehe ich Vorteile bei Bayern. Weil ich das Gefühl habe, dass ihre Defensive stabiler steht. Für Dortmund spricht das psychologische Moment - dass sie wissen, wie sie die Bayern schlagen können.

DFB.de: Aber das haben Sie diese Saison auch noch nicht geschafft.

Helmer: Sie wissen zumindest, wie es geht. Ob sie es umsetzen können, das ist die spannende Frage. Auch ob die Bayern es in der momentanen Verfassung zulassen. Sie sind einfach wahnsinnig stark.

DFB.de: Können sich die Bayern diese Saison tatsächlich noch versauen?

Helmer: Ich glaube, es wäre für sie eine herbe Enttäuschung, wenn sie das Champions-League-Finale verlieren würden. Aber es wäre zu drastisch, dann, nach einer solchen Saison, alles negativ zu sehen. Es ist einfach auch mal drin, ein Spiel zu verlieren.

DFB.de: Sie haben 1996 die Europameisterschaft in Wembley gewonnen. Erhöht dieser Spielort einen Titel noch mal?

Helmer: Ja, wenn man so will, ist das noch mal das I-Tüpfelchen.

DFB.de: Wie war das für Sie, in Wembley zu spielen?

Helmer: Ich habe immer davon geträumt, dort spielen zu dürfen. Tatsächlich durfte ich dann zweimal in Wembley spielen, ich habe auch noch das alte Stadion erlebt. Ich kann allerdings nicht erklären, was den Mythos Wembley ausmacht. Man muss da einfach mal gemacht haben. Für mich war es mit das Größte, in dieser Arena spielen zu dürfen.

DFB.de: Rührt das vielleicht daher, dass dort keine Vereinsmannschaft spielt?

Helmer: Das weiß ich nicht. Es kann auch sein, dass es dort so viele besondere Spiele gab. Alle Leute, Spieler wie Zuschauer, gehen dort ehrfürchtig ins Stadion. Zumindest habe ich den Eindruck.

DFB.de: Werden Sie am Samstag vor Ort sein?

Helmer: Nein, leider nicht. Ich darf am Sonntag den Doppelpass auf Sport1 moderieren. Und darauf muss ich mich ein wenig vorbereiten. Wenn ich morgens erst von London einfliegen würde, mit der Zeitumstellung, würde ich wahrscheinlich sogar den Beginn der Sendung verpassen.