Heiko Westermann - ein Aufsteiger des Jahres 2008

Im Schalker Vereinsmuseum gibt es ebenfalls nur Fußball, nichts als Fußball. Heiko Westermann geht über den blauen Teppich, hält vor der Vitrine mit der Kopie der Meisterschale inne. Was er wohl geworden wäre, wenn er es nicht zum Fußballprofi gebracht hätte. Die Antwort kommt, ohne zu zögern: „Dann wäre ich Architekt geworden. Ich hatte schon meine Ausbildungsstelle als Bauzeichner, wollte es dann aber doch erst mal mit dem Fußball versuchen. Und das hat ja auch grandios hingehauen.“

Der Architekt Westermann: Luftschlösser hätte dieser Mann garantiert nicht gebaut.

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Fleißig, ehrgeizig und erfolgreich: Das sind Attribute, die auf Heiko Westermann zutreffen und ihn zu einem Aufsteiger des Jahres 2008 machen. Denn der Abwehrspieler vom FC Schalke 04 startete in Verein und Nationalmannschaft so richtig durch.

Westermann arbeitet mit besonderen Methoden daran, ständig seine Leistung zu verbessern. Und Fleiß setzt sich offenbar durch: In allen Länderspielen dieser Saison zählte der 25-Jährige zur Startformation der Nationalmannschaft. Ein sympathischer Aufsteiger.

Manfred Hendriock, viele Jahre für die „Westfälische Rundschau“ der Berichterstatter über Schalke 04 und die Nationalmannschaft, traf Heiko Westermann an einem besonderen Ort: im Schalker Vereinsmuseum.

Es sind nur acht Schritte über den dunkelblau gemusterten Teppich, vielleicht zehn, und dann steht man unter lauter Schalker Legenden. Ernst Kuzorra, Norbert Nigbur, Marc Wilmots, und wie sie alle heißen, die Spieler der Schalker Jahrhundertelf. Alle sind hier auf großen Fotofiguren aus Pappe nachgebildet. Heiko Westermann nimmt den Pappkameraden Olaf Thon in den Arm und erlaubt sich einen Spaß: „Noch gehöre ich ja nicht in diese Mannschaft.“

Das Vereinsmuseum des FC Schalke 04 befindet sich in der Osttribüne der Arena. Hier wird alles aus 104 Schalker Jahren dokumentiert. Kopien von Meisterschale und Pokalen, eine alte Torjägerkanone von Klaus Fischer. Man schreitet über einen blauen Teppich und hört im Hintergrund gedämpfte Musik. Es ist schön hier abseits der Hektik, wenn kein Spiel in der Arena stattfindet.

Heiko Westermann mag es dort, „wo es ruhig ist“. Später, nach der Fußball-Karriere, möchte er in Bayern leben – in der Nähe von Seen und Bergen. Auch heute verbringt er die Freizeit gerne in der Natur. „Ich versuche, ein bisschen Golf zu spielen oder mit dem Hund spazieren zu gehen“, erzählt er. Bei beidem kann er abschalten. In der Ruhe liegt für Heiko Westermann die Kraft.

Der 25-Jährige ist ein bodenständiger Mensch. Marotten, Ecken und Kanten findet man bei ihm nicht. Als er in dieser Saison in roten Fußballschuhen auflief und sich damit farblich von den anderen abhob, erklärte er ganz lapidar: „Die Schuhe standen in der Kabine auf meinem Platz, und weil sie mir passten, habe ich sie halt angezogen.“

Weil er damit für einen vorwiegend in der Defensive eingesetzten Spieler beachtlich viele Tore erzielte, wurden die roten Schuhe plötzlich zu einem Thema. Heiko Westermann verfolgte es ruhig, gelassen und schmunzelnd. Ob er die Schuhe jetzt auch aus Aberglaube trägt? „Aber nein“, sagt er und erklärt: „In dem Material fühle ich mich einfach wohl.“

Heiko Westermann macht nicht viel Aufhebens um Besonderheiten. Er braucht keinen Jahrmarkt der Eitelkeiten, um aufzufallen. Das macht er schon mit starken Leistungen auf dem Platz. Dabei ist er so erfrischend normal geblieben. Und dazu zählt für den Verteidiger, der bei der SpVgg Greuther Fürth den Sprung in den Profifußball schaffte und über Arminia Bielefeld im Sommer 2007 zu Schalke 04 kam, auch der ständige Ehrgeiz, sich zu verbessern.

Neben Zusatzeinheiten im Training zur Steigerung von Schnelligkeit oder Sprungkraft sowie einer gesunden Ernährung hat Westermann ein Steckenpferd: Seit fast zwei Jahren arbeitet er mit einem Kinesiologen zusammen. Und diese, so Westermann, „verrückte Geschichte“, ist es wert, erzählt zu werden.

Zu seiner Bielefelder Zeit litt er an einer starken Pollenallergie. Auf Anraten der beiden früheren Arminia-Profis Andreas Ellguth und Efthimios Kompodietas stellte Heiko Westermann seine Ernährung um, verzichtete auf alle Milchprodukte, und fand dadurch Linderung. Da Kompodietas ein eigenes Fitnessstudio besitzt, habe man sich danach „Gedanken gemacht, was man sonst noch verbessern kann“. Man kam auf die Bewegungslehre. Seither absolviert Westermann mit seinem Kinesiologen in einem Privat-Training regelmäßig Übungen zur Verbesserung der Reaktions- und Handlungsschnelligkeit.

Übungen zum Beispiel, bei denen er mit Bällen jongliert, dabei zugleich in die Höhe springt und den Körper dreht. „Du machst drei Dinge auf einmal, und dabei wirkt viel Stress auf dich“, erklärt Heiko Westermann. Dies soll ihn darin schulen, auf dem Fußballplatz in Stress- Situationen richtig zu handeln. „Das Wichtigste ist, dass die Reaktionszeit schneller wird. Im internationalen Bereich kommt es auf Zehntelsekunden an. Da kann es nicht schaden, wenn du einen Schritt schneller bist als der andere“, sagt er.

Durch derartige Zusatzmaßnahmen hat sich Westermann den Ruf eines ehrgeizigen und zielstrebigen Spielers erworben. „Ich lebe halt so, dass ich meine Leistung abrufen kann, das gehört für mich dazu“, sagt Westermann.

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In der Nationalmannschaft hat sich der 1,90 Meter große und 87 Kilo schwere Profi in dieser Saison etabliert. In allen Länderspielen setzte ihn Bundestrainer Joachim Löw von Beginn an ein. Fast ein wenig kurios: In der Nationalmannschaft kam Westermann schneller auf seiner Wunschposition im Zentrum der Abwehr zum Zug als in seinem Verein. Bei Schalke half er auf Grund seiner enormen Vielseitigkeit häufig auf beiden Außenbahnen aus und wurde sogar im Mittelfeld eingesetzt.

Während er die Außenverteidigerposition nur als Notlösung ansieht, kann er sich mit der offensiveren Rolle im Mittelfeld sogar anfreunden. „Ich denke, dass ich im Zentrum am besten aufgehoben bin. Ob im Mittelfeld oder als Innenverteidiger, muss der Trainer wissen“, erklärt Westermann. Joachim Löw hat seine Entscheidung diesbezüglich getroffen: „Er hat immer zu mir gesagt, dass er mich als Innenverteidiger sieht.“

Die Vielseitigkeit rührt bei Westermann von seiner Vergangenheit. Bis zur A-Jugend wurde er als Spielmacher oder sogar Angreifer eingesetzt – so ist auch seine große Torgefahr zu erklären. Bereits im Alter von dreieinhalb Jahren spielte er im Verein, und auch sonst verbrachte er jede freie Minute auf dem Fußballplatz. „Meine Mutter musste schon morgens um sieben Uhr mit mir raus auf den Hof, weil ich immer nur Fußball spielen wollte“, erzählt Westermann, der heute selbst verheiratet und Vater einer kleinen Tochter ist.

Im Schalker Vereinsmuseum gibt es ebenfalls nur Fußball, nichts als Fußball. Heiko Westermann geht über den blauen Teppich, hält vor der Vitrine mit der Kopie der Meisterschale inne. Was er wohl geworden wäre, wenn er es nicht zum Fußballprofi gebracht hätte. Die Antwort kommt, ohne zu zögern: „Dann wäre ich Architekt geworden. Ich hatte schon meine Ausbildungsstelle als Bauzeichner, wollte es dann aber doch erst mal mit dem Fußball versuchen. Und das hat ja auch grandios hingehauen.“

Der Architekt Westermann: Luftschlösser hätte dieser Mann garantiert nicht gebaut.