Heidel: "Wir haben unsere Seele nicht verkauft"

34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Vor dem 18. Spieltag mit dem Gastspiel beim VfB Stuttgart am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) erinnert sich Christian Heidel, Manager des 1. FSV Mainz 05, an die erste Bundesligabegegnung seines Klubs vor rund zehn Jahren - eben in Stuttgart. Ein Erlebnisbericht von Christian Heidel.

"Wenn die alle so gut sind, holen wir gar keinen Punkt"

An den 8. August 2004 kann ich mich noch sehr gut erinnern. Es war für alle Mainzer ein ganz besonderer Tag, und erst als wir in dieses große Gottlieb-Daimler-Stadion gekommen sind, haben wir wirklich verinnerlicht, in der Bundesliga zu sein. Und nach 30 Minuten noch mehr. Die Stuttgarter haben uns regelrecht überrollt und schnell mit 2:0 geführt. Ich sagte zu Teammanager Axel Schuster, der neben mir auf der Bank saß: "Wenn die alle so gut sind, holen wir gar keinen Punkt."

In Stuttgart haben wir jedenfalls keinen geholt und 2:4 verloren, uns sind immerhin zwei Freistoßtore gelungen. Die Mannschaft kriege ich nicht mehr ganz zusammen. Nach dem Spiel habe ich der Presse gesagt: "Es ist klar, dass wir ab und zu noch Lehrgeld zahlen müssen." Damals glaubte sicher kein Mainzer, dass wir von den folgenden zehn Jahren acht in der Bundesliga verbringen würden. Unsere Fans, in Stuttgart waren 10.000 dabei, waren auch so glücklich und haben gefeiert, als wenn wir gewonnen hätten

Friedrich, Schürrle und Holtby: Nationalspieler aus Mainz

Der Zusammenhalt hat uns schon damals ausgezeichnet, und so ist es immer noch. Der Vorstand ist noch derselbe wie 2004, es gab nur noch einen Zugang, aber keine Abgänge. Die Betreuer, der Pressesprecher - alle sind noch da. Natürlich gilt das nicht für die Spieler, nur Nikolce Noveski, der heute unser Rekordspieler ist, war damals im Kader. Heute haben wir auch mehr Qualität im Kader. Damals konnten wir uns nicht vorstellen, mal deutsche Nationalspieler zu haben.

Doch nach Manuel Friedrich, der 2004 dabei war, kamen Andre Schürrle und Lewis Holtby hinzu. Das spricht auch für die Qualität unseres Nachwuchsleistungszentrums und unserer Trainer. Damals sind wir mit einem Etat von 30 Millionen Euro in die Saison gegangen, heute haben wir 72 Millionen und können sagen, dass wir uns in der Bundesliga etabliert haben.

"Abstieg hat uns nicht aus der Bahn geworfen"

Auch der Abstieg nach drei Jahren hat uns nicht aus der Bahn geworfen. Ohne mich jetzt allzu stark selbst loben zu wollen, muss ich sagen: Es war unser großes Plus war, dass wir uns auf diesen Abstieg vorbereitet hatten. Wir standen vor der Wahl, alles zu versuchen, um drinzubleiben, oder finanziell gut aufgestellt in die 2. Bundesliga zu gehen. Wir haben Letzteres getan und nicht wie verrückt investiert.

Dadurch konnten wir nach zwei Jahren zurückkehren. Nun ohne Jürgen Klopp, den ich einfach in die Bundesliga gehen lassen musste, als der direkte Wiederaufstieg misslang. Das war mein Angebot an ihn vor der Saison, und dann ging er eben nach Dortmund. Mir war zwar klar, dass alle Welt nun sagen würde: "Ohne Klopp sind die Mainzer fertig", aber es kam anders. Mit Jörn Andersen stiegen wir 2009 auf, dann haben wir uns für Thomas Tuchel entschieden.

Bis heute haben wir in der Bundesliga noch keinen Trainer entlassen - weil wir immer überzeugt waren, dass der jeweilige der beste Trainer für Mainz war und ist. Diese Form von Kontinuität zeichnet Mainz 05 aus, es ist unsere große Stärke, dass der Verein für jeden berechenbar ist. Es gibt wohl nirgends kürzere Entscheidungswege als bei uns. Das war 2004 so, und so ist es noch heute.

"Heute haben wir uns etabliert"

Natürlich hat sich trotzdem einiges geändert. Meinen Job kann ich nicht mehr ehrenamtlich machen, niemand kann das in der Bundesliga. Für die Pressearbeit mussten wir zwei Leute einstellen. Als wir im September 2005 im Europapokal, den wir über die Fairplay-Wertung erreicht hatten, nach Frankfurt ausweichen mussten und gegen Sevilla 35.000 Zuschauer hatten, dachte ich mir: Vielleicht kommen die auch nach Mainz. In das alte Bruchwegstadion gingen nicht so viele rein. So war die Idee für ein neues Stadion geboren.

Damit haben wir uns weit vorgewagt, und der Verein wurde dadurch komplett gut aufgestellt. Heute kommen zu uns Spieler wie jetzt Südkoreas Nationalmannschaftskapitän Ja-Cheol Koo, die sehen, dass Mainz als Karrieresprungbrett taugt. All das hatten wir uns im August 2004 noch nicht träumen lassen. Damals war uns allen klar, dass wir uns mit der Infrastruktur nicht lange in der Liga halten können. Heute haben wir uns etabliert - und doch unsere Seele nicht verkauft.

Christian Heidel (50) ist seit April 1991 Manager bei Mainz 05.

Das meinen DFB.de-User:

"Ein wunderschöner Artikel, er macht mich so stolz, Mainz-Fan zu sein! Nie mehr zweite Liga!" (David Löhnert)

"Wie gerne erinnere ich mich an diesen extrem heißen Sonntag vor zehn Jahren zurück, und wie herrlich unbeschwert war die gesamte Saison! Wir hatten nichts zu verlieren und jedes Spiel, jeder Spielzug, jedes Tor, jeder Punkt war ein Genuss und das Sahnehäubchen auf die unglaubliche Entwicklung dieses Vereins. Auch wenn die Ansprüche steigen, müssen wir uns bewusst machen, wo wir '05er' herkommen und jedes Spiel in der Bundesliga genießen! (Daniel Wessinghage)

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34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Vor dem 18. Spieltag mit dem Gastspiel beim VfB Stuttgart am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) erinnert sich Christian Heidel, Manager des 1. FSV Mainz 05, an die erste Bundesligabegegnung seines Klubs vor rund zehn Jahren - eben in Stuttgart. Ein Erlebnisbericht von Christian Heidel.

"Wenn die alle so gut sind, holen wir gar keinen Punkt"

An den 8. August 2004 kann ich mich noch sehr gut erinnern. Es war für alle Mainzer ein ganz besonderer Tag, und erst als wir in dieses große Gottlieb-Daimler-Stadion gekommen sind, haben wir wirklich verinnerlicht, in der Bundesliga zu sein. Und nach 30 Minuten noch mehr. Die Stuttgarter haben uns regelrecht überrollt und schnell mit 2:0 geführt. Ich sagte zu Teammanager Axel Schuster, der neben mir auf der Bank saß: "Wenn die alle so gut sind, holen wir gar keinen Punkt."

In Stuttgart haben wir jedenfalls keinen geholt und 2:4 verloren, uns sind immerhin zwei Freistoßtore gelungen. Die Mannschaft kriege ich nicht mehr ganz zusammen. Nach dem Spiel habe ich der Presse gesagt: "Es ist klar, dass wir ab und zu noch Lehrgeld zahlen müssen." Damals glaubte sicher kein Mainzer, dass wir von den folgenden zehn Jahren acht in der Bundesliga verbringen würden. Unsere Fans, in Stuttgart waren 10.000 dabei, waren auch so glücklich und haben gefeiert, als wenn wir gewonnen hätten

Friedrich, Schürrle und Holtby: Nationalspieler aus Mainz

Der Zusammenhalt hat uns schon damals ausgezeichnet, und so ist es immer noch. Der Vorstand ist noch derselbe wie 2004, es gab nur noch einen Zugang, aber keine Abgänge. Die Betreuer, der Pressesprecher - alle sind noch da. Natürlich gilt das nicht für die Spieler, nur Nikolce Noveski, der heute unser Rekordspieler ist, war damals im Kader. Heute haben wir auch mehr Qualität im Kader. Damals konnten wir uns nicht vorstellen, mal deutsche Nationalspieler zu haben.

Doch nach Manuel Friedrich, der 2004 dabei war, kamen Andre Schürrle und Lewis Holtby hinzu. Das spricht auch für die Qualität unseres Nachwuchsleistungszentrums und unserer Trainer. Damals sind wir mit einem Etat von 30 Millionen Euro in die Saison gegangen, heute haben wir 72 Millionen und können sagen, dass wir uns in der Bundesliga etabliert haben.

"Abstieg hat uns nicht aus der Bahn geworfen"

Auch der Abstieg nach drei Jahren hat uns nicht aus der Bahn geworfen. Ohne mich jetzt allzu stark selbst loben zu wollen, muss ich sagen: Es war unser großes Plus war, dass wir uns auf diesen Abstieg vorbereitet hatten. Wir standen vor der Wahl, alles zu versuchen, um drinzubleiben, oder finanziell gut aufgestellt in die 2. Bundesliga zu gehen. Wir haben Letzteres getan und nicht wie verrückt investiert.

Dadurch konnten wir nach zwei Jahren zurückkehren. Nun ohne Jürgen Klopp, den ich einfach in die Bundesliga gehen lassen musste, als der direkte Wiederaufstieg misslang. Das war mein Angebot an ihn vor der Saison, und dann ging er eben nach Dortmund. Mir war zwar klar, dass alle Welt nun sagen würde: "Ohne Klopp sind die Mainzer fertig", aber es kam anders. Mit Jörn Andersen stiegen wir 2009 auf, dann haben wir uns für Thomas Tuchel entschieden.

Bis heute haben wir in der Bundesliga noch keinen Trainer entlassen - weil wir immer überzeugt waren, dass der jeweilige der beste Trainer für Mainz war und ist. Diese Form von Kontinuität zeichnet Mainz 05 aus, es ist unsere große Stärke, dass der Verein für jeden berechenbar ist. Es gibt wohl nirgends kürzere Entscheidungswege als bei uns. Das war 2004 so, und so ist es noch heute.

"Heute haben wir uns etabliert"

Natürlich hat sich trotzdem einiges geändert. Meinen Job kann ich nicht mehr ehrenamtlich machen, niemand kann das in der Bundesliga. Für die Pressearbeit mussten wir zwei Leute einstellen. Als wir im September 2005 im Europapokal, den wir über die Fairplay-Wertung erreicht hatten, nach Frankfurt ausweichen mussten und gegen Sevilla 35.000 Zuschauer hatten, dachte ich mir: Vielleicht kommen die auch nach Mainz. In das alte Bruchwegstadion gingen nicht so viele rein. So war die Idee für ein neues Stadion geboren.

Damit haben wir uns weit vorgewagt, und der Verein wurde dadurch komplett gut aufgestellt. Heute kommen zu uns Spieler wie jetzt Südkoreas Nationalmannschaftskapitän Ja-Cheol Koo, die sehen, dass Mainz als Karrieresprungbrett taugt. All das hatten wir uns im August 2004 noch nicht träumen lassen. Damals war uns allen klar, dass wir uns mit der Infrastruktur nicht lange in der Liga halten können. Heute haben wir uns etabliert - und doch unsere Seele nicht verkauft.

Christian Heidel (50) ist seit April 1991 Manager bei Mainz 05.

Das meinen DFB.de-User:

"Ein wunderschöner Artikel, er macht mich so stolz, Mainz-Fan zu sein! Nie mehr zweite Liga!" (David Löhnert)

"Wie gerne erinnere ich mich an diesen extrem heißen Sonntag vor zehn Jahren zurück, und wie herrlich unbeschwert war die gesamte Saison! Wir hatten nichts zu verlieren und jedes Spiel, jeder Spielzug, jedes Tor, jeder Punkt war ein Genuss und das Sahnehäubchen auf die unglaubliche Entwicklung dieses Vereins. Auch wenn die Ansprüche steigen, müssen wir uns bewusst machen, wo wir '05er' herkommen und jedes Spiel in der Bundesliga genießen! (Daniel Wessinghage)