Hannelore Ratzeburg: "Wir wollen uns hinterfragen"

Ratzeburg: Sehr. Und zwar in seiner gesamten Bandbreite. Es geht dabei nicht nur um die Auswirkungen auf den Sport. Fußball zu spielen oder im Fußball aktiv zu sein, trägt zum Persönlichkeitsprofil bei. Die Spielerin, die Trainerin, die Managerin, die Vorsitzende - alle müssen den Fußball in ihr Berufs- und Familienleben integrieren. Das heißt, sie müssen sich sehr gut organisieren. Mit anderen Worten: Sie geben sich eine Struktur. Diese Denk- und Handlungsweise drückt sich dann auch positiv in anderen Lebensbereichen aus. Insofern erlangt die Nachhaltigkeit eine gesellschaftsrelevante Dimension. Die ehemalige Box-Weltmeisterin Regina Halmich hat mir einmal gesagt: Hättet ihr Frauen nicht angefangen Fußball zu spielen, würden wir heute nicht boxen. Ich denke, Frauen werden heute auch dank des Sports anders wahrgenommen.

DFB.de: Der Kongress ist prominent besetzt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus dem Sport, der Politik, der Wissenschaft. Aus welchem Grund ist man so breit aufgestellt?

Ratzeburg: Das ist das Ergebnis der Vorbereitung auf den Kongress. Der Impuls für diese Tagung kam vom Fußball-Verband Rheinland und dem Land Rheinland-Pfalz. In der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Instanzen haben sich verschiedene Perspektiven ergeben, die zu einem Programm mit vielen unterschiedlichen Aspekten zusammengeflossen sind. Der Bogen, den wir spannen, ist riesengroß. Aber wir haben interessante Teilnehmerinnen und Teilnehmer, von denen ich spannende Referate erwarte. Diese werden die Grundlage für Diskussionsrunden und Workshops sein. Ich bin sehr gespannt auf den Kongress.

DFB.de: Welche Ergebnisse erwarten Sie von dem Kongress?

Ratzeburg: Ich hoffe, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehen motiviert und mit neuen Elan an ihre Wirkungsstellen zurück und versuchen, die gewonnenen Erkenntnisse umzusetzen. Natürlich werden wir weiterhin versuchen, mehr Frauen und Mädchen zum Fußball zu bringen. Ich erhoffe mir in Zukunft eine noch größere Bereitschaft in den Vereinen zur Öffnung zum Frauen- und Mädchenfußball. Ich wünsche mir, dass die Potenziale der Frauen noch stärker genutzt werden. Und zwar im Sinne von beidseitigem Nutzen, nämlich dass die Vereine und Verbände etwas davon haben - aber auch die Frauen.

[nb]


[bild1]

Wichtige Tage stehen an für den Frauenfußball - ganz abseits des Spielfeldes. In der Mainzer Rheingoldhalle veranstaltet der Deutsche Fußball-Bund (DFB) vom 26. bis 28. August den Frauen- und Mädchenfußball-Kongress 2010.

Natürlich wird auch Hannelore Ratzeburg mit von der Partie sein. Die DFB-Vizepräsidentin ist seit Jahrzehnten die treibende Kraft im deutschen Frauenfußball. Ihre Meinung und ihr Wissen dürfen nicht fehlen, wenn in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt der Blick in die Zukunft geworfen wird.

Im DFB.de-Gespräch der Woche spricht Hannelore Ratzeburg mit Redakteur Niels Barnhofer über ihre Erwartungen für den Kongress.

DFB.de: Hannelore Ratzeburg, beim Kongress in Mainz geht es um die Möglichkeiten, die die beiden Weltmeisterschaft 2010 und 2011 für die Entwicklung des Frauen- und Mädchenfußballs in Deutschland bieten. Welche Chancen sehen Sie persönlich in diesen beiden Turnieren?

Hannelore Ratzeburg: Bei der U 20-Weltmeisterschaft im vergangenen Monat war ich sehr überrascht von dem großen Zuschauerzuspruch. So viele Menschen zu erreichen, mit Nachwuchsfußball und dann auch noch mit dem weiblichen, ist nicht üblich. Für mich ist das ein Zeichen dafür, dass die Leute neugierig auf die Leistungsfähigkeit der Spielerinnen sind. Und das selbst an Orten, an denen die deutsche Mannschaft nicht gespielt hat. In Dresden kamen über 21.000 Zuschauer zu einem Spiel ohne DFB-Beteiligung. Solche Hinweise stimmen mich zuversichtlich. Ich glaube, der Frauenfußball ist angekommen, er ist als Sport und Veranstaltung akzeptiert.

DFB.de: Zu einer Veranstaltung wie diesem Kongress gehört auch immer eine Bestandsaufnahme. Wo sehen Sie den Frauenfußball in Deutschland derzeit?

Ratzeburg: Es geht immer voran. Wir verzeichnen große Zuwachsraten. Aber darauf wollen wir uns nicht ausruhen. Mit diesem Kongress wollen wir uns hinterfragen. Auch in grundsätzlichen Dingen. Etwa: Gehen wir noch von den richtigen Voraussetzungen aus? Bieten wir das an, was die Frauen und Mädchen auch tatsächlich wollen? Wie haben sich die Bedürfnisse verändert? Am vergangenen Wochenende fand zum Beispiel zum zweiten Mal die Norddeutsche Meisterschaft der Ü 35-Frauen statt. Die Spielerinnen waren total begeistert. Der Tenor lautete: Endlich mal gegen Gleichaltrige spielen.

DFB.de: Und weiter?

Ratzeburg: Auch im Nachwuchsbereich gilt es, Differenzierungen vorzunehmen. Wie können wir die Talentförderung für die leistungsstarken Mädchen verbessern? Ist das von uns organisierten Breitenfußball-Angebot noch zeitgemäß? Oder: Wie ist die Infrastruktur in den Vereinen weiterzuentwickeln? Ich war kürzlich in meinem alten Verein. Außer, dass der Boden neu gemacht und die Duschköpfe erneuert wurden, war alles wie früher. So ganz einladend ist das nicht. Natürlich muss man so etwas auch vor dem Hintergrund der Sparmaßnahmen in den Kommunen sehen. Aber aus diesem Grund haben wir ja einige Politiker beim Kongress dabei.

DFB.de: Wie bewerten Sie den Ist-Zustand im deutschen Frauenfußball?

Ratzeburg: Wir bemühen uns um Angebote auf allen Ebenen. Aber vor allen Dingen sportlich sind wir auf einem sehr guten Weg. Mit der Frauen-Nationalmannschaft sind wir akzueller Welt- und Europameister. Unsere U 20-Frauen haben gerade die WM gewonnen. Die U 17-Juniorinnen nehmen im September an der Weltmeisterschaft teil. Das sind alles Leuchttürme, die den nachrückenden Generationen ein erstrebenswertes Ziel geben. Die Frauen-Bundesliga gibt es mittlerweile seit 20 Jahren. Das ist eine Beständigkeit, die ihresgleichen sucht. Und die Mannschaften der Bundesliga sind so stark, dass sie regelmäßig um den Titel in der Champions League mitspielen. Das alles sind Bestätigungen für einen vernünftigen Aufbau.

DFB.de: Das klingt rundherum positiv. Wo wollen Sie noch hin? Wie sehen Ihre Visionen aus?

Ratzeburg: Wir wollen erreichen, dass noch mehr Mädchen und Frauen Fußball spielen. Wir wollen, dass noch mehr Vereine erkennen, welches Potenzial für sie im Frauenfußball steckt. Wir wollen immer wieder die Botschaft verbreiten, dass es Spaß macht, Fußball zu spielen. Und damit auch einen Beitrag gegen den Trend leisten, dass zu viele Kinder zu dick und unbeweglich sind. Wir wollen noch mehr ehemalige Spielerinnen dafür gewinnen, sich ehrenamtlich zu engagieren. Ganz einfach aus dem Grund, weil Frauen den Fußball anders erleben.

DFB.de: Gibt es einen Punkt, dem Sie besonderes Entwicklungspotenzial beimessen?

Ratzeburg: Ja, ich denke, es wäre wichtig, dem Ehrenamt eine größere Anerkennung widerfahren zu lassen. Da ist meiner Meinung nach auch die Politik gefragt. Aus den USA weiß ich zum Beispiel, dass bei Bewerbungen für einen Job die Angaben zu ehrenamtlichen Tätigkeiten ganz wichtig sind. Bei uns fängt das jetzt ja erst an. Ich habe mich bei der U 20-WM mit einem Volunteer unterhalten. Sie ist Abteilungsleiterin bei einer Bank. Auf meine Frage, warum sie als Freiwillige mithelfe, sagte sie mir, dass das für sie eine persönliche Bereicherung sei, es aber auch in den Personalabteilungen gern gesehen werde.

DFB.de: Wie wichtig ist das für DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger so bedeutsame Thema Nachhaltigkeit?

Ratzeburg: Sehr. Und zwar in seiner gesamten Bandbreite. Es geht dabei nicht nur um die Auswirkungen auf den Sport. Fußball zu spielen oder im Fußball aktiv zu sein, trägt zum Persönlichkeitsprofil bei. Die Spielerin, die Trainerin, die Managerin, die Vorsitzende - alle müssen den Fußball in ihr Berufs- und Familienleben integrieren. Das heißt, sie müssen sich sehr gut organisieren. Mit anderen Worten: Sie geben sich eine Struktur. Diese Denk- und Handlungsweise drückt sich dann auch positiv in anderen Lebensbereichen aus. Insofern erlangt die Nachhaltigkeit eine gesellschaftsrelevante Dimension. Die ehemalige Box-Weltmeisterin Regina Halmich hat mir einmal gesagt: Hättet ihr Frauen nicht angefangen Fußball zu spielen, würden wir heute nicht boxen. Ich denke, Frauen werden heute auch dank des Sports anders wahrgenommen.

[bild2]

DFB.de: Der Kongress ist prominent besetzt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus dem Sport, der Politik, der Wissenschaft. Aus welchem Grund ist man so breit aufgestellt?

Ratzeburg: Das ist das Ergebnis der Vorbereitung auf den Kongress. Der Impuls für diese Tagung kam vom Fußball-Verband Rheinland und dem Land Rheinland-Pfalz. In der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Instanzen haben sich verschiedene Perspektiven ergeben, die zu einem Programm mit vielen unterschiedlichen Aspekten zusammengeflossen sind. Der Bogen, den wir spannen, ist riesengroß. Aber wir haben interessante Teilnehmerinnen und Teilnehmer, von denen ich spannende Referate erwarte. Diese werden die Grundlage für Diskussionsrunden und Workshops sein. Ich bin sehr gespannt auf den Kongress.

DFB.de: Welche Ergebnisse erwarten Sie von dem Kongress?

Ratzeburg: Ich hoffe, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehen motiviert und mit neuen Elan an ihre Wirkungsstellen zurück und versuchen, die gewonnenen Erkenntnisse umzusetzen. Natürlich werden wir weiterhin versuchen, mehr Frauen und Mädchen zum Fußball zu bringen. Ich erhoffe mir in Zukunft eine noch größere Bereitschaft in den Vereinen zur Öffnung zum Frauen- und Mädchenfußball. Ich wünsche mir, dass die Potenziale der Frauen noch stärker genutzt werden. Und zwar im Sinne von beidseitigem Nutzen, nämlich dass die Vereine und Verbände etwas davon haben - aber auch die Frauen.