Grindel zu WM-Aufstockung: "Nicht mit der Brechstange"

DFB.de: Wie würden denn die zusätzlichen Startplätze verteilt?

Grindel: Auch hierzu gibt es Vorschläge im Faktenpapier, die ebenfalls noch intensiv diskutiert werden müssen. Europa und Südamerika werden aus meiner Sicht nicht angemessen berücksichtigt. Bei den vergangenen drei Weltmeisterschaften kamen von den 48 Achtelfinalisten 35, also fast drei Viertel, aus Europa und Südamerika. Von den acht neu geschaffenen Startplätzen bei den 40er-Modellen sollen Europa und Südamerika jetzt gemeinsam aber nur eineinhalb erhalten. Das ist in meinen Augen der falsche Ansatz, weil das Problem der qualitativen Verwässerung des Wettbewerbs dadurch verstärkt würde.

DFB.de: Welcher Modus wäre nach Studie aller Alternativen aus Sicht des deutschen Fußballs der beste?

Grindel: Beim DFB sind wir sind grundsätzlich davon überzeugt, dass am bewährten Modus mit 32 Teilnehmernationen festgehalten werden sollte. Die Weltmeisterschaften waren in der Vergangenheit immer Turniere, die Aktive, Zuschauer und Sponsoren gleichermaßen begeistert haben. Warum also sollte man etwas ändern?

DFB.de: Weil, wie die FIFA argumentiert, eine Erweiterung des Teilnehmerfeldes die Entwicklung des Fußballs weltweit fördern und größere Einnahmen bei TV und Werbung generieren würde. Ist das denn falsch?

Grindel: Nein, es ist durchaus richtig, dass sich die europäischen Verbände solidarisch zeigen müssen, wenn es um die Entwicklung des Fußballs in Asien oder Afrika geht. Allerdings stellt sich da die Frage, ob ausgerechnet eine Änderung des erfolgreichen WM-Modus' hierfür das richtige und geeignete Instrument ist. Ich sehe die große Gefahr, dass es vor allem in Europa zu erheblichen Konflikten mit den Klubs und Ligen kommen wird, wenn wir bei der Belastung der Spieler überziehen. Zudem habe ich immense Bedenken, dass die Attraktivität der WM in den Kernmärkten des Fußballs leiden könnte. Das alles muss die FIFA berücksichtigen, und deshalb wäre es klug, sich jetzt ausreichend Zeit für diesen Entscheidungsprozess zu nehmen, um eine Lösung zu erarbeiten, die gerade auch in Europa auf Zustimmung trifft.

DFB.de: Nach dem Rücktritt von Wolfgang Niersbach von allen internationalen Ämtern ist der deutsche Fußball in der kommenden Woche erstmals nicht mehr im FIFA-Rat vertreten. Wie schwer wiegt das angesichts der Diskussionen über ein solch wichtiges Thema wie der WM-Erweiterung?

Grindel: Es wäre natürlich besser, wenn wir unsere Position als größter Verband der Welt unmittelbar in die Diskussionen des FIFA-Rats einbringen und auch im Exekutivkomitee der UEFA bei der Erarbeitung einer europäischen Haltung mitwirken könnten. Aber ich bin zuversichtlich, dass dies nach dem UEFA-Kongress im April wieder der Fall sein wird. Bis dahin werde ich die zahlreichen internationalen Zusammenkünfte, beispielsweise die Ehrung des Weltfußballers des Jahres am Montag in Zürich oder das bereits erwähnte Gipfeltreffen im Februar, intensiv nutzen, um die Meinung des deutschen Fußballs in dieser Sache zu verdeutlichen.

[dfb]


Zu Beginn der kommenden Woche trifft sich der FIFA-Rat in Zürich zu seiner ersten Sitzung des neuen Jahres. Bei diesem zweitägigen Meeting soll vor allem auch die mögliche Aufstockung der Weltmeisterschaft ab dem Jahr 2026 diskutiert werden. Im Interview mit DFB.de warnt DFB-Präsident Reinhard Grindel davor, eine übereilte Entscheidung zu treffen, die zu ernsten Konflikten führen könnte. Denn aus deutscher und europäischer Sicht sei die Beibehaltung des aktuellen WM-Modus ohnehin die beste Alternative.

DFB.de: Herr Grindel, rechnen Sie damit, dass bei der Sitzung des FIFA-Councils in der kommenden Woche bereits eine Entscheidung über den künftigen WM-Modus fällt?

Reinhard Grindel: Das will ich nicht hoffen. Das FIFA-Faktenpapier zu den vier Alternativformaten, die aktuell zur Diskussion stehen, hat die Mitgliedsverbände erst kurz vor Weihnachten erreicht. Was wir deshalb jetzt zunächst brauchen, ist eine breit angelegte Debatte innerhalb der Verbände und Konföderationen. Eine Entscheidung darf auf keinen Fall übereilt mit der Brechstange getroffen werden.

DFB.de: Das bedeutet?

Grindel: FIFA-Präsident Gianni Infantino hat immer betont, dass er für Transparenz steht. Dazu gehört auch, dass die Verbände ausreichend Zeit zur Diskussion haben und beispielsweise beim nächsten FIFA-Kongress im Mai zunächst eine öffentliche Orientierungsdebatte stattfindet. Zudem sehe ich auch im neu geschaffenen FIFA-Fußballgipfel eine geeignete Diskussionsplattform, um das Meinungsbild aller Nationalverbände zu berücksichtigen. Die Spitze des DFB wird im Februar an einem solchen Gipfeltreffen in Addis Abeba teilnehmen und bei dieser Gelegenheit unsere Position in die Diskussion einbringen.

DFB.de: Wie sehen die alternativen Formate aus?

Grindel: Die FIFA stellt zwei Alternativen mit 40 und zwei mit 48 Endrunden-Teilnehmern zur Diskussion. Bei den beiden 40er-Varianten würde es entweder acht Gruppen mit fünf Teams oder zehn Gruppen mit vier Mannschaften geben. Bei 48 Teilnehmern denkt die FIFA zum einen an eine Vorqualifikation mit 32 Teams. Die Gewinner würden danach gegen 16 gesetzte Mannschaften antreten. Die andere Alternative sieht 16 Gruppen mit jeweils drei Teilnehmern vor.

DFB.de: Wie bewerten Sie diese Vorschläge?

Grindel: Alle vier Alternativen haben erhebliche Schwächen, die im Faktenpapier der FIFA auch deutlich aufgezeigt werden. Bei der 40er-Variante mit acht Gruppen kommen nur die Gruppensieger weiter. Es würde am Ende der Gruppenphase also eine Vielzahl von Spielen geben, bei denen es nur noch um die "Goldene Ananas" gehen würde. Bei der Alternative mit zehn Gruppen würden neben den Gruppenersten die sechs besten Gruppenzweiten in das Achtelfinale einziehen. Das könnte für einige der zweitplatzierten Teams Wartezeiten von bis zu vier Tagen bedeuten, ehe sie wissen, ob sie überhaupt weitergekommen sind. Das ist für Mannschaften und Fans kaum zumutbar. Die Playoff-Runde beim 48er-Modell würde das Turnier für die Hälfte der teilnehmenden Nationen um eine Woche verlängern und die Belastung für die Spieler somit erheblich erhöhen. Bei der Variante mit 16 Dreiergruppen müsste man wohl das Unentschieden abschaffen, um klare Ergebnisse zu haben und taktisches Verhalten im letzten Gruppenspiel zu vermeiden. Die in dieser Variante angedachte Einführung von Verlängerung und Elfmeterschießen bereits in der Gruppenphase halte ich zudem für problematisch; von den organisatorischen Schwierigkeiten bei einer deutlich höheren Zahl von Spielen einmal ganz abgesehen.

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DFB.de: Wie würden denn die zusätzlichen Startplätze verteilt?

Grindel: Auch hierzu gibt es Vorschläge im Faktenpapier, die ebenfalls noch intensiv diskutiert werden müssen. Europa und Südamerika werden aus meiner Sicht nicht angemessen berücksichtigt. Bei den vergangenen drei Weltmeisterschaften kamen von den 48 Achtelfinalisten 35, also fast drei Viertel, aus Europa und Südamerika. Von den acht neu geschaffenen Startplätzen bei den 40er-Modellen sollen Europa und Südamerika jetzt gemeinsam aber nur eineinhalb erhalten. Das ist in meinen Augen der falsche Ansatz, weil das Problem der qualitativen Verwässerung des Wettbewerbs dadurch verstärkt würde.

DFB.de: Welcher Modus wäre nach Studie aller Alternativen aus Sicht des deutschen Fußballs der beste?

Grindel: Beim DFB sind wir sind grundsätzlich davon überzeugt, dass am bewährten Modus mit 32 Teilnehmernationen festgehalten werden sollte. Die Weltmeisterschaften waren in der Vergangenheit immer Turniere, die Aktive, Zuschauer und Sponsoren gleichermaßen begeistert haben. Warum also sollte man etwas ändern?

DFB.de: Weil, wie die FIFA argumentiert, eine Erweiterung des Teilnehmerfeldes die Entwicklung des Fußballs weltweit fördern und größere Einnahmen bei TV und Werbung generieren würde. Ist das denn falsch?

Grindel: Nein, es ist durchaus richtig, dass sich die europäischen Verbände solidarisch zeigen müssen, wenn es um die Entwicklung des Fußballs in Asien oder Afrika geht. Allerdings stellt sich da die Frage, ob ausgerechnet eine Änderung des erfolgreichen WM-Modus' hierfür das richtige und geeignete Instrument ist. Ich sehe die große Gefahr, dass es vor allem in Europa zu erheblichen Konflikten mit den Klubs und Ligen kommen wird, wenn wir bei der Belastung der Spieler überziehen. Zudem habe ich immense Bedenken, dass die Attraktivität der WM in den Kernmärkten des Fußballs leiden könnte. Das alles muss die FIFA berücksichtigen, und deshalb wäre es klug, sich jetzt ausreichend Zeit für diesen Entscheidungsprozess zu nehmen, um eine Lösung zu erarbeiten, die gerade auch in Europa auf Zustimmung trifft.

DFB.de: Nach dem Rücktritt von Wolfgang Niersbach von allen internationalen Ämtern ist der deutsche Fußball in der kommenden Woche erstmals nicht mehr im FIFA-Rat vertreten. Wie schwer wiegt das angesichts der Diskussionen über ein solch wichtiges Thema wie der WM-Erweiterung?

Grindel: Es wäre natürlich besser, wenn wir unsere Position als größter Verband der Welt unmittelbar in die Diskussionen des FIFA-Rats einbringen und auch im Exekutivkomitee der UEFA bei der Erarbeitung einer europäischen Haltung mitwirken könnten. Aber ich bin zuversichtlich, dass dies nach dem UEFA-Kongress im April wieder der Fall sein wird. Bis dahin werde ich die zahlreichen internationalen Zusammenkünfte, beispielsweise die Ehrung des Weltfußballers des Jahres am Montag in Zürich oder das bereits erwähnte Gipfeltreffen im Februar, intensiv nutzen, um die Meinung des deutschen Fußballs in dieser Sache zu verdeutlichen.

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