Goldene Wochen in Brasilien

Wie 1954. Wie 1974. Wie 1990. Künftig wird die Jahreszahl 2014 zum Bildungsgut der Deutschen gehören. 2014, da war doch was: Klar, 2014, das Jahr, in dem die Nationalmannschaft den vierten Stern gewann. Nach dem Finale gegen Argentinien nahm Philipp Lahm den WM-Pokal in Empfang – nach Fritz Walter, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus als vierter Kapitän einer deutschen Nationalmannschaft. Eine große Mannschaft hat ihr Meisterstück geliefert. In sieben Akten in den siebten Himmel. DFB.de erinnert an den Weg zum vierten Stern.

Der Spielplan hatte für die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw Portugal als ersten Gegner vorgesehen, die Nummer zwei der Welt gegen die Nummer vier, das Auftaktspiel war auf dem Papier ein mögliches Halbfinale oder Finale. Die Geschichte des Spiels in Salvador im Zeitraffer: Mats Hummels (32.) traf einmal, Thomas Müller dreimal (12., 45., 78.). Am Ende stand ein 4:0, das erste Ausrufezeichen war gesetzt.

Mit Zusammenhalt und Teamgeist zum Titelgewinn

Zu den Geschichten der 90 Minuten gehört die der Spieler, die gar nicht mitgespielt hatten. Vor dem Abflug nach Brasilien hatte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach im Hotel in Mainz in einer Rede vor der Mannschaft an den Teamgeist appelliert. Er hatte alle Spieler aufgefordert, ihr Ego zugunsten des Teams zurückzufahren und darauf hingewiesen, dass große Mannschaften große Titel nur gewinnen, wenn der Zusammenhalt groß ist. Im Spiel gegen Portugal hat die deutsche Bank den Nachweis des guten Teamgeistes eindrucksvoll erbracht. Und dieses Niveau hat sie über sieben Spiele gehalten.

Jedes Tor löste einen Freudentaumel auf der Bank aus, jede Szene wurde mit allen Emotionen mitgelebt. Die Perspektive der Ersatzspieler beschrieb Christoph Kramer nach dem Spiel gegen Portugal: "Wir sind alle total angespannt, wir fiebern mit. Gefühlt springen wir jede Minute auf, bereit zum Jubel, schlagen dann die Hände über dem Kopf zusammen oder springen vor Freude in die Luft." Das prägendste Bild des 4:0-Erfolgs war der Jubellauf von Hummels, der seinen Treffer zum 2:0 demonstrativ in einer Traube von Spielern feierte, die zu diesem Zeitpunkt nicht auf dem Platz standen.

Es war viel drin in diesem ersten Spiel, viele Emotionen, viel Leidenschaft. Nach der Rückreise aus Salvador da Bahia ins Campo Bahia entlud sich viel Anspannung. Vor dem ersten Spiel besteht ja immer eine gewisse Unsicherheit. Das Team weiß nicht genau, wo es steht, es fällt schwer, das eigene Niveau und das der Konkurrenz einzuschätzen. Zumal es in der Vorbereitung durchaus Rückschläge gegeben hatte. Lars Bender hatte sich verletzt, dann traf es Marco Reus. Mit Manuel Neuer, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira gab es zudem vier Schlüsselspieler, die nach Verletzungspausen um Fitness und Form rangen. Gegen Kamerun hatte es kurz vor dem Turnier nur zu einem 2:2 gereicht. Ein wenig Glanz versprühte immerhin das 6:1 gegen Armenien, dennoch: Ein paar Zweifel flogen mit, als die deutsche Nationalmannschaft am 7. Juni von Frankfurt am Main aus ins WM-Abenteuer nach Brasilien startete.

Manuel Neuer: "Gefahr war gering, sich durch das 4:0 blenden zu lassen"

Viele dieser Zweifel verflüchtigten sich im Rausch von Salvador und der anschließenden Feier im Campo. Es war laut – und es wurde lang. Das Bemerkenswerte an dieser ersten Feiernacht im Teamquartier war auch, dass sie die einzige bleiben sollte. Die letzte in dieser Ausprägung. Alle fieberten mit, alle waren ausgelassen, alle waren dabei. Bemerkenswert war aber auch: Alle haben danach gewarnt. Allen voran die Nummer eins. "Wir hatten nach dem Spiel ein paar Punkte, an denen wir im Training ansetzen konnten", sagte Manuel Neuer. "Das war gut, dadurch war auch die Gefahr geringer, dass wir uns von dem 4:0 blenden lassen."

Wie recht die Spieler mit ihren Warnungen hatten, zeigte sich in Spiel zwei gegen Ghana. Von spielerischem Glanz war gegen die Afrikaner nicht viel zu sehen, dafür demonstrierte die Mannschaft eine Qualität, die bei der WM der Strapazen unabdingbar war: ihren Willen. Nach der Führung durch Mario Götze (51.) stand Deutschland nach den Gegentreffern von André Ayew (54.) und Asamoah Gyan (63.) kurzzeitig am Rande einer Niederlage. Mit Wucht wehrte sie sich dagegen. So wie Hansi Flick schon vor dem Turnier angekündigt hatte. "Wenn der Moment kommt, wird diese Mannschaft sich zu wehren wissen", hatte er gesagt. Der Moment kam, die Mannschaft wusste sich zu wehren. Mit einem besonderen Treffer von Miroslav Klose wurde sie belohnt. Sein 2:2 (71.) sicherte einen Punkt und Platz eins der Tabelle. Es war Kloses 15. Treffer bei einer WM. Platz eins, gemeinsam mit dem Brasilianer Ronaldo.

Die Konstellation vor dem Gruppenfinale gegen die USA war brisant: Platz eins war wahrscheinlich, aber auch ein Ausscheiden möglich. Im Regen von Recife traf Thomas Müller einmal (55.), die USA trafen nicht, nach 90 Minuten gab es dennoch zwei Sieger: Joachim Löw und Jürgen Klinsmann. Früher Kollegen, heute Freunde und diesmal: Gegner. Das Achtelfinale erreichten beide, Deutschland als Gruppenerster mit sieben Punkten, die USA aufgrund der besseren Tordifferenz mit vier Punkten als Zweiter vor Portugal.

Hummels Kopfballtreffer stößt das Tor zum Halbfinale auf

Vor dem Achtelfinale in Porto Alegre gegen Algerien wurde viel über die Vergangenheit gesprochen und geschrieben, von der Niederlage bei der WM 1982 und der späteren "Schande von Gijón". Die Spieler interessierte das nicht, sie wussten, dass die Aufgabe gegen Algerien auch ohne historischen Ballast alles andere als einfach sein würde. Deutschland nahm den Kampf an – und gewann. Mit Torwart Manuel Neuer als überragendem Libero, mit Stehvermögen und dem notwendigen Glück. In der Verlängerung trafen André Schürrle (92.) und Mesut Özil (119.), das Tor von Abdelmoumene Djabou fiel beinahe mit dem Schlusspfiff und damit zu spät. Es war ein Spiel, wie es das in jedem Turnier gibt. In dem es nicht perfekt läuft, in dem der Wille entscheidet. Wer sich in solch einer Situation behauptet, der hat das Zeug zum Titel.

Zum Viertelfinale ging es für Philipp Lahm & Co. Zum ersten Mal nach Rio, zum ersten Mal ins Maracanã, zum ersten Mal ins Stadion der Sehnsucht. Die Paarung: Deutschland gegen Frankreich, ein großes Spiel gegen die "Grande Nation". Spätestens in der Runde der letzten acht zeigte sich, dass der Turnierplan von Bundestrainer Löw aufgehen könnte. Mit der Spielpraxis hatten Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira Sicherheit, Selbstvertrauen und Selbstverständlichkeit gewonnen, Kapitän Philipp Lahm konnte nun wieder auf die Position des Rechtsverteidigers zurückgezogen werden. Auch ein anderer Gedanke ging auf: Im Trainingslager in Südtirol und im Training in Brasilien hatte die Sportliche Leitung einen starken Fokus auf Standardsituationen gelegt. Mit Erfolg. Und so sah das im Viertelfinale aus: Freistoß Kroos, Kopfball Hummels, Tor (13.), das Tor zum Halbfinale, das Tor zum Jahrhundertspiel von Belo Horizonte.

7:1. Vier Tore binnen sechs Minuten. Deutschland im Endspiel von Maracanã

Wenn Bundestrainer Joachim Löw seine schönsten Erinnerungen an die WM in Brasilien nennen soll, spricht er über die Rückreise nach dem Halbfinale. Wie die Brasilianer noch nachts am Straßenrand standen und den Deutschen zujubelten, wie er den Respekt in ihren Augen erkannte, wie die Achtung vor der Leistung des Gegners noch größer war als die Enttäuschung über das Spiel der Seleção. "Das war etwas Faszinierendes, ein Höhepunkt meiner Laufbahn“, sagte Löw. So war es ja schon im Stadion gewesen. Vier Tore binnen sechs Minuten, am Ende ein epochales 7:1. Und eine gelbe Wand, die sich erhob; Fußballfans, die nicht die eigene Mannschaft, sondern den schönen Fußball feierten. Deutschland hatte das Herz Brasiliens gebrochen und sich zugleich endgültig ins Herz der Brasilianer gespielt. Und ins Endspiel der WM natürlich auch.

Rio de Janeiro, am Morgen des Finales. Im Sheraton-Hotel sind Mannschaft, Fans und Touristen nicht voneinander getrennt. Löw kann kaum einen Schritt machen, ohne um Foto oder Autogramm gebeten zu werden. Der Bundestrainer wird im Fahrstuhl angesprochen, auf den Fluren, im Hotel, vor dem Hotel. In wenigen Stunden wird seine Mannschaft im Spiel der Spiele um den Titel spielen, die Aufgeregtheit um den Trainer herum steigt sekündlich.

Nur im vermeintlichen "Auge des Orkans" ist es erstaunlich ruhig. Stoisch erfüllt Löw jeden Wunsch, nichts kann ihn in diesen Minuten aus der Ruhe bringen. Der Bundestrainer ist häufig entspannt, so tiefenentspannt wie an diesem 13. Juli in Rio ist aber selbst er nur selten. Warum das so ist, beantwortet der Trainer mit simpler Logik: "Wir haben alles gemacht", sagt er. "Jetzt liegt es an den Spielern. Und ich weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann." Worte, die großes Vertrauen zum Ausdruck bringen. Am Abend werden die Spieler dieses Vertrauen rechtfertigen – im WM-Finale in Rio, im Maracanã. Mario Götze wird ein entscheidendes Tor schießen. Kanzlerin und Bundespräsident werden in die Kabine kommen. Die Spieler werden singen und tanzen. Und ein ganzes Land wird jubeln.

[sl]


Wie 1954. Wie 1974. Wie 1990. Künftig wird die Jahreszahl 2014 zum Bildungsgut der Deutschen gehören. 2014, da war doch was: Klar, 2014, das Jahr, in dem die Nationalmannschaft den vierten Stern gewann. Nach dem Finale gegen Argentinien nahm Philipp Lahm den WM-Pokal in Empfang – nach Fritz Walter, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus als vierter Kapitän einer deutschen Nationalmannschaft. Eine große Mannschaft hat ihr Meisterstück geliefert. In sieben Akten in den siebten Himmel. DFB.de erinnert an den Weg zum vierten Stern.

Der Spielplan hatte für die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw Portugal als ersten Gegner vorgesehen, die Nummer zwei der Welt gegen die Nummer vier, das Auftaktspiel war auf dem Papier ein mögliches Halbfinale oder Finale. Die Geschichte des Spiels in Salvador im Zeitraffer: Mats Hummels (32.) traf einmal, Thomas Müller dreimal (12., 45., 78.). Am Ende stand ein 4:0, das erste Ausrufezeichen war gesetzt.

Mit Zusammenhalt und Teamgeist zum Titelgewinn

Zu den Geschichten der 90 Minuten gehört die der Spieler, die gar nicht mitgespielt hatten. Vor dem Abflug nach Brasilien hatte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach im Hotel in Mainz in einer Rede vor der Mannschaft an den Teamgeist appelliert. Er hatte alle Spieler aufgefordert, ihr Ego zugunsten des Teams zurückzufahren und darauf hingewiesen, dass große Mannschaften große Titel nur gewinnen, wenn der Zusammenhalt groß ist. Im Spiel gegen Portugal hat die deutsche Bank den Nachweis des guten Teamgeistes eindrucksvoll erbracht. Und dieses Niveau hat sie über sieben Spiele gehalten.

Jedes Tor löste einen Freudentaumel auf der Bank aus, jede Szene wurde mit allen Emotionen mitgelebt. Die Perspektive der Ersatzspieler beschrieb Christoph Kramer nach dem Spiel gegen Portugal: "Wir sind alle total angespannt, wir fiebern mit. Gefühlt springen wir jede Minute auf, bereit zum Jubel, schlagen dann die Hände über dem Kopf zusammen oder springen vor Freude in die Luft." Das prägendste Bild des 4:0-Erfolgs war der Jubellauf von Hummels, der seinen Treffer zum 2:0 demonstrativ in einer Traube von Spielern feierte, die zu diesem Zeitpunkt nicht auf dem Platz standen.

Es war viel drin in diesem ersten Spiel, viele Emotionen, viel Leidenschaft. Nach der Rückreise aus Salvador da Bahia ins Campo Bahia entlud sich viel Anspannung. Vor dem ersten Spiel besteht ja immer eine gewisse Unsicherheit. Das Team weiß nicht genau, wo es steht, es fällt schwer, das eigene Niveau und das der Konkurrenz einzuschätzen. Zumal es in der Vorbereitung durchaus Rückschläge gegeben hatte. Lars Bender hatte sich verletzt, dann traf es Marco Reus. Mit Manuel Neuer, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira gab es zudem vier Schlüsselspieler, die nach Verletzungspausen um Fitness und Form rangen. Gegen Kamerun hatte es kurz vor dem Turnier nur zu einem 2:2 gereicht. Ein wenig Glanz versprühte immerhin das 6:1 gegen Armenien, dennoch: Ein paar Zweifel flogen mit, als die deutsche Nationalmannschaft am 7. Juni von Frankfurt am Main aus ins WM-Abenteuer nach Brasilien startete.

Manuel Neuer: "Gefahr war gering, sich durch das 4:0 blenden zu lassen"

Viele dieser Zweifel verflüchtigten sich im Rausch von Salvador und der anschließenden Feier im Campo. Es war laut – und es wurde lang. Das Bemerkenswerte an dieser ersten Feiernacht im Teamquartier war auch, dass sie die einzige bleiben sollte. Die letzte in dieser Ausprägung. Alle fieberten mit, alle waren ausgelassen, alle waren dabei. Bemerkenswert war aber auch: Alle haben danach gewarnt. Allen voran die Nummer eins. "Wir hatten nach dem Spiel ein paar Punkte, an denen wir im Training ansetzen konnten", sagte Manuel Neuer. "Das war gut, dadurch war auch die Gefahr geringer, dass wir uns von dem 4:0 blenden lassen."

Wie recht die Spieler mit ihren Warnungen hatten, zeigte sich in Spiel zwei gegen Ghana. Von spielerischem Glanz war gegen die Afrikaner nicht viel zu sehen, dafür demonstrierte die Mannschaft eine Qualität, die bei der WM der Strapazen unabdingbar war: ihren Willen. Nach der Führung durch Mario Götze (51.) stand Deutschland nach den Gegentreffern von André Ayew (54.) und Asamoah Gyan (63.) kurzzeitig am Rande einer Niederlage. Mit Wucht wehrte sie sich dagegen. So wie Hansi Flick schon vor dem Turnier angekündigt hatte. "Wenn der Moment kommt, wird diese Mannschaft sich zu wehren wissen", hatte er gesagt. Der Moment kam, die Mannschaft wusste sich zu wehren. Mit einem besonderen Treffer von Miroslav Klose wurde sie belohnt. Sein 2:2 (71.) sicherte einen Punkt und Platz eins der Tabelle. Es war Kloses 15. Treffer bei einer WM. Platz eins, gemeinsam mit dem Brasilianer Ronaldo.

Die Konstellation vor dem Gruppenfinale gegen die USA war brisant: Platz eins war wahrscheinlich, aber auch ein Ausscheiden möglich. Im Regen von Recife traf Thomas Müller einmal (55.), die USA trafen nicht, nach 90 Minuten gab es dennoch zwei Sieger: Joachim Löw und Jürgen Klinsmann. Früher Kollegen, heute Freunde und diesmal: Gegner. Das Achtelfinale erreichten beide, Deutschland als Gruppenerster mit sieben Punkten, die USA aufgrund der besseren Tordifferenz mit vier Punkten als Zweiter vor Portugal.

Hummels Kopfballtreffer stößt das Tor zum Halbfinale auf

Vor dem Achtelfinale in Porto Alegre gegen Algerien wurde viel über die Vergangenheit gesprochen und geschrieben, von der Niederlage bei der WM 1982 und der späteren "Schande von Gijón". Die Spieler interessierte das nicht, sie wussten, dass die Aufgabe gegen Algerien auch ohne historischen Ballast alles andere als einfach sein würde. Deutschland nahm den Kampf an – und gewann. Mit Torwart Manuel Neuer als überragendem Libero, mit Stehvermögen und dem notwendigen Glück. In der Verlängerung trafen André Schürrle (92.) und Mesut Özil (119.), das Tor von Abdelmoumene Djabou fiel beinahe mit dem Schlusspfiff und damit zu spät. Es war ein Spiel, wie es das in jedem Turnier gibt. In dem es nicht perfekt läuft, in dem der Wille entscheidet. Wer sich in solch einer Situation behauptet, der hat das Zeug zum Titel.

Zum Viertelfinale ging es für Philipp Lahm & Co. Zum ersten Mal nach Rio, zum ersten Mal ins Maracanã, zum ersten Mal ins Stadion der Sehnsucht. Die Paarung: Deutschland gegen Frankreich, ein großes Spiel gegen die "Grande Nation". Spätestens in der Runde der letzten acht zeigte sich, dass der Turnierplan von Bundestrainer Löw aufgehen könnte. Mit der Spielpraxis hatten Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira Sicherheit, Selbstvertrauen und Selbstverständlichkeit gewonnen, Kapitän Philipp Lahm konnte nun wieder auf die Position des Rechtsverteidigers zurückgezogen werden. Auch ein anderer Gedanke ging auf: Im Trainingslager in Südtirol und im Training in Brasilien hatte die Sportliche Leitung einen starken Fokus auf Standardsituationen gelegt. Mit Erfolg. Und so sah das im Viertelfinale aus: Freistoß Kroos, Kopfball Hummels, Tor (13.), das Tor zum Halbfinale, das Tor zum Jahrhundertspiel von Belo Horizonte.

7:1. Vier Tore binnen sechs Minuten. Deutschland im Endspiel von Maracanã

Wenn Bundestrainer Joachim Löw seine schönsten Erinnerungen an die WM in Brasilien nennen soll, spricht er über die Rückreise nach dem Halbfinale. Wie die Brasilianer noch nachts am Straßenrand standen und den Deutschen zujubelten, wie er den Respekt in ihren Augen erkannte, wie die Achtung vor der Leistung des Gegners noch größer war als die Enttäuschung über das Spiel der Seleção. "Das war etwas Faszinierendes, ein Höhepunkt meiner Laufbahn“, sagte Löw. So war es ja schon im Stadion gewesen. Vier Tore binnen sechs Minuten, am Ende ein epochales 7:1. Und eine gelbe Wand, die sich erhob; Fußballfans, die nicht die eigene Mannschaft, sondern den schönen Fußball feierten. Deutschland hatte das Herz Brasiliens gebrochen und sich zugleich endgültig ins Herz der Brasilianer gespielt. Und ins Endspiel der WM natürlich auch.

Rio de Janeiro, am Morgen des Finales. Im Sheraton-Hotel sind Mannschaft, Fans und Touristen nicht voneinander getrennt. Löw kann kaum einen Schritt machen, ohne um Foto oder Autogramm gebeten zu werden. Der Bundestrainer wird im Fahrstuhl angesprochen, auf den Fluren, im Hotel, vor dem Hotel. In wenigen Stunden wird seine Mannschaft im Spiel der Spiele um den Titel spielen, die Aufgeregtheit um den Trainer herum steigt sekündlich.

Nur im vermeintlichen "Auge des Orkans" ist es erstaunlich ruhig. Stoisch erfüllt Löw jeden Wunsch, nichts kann ihn in diesen Minuten aus der Ruhe bringen. Der Bundestrainer ist häufig entspannt, so tiefenentspannt wie an diesem 13. Juli in Rio ist aber selbst er nur selten. Warum das so ist, beantwortet der Trainer mit simpler Logik: "Wir haben alles gemacht", sagt er. "Jetzt liegt es an den Spielern. Und ich weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann." Worte, die großes Vertrauen zum Ausdruck bringen. Am Abend werden die Spieler dieses Vertrauen rechtfertigen – im WM-Finale in Rio, im Maracanã. Mario Götze wird ein entscheidendes Tor schießen. Kanzlerin und Bundespräsident werden in die Kabine kommen. Die Spieler werden singen und tanzen. Und ein ganzes Land wird jubeln.