Goldbaek: "Erwarte dänische Mannschaft, die nach vorne spielt"

Bei der UEFA EURO 2024 geht es mit der K.o.-Runde weiter: Heute (ab 21 Uhr, live im ZDF und bei MagentaTV) trifft in Dortmund Deutschland im Achtelfinale auf Dänemark. Im DFB.de-Interview spricht der frühere dänische Nationalspieler Bjarne Goldbaek über das Duell, die Chancen der DFB-Auswahl bei der Heim-EM sowie die Stärken und Schwächen der Dänen. Und der 55 Jahre alte Ex-Profi, der unter anderem für Schalke 04, den 1. FC Kaiserslautern und 1. FC Köln spielte, erklärt, warum der sensationelle Triumph der Dänen bei der EURO 1992 für ihn persönlich eine der größten Enttäuschungen seiner Karriere war.

DFB.de: Bjarne Goldbaek, welche Erwartungen haben Sie an das Duell in Dortmund?

Bjarne Goldbaek: Ich habe wirklich sehr hohe Erwartungen – und zwar an beide Teams. Ich habe alle Begegnungen der beiden Mannschaften gesehen. Das Duell von Dänemark in Stuttgart sogar live im Stadion – und das war meiner Meinung nach noch deren schlechtester Auftritt. Sowohl Deutschland als auch Dänemark sind echte Einheiten auf dem Rasen. Die Kader sind sehr homogen und stark. Von außen gesehen herrscht da wirklich gute Stimmung. Für die Deutschen war das späte Unentschieden gegen die Schweiz sehr wichtig für die Moral und die innere Stärke der Mannschaft. Das kann im weiteren Verlauf des Turniers noch eine entscheidende Rolle spielen.

DFB.de: Und Dänemark?

Goldbaek: Die Dänen haben bisher vielleicht noch nicht geglänzt. Aber ich fand ihre Leistungen dennoch beeindruckend. Die Spieler haben viel investiert, wollten Ballbesitz haben und dominant auftreten. Das hat auch meistens funktioniert.

DFB.de: Was ist möglich für Dänemark in dem Duell gegen Deutschland?

Goldbaek: Schwer zu sagen. Aber die Kompaktheit und Homogenität kann ein Ass sein, das die Dänen in der Hand haben. Wir brauchen nicht darüber zu sprechen, dass Offensiv Deutschland viel größere Qualitäten hat. Das ist meiner Meinung nach der große Unterschied. Wir haben mit Jonas Wind und Rasmus Höjlund auch zwei starke Stürmer. Aber beide haben bisher noch nicht richtig gezündet. Irgendwann wird der Knoten allerdings platzen…

DFB.de: Lassen Sie uns etwas über den Kader sprechen. Das Gesicht dieses Teams dürfte Christian Eriksen sein.

Goldbaek: Absolut! Er ist ein unglaublich bescheidener und netter Mensch. Ich finde seine Interviews überragend. Ich habe ihn noch nie aufbrausend oder unbeherrscht erlebt. Seit über einem Jahrzehnt ist er der Star dieser Mannschaft. Mit seinen Fähigkeiten wäre er eine Bereicherung für jedes Team auf der Welt. Davon bin ich überzeugt. Aber was mich am meisten beeindruckt, ist die Art und Weise, wie er nach seinem Herzstillstand bei der EURO 2021 zurückgekommen ist. Wirklich unfassbar.

DFB.de: Auch Torhüter Kasper Schmeichel spielt ein starkes Turnier bisher.

Goldbaek: Das wundert mich auch überhaupt nicht. Mit seinem Vater Peter habe ich lange zusammengespielt. Ich finde es bemerkenswert, wie Kasper aus dem Schatten seines Vaters getreten ist und eine überragende Karriere spielt. Er war mit Leicester City englischer Meister und ist für mich einer der beste Keeper der Welt. Interessanterweise ist Kasper ein ganz anderer Torwarttyp als sein Vater. Das liegt natürlich daran, dass sich der Fußball extrem weiterentwickelt hat. Er ist stark mit den Füßen und sehr reaktionsschnell. Beeindruckend finde ich, wie häufig er Eins-gegen-Eins-Situationen lösen kann.

DFB.de: Vor ihm in der Abwehr stehen unter anderem mit Simon Kjaer, Jannik Vestergaard und Andreas Christensen drei Spieler im Kader, die man auch aus der Bundesliga kennt.

Goldbaek: Für mich ist Jannik Vestergaard der große Gewinner bei dieser EURO. Die deutschen Fans kennen ihn aus seiner Zeit in Bremen und Mönchengladbach. Jetzt spielt er für Leicester City in England. Vestergaard hat meiner Einschätzung nach bisher die Defensive wirklich zusammengehalten und die Rolle von Simon Kjaer übernommen, der nach seiner Verletzung noch nicht wieder bei 100 Prozent ist. Andreas Christensen hatte beim FC Barcelona wegen zahlreicher Blessuren wenig gespielt. Das merkt man ihm etwas an. Trotzdem ist er ein Topinnenverteidiger.

DFB.de: Ein weiteres Gesicht aus der Bundesliga ist Yussuf Poulsen.

Goldbaek: Er ist eine absolute Pressing- und Arbeitsmaschine. Bei ihm sieht man ganz deutlich, dass er seit ewigen Zeiten bei RB Leipzig unter Vertrag steht und diesen speziellen Spielstil verinnerlicht hat. Aber er ist auch stark im Kopfball, deshalb sehe ich ihn als starken Verlängerungsspieler, wenn lange Bälle gespielt werden.

DFB.de: Über die beiden Stürmer Rasmus Höjlund und Jonas Wind haben wir eingangs bereits gesprochen…

Goldbaek: … aber zu Rasmus Höjlund vielleicht doch noch zwei, drei Gedanken: Er wurde vor ein paar Jahren extrem gehypt und ist dann für 75 Millionen Euro zu Manchester United gewechselt. Er hat riesiges Potenzial und arbeitet hart an sich. Er bietet sich oft in den tiefen Räumen an und ist sehr wichtig für diese Mannschaft.

DFB.de: Wie schätzen Sie Trainer Kasper Hjulmand ein?

Goldbaek: Er möchte am liebsten mit schönem Fußball gewinnen. Er steht auf Ballbesitzfußball. Gleichzeitig geht er auf die individuellen Stärken der einzelnen Spieler ein. Er zieht nicht ohne Kompromisse seine Idee durch, sondern ist anpassungsfähig. Er spricht viel mit den Spielern und ist da im ständigen Austausch. Aber ihm ist schon eine dominante Spielweise wichtig. Ich denke, das wird man auch gegen Deutschland sehen. Ich freue mich darauf.

DFB.de: Also erwarten Sie eine offene Partie?

Goldbaek: Ja, ich denke schon. Ich erwarte aber vor allem eine dänische Mannschaft, die nach vorne spielt. Viele Gegner parken gegen Deutschland ja den Bus vor dem eigenen Tor, um es mal etwas umgangssprachlich zu formulieren. Das ist nicht die Art und Weise, wie Dänemark Fußball spielt. Sie werden nicht blauäugig nur nach vorne rennen, aber sie werden definitiv versuchen, Akzente zu setzen und nicht nur reagieren.

DFB.de: Dänemark hat noch nicht gewonnen, Dänemark hat noch nicht verloren. Portugal ist mit drei Unentschieden nach der Vorrunde 2016 Europameister geworden…

Goldbaek: Man findet wahrscheinlich für fast alle Konstellationen Beispiele aus der Vergangenheit. Ich habe gerade gestern noch ein Dokumentation über Richard Möller Nielsen gesehen, der unsere Mannschaft 1992 sensationell als Trainer zum Titel geführt hat. Das war sehr sehenswert. Aber ich bleibe dann doch lieber in der Gegenwart. Die deutsche Mannschaft ist vor 80.000 Fans im Dortmunder Stadion mit dieser Offensivpower auf jeden Fall favorisiert. Aber Dänemark ist nicht zu unterschätzen.

DFB.de: Viele zählen Deutschland nach den bisherigen Auftritten zum Favoritenkreis. Wie sehen Sie das?

Goldbaek: Genauso! Deutschland hat sich ganz klar in den Favoritenkreis gespielt.

DFB.de: Welche Rolle nimmt in diesem Zusammenhang Julian Nagelsmann ein?

Goldbaek: Eine sehr große. Er tritt total sympathisch und authentisch auf. Es ist beeindruckend, wie er den Kader mit 26 Superstars zusammenhält. Ich finde, dass er sich im Vergleich zu seiner Zeit als Bundesligatrainer total positiv entwickelt hat. Er hat unfassbaren Druck und trotzdem wirkt er auf mich als Außenstehender locker und gelöst. Er geht souverän damit um, dass ein ganzes Laut genau schaut, was er macht. Er scheint einen guten Draht zu den Spielern zu haben. Und obwohl er noch recht jung ist, hat er sich durch seine bisherigen Stationen und Erfolge schon Respekt erarbeiten können.

DFB.de: Sie waren selbst Nationalspieler Dänemarks. Beim EM-Triumph 1992 waren Sie allerdings nicht dabei. Wie kam es dazu?

Goldbaek: Das werde ich immer wieder mal gefragt. Das ist ein schwieriges Thema, deshalb würde ich am liebsten gar nicht darüber sprechen. Aber es gehört zu meiner Vita dazu. Eigentlich war ich fester Bestandteil des Kaders und auch in der Qualifikation regelmäßig dabei. Ich war Stammspieler in Kaiserslautern, einer Topmannschaft in der Bundesliga. 1991 sind wir Deutscher Meister geworden. Ich weiß noch heute ganz genau, dass ich eines der letzten Vorbereitungsspiele vor der EURO in der Türkei abgesagt habe, weil in der Bundesliga wichtige Begegnungen auf dem Programm standen. Man muss dazu ja sagen, dass wir als Dänen gar nicht qualifiziert waren und erst durch den Ausschluss Jugoslawiens plötzlich nachgerückt sind. Diese Absage des Länderspiels war rückblickend ein riesiges Eigentor. Ich saß während des Turniers in meinem Ferienhaus in Dänemark und habe einerseits mit meinen Teamkollegen gejubelt, andererseits war ich aber auch traurig darüber, dass ich nicht dabei war.

DFB.de: Ihre gesamte Karriere bei der Nationalmannschaft ist schwer einzuordnen. Mal waren Sie dabei, dann längere Zeit wiederum nicht. Wie bewerten Sie das im Rückblick?

Goldbaek: Ich möchte es gerne differenzieren: Mit meiner Karriere im Vereinsfußball war ich sehr zufrieden. Da habe ich das Maximale herausgeholt. Bei der Nationalmannschaft ist das anders - da wäre viel mehr möglich gewesen. Ich weiß bis heute nicht, warum ich dort meine Leistung nicht bringen konnte. Es ist mir ein Rätsel. Ich hatte Trainer, die mir immer wieder die Chance gegeben haben. Aber ich habe sie leider nicht genutzt. Das ärgert mich noch heute.

DFB.de: Zurück in die Gegenwart: Bei der EURO haben wir gerade Halbzeit. Wie erleben Sie die Stimmung bisher?

Goldbaek: Großartig. Deutschland ist ein tolles Gastgeberland. Die Erwartungshaltung war sehr hoch, aber sie wurde erfüllt. Für mich als Fan und neutralen Beobachter ist es oft am schönsten, früh am Spielort zu sein und die Stimmung in der Stadt zu erleben. Da treffen sich Menschen aus 24 oder noch mehr verschiedenen Nationen und alle sind gut gelaunt, feiern und singen zusammen. Der Fußball vereint sie alle. Die Welt könnte so schön sein, wenn die Stimmung immer so wäre, wie wir sie gerade in Deutschland erleben. Auch die Infrastruktur in Deutschland ist einfach perfekt. Und hier leben viele fußballbegeisterte Menschen.

DFB.de: Wie läuft es gerade für Sie persönlich? Sind Sie weiterhin als Spielerberater tätig?

Goldbaek: Ja, das ist nach wie vor aktuell. Ich lebe seit sechs Jahren in der Schweiz. Aber ich bin nach wie vor häufig in Deutschland, natürlich aus beruflichen Gründen, aber auch weil meine Kinder dort leben.

[sw]

Bei der UEFA EURO 2024 geht es mit der K.o.-Runde weiter: Heute (ab 21 Uhr, live im ZDF und bei MagentaTV) trifft in Dortmund Deutschland im Achtelfinale auf Dänemark. Im DFB.de-Interview spricht der frühere dänische Nationalspieler Bjarne Goldbaek über das Duell, die Chancen der DFB-Auswahl bei der Heim-EM sowie die Stärken und Schwächen der Dänen. Und der 55 Jahre alte Ex-Profi, der unter anderem für Schalke 04, den 1. FC Kaiserslautern und 1. FC Köln spielte, erklärt, warum der sensationelle Triumph der Dänen bei der EURO 1992 für ihn persönlich eine der größten Enttäuschungen seiner Karriere war.

DFB.de: Bjarne Goldbaek, welche Erwartungen haben Sie an das Duell in Dortmund?

Bjarne Goldbaek: Ich habe wirklich sehr hohe Erwartungen – und zwar an beide Teams. Ich habe alle Begegnungen der beiden Mannschaften gesehen. Das Duell von Dänemark in Stuttgart sogar live im Stadion – und das war meiner Meinung nach noch deren schlechtester Auftritt. Sowohl Deutschland als auch Dänemark sind echte Einheiten auf dem Rasen. Die Kader sind sehr homogen und stark. Von außen gesehen herrscht da wirklich gute Stimmung. Für die Deutschen war das späte Unentschieden gegen die Schweiz sehr wichtig für die Moral und die innere Stärke der Mannschaft. Das kann im weiteren Verlauf des Turniers noch eine entscheidende Rolle spielen.

DFB.de: Und Dänemark?

Goldbaek: Die Dänen haben bisher vielleicht noch nicht geglänzt. Aber ich fand ihre Leistungen dennoch beeindruckend. Die Spieler haben viel investiert, wollten Ballbesitz haben und dominant auftreten. Das hat auch meistens funktioniert.

DFB.de: Was ist möglich für Dänemark in dem Duell gegen Deutschland?

Goldbaek: Schwer zu sagen. Aber die Kompaktheit und Homogenität kann ein Ass sein, das die Dänen in der Hand haben. Wir brauchen nicht darüber zu sprechen, dass Offensiv Deutschland viel größere Qualitäten hat. Das ist meiner Meinung nach der große Unterschied. Wir haben mit Jonas Wind und Rasmus Höjlund auch zwei starke Stürmer. Aber beide haben bisher noch nicht richtig gezündet. Irgendwann wird der Knoten allerdings platzen…

DFB.de: Lassen Sie uns etwas über den Kader sprechen. Das Gesicht dieses Teams dürfte Christian Eriksen sein.

Goldbaek: Absolut! Er ist ein unglaublich bescheidener und netter Mensch. Ich finde seine Interviews überragend. Ich habe ihn noch nie aufbrausend oder unbeherrscht erlebt. Seit über einem Jahrzehnt ist er der Star dieser Mannschaft. Mit seinen Fähigkeiten wäre er eine Bereicherung für jedes Team auf der Welt. Davon bin ich überzeugt. Aber was mich am meisten beeindruckt, ist die Art und Weise, wie er nach seinem Herzstillstand bei der EURO 2021 zurückgekommen ist. Wirklich unfassbar.

DFB.de: Auch Torhüter Kasper Schmeichel spielt ein starkes Turnier bisher.

Goldbaek: Das wundert mich auch überhaupt nicht. Mit seinem Vater Peter habe ich lange zusammengespielt. Ich finde es bemerkenswert, wie Kasper aus dem Schatten seines Vaters getreten ist und eine überragende Karriere spielt. Er war mit Leicester City englischer Meister und ist für mich einer der beste Keeper der Welt. Interessanterweise ist Kasper ein ganz anderer Torwarttyp als sein Vater. Das liegt natürlich daran, dass sich der Fußball extrem weiterentwickelt hat. Er ist stark mit den Füßen und sehr reaktionsschnell. Beeindruckend finde ich, wie häufig er Eins-gegen-Eins-Situationen lösen kann.

DFB.de: Vor ihm in der Abwehr stehen unter anderem mit Simon Kjaer, Jannik Vestergaard und Andreas Christensen drei Spieler im Kader, die man auch aus der Bundesliga kennt.

Goldbaek: Für mich ist Jannik Vestergaard der große Gewinner bei dieser EURO. Die deutschen Fans kennen ihn aus seiner Zeit in Bremen und Mönchengladbach. Jetzt spielt er für Leicester City in England. Vestergaard hat meiner Einschätzung nach bisher die Defensive wirklich zusammengehalten und die Rolle von Simon Kjaer übernommen, der nach seiner Verletzung noch nicht wieder bei 100 Prozent ist. Andreas Christensen hatte beim FC Barcelona wegen zahlreicher Blessuren wenig gespielt. Das merkt man ihm etwas an. Trotzdem ist er ein Topinnenverteidiger.

DFB.de: Ein weiteres Gesicht aus der Bundesliga ist Yussuf Poulsen.

Goldbaek: Er ist eine absolute Pressing- und Arbeitsmaschine. Bei ihm sieht man ganz deutlich, dass er seit ewigen Zeiten bei RB Leipzig unter Vertrag steht und diesen speziellen Spielstil verinnerlicht hat. Aber er ist auch stark im Kopfball, deshalb sehe ich ihn als starken Verlängerungsspieler, wenn lange Bälle gespielt werden.

DFB.de: Über die beiden Stürmer Rasmus Höjlund und Jonas Wind haben wir eingangs bereits gesprochen…

Goldbaek: … aber zu Rasmus Höjlund vielleicht doch noch zwei, drei Gedanken: Er wurde vor ein paar Jahren extrem gehypt und ist dann für 75 Millionen Euro zu Manchester United gewechselt. Er hat riesiges Potenzial und arbeitet hart an sich. Er bietet sich oft in den tiefen Räumen an und ist sehr wichtig für diese Mannschaft.

DFB.de: Wie schätzen Sie Trainer Kasper Hjulmand ein?

Goldbaek: Er möchte am liebsten mit schönem Fußball gewinnen. Er steht auf Ballbesitzfußball. Gleichzeitig geht er auf die individuellen Stärken der einzelnen Spieler ein. Er zieht nicht ohne Kompromisse seine Idee durch, sondern ist anpassungsfähig. Er spricht viel mit den Spielern und ist da im ständigen Austausch. Aber ihm ist schon eine dominante Spielweise wichtig. Ich denke, das wird man auch gegen Deutschland sehen. Ich freue mich darauf.

DFB.de: Also erwarten Sie eine offene Partie?

Goldbaek: Ja, ich denke schon. Ich erwarte aber vor allem eine dänische Mannschaft, die nach vorne spielt. Viele Gegner parken gegen Deutschland ja den Bus vor dem eigenen Tor, um es mal etwas umgangssprachlich zu formulieren. Das ist nicht die Art und Weise, wie Dänemark Fußball spielt. Sie werden nicht blauäugig nur nach vorne rennen, aber sie werden definitiv versuchen, Akzente zu setzen und nicht nur reagieren.

DFB.de: Dänemark hat noch nicht gewonnen, Dänemark hat noch nicht verloren. Portugal ist mit drei Unentschieden nach der Vorrunde 2016 Europameister geworden…

Goldbaek: Man findet wahrscheinlich für fast alle Konstellationen Beispiele aus der Vergangenheit. Ich habe gerade gestern noch ein Dokumentation über Richard Möller Nielsen gesehen, der unsere Mannschaft 1992 sensationell als Trainer zum Titel geführt hat. Das war sehr sehenswert. Aber ich bleibe dann doch lieber in der Gegenwart. Die deutsche Mannschaft ist vor 80.000 Fans im Dortmunder Stadion mit dieser Offensivpower auf jeden Fall favorisiert. Aber Dänemark ist nicht zu unterschätzen.

DFB.de: Viele zählen Deutschland nach den bisherigen Auftritten zum Favoritenkreis. Wie sehen Sie das?

Goldbaek: Genauso! Deutschland hat sich ganz klar in den Favoritenkreis gespielt.

DFB.de: Welche Rolle nimmt in diesem Zusammenhang Julian Nagelsmann ein?

Goldbaek: Eine sehr große. Er tritt total sympathisch und authentisch auf. Es ist beeindruckend, wie er den Kader mit 26 Superstars zusammenhält. Ich finde, dass er sich im Vergleich zu seiner Zeit als Bundesligatrainer total positiv entwickelt hat. Er hat unfassbaren Druck und trotzdem wirkt er auf mich als Außenstehender locker und gelöst. Er geht souverän damit um, dass ein ganzes Laut genau schaut, was er macht. Er scheint einen guten Draht zu den Spielern zu haben. Und obwohl er noch recht jung ist, hat er sich durch seine bisherigen Stationen und Erfolge schon Respekt erarbeiten können.

DFB.de: Sie waren selbst Nationalspieler Dänemarks. Beim EM-Triumph 1992 waren Sie allerdings nicht dabei. Wie kam es dazu?

Goldbaek: Das werde ich immer wieder mal gefragt. Das ist ein schwieriges Thema, deshalb würde ich am liebsten gar nicht darüber sprechen. Aber es gehört zu meiner Vita dazu. Eigentlich war ich fester Bestandteil des Kaders und auch in der Qualifikation regelmäßig dabei. Ich war Stammspieler in Kaiserslautern, einer Topmannschaft in der Bundesliga. 1991 sind wir Deutscher Meister geworden. Ich weiß noch heute ganz genau, dass ich eines der letzten Vorbereitungsspiele vor der EURO in der Türkei abgesagt habe, weil in der Bundesliga wichtige Begegnungen auf dem Programm standen. Man muss dazu ja sagen, dass wir als Dänen gar nicht qualifiziert waren und erst durch den Ausschluss Jugoslawiens plötzlich nachgerückt sind. Diese Absage des Länderspiels war rückblickend ein riesiges Eigentor. Ich saß während des Turniers in meinem Ferienhaus in Dänemark und habe einerseits mit meinen Teamkollegen gejubelt, andererseits war ich aber auch traurig darüber, dass ich nicht dabei war.

DFB.de: Ihre gesamte Karriere bei der Nationalmannschaft ist schwer einzuordnen. Mal waren Sie dabei, dann längere Zeit wiederum nicht. Wie bewerten Sie das im Rückblick?

Goldbaek: Ich möchte es gerne differenzieren: Mit meiner Karriere im Vereinsfußball war ich sehr zufrieden. Da habe ich das Maximale herausgeholt. Bei der Nationalmannschaft ist das anders - da wäre viel mehr möglich gewesen. Ich weiß bis heute nicht, warum ich dort meine Leistung nicht bringen konnte. Es ist mir ein Rätsel. Ich hatte Trainer, die mir immer wieder die Chance gegeben haben. Aber ich habe sie leider nicht genutzt. Das ärgert mich noch heute.

DFB.de: Zurück in die Gegenwart: Bei der EURO haben wir gerade Halbzeit. Wie erleben Sie die Stimmung bisher?

Goldbaek: Großartig. Deutschland ist ein tolles Gastgeberland. Die Erwartungshaltung war sehr hoch, aber sie wurde erfüllt. Für mich als Fan und neutralen Beobachter ist es oft am schönsten, früh am Spielort zu sein und die Stimmung in der Stadt zu erleben. Da treffen sich Menschen aus 24 oder noch mehr verschiedenen Nationen und alle sind gut gelaunt, feiern und singen zusammen. Der Fußball vereint sie alle. Die Welt könnte so schön sein, wenn die Stimmung immer so wäre, wie wir sie gerade in Deutschland erleben. Auch die Infrastruktur in Deutschland ist einfach perfekt. Und hier leben viele fußballbegeisterte Menschen.

DFB.de: Wie läuft es gerade für Sie persönlich? Sind Sie weiterhin als Spielerberater tätig?

Goldbaek: Ja, das ist nach wie vor aktuell. Ich lebe seit sechs Jahren in der Schweiz. Aber ich bin nach wie vor häufig in Deutschland, natürlich aus beruflichen Gründen, aber auch weil meine Kinder dort leben.

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