Gesichter der Bundesliga: Löw holt mit VfB den Pokal

50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute: 1996/1997 wird der heutige Bundestrainer Joachim Löw über Nacht Trainer des VfB Stuttgart. Als Übergangslösung vorgesehen, macht er sich schnell unverzichtbar - und gewinnt einen Titel

Das hatte die Bundesliga auch noch nicht gesehen: Zwei Tage vor dem Start der Spielzeit 1996/1997 trennte sich der VfB Stuttgart von seinem Trainer Rolf Fringer, dem das nur recht war. Er hatte ein Angebot als Nationalcoach der Schweiz und nahm es dankend an. Denn Fringer genoss nach einer verkorksten Rückrunde wenig Kredit in Stuttgart, und als sich die Mannschaft im DFB-Pokal gegen Zweitligist Fortuna Köln gerade so ins Elfmeterschießen gerettet hatte, war er aufgebraucht.

"Ich gebe allen Spielern das Gefühl, dass sie wichtig sind"

So begann über Nacht die Karriere des heutigen Bundestrainers Joachim Löw. Fringers damaliger Assistent übernahm am 14. August 1996 eine hoch veranlagte, aber auch schwierige Mannschaft. Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder traute dem damals 36-jährigen Löw den Job noch nicht zu und skizzierte bereits den Wunschtrainer: "Der Neue muss Profil sowie Spaß und Leidenschaft am Fußball haben." Löw sagte nur bescheiden: "Ich will meinen Vertrag beim VfB bis 1997 erfüllen. Wichtig ist, dass wir am Samstag erst mal Schalke schlagen."

Das klappte - und wie, mit 4:0. Löw erntete in der Branche Beifall, weil er den Sieg selbstlos auf Fringers Arbeit zurückführte. Aber das war erst der Anfang: Der VfB startete mit vier Siegen, darunter einem furiosen 4:0 beim HSV. Nach dem besten Start in der Bundesligahistorie des VfB wurde er nach seinem Erfolgsgeheimnis gefragt und meinte: "Ich gebe allen Spielern das Gefühl, dass sie wichtig sind."

Kein schlechter Schachzug, denn bis dahin hatte - von außen betrachtet - der VfB nur aus dem "magischen Dreieck" Krassimir Balakow, Giovane Elber und Fredi Bobic bestanden - und dem Rest. Löw führte auch mit dem letzten Reservisten Einzelgespräche und kuschte vor Stars nicht. Weltmeister Thomas Berthold wurde wegen Verspätung beim Training prompt zur Kasse gebeten. Das hatten "dem netten Herr Löw" (Bild-Zeitung) nicht alle zugetraut. Auch Präsident Mayer-Vorfelder, der den späteren Dortmunder Trainer Nevio Scala aus Parma verpflichten wollte, wurde von der Entwicklung überrollt.

Fans und Spieler fordern: Weiter mit Löw"

Als der VfB nach sechs Spieltagen mit 17:2 Toren bei fünf Siegen und einem ehrenhaften Remis (1:1 bei Meister Dortmund) von Platz eins grüßte, wurde der öffentliche Druck zu groß. Der Kicker feierte den "Verein für Ballzauber", Lothar Matthäus ernannte den VfB zum Titelkandidaten, Fans und Spieler plädierten für Joachim Löw als Cheftrainer.

Am Samstag, 21. September 1996, war es nach einem Gespräch mit dem Mannschaftsrat und Vorstand so weit. Als der VfB drei Minuten vor dem Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf Löws Beförderung zunächst bis Saisonende bekanntgab, brach tosender Jubel aus. Das letzte formale Hindernis - Löw fehlte noch ein Schein, um Fußball-Lehrer zu sein (er hatte in der Schweiz die A-Lizenz erworben) -, räumte der DFB in Form einer Sondergenehmigung aus dem Weg. Er durfte den Schein in der Winterpause erwerben.

Berthold: "Für mich ist Jogi der Trainer des Jahres"

Dummerweise verlor er sein erstes Spiel als Cheftrainer 0:2 gegen die Fortuna. "Die erste Niederlage musste ja irgendwann kommen", sagte er gelassen. Es kamen noch ein paar dazu, aber am Saisonende war der VfB hervorragender Vierter und noch bis zum 31. Spieltag im Titelrennen. Das endete erst nach einem 1:2 bei Aufsteiger Bochum - nicht die erste Niederlage gegen einen vermeintlich "Kleinen". Löw sagte: "Uns fehlt die Stärke, mal schlecht zu spielen und 1:0 zu gewinnen."

Aber im wichtigsten Spiel der Saison behielten sie die Oberhand. In Berlin wurde der VfB durch das 2:0 gegen Energie Cottbus am 14. Juni 1997 DFB-Pokalsieger, und Löw krönte sein erstes Jahr als Profitrainer. "Für mich ist Jogi der Trainer des Jahres", sagte Thomas Berthold. "Er hat alle eines Besseren belehrt und bewiesen, dass er besonders im psychologischen Bereich allen etwas vormachen kann." Joachim Löw - dieser Mann war zu Höherem berufen.

Joachim Löws Bundesligabilanz: 52 Spiele, sieben Tore; 68 Spiele als Trainer.

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50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute: 1996/1997 wird der heutige Bundestrainer Joachim Löw über Nacht Trainer des VfB Stuttgart. Als Übergangslösung vorgesehen, macht er sich schnell unverzichtbar - und gewinnt einen Titel

Das hatte die Bundesliga auch noch nicht gesehen: Zwei Tage vor dem Start der Spielzeit 1996/1997 trennte sich der VfB Stuttgart von seinem Trainer Rolf Fringer, dem das nur recht war. Er hatte ein Angebot als Nationalcoach der Schweiz und nahm es dankend an. Denn Fringer genoss nach einer verkorksten Rückrunde wenig Kredit in Stuttgart, und als sich die Mannschaft im DFB-Pokal gegen Zweitligist Fortuna Köln gerade so ins Elfmeterschießen gerettet hatte, war er aufgebraucht.

"Ich gebe allen Spielern das Gefühl, dass sie wichtig sind"

So begann über Nacht die Karriere des heutigen Bundestrainers Joachim Löw. Fringers damaliger Assistent übernahm am 14. August 1996 eine hoch veranlagte, aber auch schwierige Mannschaft. Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder traute dem damals 36-jährigen Löw den Job noch nicht zu und skizzierte bereits den Wunschtrainer: "Der Neue muss Profil sowie Spaß und Leidenschaft am Fußball haben." Löw sagte nur bescheiden: "Ich will meinen Vertrag beim VfB bis 1997 erfüllen. Wichtig ist, dass wir am Samstag erst mal Schalke schlagen."

Das klappte - und wie, mit 4:0. Löw erntete in der Branche Beifall, weil er den Sieg selbstlos auf Fringers Arbeit zurückführte. Aber das war erst der Anfang: Der VfB startete mit vier Siegen, darunter einem furiosen 4:0 beim HSV. Nach dem besten Start in der Bundesligahistorie des VfB wurde er nach seinem Erfolgsgeheimnis gefragt und meinte: "Ich gebe allen Spielern das Gefühl, dass sie wichtig sind."

Kein schlechter Schachzug, denn bis dahin hatte - von außen betrachtet - der VfB nur aus dem "magischen Dreieck" Krassimir Balakow, Giovane Elber und Fredi Bobic bestanden - und dem Rest. Löw führte auch mit dem letzten Reservisten Einzelgespräche und kuschte vor Stars nicht. Weltmeister Thomas Berthold wurde wegen Verspätung beim Training prompt zur Kasse gebeten. Das hatten "dem netten Herr Löw" (Bild-Zeitung) nicht alle zugetraut. Auch Präsident Mayer-Vorfelder, der den späteren Dortmunder Trainer Nevio Scala aus Parma verpflichten wollte, wurde von der Entwicklung überrollt.

Fans und Spieler fordern: Weiter mit Löw"

Als der VfB nach sechs Spieltagen mit 17:2 Toren bei fünf Siegen und einem ehrenhaften Remis (1:1 bei Meister Dortmund) von Platz eins grüßte, wurde der öffentliche Druck zu groß. Der Kicker feierte den "Verein für Ballzauber", Lothar Matthäus ernannte den VfB zum Titelkandidaten, Fans und Spieler plädierten für Joachim Löw als Cheftrainer.

Am Samstag, 21. September 1996, war es nach einem Gespräch mit dem Mannschaftsrat und Vorstand so weit. Als der VfB drei Minuten vor dem Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf Löws Beförderung zunächst bis Saisonende bekanntgab, brach tosender Jubel aus. Das letzte formale Hindernis - Löw fehlte noch ein Schein, um Fußball-Lehrer zu sein (er hatte in der Schweiz die A-Lizenz erworben) -, räumte der DFB in Form einer Sondergenehmigung aus dem Weg. Er durfte den Schein in der Winterpause erwerben.

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Berthold: "Für mich ist Jogi der Trainer des Jahres"

Dummerweise verlor er sein erstes Spiel als Cheftrainer 0:2 gegen die Fortuna. "Die erste Niederlage musste ja irgendwann kommen", sagte er gelassen. Es kamen noch ein paar dazu, aber am Saisonende war der VfB hervorragender Vierter und noch bis zum 31. Spieltag im Titelrennen. Das endete erst nach einem 1:2 bei Aufsteiger Bochum - nicht die erste Niederlage gegen einen vermeintlich "Kleinen". Löw sagte: "Uns fehlt die Stärke, mal schlecht zu spielen und 1:0 zu gewinnen."

Aber im wichtigsten Spiel der Saison behielten sie die Oberhand. In Berlin wurde der VfB durch das 2:0 gegen Energie Cottbus am 14. Juni 1997 DFB-Pokalsieger, und Löw krönte sein erstes Jahr als Profitrainer. "Für mich ist Jogi der Trainer des Jahres", sagte Thomas Berthold. "Er hat alle eines Besseren belehrt und bewiesen, dass er besonders im psychologischen Bereich allen etwas vormachen kann." Joachim Löw - dieser Mann war zu Höherem berufen.

Joachim Löws Bundesligabilanz: 52 Spiele, sieben Tore; 68 Spiele als Trainer.