Gesichter der Bundesliga: Kahn wird "Titan"

Der Rest ist bekannt: Patrik Andersson fand 4:38 Minuten nach Abpfiff des Schalker Spiels eine Lücke in der Mauer, Bayern schaffte den Meister-Hattrick und Kahn schenkte dem Fußball noch eine Szene für die Ewigkeit. Ekstatisch rutschte er zur Eckfahne, riss sie heraus und stemmte sie am Boden liegend wie eine Trophäe in die Höhe.

Bald darauf gab es die richtige Trophäe, Kahn durfte die Meisterschale in den Hamburger Himmel recken. Es war zu großen Teilen seine Meisterschaft: Er spielte 32-mal in der Liga, erhielt eine Kicker-Durchschnittsnote von 2,8 - damit war er der Primus im Luxuskader von Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld.

Kahn wollte wie kein anderer diesen Titel. In Rostock sorgte er im März für Aufsehen und Belustigung, als er in letzter Minute bei einer Ecke nach vorne kam und den Ball ins Tor drosch - leider mit der Faust. Der Torwart-Instinkt im falschen Strafraum brachte ihm die Gelb-Rote Karte und hämische Kritiken ein. Kahn verstand sie nicht: "Dann wirst du plötzlich gefragt: 'Wie konnte Ihnen das passieren, was haben Sie da gemacht?' Man darf doch nicht immer alles so bierernst sehen."

"25 Jahre - da ist das Ding"

Vier Tage nach Saisonende wurden ihm in Mailand andere Fragen gestellt. Wie haben Sie das geschafft, Herr Kahn? Im Finale der Champions League wurde der Mann, der nicht als Elfmeter-Töter bekannt war, zum großen Helden im finalen Shoot-out. Gegen den FC Valencia parierte er drei Elfmeter und wusste selbst nicht warum: "Ich war wie in Trance, auf einer Konzentrationsebene wie noch nie. Ich kann mich an nichts erinnern, außer an die Schüsse. Die Zuschauer habe ich gar nicht wahrgenommen, es war wie ein Rausch." Auch dank ihm beendeten Bayern die lange Durststrecke in diesem Wettbewerb.

"25 Jahre - da ist das Ding!", rief Kahn euphorisch vom Balkon des Münchner Marienplatzes bei der großen rot-weißen Doppelfeier. Dort hatten zuletzt Franz Beckenbauer und Co. 1976 den Henkelpott präsentiert. Für Oliver Kahn war die Titeljagd noch nicht beendet. Als im August der Fußballer des Jahres gewählt wurde, ging auch diese Auszeichnung wieder an ihn. Mit sensationellen 74,88 Prozent der Stimmen. "Ich nehme diese Auszeichnung nur für die gesamte Mannschaft entgegen", sagte Kahn. "Denn ich bin nicht alleine, sondern die gesamte Mannschaft ist erfolgreich gewesen."

Oliver Kahns Bundesligabilanz: 567 Spiele, achtmal Deutscher Meister (Rekord).

[um]


[bild1]

50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. Heute: 2000/2001 wird Oliver Kahn mit dem FC Bayern Meister nach dramatischem Finale in Hamburg, gewinnt kurz darauf die Champions League in Mailand - und wird "Fußballer des Jahres". Eben ein Titan im Tor.

Im Sommer 2000 ist der deutsche Fußball nach dem Vorrunden-Aus bei der EM in Belgien und den Niederlanden auf dem Tiefpunkt. Ganz im Gegensatz zu seinem besten Torwart. Wäre diese EM nicht gewesen, wäre es ein Jahr zum Einrahmen für Oliver Kahn. Doublesieger, endlich Deutschlands unumstrittene Nummer eins und die Wahl zum Fußballer des Jahres hatte ihm die Saison 1999/2000 gebracht. Ließ sich das noch steigern?

Ließ es, und das hatte etwas mit dem Lebensmotto des damals fast 32-Jährigen zu tun, von dem die Welt spätestens am 19. Mai 2001 erfuhr. Da stieß er im allgemeinen Münchner Meistertaumel die historischen Worte heraus: "Ich hab gesagt: 'Weitermachen, immer weitermachen!'"

Das größte Meisterschaftsdrama der Ligahistorie

Was an diesem Tag im Stadion des HSV, damals AOL-Arena, geschah, weiß jedes fußballinteressierte Kind. Das größte Meisterschaftsdrama der Ligahistorie spielte genau genommen auf zwei Bühnen. In Gelsenkirchen, wo die Schalker schon den Titel feierten, weil sie 5:3 gegen Unterhaching gewonnen hatten und der HSV in letzter Minute in Führung gegangen war - gegen die Bayern, gegen Oliver Kahn.

Der fasste sich damals als Erster, fragte Schiedsrichter Markus Merk nach der Nachspielzeit - vier Minuten - und packte die erschütterten Kollegen am Kragen und an der Ehre. Da fiel es zuerst, das historische Wort: Weitermachen!

Dann kam er, der legendäre Pfiff von Merk nach einem Rückpass - indirekter Freistoß im HSV-Strafraum. Nun begann die große Kahn-Show. In seinem Übereifer wollte er den Freistoß sogar selbst schießen, doch Stefan Effenberg konnte das verhindern. Nun sprang Kahn wie ein Verrückter vor dem HSV-Tor herum, provozierte die komplett auf der Torlinie stehende Elf der Gastgeber. Kahn als Mauerspecht - es ist müßig zu spekulieren, ob das Tor, das dann fiel, nie gefallen wäre, hätte er seine Show nicht abgezogen. Fakt aber ist, dass auch der letzte im Stadion begriff, dass diese Bayern noch nicht aufgegeben hatten.

Kahn: Ekstase an der Eckfahne

Der Rest ist bekannt: Patrik Andersson fand 4:38 Minuten nach Abpfiff des Schalker Spiels eine Lücke in der Mauer, Bayern schaffte den Meister-Hattrick und Kahn schenkte dem Fußball noch eine Szene für die Ewigkeit. Ekstatisch rutschte er zur Eckfahne, riss sie heraus und stemmte sie am Boden liegend wie eine Trophäe in die Höhe.

Bald darauf gab es die richtige Trophäe, Kahn durfte die Meisterschale in den Hamburger Himmel recken. Es war zu großen Teilen seine Meisterschaft: Er spielte 32-mal in der Liga, erhielt eine Kicker-Durchschnittsnote von 2,8 - damit war er der Primus im Luxuskader von Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld.

Kahn wollte wie kein anderer diesen Titel. In Rostock sorgte er im März für Aufsehen und Belustigung, als er in letzter Minute bei einer Ecke nach vorne kam und den Ball ins Tor drosch - leider mit der Faust. Der Torwart-Instinkt im falschen Strafraum brachte ihm die Gelb-Rote Karte und hämische Kritiken ein. Kahn verstand sie nicht: "Dann wirst du plötzlich gefragt: 'Wie konnte Ihnen das passieren, was haben Sie da gemacht?' Man darf doch nicht immer alles so bierernst sehen."

[bild2]

"25 Jahre - da ist das Ding"

Vier Tage nach Saisonende wurden ihm in Mailand andere Fragen gestellt. Wie haben Sie das geschafft, Herr Kahn? Im Finale der Champions League wurde der Mann, der nicht als Elfmeter-Töter bekannt war, zum großen Helden im finalen Shoot-out. Gegen den FC Valencia parierte er drei Elfmeter und wusste selbst nicht warum: "Ich war wie in Trance, auf einer Konzentrationsebene wie noch nie. Ich kann mich an nichts erinnern, außer an die Schüsse. Die Zuschauer habe ich gar nicht wahrgenommen, es war wie ein Rausch." Auch dank ihm beendeten Bayern die lange Durststrecke in diesem Wettbewerb.

"25 Jahre - da ist das Ding!", rief Kahn euphorisch vom Balkon des Münchner Marienplatzes bei der großen rot-weißen Doppelfeier. Dort hatten zuletzt Franz Beckenbauer und Co. 1976 den Henkelpott präsentiert. Für Oliver Kahn war die Titeljagd noch nicht beendet. Als im August der Fußballer des Jahres gewählt wurde, ging auch diese Auszeichnung wieder an ihn. Mit sensationellen 74,88 Prozent der Stimmen. "Ich nehme diese Auszeichnung nur für die gesamte Mannschaft entgegen", sagte Kahn. "Denn ich bin nicht alleine, sondern die gesamte Mannschaft ist erfolgreich gewesen."

Oliver Kahns Bundesligabilanz: 567 Spiele, achtmal Deutscher Meister (Rekord).