Gelsdorf zu Bayern gegen Bayer: "Aha, das ist wohl Bundesliga"

DFB.de: Nein, das war noch Dettmar Cramer. In München haben Sie, abgesehen vom 0:0 im letzten Spiel im April 1986, immer verloren. Auch mal 2:6 und 0:5. War das so unvermeidlich?

Gelsdorf: Die Bayern hatten schon ein ganz anderes Spieltempo als wir, und wenn wir nicht unseren besten Tag hatten, war das ein Klassenunterschied.

DFB.de: Kaum hörten Sie auf, gab es 1987 den ersten Sieg bei den Bayern, ein 3:0. Ganz schön ärgerlich, oder?

Gelsdorf: Na gut, aber dafür blieb ich als Trainer von Bayer in München ungeschlagen. Gleich mein Debüt in München habe ich 1989 gewonnen. 1:0, Tor Marek Lesniak. Deswegen wurde ich noch fast jedes Jahr von Reportern angerufen, weil es der letzte Sieg für 23 Jahre war.

DFB.de: Und wie kam es zu diesem "Fußballwunder" vor rund 25 Jahren?

Gelsdorf: Alle dachten, wir werden sowieso verlieren, dann konnte ich auch was riskieren. Wir haben mit Viererkette gespielt, was damals noch verpönt war. Darum habe ich meinen Spielern vorher eingetrichtert, das dürfe nicht kommuniziert werden. Ich habe Thomas Hörster als Libero vor die Abwehr gestellt, um Klaus Augenthaler zu bremsen. Der "Auge" hat normal ganz schön Druck gemacht - aber nicht gegen uns. In der Woche passte alles, am Mittwoch davor wurde mein Sohn geboren, wir konnten gar nicht verlieren. Wir waren damals sogar Tabellenführer.

DFB.de: Am ersten Spieltag 1990/1991 reichte es noch zu einem 1:1.

Gelsdorf: Ja. Da war die Mauer schon gefallen, Ulf Kirsten machte sein erstes Spiel und traf prompt. Wir führten bis fünf Minuten vor Schluss, dann kostete uns ein Elfmeter von Stefan Effenberg, der für mich keiner war, den Sieg.



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34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Seit 49 Spielen ist Bayern München in der Bundesliga ungeschlagen. Ausgerechnet zum möglichen Jubiläum gastiert die Mannschaft beim Rekordmeister, die sie zuletzt geschlagen hat: Bayer Leverkusen. Was heute ein Spitzenspiel ist, fing auch mal ganz klein an. Der Historiker Udo Muras hat im DFB.de-Interview mit Jürgen Gelsdorf gesprochen, der als Spieler die ersten Leverkusener Auftritte gegen Bayern erlebte und einer von nur drei Trainern ist, die mit Bayer 04 in München gewannen. Heute leitet der 61 Jahre alte Gelsdorf das Nachwuchszentrum und die Fußballabteilung von Bayer 04 Leverkusen.

DFB.de: Herr Gelsdorf, zum 35. Mal reist Leverkusen zu den Bayern. Sie waren schon bei der Premiere dabei. Am 11. August 1979 standen noch 22 Deutsche auf dem Platz, und die meisten Profis trugen Schnauzbart - Sie auch. Damals bestritt Bayer 04 sein erstes Bundesligaspiel überhaupt gleich bei den Bayern. Woran erinnern Sie sich noch genau?

Jürgen Gelsdorf: Wir haben keine Chance gehabt, das ganze Drumherum hat uns sehr beeindruckt. So ein großes Stadion kannten wir nicht, wir kamen ja frisch aus der zweiten Liga Nord. Wenn es auch nur halb voll war - aber wir haben mehr nach links und rechts geguckt.

DFB.de: Schon nach 12 Minuten stand es 2:0, am Ende ein gnädiges 3:1. Bei Bayern spielten die Weltstars Paul Breitner und Karl-Heinz Rummenigge. Hatten Sie was mit denen zu tun?

Gelsdorf: Als Libero weniger. Aber ich kann mich gut erinnern, dass die beiden einen sehr intensiven Dialog mit dem Schiedsrichter gehabt haben, der vor dem Zivilrecht für mindestens drei Beleidigungsklagen gereicht haben dürfte. (lacht) Aber denen ist nichts passiert. Die durften alles, wir nix. Da habe ich mir gedacht: "Aha, das ist wohl Bundesliga."

DFB.de: Hatten Sie nach dem Spiel Befürchtungen, dass es nur ein kurzes Intermezzo im Oberhaus wird?

Gelsdorf: Ach nein, das war ein tolles Erlebnis, und das Ergebnis für uns außerhalb jeder Wertung. Wir haben im ersten Jahr auch sonst auswärts wenig geholt, aber zu Hause bewiesen dass wir mithalten konnten.

DFB.de: Und im zweiten Jahr sogar gegen die Bayern. Im März 1981 haben Sie sie 3:0 geschlagen, es war ein berühmtes Spiel wegen…

Gelsdorf: … der Geschichte mit Arne-Larsen Ökland, ich weiß. Er hat in der ersten Halbzeit schon drei Tore geschossen und in der zweiten noch ein irreguläres. Der Ball war ja nur am Außennetz, im Gegensatz zu Stefan Kießlings "Phantomor" von Hoffenheim.

DFB.de: Ökland ist dann zum Schiedsrichter gegangen und hat dies gesagt, das Tor wurde aberkannt. Wirklich ganz freiwillig?

Gelsdorf: Sagen wir mal so: Wir haben die Wartezeit, die durch die Verwirrung entstanden war, sinnvoll genutzt.

DFB.de: Die Mitspieler haben dazu geraten, weil sie Angst vor einer Wiederholung hatten - heißt es.

Gelsdorf: Ja, stimmt. Das wäre doch schade gewesen, so einen Tag erwischt man ja nicht immer. Wir haben 1981 das gemacht, was man heute auch mal wieder versuchen sollte: Wir haben die Bayern in Zweikämpfe verwickelt, sie konnten ihr Spiel nicht wie gewohnt aufziehen. Und wir haben die wenigen Chancen genutzt, die man gegen sie normalerweise nur kriegt. Dann kann man sie schlagen.

DFB.de: Als Spieler ist Ihnen das nur noch einmal gelungen. Im Herbst 1984 - wieder 3:0.

Gelsdorf: Das hatte ich schon gar nicht mehr auf dem Schirm. Unter Erich Ribbeck?

DFB.de: Nein, das war noch Dettmar Cramer. In München haben Sie, abgesehen vom 0:0 im letzten Spiel im April 1986, immer verloren. Auch mal 2:6 und 0:5. War das so unvermeidlich?

Gelsdorf: Die Bayern hatten schon ein ganz anderes Spieltempo als wir, und wenn wir nicht unseren besten Tag hatten, war das ein Klassenunterschied.

DFB.de: Kaum hörten Sie auf, gab es 1987 den ersten Sieg bei den Bayern, ein 3:0. Ganz schön ärgerlich, oder?

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Gelsdorf: Na gut, aber dafür blieb ich als Trainer von Bayer in München ungeschlagen. Gleich mein Debüt in München habe ich 1989 gewonnen. 1:0, Tor Marek Lesniak. Deswegen wurde ich noch fast jedes Jahr von Reportern angerufen, weil es der letzte Sieg für 23 Jahre war.

DFB.de: Und wie kam es zu diesem "Fußballwunder" vor rund 25 Jahren?

Gelsdorf: Alle dachten, wir werden sowieso verlieren, dann konnte ich auch was riskieren. Wir haben mit Viererkette gespielt, was damals noch verpönt war. Darum habe ich meinen Spielern vorher eingetrichtert, das dürfe nicht kommuniziert werden. Ich habe Thomas Hörster als Libero vor die Abwehr gestellt, um Klaus Augenthaler zu bremsen. Der "Auge" hat normal ganz schön Druck gemacht - aber nicht gegen uns. In der Woche passte alles, am Mittwoch davor wurde mein Sohn geboren, wir konnten gar nicht verlieren. Wir waren damals sogar Tabellenführer.

DFB.de: Am ersten Spieltag 1990/1991 reichte es noch zu einem 1:1.

Gelsdorf: Ja. Da war die Mauer schon gefallen, Ulf Kirsten machte sein erstes Spiel und traf prompt. Wir führten bis fünf Minuten vor Schluss, dann kostete uns ein Elfmeter von Stefan Effenberg, der für mich keiner war, den Sieg.

DFB.de: Ob es noch mal einen Leverkusener Trainer geben wird, der nie in München verloren hat? Wie sehen Sie die aktuelle Bayern-Dominanz?

Gelsdorf: Der Unterschied zu früher ist: Damals haben eigentlich alle gerne gegen die Bayern gespielt. Man hatte nichts zu verlieren und war doch nicht ganz chancenlos. Heute sind die Ergebnisse zu deutlich, selbst Mannschaften, die in der Champions League spielen, kriegen fünf, sechs Stück, auch zu Hause. Da geht man mit keinem guten Gefühl vom Platz. Einen Torwart, der sechs Tore kriegt, muss man wieder aufrichten - egal, gegen wen er sie kriegt.

DFB.de: Wie lange geht das noch so weiter? Bayern hat seit eineinhalb Jahren kein Spiel verloren in der Bundesliga.

Gelsdorf: Ich weiß es nicht. Eine solche Serie ist beispiellos, also kann ich auch keine Prognose abgeben. Aber ich darf daran erinnern: Vor zwei Jahren haben die Bayern noch 2:5 gegen den BVB im DFB-Pokalfinale verloren und keinen Titel gewonnen. Wenn sie aber im nächsten März wieder 20 Punkte vorne sind, dann muss man sich Gedanken machen.