Gegen Homophobie in Fußballstadien: Kampf dem Klischee

Gewalt und Rassismus wurden in den vergangenen Jahren immer erfolgreicher aus den Profiligen verdrängt. Die Selbstkontrolle in den Stadien ist effektiver geworden. Aber es gibt auch weniger tabuisierte Diskriminierungsformen, zu denen vor allem die Homophobie zählt. Der DFB setzt sich für einen toleranten und klischeefreien Umgang mit Schwulen und Lesben ein. Ronny Blaschke, freier Journalist und Autor von "Versteckspieler", dem ersten Buch über Homosexualität im Fußball, über das Werben um mehr Akzeptanz auf und neben den Tribünen.

Justin Fashanu wurde von zwei Polizisten abgeführt. Er hatte sich geweigert, den Trainingsplatz zu verlassen. Brian Clough, Trainer von Nottingham Forrest, hatte den Stürmer 1982 rausgeschmissen. Er hatte erfahren, dass sich Fashanu in der Schwulenszene bewegte. Clough wollte die "verdammte Schwuchtel", wie er es formulierte, nicht mehr in seiner Mannschaft haben. Das große Talent Fashanu, das bei Norwich City Ende der 70er-Jahre überzeugend aufgespielt hatte, wagte 1990 ein öffentliches Coming Out. Das Boulevard-Blatt "The Sun" bezahlte ihm dafür 80.000 Pfund. Der öffentliche Druck sollte Fashanu zerbrechen, am 2. Mai 1998 erhängte sich Fashanu in einer Garage in London, er wurde 37 Jahre alt.

21,8 Prozent halten Homosexualität für unmoralisch

In der Geschichte des europäischen Spitzenfußballs ist Justin Fashanu der einzige Profi, der sich zur Homosexualität bekannte. Hat sein trauriges Beispiel andere Spieler davon abgehalten, an die Öffentlichkeit zu gehen? Selbst Spieler, deren Laufbahnen seit langem zu Ende sind, haben sich nicht zu Wort gemeldet. Dabei steht außer Frage, dass es schwule Kicker gibt. Fünf bis zehn Prozent der deutschen Männer, schätzen Wissenschaftler, seien homosexuell. "Fußball und Homosexualität widersprechen sich überhaupt nicht", sagt Tanja Walther. Seit dem Ende ihrer Karriere 1998 engagiert sich die Sportlehrerin gegen Homophobie im Fußball, vor allem als Botschafterin der European Gay and Lesbian Sport Federation (EGLSF), des schwullesbischen Sportverbandes Europas.

Der Fußball gleicht einem Brennglas, in dem gesellschaftliche Probleme verschärft wahrgenommen werden. Darüber hinaus besitzt der beliebteste Sport – anders als Politik, Kultur, Wirtschaft – eine hohe Körperlichkeit. Spieler reißen sich nach Toren die Trikots vom Leib und umarmen sich. Die Kulturwissenschaftlerin Tatjana Eggeling bezeichnet dieses Verhalten als eine mit "Ruppigkeit gepaarte Zärtlichkeit". An Homosexualität denke niemand. Dabei seien, ergänzt Eggeling, "Stadien nicht schwulen- und lesbenfeindlicher als andere Bereiche der Gesellschaft". Laut der Langzeitstudie "Deutsche Zustände" des Bielefelder Gewaltforschers Wilhelm Heitmeyer hielten 21,8 Prozent der Befragten Homosexualität im Jahr 2006 für unmoralisch.

DFB hat Kampf gegen Homophobie aufgenommen

Dieser Trend dringt auf den Tribünen durch Schmähgesänge deutlicher an die Oberfläche als im Arbeitsalltag oder am Kaffeetisch, schließlich spielen Anonymität und Massen auf den Tribünen eine wichtige Rolle, wenn es um den Ausbruch von Frust geht. So war es auch in den 80er- und frühen 90er-Jahren, als Bundesligastadien als Bühnen für Rassismus missbraucht wurden. Durch die zunehmende Tabuisierung solcher Themen flüchten sich Anhänger in andere Diskriminierungs formen, vor allem in Homophobie. Auch Jugendliche tragen ihre Ressentiments im Verborgenen aus, auch in ihren Nachwuchsmannschaften, wo sie nicht von Dutzenden Kameras und Hunderten Polizisten beobachtet werden. Begriffe wie "Schwuchtel" oder "Warmduscher" gelten als gewöhnliche Schimpfworte.

"Wir müssen ein Klima schaffen, in dem sich Schwule und Lesben nicht bedroht fühlen", sagt Tanja Walther. Ihr sind Fortbildungen wichtig, Trainer und Funktionäre, insbesondere im Nachwuchs, müssten früh um Toleranz werben. Der DFB hat den Kampf gegen Homophobie als wichtigen Punkt auf seine Agenda gesetzt. "Wir haben endlich das Gefühl, dass wir ernst genommen werden", sagt Christian Deker. Einmal erhielt er im Internet eine Morddrohung, ein anderes Mal tauchten Fotos von ihm im Netz auf. Deker ist Sprecher der Stuttgarter Junxx, des ersten schwullesbischen Fanklubs des VfB Stuttgart. Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Mitglieder der Stuttgarter Junxx nicht von ihren Kollegen anderer Fanklubs. Sie gehen ins Stadion, singen und klatschen. Doch die Junxx sind nicht nur Treffpunkt, sie sind auch ein politisches Forum.



[bild1]

Gewalt und Rassismus wurden in den vergangenen Jahren immer erfolgreicher aus den Profiligen verdrängt. Die Selbstkontrolle in den Stadien ist effektiver geworden. Aber es gibt auch weniger tabuisierte Diskriminierungsformen, zu denen vor allem die Homophobie zählt. Der DFB setzt sich für einen toleranten und klischeefreien Umgang mit Schwulen und Lesben ein. Ronny Blaschke, freier Journalist und Autor von "Versteckspieler", dem ersten Buch über Homosexualität im Fußball, über das Werben um mehr Akzeptanz auf und neben den Tribünen.

Justin Fashanu wurde von zwei Polizisten abgeführt. Er hatte sich geweigert, den Trainingsplatz zu verlassen. Brian Clough, Trainer von Nottingham Forrest, hatte den Stürmer 1982 rausgeschmissen. Er hatte erfahren, dass sich Fashanu in der Schwulenszene bewegte. Clough wollte die "verdammte Schwuchtel", wie er es formulierte, nicht mehr in seiner Mannschaft haben. Das große Talent Fashanu, das bei Norwich City Ende der 70er-Jahre überzeugend aufgespielt hatte, wagte 1990 ein öffentliches Coming Out. Das Boulevard-Blatt "The Sun" bezahlte ihm dafür 80.000 Pfund. Der öffentliche Druck sollte Fashanu zerbrechen, am 2. Mai 1998 erhängte sich Fashanu in einer Garage in London, er wurde 37 Jahre alt.

21,8 Prozent halten Homosexualität für unmoralisch

In der Geschichte des europäischen Spitzenfußballs ist Justin Fashanu der einzige Profi, der sich zur Homosexualität bekannte. Hat sein trauriges Beispiel andere Spieler davon abgehalten, an die Öffentlichkeit zu gehen? Selbst Spieler, deren Laufbahnen seit langem zu Ende sind, haben sich nicht zu Wort gemeldet. Dabei steht außer Frage, dass es schwule Kicker gibt. Fünf bis zehn Prozent der deutschen Männer, schätzen Wissenschaftler, seien homosexuell. "Fußball und Homosexualität widersprechen sich überhaupt nicht", sagt Tanja Walther. Seit dem Ende ihrer Karriere 1998 engagiert sich die Sportlehrerin gegen Homophobie im Fußball, vor allem als Botschafterin der European Gay and Lesbian Sport Federation (EGLSF), des schwullesbischen Sportverbandes Europas.

Der Fußball gleicht einem Brennglas, in dem gesellschaftliche Probleme verschärft wahrgenommen werden. Darüber hinaus besitzt der beliebteste Sport – anders als Politik, Kultur, Wirtschaft – eine hohe Körperlichkeit. Spieler reißen sich nach Toren die Trikots vom Leib und umarmen sich. Die Kulturwissenschaftlerin Tatjana Eggeling bezeichnet dieses Verhalten als eine mit "Ruppigkeit gepaarte Zärtlichkeit". An Homosexualität denke niemand. Dabei seien, ergänzt Eggeling, "Stadien nicht schwulen- und lesbenfeindlicher als andere Bereiche der Gesellschaft". Laut der Langzeitstudie "Deutsche Zustände" des Bielefelder Gewaltforschers Wilhelm Heitmeyer hielten 21,8 Prozent der Befragten Homosexualität im Jahr 2006 für unmoralisch.

DFB hat Kampf gegen Homophobie aufgenommen

Dieser Trend dringt auf den Tribünen durch Schmähgesänge deutlicher an die Oberfläche als im Arbeitsalltag oder am Kaffeetisch, schließlich spielen Anonymität und Massen auf den Tribünen eine wichtige Rolle, wenn es um den Ausbruch von Frust geht. So war es auch in den 80er- und frühen 90er-Jahren, als Bundesligastadien als Bühnen für Rassismus missbraucht wurden. Durch die zunehmende Tabuisierung solcher Themen flüchten sich Anhänger in andere Diskriminierungs formen, vor allem in Homophobie. Auch Jugendliche tragen ihre Ressentiments im Verborgenen aus, auch in ihren Nachwuchsmannschaften, wo sie nicht von Dutzenden Kameras und Hunderten Polizisten beobachtet werden. Begriffe wie "Schwuchtel" oder "Warmduscher" gelten als gewöhnliche Schimpfworte.

[bild2]

"Wir müssen ein Klima schaffen, in dem sich Schwule und Lesben nicht bedroht fühlen", sagt Tanja Walther. Ihr sind Fortbildungen wichtig, Trainer und Funktionäre, insbesondere im Nachwuchs, müssten früh um Toleranz werben. Der DFB hat den Kampf gegen Homophobie als wichtigen Punkt auf seine Agenda gesetzt. "Wir haben endlich das Gefühl, dass wir ernst genommen werden", sagt Christian Deker. Einmal erhielt er im Internet eine Morddrohung, ein anderes Mal tauchten Fotos von ihm im Netz auf. Deker ist Sprecher der Stuttgarter Junxx, des ersten schwullesbischen Fanklubs des VfB Stuttgart. Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Mitglieder der Stuttgarter Junxx nicht von ihren Kollegen anderer Fanklubs. Sie gehen ins Stadion, singen und klatschen. Doch die Junxx sind nicht nur Treffpunkt, sie sind auch ein politisches Forum.

Den ersten Schritt in diese Richtung wagten Fans aus der Hauptstadt: 2001 gründeten sich die Hertha-Junxx. "Wir holen das Thema aus der Schmuddelecke", sagt Mitglied Werner Pohlenz, "und wir zeigen, dass das Leben von Homosexuellen normal sein kann wie das von Heterosexuellen." Mehr als ein Dutzend schwullesbische Fanklubs sind entstanden, einige sind in Planung. Ihnen ist die Akzeptanzarbeit ebenso wichtig wie den Dutzenden Sportvereinen für Homosexuelle. Vereine wie Seitenwechsel in Berlin, Startschuss in Hamburg, Janus in Köln oder Rosalöwen in Leipzig. Viele von ihnen haben es schwer, Sponsoren zu finden. Ihr Ziel sei die sportliche Normalität, sagt Tanja Walther: "Leistungen steigern, Wettkämpfe gewinnen - ohne sich dabei als Minderheit zu fühlen.“