Geburtstagskind Kai Havertz: Ganz ruhig

Kai Havertz ist eine Verheißung des deutschen Fußballs. Finden alle. Nur er würde das niemals so sehen. Eine Annäherung an einen Fußballer, der Deutschlands nächstes großes Ding sein könnte. 

Wenn man jung ist, sind selbst die kleinen Schläge des Schicksals eher die Ausnahme. Kai Havertz, Geburtstagskind, seit heute 20 Jahre alt, Fußballprofi bei Erstligist Bayer 04 Leverkusen, musste trotzdem einen Nackenschlag hinnehmen. Sein "Gegner" Julian Brandt ist ihm gerade abhandengekommen. In allen möglichen Belangen haben die beiden sich duelliert. Verspielt natürlich, vielfach an der Konsole. Brandt wechselt in diesem Sommer zu Borussia Dortmund und Havertz betrauert also den Fortgang des drei Jahre älteren Kompagnon beim Kurznachrichtendienst Twitter wortreich: "Ein großartiger Fußballer und ein noch besserer Freund" gehe da, schrieb Havertz über Brandt und bezeichnete ihn noch dazu als "Bro". Als Bruder also, weil die Ebenen der Freundschaft über das Computerspiel und den Fußballplatz deutlich hinausragen.

Wie gut, dass Brandt und Havertz in der deutschen Nationalmannschaft auch künftig gemeinsam zum Fundament des laufenden Neuaufbaus beitragen können. Im DFB-Team wird sie kaum jemand trennen können, wenn sie denn weiter das Leistungsniveau erreichen, mit dem die beiden vor allem in der Rückrunde der gerade vergangenen Saison ihr Publikum begeistert haben. Nicht viel spricht dagegen.

Debüt gegen Peru

Für Havertz gilt das, weil die Entwicklungsschritte des 19-Jährigen, der bei Alemannia Mariadorf begann, bei Alemannia Aachen nur ein Jahr kickte und schon 2010 in Leverkusen landete, ein beeindruckendes Tempo formen, er aber so gar nicht den Eindruck erweckt, als würde er mit dem Tempo den Boden verlassen und zu fliegen beginnen.

Havertz sei das größte Talent des deutschen Fußballs, schreiben die einen. Andere sehen in dem Mittelfeldspieler den "künftigen deutschen Fußball-Weltstar". Das Besondere an ihm ist so vielschichtig, dass man durchaus ein bisschen ausholen muss: die Ruhe am Ball. Das geschickte Abschirmen. Die beachtliche Zweikampfhärte. Der starke linke Fuß. Die Kopfballstärke. Ausdauer, Abgeklärtheit und ein sagenhafter Abschluss. Die Leichtigkeit des Fußball-Seins, verbunden mit enormer Effizienz.

Kein Wunder, dass so einer früher oder später in der Nationalmannschaft ankommt. Früher, in seinem Fall. Gegen Peru, in Sinsheim, um konkret zu sein. Und? Wie war's? Hören wir ihn selbst. "An diese Augenblicke werde ich mich immer erinnern", sagt er. "September 2018, es war die 88. Spielminute im Spiel gegen Peru, Nico Schulz hatte gerade das 2:1 erzielt. Dann stehe ich am Spielfeldrand, Timo Werner geht runter – und auf einmal bin ich Nationalspieler. Es waren nur wenige Minuten, aber Minuten, die ich nie vergessen werde."

Die wichtigen Tore

So spricht einer, von dem nicht wenige überzeugt sind, dass er jener Spieler sein kann, der ein junges und noch suchendes deutsches Team mit fußballerischer Substanz verändert, verbessert - und womöglich als eine Fußball-Führungskraft eine neue Ära einleitet. Viel Druck für einen, der in dieser Saison so überraschend breit alle Erwartungen erfüllen konnte, die eigentlich viel zu groß waren und so schnell und so schwer auf seinen Schultern lasteten, aber dann eben doch gar nicht belasteten. Spätestens seit der Niederländer Peter Bosz in Leverkusen die Richtung vorgegeben hat, läuft Havertz nur noch in die richtige. Übernimmt Verantwortung. Trifft, wenn einer treffen muss. 18 Tore in der Liga. Und meistens sind es auch noch die wichtigen ersten. Das 4:0? Kann jeder.

Havertz begeistert im Zusammenspiel des Effizienz-Dreiecks, das aus Julian Brandt, Kevin Volland und eben Havertz bestand und jetzt womöglich den aus Hoffenheim kommenden Kerem Demirbay als Brandt-Ersatz aufnimmt. Zusammen haben die Drei in der vergangenen Saison mit 39 von 69 weit mehr als die Hälfte aller Leverkusener Tore erzielt.

Leverkusens offensives Spiel mit schneller Balleroberung und fixen Ballstafetten kommt dem Techniker Havertz entgegen. Am Ende gelang, was Spieler wie Brandt und Havertz nicht nur einen Popularitätsschub verschafft, sondern sie auch die nächste Stufe erreichen lässt: die Qualifikation zur Champions League, als Tabellenvierter der Liga. Große Fußballer erreichen Ziele, Leverkusen hatte sich die Rückkehr in die Königsklasse auf die Fahnen geschrieben. Geschafft. Haken dran. Auch dank Havertz.

Keine Grenzen

Dass Rudi Völler in ihm nicht nur "Özil", sondern auch zu einem guten Stück "Michael Ballack in dessen Topjahren" sieht, trifft den Kern, macht es für Havertz aber gewiss nicht leichter. "Vom Laufstil und der Eleganz wirkt er wie Özil, von der körperlichen Entwicklung, der Robustheit, der Kopfballstärke und der Torgefährlichkeit wie Michael", sagte Völler dem Fußball-Fachmagazin kicker und erklärte Havertz gleich mal zum "deutschen Spieler der kommenden zehn Jahre, ganz klar. Ihm sind fußballerisch keine Grenzen gesetzt". Puh, wenn das mal kein Rucksack ist. Andererseits, für gewöhnlich weiß Völler recht gut, was er tut und was er sagt. Er wird einschätzen können, dass derlei Äußerungen keinen Schaden bei dem Jungen anrichten.

Bei Bayer wissen sie, was sie an Havertz haben. Der Verein aus dem Westen der Republik hat mit Havertz einen laufenden Vertrag bis 2022 – ohne Ausstiegsklausel. Da kann kommen wer will, da kann sich strecken wer will – Bayer hat das Heft des Handelns in der Hand. Es ist ja kein Geheimnis, dass Havertz als einer der begehrtesten Spieler Europas gilt, als Mann in allen Notizbüchern.

Für Leverkusen ist er vor allem ein Mann auf dem Rasen – Stand jetzt auch in der kommenden Saison. Es soll auch Havertz' Bodenständigkeit zu verdanken sein, sagte Völler unlängst, dass der Youngster weiter in Leverkusen spielen wird und dem ersten Bewerber-Ansturm offenbar widerstanden ist. Es kommen ganz sicher noch viele Jahre. Er finde es, sagte unlängst Havertz' Ex-Trainer Heiko Herrlich, unter dem er zum Stammspieler geworden war, richtig, dass er "jetzt noch in Leverkusen bleibt". Und weiter: "Ich traue ihm eine Weltkarriere zu. Wenn er gesund bleibt, kann er sich in ein, zwei Jahren aussuchen, wo er spielt."

Happy Birthday

Und gerade erst hat Bundestrainer Joachim Löw vor den "hohen Hürden" für junge und früh gehypte Fußballer gewarnt, die auch für Havertz noch zu nehmen sein würden. Wenngleich auch Löw das Besondere an dem Leverkusener schnell erspürt hat. Bei Havertz habe er sich, sagte Löw dem kicker, gleich "nach dem ersten Training gefragt, ob er schon ein oder zwei Jahre bei uns wäre. Es wirkte, als wenn er mit allen anderen schon immer zusammengespielt hätte. Das habe ich zuvor ganz, ganz selten bei einem Spieler gesehen", befand Löw, was wie eine Verheißung klingt.

Und doch stehen Aufgaben vor dem jungen Mann. Etwa der nächste Schritt im EM-Qualifikationsspiel heute Abend (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) in Mainz gegen Estland. Just an jenem Abend, an dem Havertz seinen 20. Geburtstag feiert. Und dann die Bestätigung seiner starken Leistungen in Leverkusen, weil nur Bestätigung aus einem guten Fußballer einen herausragenden Fußballer macht. Immer und immer wieder. Die Chancen stehen gut.

"Ich bin dazu erzogen worden, dass man immer schön auf dem Teppich bleibt", sagt Havertz. "Meine Eltern haben mir vermittelt, dass Arroganz oder Hochnäsigkeit nun wirklich nichts Erstrebenswertes sind." Eine Einstellung, die seine Zeit in einer Gastfamilie überdauert hat, als Havertz im Alter von 15 Jahren in Leverkusen ankam. Seither hat sich viel verändert. Nur Kai Havertz selbst am wenigsten. Das meiste geschieht um ihn herum.

[dfb]

Kai Havertz ist eine Verheißung des deutschen Fußballs. Finden alle. Nur er würde das niemals so sehen. Eine Annäherung an einen Fußballer, der Deutschlands nächstes großes Ding sein könnte. 

Wenn man jung ist, sind selbst die kleinen Schläge des Schicksals eher die Ausnahme. Kai Havertz, Geburtstagskind, seit heute 20 Jahre alt, Fußballprofi bei Erstligist Bayer 04 Leverkusen, musste trotzdem einen Nackenschlag hinnehmen. Sein "Gegner" Julian Brandt ist ihm gerade abhandengekommen. In allen möglichen Belangen haben die beiden sich duelliert. Verspielt natürlich, vielfach an der Konsole. Brandt wechselt in diesem Sommer zu Borussia Dortmund und Havertz betrauert also den Fortgang des drei Jahre älteren Kompagnon beim Kurznachrichtendienst Twitter wortreich: "Ein großartiger Fußballer und ein noch besserer Freund" gehe da, schrieb Havertz über Brandt und bezeichnete ihn noch dazu als "Bro". Als Bruder also, weil die Ebenen der Freundschaft über das Computerspiel und den Fußballplatz deutlich hinausragen.

Wie gut, dass Brandt und Havertz in der deutschen Nationalmannschaft auch künftig gemeinsam zum Fundament des laufenden Neuaufbaus beitragen können. Im DFB-Team wird sie kaum jemand trennen können, wenn sie denn weiter das Leistungsniveau erreichen, mit dem die beiden vor allem in der Rückrunde der gerade vergangenen Saison ihr Publikum begeistert haben. Nicht viel spricht dagegen.

Debüt gegen Peru

Für Havertz gilt das, weil die Entwicklungsschritte des 19-Jährigen, der bei Alemannia Mariadorf begann, bei Alemannia Aachen nur ein Jahr kickte und schon 2010 in Leverkusen landete, ein beeindruckendes Tempo formen, er aber so gar nicht den Eindruck erweckt, als würde er mit dem Tempo den Boden verlassen und zu fliegen beginnen.

Havertz sei das größte Talent des deutschen Fußballs, schreiben die einen. Andere sehen in dem Mittelfeldspieler den "künftigen deutschen Fußball-Weltstar". Das Besondere an ihm ist so vielschichtig, dass man durchaus ein bisschen ausholen muss: die Ruhe am Ball. Das geschickte Abschirmen. Die beachtliche Zweikampfhärte. Der starke linke Fuß. Die Kopfballstärke. Ausdauer, Abgeklärtheit und ein sagenhafter Abschluss. Die Leichtigkeit des Fußball-Seins, verbunden mit enormer Effizienz.

Kein Wunder, dass so einer früher oder später in der Nationalmannschaft ankommt. Früher, in seinem Fall. Gegen Peru, in Sinsheim, um konkret zu sein. Und? Wie war's? Hören wir ihn selbst. "An diese Augenblicke werde ich mich immer erinnern", sagt er. "September 2018, es war die 88. Spielminute im Spiel gegen Peru, Nico Schulz hatte gerade das 2:1 erzielt. Dann stehe ich am Spielfeldrand, Timo Werner geht runter – und auf einmal bin ich Nationalspieler. Es waren nur wenige Minuten, aber Minuten, die ich nie vergessen werde."

Die wichtigen Tore

So spricht einer, von dem nicht wenige überzeugt sind, dass er jener Spieler sein kann, der ein junges und noch suchendes deutsches Team mit fußballerischer Substanz verändert, verbessert - und womöglich als eine Fußball-Führungskraft eine neue Ära einleitet. Viel Druck für einen, der in dieser Saison so überraschend breit alle Erwartungen erfüllen konnte, die eigentlich viel zu groß waren und so schnell und so schwer auf seinen Schultern lasteten, aber dann eben doch gar nicht belasteten. Spätestens seit der Niederländer Peter Bosz in Leverkusen die Richtung vorgegeben hat, läuft Havertz nur noch in die richtige. Übernimmt Verantwortung. Trifft, wenn einer treffen muss. 18 Tore in der Liga. Und meistens sind es auch noch die wichtigen ersten. Das 4:0? Kann jeder.

Havertz begeistert im Zusammenspiel des Effizienz-Dreiecks, das aus Julian Brandt, Kevin Volland und eben Havertz bestand und jetzt womöglich den aus Hoffenheim kommenden Kerem Demirbay als Brandt-Ersatz aufnimmt. Zusammen haben die Drei in der vergangenen Saison mit 39 von 69 weit mehr als die Hälfte aller Leverkusener Tore erzielt.

Leverkusens offensives Spiel mit schneller Balleroberung und fixen Ballstafetten kommt dem Techniker Havertz entgegen. Am Ende gelang, was Spieler wie Brandt und Havertz nicht nur einen Popularitätsschub verschafft, sondern sie auch die nächste Stufe erreichen lässt: die Qualifikation zur Champions League, als Tabellenvierter der Liga. Große Fußballer erreichen Ziele, Leverkusen hatte sich die Rückkehr in die Königsklasse auf die Fahnen geschrieben. Geschafft. Haken dran. Auch dank Havertz.

Keine Grenzen

Dass Rudi Völler in ihm nicht nur "Özil", sondern auch zu einem guten Stück "Michael Ballack in dessen Topjahren" sieht, trifft den Kern, macht es für Havertz aber gewiss nicht leichter. "Vom Laufstil und der Eleganz wirkt er wie Özil, von der körperlichen Entwicklung, der Robustheit, der Kopfballstärke und der Torgefährlichkeit wie Michael", sagte Völler dem Fußball-Fachmagazin kicker und erklärte Havertz gleich mal zum "deutschen Spieler der kommenden zehn Jahre, ganz klar. Ihm sind fußballerisch keine Grenzen gesetzt". Puh, wenn das mal kein Rucksack ist. Andererseits, für gewöhnlich weiß Völler recht gut, was er tut und was er sagt. Er wird einschätzen können, dass derlei Äußerungen keinen Schaden bei dem Jungen anrichten.

Bei Bayer wissen sie, was sie an Havertz haben. Der Verein aus dem Westen der Republik hat mit Havertz einen laufenden Vertrag bis 2022 – ohne Ausstiegsklausel. Da kann kommen wer will, da kann sich strecken wer will – Bayer hat das Heft des Handelns in der Hand. Es ist ja kein Geheimnis, dass Havertz als einer der begehrtesten Spieler Europas gilt, als Mann in allen Notizbüchern.

Für Leverkusen ist er vor allem ein Mann auf dem Rasen – Stand jetzt auch in der kommenden Saison. Es soll auch Havertz' Bodenständigkeit zu verdanken sein, sagte Völler unlängst, dass der Youngster weiter in Leverkusen spielen wird und dem ersten Bewerber-Ansturm offenbar widerstanden ist. Es kommen ganz sicher noch viele Jahre. Er finde es, sagte unlängst Havertz' Ex-Trainer Heiko Herrlich, unter dem er zum Stammspieler geworden war, richtig, dass er "jetzt noch in Leverkusen bleibt". Und weiter: "Ich traue ihm eine Weltkarriere zu. Wenn er gesund bleibt, kann er sich in ein, zwei Jahren aussuchen, wo er spielt."

Happy Birthday

Und gerade erst hat Bundestrainer Joachim Löw vor den "hohen Hürden" für junge und früh gehypte Fußballer gewarnt, die auch für Havertz noch zu nehmen sein würden. Wenngleich auch Löw das Besondere an dem Leverkusener schnell erspürt hat. Bei Havertz habe er sich, sagte Löw dem kicker, gleich "nach dem ersten Training gefragt, ob er schon ein oder zwei Jahre bei uns wäre. Es wirkte, als wenn er mit allen anderen schon immer zusammengespielt hätte. Das habe ich zuvor ganz, ganz selten bei einem Spieler gesehen", befand Löw, was wie eine Verheißung klingt.

Und doch stehen Aufgaben vor dem jungen Mann. Etwa der nächste Schritt im EM-Qualifikationsspiel heute Abend (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) in Mainz gegen Estland. Just an jenem Abend, an dem Havertz seinen 20. Geburtstag feiert. Und dann die Bestätigung seiner starken Leistungen in Leverkusen, weil nur Bestätigung aus einem guten Fußballer einen herausragenden Fußballer macht. Immer und immer wieder. Die Chancen stehen gut.

"Ich bin dazu erzogen worden, dass man immer schön auf dem Teppich bleibt", sagt Havertz. "Meine Eltern haben mir vermittelt, dass Arroganz oder Hochnäsigkeit nun wirklich nichts Erstrebenswertes sind." Eine Einstellung, die seine Zeit in einer Gastfamilie überdauert hat, als Havertz im Alter von 15 Jahren in Leverkusen ankam. Seither hat sich viel verändert. Nur Kai Havertz selbst am wenigsten. Das meiste geschieht um ihn herum.

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