"Fußball ist ein wundervolles Mittel der Diplomatie"

Murphy: Ich kann nicht für Präsident Obama sprechen, aber ich weiß sicher, dass er äußerst interessiert wäre. Er ist ein großer Sportfan und seine Töchter spielen Fußball. Er weiß, wie wichtig Sport ist.

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Für Philip D. Murphy, seit August 2009 Botschafter der USA in Deutschland, ist der Fußball eine große Leidenschaft und zudem ein effizientes Mittel zur Erfüllung seiner diplomatischen Aufgaben. Im Interview mit David Noemi vom Organisationskomitee für die WM 2011 sprach Botschafter Murphy, der frühere Chef von Goldman Sachs in Frankfurt am Main und Miteigentümer des US-Frauenfußball-Profi­klubs Sky Blue, über das "schönste aller Spie­le", das er ganz besonders genießt, wenn die Akteure auf dem Spielfeld weiblich sind. Und er erklärt, warum die US-Athletin oft als erste ins Ziel kommt.

Frage: War es für Sie als Fußball-Fan eine besonders glückliche Fügung, dass Sie zum Botschafter der USA in Deutschland ernannt wurden, dem Land, das 2011 die FIFA Frauen-WM ausrichtet?

Philip D. Murphy: Ja, das ist wirklich ein schöner Aspekt. Ich sehe der Frauen-WM 2011 mit Begeisterung entgegen, denn sie wird dem Frauenfußball großartige neue Möglichkeiten eröffnen.

Frage: Welce Rolle spielt der Fußball bei Ihrer vermittelnden Aufgabe. Halten Sie Fußball für ein geeignetes Mittel der Diplomatie?

Murphy: Keine Frage. Ich denke, dass der Fußball auf einzigartige Weise Menschen zusammenbringt. Einer der wichtigsten Aspekte des Fußballspiels besteht darin, dass man überhaupt kein Geld braucht, um zu spielen, sondern nur Talent und einen Ball. Überall auf der Welt sieht man Kinder – Jungen wie Mädchen – aus allen sozialen Schichten, die zusammenkommen und Fuß­ball spielen. Ja, Fußball ist ein wundervolles Mittel der Diplomatie.

Frage: Ihre Kinder Emma, Sam, Josh und Charlie erschienen bei Ihrer Vorstellung in Berlin im August 2009 in Trikots von Hertha BSC. Darüber spricht man noch heute. War das für Sie die beste Art, sich der deutschen Öffentlichkeit vorzustellen?

Murphy: Genau das ist ein Beispiel dafür, was ich eben gesagt habe. Eigentlich hat meine Frau diese Überraschung vorbereitet. Unglücklicherweise läuft es bei der Hertha seitdem nicht besonders gut...

Frage: Wie kommt es, dass Sie ein solch leidenschaftlicher Fan des Frauenfußballs geworden sind, und nicht American Football oder Baseball lieben?

Murphy: Ich mag auch andere Sportarten. Aufgewachsen in Boston, habe ich dort die Baseball-Mannschaft und das American Football-Team unterstützt. Der Mann von Mia Hamm, Nomar Garciaparra, war einer unserer großen Stars bei den Red Sox. Trotzdem hat Fußball, das schönste aller Spiele, etwas Magisches an sich. Und ganz besonders gut wird Fußball von Frauen gespielt.

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Frage: Was ist für Sie persönlich der beste Aspekt am Frauenfußball?

Murphy: Jemand hat einmal zu mir gesagt, dass die Männer stärker und schneller sind. Ich weiß nicht, ob das wirklich immer der Fall ist. Es gibt einige fantastische Spielerinnen in Ländern wie den USA, Deutschland und Brasilien. Denken Sie bloß an Marta – die ist mindestens genau so schnell wie viele andere Spieler, die ich gesehen habe. Wenn man außerdem nicht nur auf Schnelligkeit und Kraft achtet, sondern einmal auf die Gewandtheit und die Finesse der Bewegungen mit und ohne Ball, dann finde ich, dass Frauen hier besonders gut sind.

Frage: Sie haben einen der arbeitsintensivsten Jobs in Deutschland. Wie schaffen Sie es, Ihre Leidenschaft für den Fußball wach zu halten?

Murphy: Ich versuche immer wieder, meine Arbeit mit dem Fußball zu verbinden. Seit unserer Ankunft hier in Deutschland ist es uns ganz gut gelungen, meine täglichen Pflichten mit meiner Leidenschaft für den Fußball unter einen Hut zu bringen. Das Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und den USA in Augsburg war ein schönes Beispiel. Der Bürgermeister von Augsburg, die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, Vertreter der Linkspartei, der CSU, der Wirtschaft und natürlich auch der Presse waren bei diesem Spiel. Der Fußball bietet die seltene Gelegenheit, wirklich zu einer bestimmten Gemeinschaft dazuzugehören.

Frage: Können Sie als aktiver Förderer des Frauenfußballs in den USA einen besonderen Aspekt für die Entwicklung des Sports in Ihrem Land nennen?

Murphy: Der wichtigste Aspekt der Sportpolitik in den USA, der sich am stärksten auf den Frauenfußball ausgewirkt hat, war wohl das Projekt "Title IX". Diese Richtlinie wurde Anfang der siebziger Jahre verabschiedet. Darin wurde festgelegt, dass für jeden öffentlichen Dollar, der für sportliche Aktivitäten von Jungen und Männern ausgegeben wird, ebenfalls ein Dollar in Mädchen und Frauen investiert werden muss. Das hat wohl mehr als alles Andere dazu beigetragen, dass wir heute in vielen Sportarten bei den Frauen eine beherrschende Position einnehmen.

Frage: Was kann Deutschland aus den zwei Frauen-WM-Turnieren in den USA lernen?

Murphy: Beim Finale 1999 kamen 100.000 Leute ins Stadion nach Pasadena. 2003 haben wir diese Zahl nicht erreicht, vor allem, weil wir kurzfristig für China als Ausrichter eingesprungen sind. Man muss, wie es Deutschland jetzt macht, solch ein Event über mehrere Jahre vorbereiten und kontinuierlich auf das Ereignis hin arbeiten. Und natürlich kann Deutschland am meisten von sich selbst lernen, denn die FIFA Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland war in jeder Hinsicht ein überwältigender Erfolg.

Frage: Was erwarten Sie von der FIFA Frauen-WM 2011?

Murphy: Das wird mit Sicherheit ein herausragendes Turnier. Ich gehe mal davon aus, dass Deutschland zu den Favoriten gehört, wenn nicht sogar als Top-Favorit anzusehen ist. Natürlich hoffe ich, dass auch die Mannschaft der USA konkurrenzfähig ist, und von den Brasilianerinnen erwarte ich ebenfalls eine starke Leistung. Es wird ganz bestimmt eine tolle Weltmeisterschaft.

Frage: Wäre USA gegen Deutschland Ihr Traumfinale?

Murphy: Ganz klar – die USA gegen Deutschland in meiner früheren Heimatstadt Frankfurt am Main wäre das absolut perfekte Finale!

Frage: Und wer würde siegen?

Murphy: Ich hege wirklich große Sympathie für Deutsch­land, aber die USA würden dieses Spiel gewinnen.

Frage: Und würde auch Präsident Barack Obama kommen?

Murphy: Ich kann nicht für Präsident Obama sprechen, aber ich weiß sicher, dass er äußerst interessiert wäre. Er ist ein großer Sportfan und seine Töchter spielen Fußball. Er weiß, wie wichtig Sport ist.