Fischer: "Soziale Themen werden wichtiger, auch bei Sponsoren"

Der DFB- und Mercedes-Benz Integrationspreis ist in der Kategorie "Sonderpreis" an Werder Bremen gegangen. Unter der Leitung von Präsident Klaus-Dieter Fischer hat der Bundesligaklub eine Abteilung für "Corporate Social Responsibility" aufgebaut. Werder bewegt – mittlerweile mit zehn Festangestellten, die 20 Projekte und 350 Partnerschaften umsetzen.

Aus diesem Anlass hat DFB.de mit Klaus-Dieter Fischer über "Werder bewegt" gesprochen.

DFB.de: Werder Bremen leistet sich eine eigene Abteilung für "Corporate Social Responsibility". Wie begründet sich dieses umfangreiche Engagement?

Klaus-Dieter Fischer: Als 14 Jahre alter Werder-Jugendspieler brach ich mir den Arm. Abends besuchte mich der Jugendleiter. Ich lag also im Bett und er sagte: "Werder Bremen lädt Dich für eine Woche in den Oberharz nach Clausthal-Zellerfeld ein." 1955 – Urlaub war für mich und meine Familie damals ein Fremdwort. Mir klappte die Kinnlade runter. "Was für ein Verein Werder doch ist", dachte ich damals. So ist es bis heute.

DFB.de: Bremer sind bekanntlich erstmal Kaufleute und für "Werder bewegt – lebenslang" gibt der Klub jährlich knapp 1,1 Millionen Euro aus.

Fischer: Stimmt. Und das hat Gründe. Von 82 Millionen Bürgern in unserem Land verfolgen 54 Millionen den Fußball, viele täglich. Davon hegen laut einer repräsentativen Umfrage 25 Millionen Sympathien für Werder, fast sieben Millionen sind Werder-Fan. Viele dieser Menschen stehen uns auch in beschissenen Zeiten treu zu Seite. So entstand der Gedanke, dass wir etwas an die Region zurückgeben müssen. Vergangenes Jahr haben wir die Dachmarke "Werder bewegt – lebenslang" entwickelt. Wir haben jetzt drei Jahre lang einen nicht so guten Fußball gespielt. Dennoch haben wir keine Mitglieder verloren, unsere Sympathiewerte sind stabil. Das ist ein Wert, der sich nicht in Euro und Cent berechnet. Außerdem werden CSR-Themen in der Gesellschaft immer wichtiger, auch bei unseren Sponsoren.

DFB.de: Sie bemängeln, es gäbe zu wenige Vorbilder. Haben Sie denn eins?

Fischer: Weniger ein Vorbild, eher eine Leitlinie. Der Literat, Résistancler und Nobelpreisträger Albert Camus hat bekanntlich gesagt: "Alles, was ich über Moral und Verpflichtungen weiß, verdanke ich dem Fußball." Das ist stark.



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Der DFB- und Mercedes-Benz Integrationspreis ist in der Kategorie "Sonderpreis" an Werder Bremen gegangen. Unter der Leitung von Präsident Klaus-Dieter Fischer hat der Bundesligaklub eine Abteilung für "Corporate Social Responsibility" aufgebaut. Werder bewegt – mittlerweile mit zehn Festangestellten, die 20 Projekte und 350 Partnerschaften umsetzen.

Aus diesem Anlass hat DFB.de mit Klaus-Dieter Fischer über "Werder bewegt" gesprochen.

DFB.de: Werder Bremen leistet sich eine eigene Abteilung für "Corporate Social Responsibility". Wie begründet sich dieses umfangreiche Engagement?

Klaus-Dieter Fischer: Als 14 Jahre alter Werder-Jugendspieler brach ich mir den Arm. Abends besuchte mich der Jugendleiter. Ich lag also im Bett und er sagte: "Werder Bremen lädt Dich für eine Woche in den Oberharz nach Clausthal-Zellerfeld ein." 1955 – Urlaub war für mich und meine Familie damals ein Fremdwort. Mir klappte die Kinnlade runter. "Was für ein Verein Werder doch ist", dachte ich damals. So ist es bis heute.

DFB.de: Bremer sind bekanntlich erstmal Kaufleute und für "Werder bewegt – lebenslang" gibt der Klub jährlich knapp 1,1 Millionen Euro aus.

Fischer: Stimmt. Und das hat Gründe. Von 82 Millionen Bürgern in unserem Land verfolgen 54 Millionen den Fußball, viele täglich. Davon hegen laut einer repräsentativen Umfrage 25 Millionen Sympathien für Werder, fast sieben Millionen sind Werder-Fan. Viele dieser Menschen stehen uns auch in beschissenen Zeiten treu zu Seite. So entstand der Gedanke, dass wir etwas an die Region zurückgeben müssen. Vergangenes Jahr haben wir die Dachmarke "Werder bewegt – lebenslang" entwickelt. Wir haben jetzt drei Jahre lang einen nicht so guten Fußball gespielt. Dennoch haben wir keine Mitglieder verloren, unsere Sympathiewerte sind stabil. Das ist ein Wert, der sich nicht in Euro und Cent berechnet. Außerdem werden CSR-Themen in der Gesellschaft immer wichtiger, auch bei unseren Sponsoren.

DFB.de: Sie bemängeln, es gäbe zu wenige Vorbilder. Haben Sie denn eins?

Fischer: Weniger ein Vorbild, eher eine Leitlinie. Der Literat, Résistancler und Nobelpreisträger Albert Camus hat bekanntlich gesagt: "Alles, was ich über Moral und Verpflichtungen weiß, verdanke ich dem Fußball." Das ist stark.

DFB.de: Ist Werder so eine moralische Instanz?

Fischer: (lacht) Nein, nein, das wäre überzogen. Aber wir haben einen eigenen Charakter. Sehen Sie, wie viele Bundesligavereine hat Werder den wirtschaftlichen Wandel mitgemacht, auch wir haben den Profibereich aus dem eingetragenen Verein ausgegliedert. Trotzdem sind wir ein Haus. Selbst in der GmbH spielt das Ehrenamt eine wichtige Rolle. Bei den Spielen unserer U 19-Mannschaft kassieren Ehrenamtler das Eintrittsgeld und auch bei den Bundesligaspielen helfen ehrenamtliche Kräfte. So oft gibt es das nicht.

DFB.de: Mussten Sie im Verein Überzeugungsarbeit leisten?

Fischer: Ganz am Anfang wurden die Sozialthemen belächelt. "Profis in der Schule" ist eine Veranstaltungsreihe, die wir gemeinsam mit den Niedersächsischen Fußballverband organisieren. Thomas Schaaf, der sich privat beim Zentrum für trauernde Kinder einbringt, steht hinter Werders CSR-Strategie. Das Bewusstsein hat sich entwickelt. Aber, bei aller Euphorie, das Kerngeschäft ist und bleibt der Fußball.

DFB.de: Sie sind gebürtiger Bremer und seit 1955 Vereinsmitglied. Geht's grün-weißer?

Fischer: Am 5. Januar 1955 bin ich eingetreten. Damals spielten Werder und der Bremer SV, heute ein Landesligist, im Weserstadion. Mein Vater nahm mich mit zu beiden Spielen, zuerst verlor der BSV, dann siegte Werder in einem Freundschaftsspiel 5:1. Für mich war klar, die Grünen sind meine. Wenn's umgekehrt gekommen wäre...Ich weiß, dass ich diesem Verein sehr viel zu verdanken habe. Seit 1970 bin ich in den Führungsgremien vertreten, immer gewählt, nie gesetzt.

DFB.de: Und die Zukunft?

Fischer: In zwei Jahren ist Schluss, bevor hinter meinem Rücken vom "alten Sack" geredet wird.

DFB.de: Was für ein Chef sind Sie?

Fischer: Immerhin bin ich geduldiger geworden. Gerecht und entscheidungsfreudig, das wären zumindest mal die Attribute, auf die ich Wert lege. Meinen Leuten sage ich: "Lieber eine falsche Entscheidung am Dienstag als eine richtige am Freitag." In der Wirtschaft wird schneller entschieden, im Fußball wollen sich viele absichern. Ich wünsche mir den Scout, der klipp und klar sagt: "Präsident, der Junge ist es, den müssen wir holen". Diesen Satz werde ich wahrscheinlich bis zum Ende meiner Amtszeit nicht hören.

DFB.de: Auch mit Blick auf die vielen großen Erfolge, ist Werder nicht beliebter als es die gewonnenen Titel erklären können?

Fischer: Es gibt diese Bremer Gelassenheit. Die auch die Führungsgremien des Klubs immer ausgezeichnet hat. Klaus Allofs bricht uns mitten in der Saison weg, nach fast 14 Jahren und völlig unvorhersehbar. Zuerst waren wir erschrocken, dann haben wir Inventur gemacht. Ruhig und gelassen reagieren – das ist bremisch. Diese Ruhe macht uns sympathisch. Und vielleicht sind gerade deshalb Spieler wie Rudi Völler, Miro Klose und Per Mertesacker zu uns gekommen.

DFB.de: Einen Tag vor dem Kasachstan-Länderspiel bekamen Sie stellvertretend für Werder den DFB- und Mercedes-Benz Integrationspreis verliehen. Wie sehr freut Sie das?

Fischer: Ich freue mich für meine Crew. Ich bin stolz auf den Haufen. Wir hatten in den vergangenen Jahren mehrere Hospitanzen anderer Bundesliga-Klubs. Auch das zeigt mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

DFB.de: Warum ist Integration in Bremen ein Thema?

Fischer: Mag sein, dass man erstmal an das Ruhrgebiet und das Rhein-Main-Gebiet denkt, aber auch Bremen, insbesondere einige Stadtteile, haben einen hohen Anteil von Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund. Der Bürgermeister des Bremer Stadtteils Gröpelingen-Walle wurde vor Kurzem gefragt: "Was bindet eigentlich die Migranten an Bremen?" Er antwortete: "Werder." Man muss Distanzen überwinden und Vertrauen aufbauen. Vor ein paar Jahren wurde in Bremen ein Mädchen wegen des Kopftuchs vom Platz gestellt. Das war ein Fehler. Gut, dass die FIFA das Kopftuch-Verbot inzwischen aufgehoben hat.

DFB.de: Auf dem Rasen ist die Bundesliga sehr international, auf den Rängen eher nicht.

Fischer: Wir merken doch, was los ist, wenn Mesut Özil oder Mehmet Ekici oder Özkan Yildirim bei uns spielen. Dadurch kommen mehr türkischstämmige Bremer ins Weserstadion. Wir müssen Geduld haben. Die Werder-Volkshelden haben nichts mit dem Stempel im Pass zu tun: Ailton, Pizzaro, Diego.

DFB.de: Soziales und Karitatives leisten, ist das nicht gerade in einem Bundesligaklub schwierig? Schließlich geht es doch tagtäglich um den knallharten Wettbewerb, um Leistung, um Stärke.

Fischer: Erstmal wollen die Bremer, dass Werder unter die ersten fünf Teams kommt. Das ist der Anspruch. Darüber hinaus erhalten wir immer mehr Anerkennung für "Werder bewegt". Die Engländer sind uns einen Schritt voraus, dort laufen wichtige Kampagnen übergreifend. Die Bundesliga-Vereine müssten sich gerade hier nicht als Konkurrenten sehen.

DFB.de: Werder Bremen verbietet Thor Steinar im Stadion. Wie ist da die Position des Vereins?

Fischer: Eindeutig – Thor Steinar sind Klamotten, die im rechtsradikalen Umfeld getragen werden. Das hat Symbolwirkung. Die Fanbeauftragten eines Bundesliga-Klubs kamen hier mal an und trugen Thor Steinar Hoodies und Pullis. Auch hier würde ich mir wünschen, dass alle Bundesliga-Klubs eine gemeinsame Haltung entwickeln. Hertha BSC und der FC St. Pauli verfahren wie wir. Auch dort müssen die Leute Thor Steinar-Kleidung am Stadioneingang ausziehen. Wir schulen unsere Sicherheitskräfte regelmäßig, weil das gerade am Stadiontor keine leichte Situation darstellt. Kürzlich gab es einen Vorfall, dass ein Stadionbesucher als "Kanake" beschimpft wurde, und der Ordner, trotz Aufforderung, nicht eingeschritten ist. Da müssen wir besser werden. Eine solche Sprache ist eine Form von Gedankenlosigkeit, die zu Rassismus werden kann.

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DFB.de: Ist das Stadion kein Freiraum?

Fischer: Im Stadion darf man laut sein, Schimpfworte sind auch noch okay. Aber bei Diskriminierung ziehen wir die Linie.

DFB.de: Was ist bei "Werder bewegt" der nächste Schritt?

Fischer: Die Verknüpfung mit den Fanklubs. Kurz vor Weihnachten küren wir immer den Fanklub des Jahres. Der Werder-Fanklub aus dem Emsland, der jetzt gewonnen hat, hat den Preis – 100 Freikarten – verkauft und den Erlös an eine Werkstatt für behinderte Menschen gestiftet. Diese Kultur pflanzt sich im Stadion fort. Fans nehmen Einfluss auf andere Fans. Ich blicke sehr optimistisch in die Zukunft.