Finke: "Özil oder Müller hätte ich gerne"

Mehr als zwei Jahrzehnte arbeitete Volker Finke im deutschen Profifußball, allein 16 Jahre beim SC Freiburg. Vor zwölf Monaten hat er Land und Kontinent gewechselt und die Nationalmannschaft Kameruns übernommen, als vierter Deutscher nach Peter Schnittger, Winfried Schäfer und Otto Pfister. Die "Unbezähmbaren Löwen" hat er nach Brasilien geführt, mit 66 gibt der Mann aus Niedersachsen jetzt sein WM-Debüt.

DFB.de: Ein Länderspiel gegen Deutschland. Was bedeutet diese Konstellation für Sie?

Finke: Zunächst einmal ist es eine sehr nette Geste der Deutschen, dass sie nach der Gruppenauslosung schnell zugesagt haben. Nach unserer WM-Qualifikation wollte ich in der Vorbereitung gerne einen Mix haben, was die Spielstärke angeht. Ich wollte zwei Gegner aus den Top-Ten der FIFA-Weltrangliste. Die haben wir mit Portugal und Deutschland bekommen. Zudem ist es für uns der Abschluss des Trainingslagers in Österreich. Eine Bestandsaufnahme eben.

DFB.de: Kamerun hat im März in Portugal 1:5 verloren. Kann man nach dem Spiel in Mönchengladbach Rückschlüsse ziehen, welches Team in der WM-Gruppe G die besseren Karten hat?

Finke: Das weiß ich nicht. Ich denke schon, dass unser Spiel in Portugal von meinen deutschen Freunden und Urs Siegenthaler, mit dem ich im Vorjahr noch die Afrika-Meisterschaft beobachtete, richtig gesehen worden ist. Wir haben dort 60 Minuten auf Augenhöhe gespielt und für unsere Verhältnisse ein ordentliches Spiel gemacht.

DFB.de: Und dann?

Finke: Dann sind wir mit zwei krassen Geschenken an den Gegner in Rückstand geraten und haben 20 Minuten komplett die Kontrolle verloren. Aber wir haben gesehen, woran wir arbeiten müssen. So ein Ergebnis ist unangenehm, aber es hat uns ganz wichtige Hinweise gegeben. Gegen Deutschland möchte ich ein besseres Ergebnis und weitere wichtige Hinweise.

DFB.de: Sie sind seit fast genau einem Jahr kamerunischer Nationaltrainer. Welches persönliche Resümee ziehen Sie nach zwölf Monaten Arbeit?

Finke: Es war eine gute Entscheidung, weil der Job unglaublich interessant ist. Seit meiner Tätigkeit in Freiburg habe ich ja eine Affinität zum afrikanischen Fußball, also war so ein Job immer vorstellbar. Meine ersten zwölf Monate mit Kamerun und der Qualifikation für Brasilien waren ein absolut interessantes Arbeiten. Ich habe ja auch zwei Jahre in Japan erlebt – das war ganz anders als in Deutschland. In Afrika kann man noch einmal etwas Anderes erleben. Mit allen positiven und negativen Dingen.

DFB.de: Ist der Job für Sie auf dem Schwarzen Kontinent so spannend, wie Sie es sich vielleicht vorgestellt haben?

Finke: Es ist unglaublich erlebnisreich! Es gibt immer wieder neue, kleine Dinge, mit denen man selber nicht gerechnet hat. Und es gibt immer wieder interessante Lösungsmöglichkeiten.

DFB.de: Improvisation?

Finke: Ja, aber das muss ja nicht schlecht sein. Da lernt man ja dazu.

DFB.de: Schätzen Sie es als großen Vorteil, der französischen Sprache mächtig zu sein?

Finke: Ich kann keine Bücher schreiben, aber ich bin umgangssprachlich so dabei, dass ich keinen Dolmetscher brauche – ein Riesenvorteil. In Japan habe ich die Sprache schon als Barriere angesehen. Da verzweifelt man schon, dass man nicht ohne Hilfe mit einem Spieler ein Gespräch führen kann.

DFB.de: Sie haben mit Samuel Eto’o einen Weltstar als Kapitän. Ist er für einen Trainer und Pädagogen wie Sie eine interessante Aufgabe?

Finke: Er ist der herausragende Spieler der vergangenen 15 Jahre, absolute Weltklasse. Mit seiner Qualität als Stürmer kann er der Mannschaft sehr viel geben. Er spielt jetzt schon seine vierte WM – davon gibt’s auch nicht so viele. Für uns zählt nur der Erfolg der Mannschaft, für Kamerun. Ich arbeite so, dass jeder in seiner Rolle so viel wie möglich für die Mannschaft tun kann. Darum geht’s, auch für Samuel.

DFB.de: Haben die Bundesliga-Spieler Choupo-Moting und Matip für die WM einen Stammplatz sicher?

Finke: Im Offensivbereich sind für Choupo-Moting die Chancen sehr groß, dass er sehr viel spielt. Das ist auch das Resultat seiner guten Bundesliga-Leistungen. Bei Joel Matip ist die Besonderheit, dass er schon bei meinem Vorgänger im Mittelfeld eingesetzt wurde. Natürlich ist er als Innenverteidiger stärker, aber dort haben wir eine stärkere Konkurrenz. Er hat jedoch bei Schalke eine gute Saison gespielt, sodass er durchaus viel auf dem Platz sein kann. Hinten haben wir mit Nicolas N‘Koulou von Olympique Marseille, Aurélien Chedjou von Galatasaray Istanbul und eben Joel drei Spieler, die in der abgelaufenen Saison Champions League gespielt haben.

DFB.de: Wenn Sie die Wahl hätten, einen deutschen Nationalspieler für Ihre Mannschaft nominieren zu dürfen, auf wen würde die Wahl fallen?

Finke: Aktuell haben wir in Kamerun ein großes Angebot an Defensivspielern und ein sehr kleines Angebot an offensiven Mittelfeldspielern. Dabei sind die so wichtig, um die Pässe durch die Schnittstellen zu spielen. Wenn ich da wählen könnte, müsste es aus dem Bereich Özil, Müller und ähnliche sein. Das Interessante ist: In Afrika gelten die Kameruner als die Deutschen, stehen für Defensivstärke, Disziplin und Kompaktheit – dabei hat sich die Stärke der Deutschen in den vergangenen Jahren verschoben: in Richtung einer stärkeren Offensive!

DFB.de: Hat die deutsche Mannschaft berechtigte Hoffnungen, an den Titelgewinn in Brasilien zu glauben?

Finke: Bei den Weltmeisterschaften dort haben immer die Südamerikaner gewonnen. Die Frage ist jetzt: Ist das diesmal wieder so? Die Favoriten sind wieder Spanien, Deutschland, im erweiterten Kreis auch Portugal. Aber die Gastgeber selber und andere südamerikanische Mannschaften könnten mit den Verhältnissen besser zurechtkommen. An der Spitze ist es so eng, dass minimale Dinge entscheiden.

DFB.de: Welches Ziel haben Sie sich mit Kamerun gesetzt?

Finke: Es kann nur ein Ziel geben: dass wir die zweite Runde erreichen. Wir sollten unsere Punkte gegen Mexiko und Kroatien holen. Wie es tatsächlich wird, wissen wir noch nicht. Wir wissen auch nicht, wie die Ausgangsposition vor dem letzten Spiel gegen Brasilien in der Gruppe ist. Deshalb dreht sich momentan alles um eine gute Vorbereitung. Und Mexiko, der Einstieg zur WM, ist das Wichtigste, auf das wir uns vorbereiten. Der Einstieg ins Turnier mit einem Erfolg würde die Dinge anschließend erheblich erleichtern. Favorit ist sicher Brasilien. Wir wollen unsere Chance nutzen und auf gar keinen Fall, dass man Kamerun nur als Punktelieferant sieht.

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Mehr als zwei Jahrzehnte arbeitete Volker Finke im deutschen Profifußball, allein 16 Jahre beim SC Freiburg. Vor zwölf Monaten hat er Land und Kontinent gewechselt und die Nationalmannschaft Kameruns übernommen, als vierter Deutscher nach Peter Schnittger, Winfried Schäfer und Otto Pfister. Die "Unbezähmbaren Löwen" hat er nach Brasilien geführt, mit 66 gibt der Mann aus Niedersachsen jetzt sein WM-Debüt.

DFB.de: Ein Länderspiel gegen Deutschland. Was bedeutet diese Konstellation für Sie?

Finke: Zunächst einmal ist es eine sehr nette Geste der Deutschen, dass sie nach der Gruppenauslosung schnell zugesagt haben. Nach unserer WM-Qualifikation wollte ich in der Vorbereitung gerne einen Mix haben, was die Spielstärke angeht. Ich wollte zwei Gegner aus den Top-Ten der FIFA-Weltrangliste. Die haben wir mit Portugal und Deutschland bekommen. Zudem ist es für uns der Abschluss des Trainingslagers in Österreich. Eine Bestandsaufnahme eben.

DFB.de: Kamerun hat im März in Portugal 1:5 verloren. Kann man nach dem Spiel in Mönchengladbach Rückschlüsse ziehen, welches Team in der WM-Gruppe G die besseren Karten hat?

Finke: Das weiß ich nicht. Ich denke schon, dass unser Spiel in Portugal von meinen deutschen Freunden und Urs Siegenthaler, mit dem ich im Vorjahr noch die Afrika-Meisterschaft beobachtete, richtig gesehen worden ist. Wir haben dort 60 Minuten auf Augenhöhe gespielt und für unsere Verhältnisse ein ordentliches Spiel gemacht.

DFB.de: Und dann?

Finke: Dann sind wir mit zwei krassen Geschenken an den Gegner in Rückstand geraten und haben 20 Minuten komplett die Kontrolle verloren. Aber wir haben gesehen, woran wir arbeiten müssen. So ein Ergebnis ist unangenehm, aber es hat uns ganz wichtige Hinweise gegeben. Gegen Deutschland möchte ich ein besseres Ergebnis und weitere wichtige Hinweise.

DFB.de: Sie sind seit fast genau einem Jahr kamerunischer Nationaltrainer. Welches persönliche Resümee ziehen Sie nach zwölf Monaten Arbeit?

Finke: Es war eine gute Entscheidung, weil der Job unglaublich interessant ist. Seit meiner Tätigkeit in Freiburg habe ich ja eine Affinität zum afrikanischen Fußball, also war so ein Job immer vorstellbar. Meine ersten zwölf Monate mit Kamerun und der Qualifikation für Brasilien waren ein absolut interessantes Arbeiten. Ich habe ja auch zwei Jahre in Japan erlebt – das war ganz anders als in Deutschland. In Afrika kann man noch einmal etwas Anderes erleben. Mit allen positiven und negativen Dingen.

DFB.de: Ist der Job für Sie auf dem Schwarzen Kontinent so spannend, wie Sie es sich vielleicht vorgestellt haben?

Finke: Es ist unglaublich erlebnisreich! Es gibt immer wieder neue, kleine Dinge, mit denen man selber nicht gerechnet hat. Und es gibt immer wieder interessante Lösungsmöglichkeiten.

DFB.de: Improvisation?

Finke: Ja, aber das muss ja nicht schlecht sein. Da lernt man ja dazu.

DFB.de: Schätzen Sie es als großen Vorteil, der französischen Sprache mächtig zu sein?

Finke: Ich kann keine Bücher schreiben, aber ich bin umgangssprachlich so dabei, dass ich keinen Dolmetscher brauche – ein Riesenvorteil. In Japan habe ich die Sprache schon als Barriere angesehen. Da verzweifelt man schon, dass man nicht ohne Hilfe mit einem Spieler ein Gespräch führen kann.

DFB.de: Sie haben mit Samuel Eto’o einen Weltstar als Kapitän. Ist er für einen Trainer und Pädagogen wie Sie eine interessante Aufgabe?

Finke: Er ist der herausragende Spieler der vergangenen 15 Jahre, absolute Weltklasse. Mit seiner Qualität als Stürmer kann er der Mannschaft sehr viel geben. Er spielt jetzt schon seine vierte WM – davon gibt’s auch nicht so viele. Für uns zählt nur der Erfolg der Mannschaft, für Kamerun. Ich arbeite so, dass jeder in seiner Rolle so viel wie möglich für die Mannschaft tun kann. Darum geht’s, auch für Samuel.

DFB.de: Haben die Bundesliga-Spieler Choupo-Moting und Matip für die WM einen Stammplatz sicher?

Finke: Im Offensivbereich sind für Choupo-Moting die Chancen sehr groß, dass er sehr viel spielt. Das ist auch das Resultat seiner guten Bundesliga-Leistungen. Bei Joel Matip ist die Besonderheit, dass er schon bei meinem Vorgänger im Mittelfeld eingesetzt wurde. Natürlich ist er als Innenverteidiger stärker, aber dort haben wir eine stärkere Konkurrenz. Er hat jedoch bei Schalke eine gute Saison gespielt, sodass er durchaus viel auf dem Platz sein kann. Hinten haben wir mit Nicolas N‘Koulou von Olympique Marseille, Aurélien Chedjou von Galatasaray Istanbul und eben Joel drei Spieler, die in der abgelaufenen Saison Champions League gespielt haben.

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DFB.de: Wenn Sie die Wahl hätten, einen deutschen Nationalspieler für Ihre Mannschaft nominieren zu dürfen, auf wen würde die Wahl fallen?

Finke: Aktuell haben wir in Kamerun ein großes Angebot an Defensivspielern und ein sehr kleines Angebot an offensiven Mittelfeldspielern. Dabei sind die so wichtig, um die Pässe durch die Schnittstellen zu spielen. Wenn ich da wählen könnte, müsste es aus dem Bereich Özil, Müller und ähnliche sein. Das Interessante ist: In Afrika gelten die Kameruner als die Deutschen, stehen für Defensivstärke, Disziplin und Kompaktheit – dabei hat sich die Stärke der Deutschen in den vergangenen Jahren verschoben: in Richtung einer stärkeren Offensive!

DFB.de: Hat die deutsche Mannschaft berechtigte Hoffnungen, an den Titelgewinn in Brasilien zu glauben?

Finke: Bei den Weltmeisterschaften dort haben immer die Südamerikaner gewonnen. Die Frage ist jetzt: Ist das diesmal wieder so? Die Favoriten sind wieder Spanien, Deutschland, im erweiterten Kreis auch Portugal. Aber die Gastgeber selber und andere südamerikanische Mannschaften könnten mit den Verhältnissen besser zurechtkommen. An der Spitze ist es so eng, dass minimale Dinge entscheiden.

DFB.de: Welches Ziel haben Sie sich mit Kamerun gesetzt?

Finke: Es kann nur ein Ziel geben: dass wir die zweite Runde erreichen. Wir sollten unsere Punkte gegen Mexiko und Kroatien holen. Wie es tatsächlich wird, wissen wir noch nicht. Wir wissen auch nicht, wie die Ausgangsposition vor dem letzten Spiel gegen Brasilien in der Gruppe ist. Deshalb dreht sich momentan alles um eine gute Vorbereitung. Und Mexiko, der Einstieg zur WM, ist das Wichtigste, auf das wir uns vorbereiten. Der Einstieg ins Turnier mit einem Erfolg würde die Dinge anschließend erheblich erleichtern. Favorit ist sicher Brasilien. Wir wollen unsere Chance nutzen und auf gar keinen Fall, dass man Kamerun nur als Punktelieferant sieht.