Felix Zwayer: "Ein Bewusstsein schaffen"

Am Sonntag hat Felix Zwayer in der Bundesliga das Spiel zwischen Bayer Leverkusen und Schalke 04 gepfiffen. Es gab ein, zwei, knifflige Szenen, die meisten Beobachter waren sich in der Beurteilung einig: Zwayer hatte mit seinen Entscheidungen beim Schalker 1:0-Auswärtssieg zumeist richtig gelegen. Soweit der Alltag.

Am Samstag war Zwayer aus dem Alltag ausgebrochen, für den Berliner ging es zurück zu den Wurzeln. In Weißensee pfiff der 30-Jährige ein Spiel in der Kreisliga B. Aus ernstem Anlass: Mit der Aktion "Zeit zum Nachdenken: Kein Platz für Gewalt" wollte der Berliner Fußball-Verband (BFV) auf die zunehmende Gewalt an Schiedsrichtern aufmerksam machen.

Deshalb wurden am vergangenen Wochenende auf allen Plätzen im BFV-Gebiet die Spiele für fünf Minuten unterbrochen. In dieser Zeit wurden Flyer verteilt, zudem haben die Schiedsrichter mit den Mannschaften über die Problematik gesprochen. So hat es auch Felix Zwayer getan. Mit DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke hat er sich danach über sein nicht alltägliches Engagement unterhalten.

DFB.de: Herr Zwayer, Sie haben am Sonnabend das Spiel zwischen dem SV Blau Gelb II und der SG GW Baumschulenweg gepfiffen. Wie war das für Sie?

Felix Zwayer: Für mich war es ein sehr interessantes Erlebnis, weil es im Vergleich zum Bundesliga-Alltag etwas ganz anderes war. Die 90 Minuten haben mir noch einmal vor Augen geführt, wie es ist, auf dem Platz völlig auf sich alleine gestellt zu sein. In den unteren Amateurspielklassen haben die Schiedsrichter häufig keine Assistenten, in vielen Situationen war dies für mich ein neues Gefühl. Beispielsweise ist die Beurteilung von Abseitssituationen ohne Assistenten extrem schwierig. Man versucht zu stehen, wo sich die Zweikämpfe entwickeln, dann kommt ein langer Ball. Der Schiedsrichter kann dann gar nicht auf Höhe des letzten Verteidigers stehen, um einen guten Blick für die Situation zu haben.

DFB.de: In Berlin kam es am vergangenen Wochenende trotz "Zeit zum Nachdenken: Kein Platz für Gewalt" zu einigen Spielabbrüchen. War die Aktion also ein Misserfolg?

Zwayer: Nein, gar nicht. Die Aktion ist ja längerfristig angelegt und vor allem dazu gedacht, Bewusstsein zu schaffen. Für mich ging es auch darum zu zeigen, dass die Schiedsrichter insgesamt solidarisch sind. Natürlich ist es extrem ärgerlich, dass es wieder zu einigen Vorfällen gekommen ist - das zeigt aber gerade die Notwenigkeit der Aktion. Wir haben es geschafft, Aufmerksamkeit zu erzielen. Wir sind wahrgenommen worden, auch überregional. Schon deswegen war die Aktion erfolgreich. Und mir hat es großen Spaß gemacht, mal wieder in der Kreisliga zu pfeifen.

DFB.de: Sie haben nach zehn Minuten das Spiel unterbrochen - und was passierte dann?

Zwayer: Habe ich das Gespräch mit den Kapitänen gesucht und sie nach ihren Erfahrung mit Gewalt an Schiedsrichtern gefragt.

DFB.de: Was wurde geantwortet?

Zwayer: Beide Kapitäne haben berichtet, dass sie den Schiedsrichter häufig vor den Spielern der Gegner in Schutz nehmen müssen. Beide Mannschaften haben auf mich einen sehr fairen Eindruck gemacht. Ich habe den Spielern persönlich abgenommen, dass sie sich sehr zurückhalten und die Schiedsrichter eher in Schutz nehmen. So ist es richtig, positiv und vorbildlich.

DFB.de: Haben Sie in Ihrer Karriere Erfahrungen mit Gewalt an Schiedsrichtern gemacht?

Zwayer: Glücklicherweise nie. Weder im Jugendbereich noch in den Kreisligen gab es bei mir jemals größere Probleme. Wobei ich auch nicht sonderlich häufig in der Kreisliga gepfiffen habe. Ich habe diese Liga schnell durchlaufen und die Bezirksliga übersprungen. Und ab der Landesliga hat man als Schiedsrichter Assistenten. Von daher ist mein Erfahrungsschatz mit der Spielleitung in den untersten Ligen und ohne Assistenten relativ gering.

DFB.de: Sie sind in Charlottenburg Leiter einer Lehrgemeinschaft. Von welchen Erfahrungen berichten die Schiedsrichter dort?

Zwayer: Zu den Lehrabenden kommen Schiedsrichter aus allen Spielklassen, von der Bundesliga bis zur Kreisliga. Es kommen Schiedsrichter mit großer Erfahrung und solche, die gerade erst ihre Ausbildung gemacht haben. Da hört man vereinzelt schlimme Geschichten. Ich bekomme auf diese Weise mit, mit welchen Problemen die Schiedsrichter zum Teil konfrontiert werden.

DFB.de: Was raten Sie einem Schiedsrichter, wenn er Ihnen erzählt, dass er auf dem Fußballplatz Opfer von Gewalt geworden ist? Wie soll er sich beim nächsten Mal verhalten?

Zwayer: Das ist ganz schwierig. Ich hatte erst in der vergangenen Woche eine Situation, die nicht einfach war. Beim Lehrabend saßen vier Neulinge, 13 bis 14 Jahre alt. Ich habe die bevorstehende Fairplay-Aktion thematisiert und den Anlass erläutert. Die Neuen waren erschrocken, was auch sonst? Sie freuen sich auf ihren ersten Einsatz, sie sind voll motiviert und begeistert und können kaum abwarten, endlich auf dem Platz zu stehen und Entscheidungen zu treffen. Und dann hören sie von solchen Vorfällen. Es ist nicht leicht, auf ihre Fragen die richtigen Antworten zu geben.

DFB.de: Was haben Sie den jungen Schiedsrichtern gesagt?

Zwayer: Ich habe ihnen erklärt, dass es diese Fälle gibt und dass jeder einzelne schlimm ist. Ich habe ihnen aber auch gesagt, dass diese Fälle nur Einzelfälle und Ausnahmen sind und dass es grundsätzlich riesigen Spaß macht, Schiedsrichter zu sein. Es ist ein tolles Hobby, das gerade jungen Menschen in der Persönlichkeitsentwicklung richtig viel bringen kann. Ich sage den Schiedsrichtern, dass sie mit allem rechnen, aber nicht vom Schlimmsten ausgehen sollen. Leider hatten wir zuletzt eine Häufung an negativen Vorfällen. Aber man muss auch sagen, dass die überwältigende Mehrheit der Spiele absolut positiv und fair verläuft.

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Am Sonntag hat Felix Zwayer in der Bundesliga das Spiel zwischen Bayer Leverkusen und Schalke 04 gepfiffen. Es gab ein, zwei, knifflige Szenen, die meisten Beobachter waren sich in der Beurteilung einig: Zwayer hatte mit seinen Entscheidungen beim Schalker 1:0-Auswärtssieg zumeist richtig gelegen. Soweit der Alltag.

Am Samstag war Zwayer aus dem Alltag ausgebrochen, für den Berliner ging es zurück zu den Wurzeln. In Weißensee pfiff der 30-Jährige ein Spiel in der Kreisliga B. Aus ernstem Anlass: Mit der Aktion "Zeit zum Nachdenken: Kein Platz für Gewalt" wollte der Berliner Fußball-Verband (BFV) auf die zunehmende Gewalt an Schiedsrichtern aufmerksam machen.

Deshalb wurden am vergangenen Wochenende auf allen Plätzen im BFV-Gebiet die Spiele für fünf Minuten unterbrochen. In dieser Zeit wurden Flyer verteilt, zudem haben die Schiedsrichter mit den Mannschaften über die Problematik gesprochen. So hat es auch Felix Zwayer getan. Mit DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke hat er sich danach über sein nicht alltägliches Engagement unterhalten.

DFB.de: Herr Zwayer, Sie haben am Sonnabend das Spiel zwischen dem SV Blau Gelb II und der SG GW Baumschulenweg gepfiffen. Wie war das für Sie?

Felix Zwayer: Für mich war es ein sehr interessantes Erlebnis, weil es im Vergleich zum Bundesliga-Alltag etwas ganz anderes war. Die 90 Minuten haben mir noch einmal vor Augen geführt, wie es ist, auf dem Platz völlig auf sich alleine gestellt zu sein. In den unteren Amateurspielklassen haben die Schiedsrichter häufig keine Assistenten, in vielen Situationen war dies für mich ein neues Gefühl. Beispielsweise ist die Beurteilung von Abseitssituationen ohne Assistenten extrem schwierig. Man versucht zu stehen, wo sich die Zweikämpfe entwickeln, dann kommt ein langer Ball. Der Schiedsrichter kann dann gar nicht auf Höhe des letzten Verteidigers stehen, um einen guten Blick für die Situation zu haben.

DFB.de: In Berlin kam es am vergangenen Wochenende trotz "Zeit zum Nachdenken: Kein Platz für Gewalt" zu einigen Spielabbrüchen. War die Aktion also ein Misserfolg?

Zwayer: Nein, gar nicht. Die Aktion ist ja längerfristig angelegt und vor allem dazu gedacht, Bewusstsein zu schaffen. Für mich ging es auch darum zu zeigen, dass die Schiedsrichter insgesamt solidarisch sind. Natürlich ist es extrem ärgerlich, dass es wieder zu einigen Vorfällen gekommen ist - das zeigt aber gerade die Notwenigkeit der Aktion. Wir haben es geschafft, Aufmerksamkeit zu erzielen. Wir sind wahrgenommen worden, auch überregional. Schon deswegen war die Aktion erfolgreich. Und mir hat es großen Spaß gemacht, mal wieder in der Kreisliga zu pfeifen.

DFB.de: Sie haben nach zehn Minuten das Spiel unterbrochen - und was passierte dann?

Zwayer: Habe ich das Gespräch mit den Kapitänen gesucht und sie nach ihren Erfahrung mit Gewalt an Schiedsrichtern gefragt.

DFB.de: Was wurde geantwortet?

Zwayer: Beide Kapitäne haben berichtet, dass sie den Schiedsrichter häufig vor den Spielern der Gegner in Schutz nehmen müssen. Beide Mannschaften haben auf mich einen sehr fairen Eindruck gemacht. Ich habe den Spielern persönlich abgenommen, dass sie sich sehr zurückhalten und die Schiedsrichter eher in Schutz nehmen. So ist es richtig, positiv und vorbildlich.

DFB.de: Haben Sie in Ihrer Karriere Erfahrungen mit Gewalt an Schiedsrichtern gemacht?

Zwayer: Glücklicherweise nie. Weder im Jugendbereich noch in den Kreisligen gab es bei mir jemals größere Probleme. Wobei ich auch nicht sonderlich häufig in der Kreisliga gepfiffen habe. Ich habe diese Liga schnell durchlaufen und die Bezirksliga übersprungen. Und ab der Landesliga hat man als Schiedsrichter Assistenten. Von daher ist mein Erfahrungsschatz mit der Spielleitung in den untersten Ligen und ohne Assistenten relativ gering.

DFB.de: Sie sind in Charlottenburg Leiter einer Lehrgemeinschaft. Von welchen Erfahrungen berichten die Schiedsrichter dort?

Zwayer: Zu den Lehrabenden kommen Schiedsrichter aus allen Spielklassen, von der Bundesliga bis zur Kreisliga. Es kommen Schiedsrichter mit großer Erfahrung und solche, die gerade erst ihre Ausbildung gemacht haben. Da hört man vereinzelt schlimme Geschichten. Ich bekomme auf diese Weise mit, mit welchen Problemen die Schiedsrichter zum Teil konfrontiert werden.

DFB.de: Was raten Sie einem Schiedsrichter, wenn er Ihnen erzählt, dass er auf dem Fußballplatz Opfer von Gewalt geworden ist? Wie soll er sich beim nächsten Mal verhalten?

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Zwayer: Das ist ganz schwierig. Ich hatte erst in der vergangenen Woche eine Situation, die nicht einfach war. Beim Lehrabend saßen vier Neulinge, 13 bis 14 Jahre alt. Ich habe die bevorstehende Fairplay-Aktion thematisiert und den Anlass erläutert. Die Neuen waren erschrocken, was auch sonst? Sie freuen sich auf ihren ersten Einsatz, sie sind voll motiviert und begeistert und können kaum abwarten, endlich auf dem Platz zu stehen und Entscheidungen zu treffen. Und dann hören sie von solchen Vorfällen. Es ist nicht leicht, auf ihre Fragen die richtigen Antworten zu geben.

DFB.de: Was haben Sie den jungen Schiedsrichtern gesagt?

Zwayer: Ich habe ihnen erklärt, dass es diese Fälle gibt und dass jeder einzelne schlimm ist. Ich habe ihnen aber auch gesagt, dass diese Fälle nur Einzelfälle und Ausnahmen sind und dass es grundsätzlich riesigen Spaß macht, Schiedsrichter zu sein. Es ist ein tolles Hobby, das gerade jungen Menschen in der Persönlichkeitsentwicklung richtig viel bringen kann. Ich sage den Schiedsrichtern, dass sie mit allem rechnen, aber nicht vom Schlimmsten ausgehen sollen. Leider hatten wir zuletzt eine Häufung an negativen Vorfällen. Aber man muss auch sagen, dass die überwältigende Mehrheit der Spiele absolut positiv und fair verläuft.