FC Bayern 1974: Der erste Landesmeister-Pokal

Heute vor genau 40 Jahren gewann mit dem FC Bayern München erstmals eine deutsche Mannschaft den Europapokal der Landesmeister, aus dem später die Champions League hervorging. Der Wettbewerb trug nicht nur einen anderen Namen, er hatte auch andere Regeln. Und so kam es, dass Bayerns Triumph gegen Atletico Madrid zu einem Drama in zwei Akten wurde. Erstmals musste nämlich ein Landesmeisterfinale wiederholt werden: Elfmeterschießen gab es noch nicht, und per Los wollte man keinen Sieger küren. Der Historiker Udo Muras erinnert für DFB.de an die aufregenden Tage von Brüssel im Mai 1974.

Einiges erinnert frappierend an die Gegenwart, in der es ja um ein Haar auch eine Neuauflage des Finales gegeben hätte. Die Bayern waren damals wie heute, wenn auch weit später, vor dem Finale Deutscher Meister geworden, und Atletico war auch damals ungeschlagen durch den Wettbewerb gekommen. Torwart Miguel Reina hatte es sogar geschafft, in einen sieben Einsätzen kein Tor zu kassieren, nur beim 2:2 gegen Dinamo Bukarest kassierte Atletico Gegentore – aber da fehlte Reina. Dennoch war Bayern der große Favorit, in Deutschland hatte Atletico keinen großen Klang, schon damals dominierten Real und Barcelona die spanische Liga.

Beckenbauer beklagt sich im "Bayernecho"

Franz Beckenbauer gab damals ein Stadionheft heraus und beklagte sich im "Bayernecho" darüber: "Mir ist unverständlich, dass man in unserem Lande erwartet, dass wir den Europacup sozusagen im Vorbeigehen gewinnen. Neben ihrer Abwehrstärke muß man bei den Madridern beachten, daß sie bei ihren Gegnern nicht zimperlich sind." Was sie im Halbfinale bei Celtic Glasgow bewiesen. Im skandalösen Rückspiel (0:0) flogen gleich drei Spanier vom Platz, die nun alle gesperrt waren (Ayala, Diaz und Quique).

Was die Bayern, die mit sechs amtierenden Europameistern, erst recht zum Favoriten stempelte. Jeweils rund 10.000 Fans aus beiden Lagern begleiteten die Finalisten zum Finale nach Brüssel, das auf den 15. Mai 1974 gelegt worden war. Damals wurden Finales noch an einem Mittwoch ausgetragen. Es war noch die Zeit der Transparent-Gedichte und so war auf einem Banner zu lesen: "Der FC Bayern haut in Brüssel Atletico mit sieben bis acht auf den Rüssel."

So glatt sollte es nicht gehen und schon die Bayern-Anreise begann mit einem Hindernis. Eine Bombendrohung am Flughafen sorgte für einen verspäteten Abflug und dann wurden die Helden auch noch gehörig durchgeschüttelt. Doch wer Geschichte schreiben und nebenbei 30.000 D-Mark verdienen will, muss Opfer bringen. 58.000 Zuschauer brachten im Heysel-Stadion auch Opfer. Zwei Stunden durchaus unterhaltsamen, packenden Fußball sahen sie und doch keinen Sieger. Nach torlosen 90 Minuten ging Atletico durch einen vom Dänen Johnny Hansen verursachten Freistoß von Luis in der 113. Minute in Führung und feierte schon innerlich.

Auf der Pressetribüne gaben die spanischen Reporter bereits ihre Laudatio auf den Sieger durch, da wurde plötzlich einer zum Helden, der zu allem anderen geboren war – nur dazu nicht. Hans Georg Schwarzenbeck, den alle nur "Katsche" riefen, der Vorstopper! Ein Mann ohne Glamour und Starallüren. Die Bescheidenheit in Person und dienstbarer Geist für Weltklasse-Libero Franz Beckenbauer – im Klub und in der Nationalmannschaft. Der knorrige Katsche also marschierte in allerletzter Minute über die Mittellinie, bekam den Ball und wusste nicht wohin damit. Da schoss er ihn aus über 25 Metern ins Tor. "Warum ich geschossen habe, kann ich nicht erklären. Auch im Nachhinein nicht. Das muss mit Instinkt zu tun gehabt haben, denn Überlegung war es nicht", sagte Schwarzenbeck Jahre später, "zum Glück habe ich nicht nachgedacht."

Am Tag seines wichtigsten Tores wollte er am liebsten gar nichts sagen und seufzte angesichts der Reportermeute: "Mensch, warum hat denn net der Gerd das Tor geschossen? Warum denn ausgerechnet ich?" Der Koch im Hotel der Bayern stellte sich derweil eine andere Frage: wozu habe ich mir so viel Mühe gegeben? Das erlesene Siegesbufett – Melone mit Schinken, Krabben-Cocktail, Kalbsbraten mit Bohnen, Spargel und Eisbomben – blieb unberührt.



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Heute vor genau 40 Jahren gewann mit dem FC Bayern München erstmals eine deutsche Mannschaft den Europapokal der Landesmeister, aus dem später die Champions League hervorging. Der Wettbewerb trug nicht nur einen anderen Namen, er hatte auch andere Regeln. Und so kam es, dass Bayerns Triumph gegen Atletico Madrid zu einem Drama in zwei Akten wurde. Erstmals musste nämlich ein Landesmeisterfinale wiederholt werden: Elfmeterschießen gab es noch nicht, und per Los wollte man keinen Sieger küren. Der Historiker Udo Muras erinnert für DFB.de an die aufregenden Tage von Brüssel im Mai 1974.

Einiges erinnert frappierend an die Gegenwart, in der es ja um ein Haar auch eine Neuauflage des Finales gegeben hätte. Die Bayern waren damals wie heute, wenn auch weit später, vor dem Finale Deutscher Meister geworden, und Atletico war auch damals ungeschlagen durch den Wettbewerb gekommen. Torwart Miguel Reina hatte es sogar geschafft, in einen sieben Einsätzen kein Tor zu kassieren, nur beim 2:2 gegen Dinamo Bukarest kassierte Atletico Gegentore – aber da fehlte Reina. Dennoch war Bayern der große Favorit, in Deutschland hatte Atletico keinen großen Klang, schon damals dominierten Real und Barcelona die spanische Liga.

Beckenbauer beklagt sich im "Bayernecho"

Franz Beckenbauer gab damals ein Stadionheft heraus und beklagte sich im "Bayernecho" darüber: "Mir ist unverständlich, dass man in unserem Lande erwartet, dass wir den Europacup sozusagen im Vorbeigehen gewinnen. Neben ihrer Abwehrstärke muß man bei den Madridern beachten, daß sie bei ihren Gegnern nicht zimperlich sind." Was sie im Halbfinale bei Celtic Glasgow bewiesen. Im skandalösen Rückspiel (0:0) flogen gleich drei Spanier vom Platz, die nun alle gesperrt waren (Ayala, Diaz und Quique).

Was die Bayern, die mit sechs amtierenden Europameistern, erst recht zum Favoriten stempelte. Jeweils rund 10.000 Fans aus beiden Lagern begleiteten die Finalisten zum Finale nach Brüssel, das auf den 15. Mai 1974 gelegt worden war. Damals wurden Finales noch an einem Mittwoch ausgetragen. Es war noch die Zeit der Transparent-Gedichte und so war auf einem Banner zu lesen: "Der FC Bayern haut in Brüssel Atletico mit sieben bis acht auf den Rüssel."

So glatt sollte es nicht gehen und schon die Bayern-Anreise begann mit einem Hindernis. Eine Bombendrohung am Flughafen sorgte für einen verspäteten Abflug und dann wurden die Helden auch noch gehörig durchgeschüttelt. Doch wer Geschichte schreiben und nebenbei 30.000 D-Mark verdienen will, muss Opfer bringen. 58.000 Zuschauer brachten im Heysel-Stadion auch Opfer. Zwei Stunden durchaus unterhaltsamen, packenden Fußball sahen sie und doch keinen Sieger. Nach torlosen 90 Minuten ging Atletico durch einen vom Dänen Johnny Hansen verursachten Freistoß von Luis in der 113. Minute in Führung und feierte schon innerlich.

Auf der Pressetribüne gaben die spanischen Reporter bereits ihre Laudatio auf den Sieger durch, da wurde plötzlich einer zum Helden, der zu allem anderen geboren war – nur dazu nicht. Hans Georg Schwarzenbeck, den alle nur "Katsche" riefen, der Vorstopper! Ein Mann ohne Glamour und Starallüren. Die Bescheidenheit in Person und dienstbarer Geist für Weltklasse-Libero Franz Beckenbauer – im Klub und in der Nationalmannschaft. Der knorrige Katsche also marschierte in allerletzter Minute über die Mittellinie, bekam den Ball und wusste nicht wohin damit. Da schoss er ihn aus über 25 Metern ins Tor. "Warum ich geschossen habe, kann ich nicht erklären. Auch im Nachhinein nicht. Das muss mit Instinkt zu tun gehabt haben, denn Überlegung war es nicht", sagte Schwarzenbeck Jahre später, "zum Glück habe ich nicht nachgedacht."

Am Tag seines wichtigsten Tores wollte er am liebsten gar nichts sagen und seufzte angesichts der Reportermeute: "Mensch, warum hat denn net der Gerd das Tor geschossen? Warum denn ausgerechnet ich?" Der Koch im Hotel der Bayern stellte sich derweil eine andere Frage: wozu habe ich mir so viel Mühe gegeben? Das erlesene Siegesbufett – Melone mit Schinken, Krabben-Cocktail, Kalbsbraten mit Bohnen, Spargel und Eisbomben – blieb unberührt.

Die vielen Fans hatten noch größere Sorgen. Das Finale wurde zwei Tage danach an gleicher Stelle wiederholt, aber die wenigsten hatten Urlaub bis Freitag genommen. Und in handylosen Zeiten war der auch nicht ohne Weiteres zu organisieren. So war das Stadion am Freitag, den 17. Mai, halb leer; nur noch 24.000 Menschen waren Zeuge der Münchner Sternstunde.

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Lattek: "Nicht locker lassen!"

Diesmal war es kein Zitterspiel, diesmal lief der Bayern-Motor wie geschmiert. Zur Pause führten die Bayern durch Uli Hoeneß, der Reina tunnelte, mit 1:0 (28.) und Udo Lattek brüllte seine Spieler an: "Nicht locker lassen, geht raus und sucht die Entscheidung!" Sie suchten und fanden sie. 4:0 hieß es nach 90 grandiosen Minuten im wohl besten Münchner Europapokalspiel überhaupt. So sah es jedenfalls die Münchner Abendzeitung noch im April 2013, als sie nach dem 4:0 über Barcelona ein Ranking aufstellte. Nichts ging über diesen Frühsommer-Abend im Schatten des Atomiums von Brüssel.

Den Torsegen spendeten Hoeneß (83.) nach herrlichem Solo und Gerd Müller (57., 70.) mit prachtvollen Kunstschüssen zu gleichen Teilen. "Die Spanier waren der Stier und die Deutschen der Matador", schrieb eine spanische Zeitung anerkennend. Der kicker titelte: "Die Elf, die alle Ketten sprengt." Am nächsten Tag waren die Matadoren zahm wie Lämmer, als sie am Gladbacher Bökelberg nach durchfeierter Nacht noch ein Bundesligaspiel austragen mussten. Zum Glück hatten sie die Meisterschale schon gewonnen. Da schmerzte das 0:5 in der "Alkohol-verdunstungsstunde" (Zitat Lattek) im wohl irregulärsten Bundesligaspiel aller Zeiten gegen den alten Rivalen keinen mehr.

Europacupsieger 1974:

Maier - Hansen, Beckenbauer, Schwarzenbeck, Breitner - Zobel, Kapellmann, Roth - Torstensson (Dürnberger), Müller, Hoeneß.