Es geschah am 26. Spieltag: Trapattonis Wechselfehler

2008/2009: Wolfsburg demütigt Bayern 5:1, Grafite schießt mit der Hacke das Tor des Jahres.

2010/2011: Eintracht Frankfurt glückt in Schalke ihr erstes Rückrundentor durch einen 60-Meter-Schuss von Tzavellas.

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"Es geschah am 26. Spieltag": In der DFB.de-Serie am Donnerstag blickt der Historiker und Autor Udo Muras zurück auf ein besonderes Ereignis am jeweiligen Spieltag einer früheren Saison. Heute: Verwechselt - Bayern gewinnt 5:2 in Frankfurt und verliert doch.

Datum: Samstag, 15. April 1995
Ort: Waldstadion Frankfurt
Partie: Eintracht Frankfurt – Bayern München 2:5 (2:0 gewertet)

Mit noch mehr Bauchschmerzen als auf den allseits gefürchteten Kaiserslauterer Betzenberg fuhren die Bayern im vergangenen Jahrhundert nur ins Frankfurter Waldstadion. Als sie dort im April 1995 zum bereits 30. Mal in der Bundesliga aufkreuzten, hatten sie erst vier Siege verbucht. Ob Beckenbauer, Breitner, Rummenigge oder Effenberg aufliefen – zumeist gab es auf die Mütze. Da nutzte die Favoritenrolle gewöhnlich gar nichts, gegen die Bayern lief die Eintracht immer zu Großform auf.

Und da die Bayern 1994/1995 unter ihrem Defensivpapst Giovanni Trapattoni nur auf Platz sechs standen und von den vergangenen sieben Partien – bei fünf Remis – nur eine gewonnen hatten, stand keineswegs zu erwarten, dass sie an diesem Tag einen hohen Sieg erringen würden. Schon gar kein 5:2. Doch das Resultat das nach 90 Minuten von der Anzeigetafel flimmerte, ging nicht in die Statistiken ein – dafür als Randnotiz ins Kuriositätenkabinett der Bundesliga. Auch in diesem Spiel gingen die Punkte wieder an die Eintracht, ohne dass die viel dafür konnte. Was war geschehen?

Zwei Amateure in der Startelf

Wie so oft liefern sich die Rivalen einen packenden Fight, Bayern geht durch Markus Schupp früh in Führung (6.), dann schlägt die Eintracht durch Jay-Jay Okocha (14.) und Thomas Reis (41.) zurück. Mit dem Pausenpfiff gleicht Marcel Witeczek aus, und als Christian Ziege nach Vorarbeit von Mehmet Scholl auf 3:2 stellt (48.), steuern die Bayern auf Siegkurs. Trotz großer Personalprobleme. Nur 12 Profis stehen auf dem Spielbericht, auf dem Platz sind es nur neun. Die Amateure Sven Scheuer, der Oliver Kahn vertritt, und Sammy Kuffour schließen die Lücken. Nach 25 Minuten humpelt Thomas Helmer vom Platz, mit Marco Grimm kommt der dritte Vertreter der eigenen Amateurabteilung zum Einsatz. Es ist sein Bundesligadebüt, ein kurioses dazu, wie sich später herausstellen soll.

Um 16.45 Uhr schickt Trapattoni seine Reservisten zum Warmlaufen, einmal darf er noch wechseln, und es gilt den Vorsprung zu sichern. Nach weiteren elf Minuten entscheidet er sich dafür, Stürmer Marcel Witeczek aus dem Spiel zu nehmen. Alain Sutter und Michael Sternkopf müssen wieder auf die Bank, er bringt den defensivsten, den er hat: Dietmar Hamann. Der jedoch ist der einzige, den er nicht einsetzen darf, denn auch Hamann ist Amateur. Und mehr als drei sind nur nach vorheriger Sondergenehmigung erlaubt.

"Wie viele Amateure haben die Bayern auf dem Platz?"

Bayerns Pressechef Markus Hörwick erkennt das Unheil und eilt von der Tribüne nach unten. Er kommt jedoch zu spät, um 16.57 Uhr wird Hamann eingewechselt. Ab Spielminute 73 ist das Spiel für die Bayern damit verloren, was Eintracht-Manager Bernd Hölzenbein eher merkt als Kollege Uli Hoeneß. "Du, wie viele Amateure haben die Bayern denn auf dem Platz?" fragt er einen Reporter und erhält die befriedigende Antwort: "Vier und damit einen zuviel." Das Spiel läuft noch, da muss der damalige DFB-Pressechef Wolfgang Niersbach auf dem Weg zu seinem Auto schon Regelfragen beantworten, denn das Gerücht von Trapattonis Wechselfehler macht schon die Runde.

Niersbach stellt klar: "Der Antrag auf eine Sondergenehmigung muss vor jedem Spiel gestellt werden." Und den, gesteht Bayerns Geschäftsführer Karl Hopfner, "haben wir nicht gestellt". Nur auf dem Platz hat das Missgeschick noch keiner registriert, die Bayern schießen noch zwei Tore durch Dieter Frey (80.) und Alexander Zickler (83.) und jubeln nach dem Abpfiff von Schiedsrichter Eugen Strigel. Es war der höchste Sieg, den sie je im Waldstadion eingefahren hatten – glaubten sie jedenfalls. Komisch kommt ihnen nur vor, dass die Führung einen Maulkorb verhängt und sie in die Kabine winkt. Bloß keine unbedachten Interviews geben jetzt.

Um 17.45 Uhr gibt Giovanni Trapattoni dann seinen Fehler zu, Uli Hoeneß lässt ihn nicht im Regen stehen: "Das ist menschliches Versagen. Es ist auch meine Schuld und die von Klaus Augenthaler. Und peinlich ist es allemal." Noch sind die Punkte nicht weg, aber da Eintracht Frankfurt sofort Protest einlegt, geht alles seinen vorgeschriebenen Weg.

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Auch Köln und Frankfurt mit Wechselfehlern

Es war ja nicht der erste Wechselfehler dieser Art. Schon Meister-Trainer Hennes Weisweiler hatte 1977 ebenfalls in Köln einen Spieler zu viel eingewechselt – damals war es der dritte Ausländer –, aber da Köln 0:4 verlor, gab es keinen Protest. 1993 wurde die Eintracht dann selbst Opfer des Regelwerks und konnte sich über das 5:2 in Uerdingen nicht lange freuen. Horst Heese hatte ebenfalls einen Ausländer zu viel eingesetzt.

Ob Ausländer oder Amateur – der Einsatz eines nicht spielberechtigten Spielers zieht nach dem Lizenzspielerstatut §25, Absatz 4, nach sich, dass "das Spiel für den Verein als verloren zu werten" ist. Bayern nahm sich zwar mit Reinhard Rauball noch einen renommierten Anwalt, doch auch der konnte die Punkte nicht mehr retten. So wurde eine Woche später aus dem 5:2 ein 0:2, und das Waldstadion blieb für die Bayern ein Ort des Schreckens.

Was sonst noch am 26. Spieltag geschah

1963/1964: Eintracht Frankfurt gegen Werder Bremen 7:0. Wilhelm Huberts (4) und Erwin Stein (3) schießen die Tore.

1973/1974: Erste Sperre für einen Schiedsrichter: Hans Wahmann muss vier Spiele aussetzen, weil er Frankfurts Jürgen Grabowski beim 1:1 gegen Bayern als "Dreckspatz" bezeichnet hatte – damals als Linienrichter.

1975/1976: Schalkes Klaus Fischer schießt vier Tore gegen Karlsruhe (6:2), darunter ein Hattrick.

1982/1983: Höchster Bundesliga-Heimsieg für Kaiserslautern beim 7:0 gegen Karlsruhe.

1989/1990: Nur elf Tore bedeuten Minusrekord für einen Spieltag.

1994/1995: Die so genannte "Möller-Schwalbe" führt zu einem Elfmeter bei Dortmunds 2:1 gegen Karlsruhe. Der BVB behält die Punkte, Möller wird gesperrt.

2000/2001: Leverkusens Bernd Schneider trifft beim 3:1 in Dortmund aus 50 Metern.

2001/2002: Höchster Heimsieg von Hertha BSC, ein 6:0 gegen den HSV.

2003/2004: Bundesligarekord für den VfL Bochum: Torwart van Duijnhoven bleibt zu Hause 911 Minuten unbezwungen, dann trifft Schalkes Thomas Kläsener.

2008/2009: Wolfsburg demütigt Bayern 5:1, Grafite schießt mit der Hacke das Tor des Jahres.

2010/2011: Eintracht Frankfurt glückt in Schalke ihr erstes Rückrundentor durch einen 60-Meter-Schuss von Tzavellas.