Es geschah am 21. Spieltag: Der "Kaiser" auf der Bank

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"Es geschah am 21. Spieltag": In der DFB.de-Serie am Donnerstag blickt der Historiker und Autor Udo Muras zurück auf ein besonderes Ereignis am jeweiligen Spieltag einer früheren Saison. Heute: das Debüt von Franz Beckenbauer auf der Bayern-Trainerbank - mit einer Heimniederlage.

Datum: Sonntag, 13. Februar 1994
Ort: Olympiastadion München
Partie: Bayern München - VfB Stuttgart 1:3

Winterpause und Jahreswechsel, das ist auch für Fußballer die Zeit der Besinnung. Bilanzen werden gezogen und neue Vorsätze gefasst, sofern sie denn nötig sind. Aber wenn der FC Bayern München auf dem 3. Platz steht und aus allen Wettbewerben ausgeschieden ist, sind sie nötig. Dann grassiert rundum die Säbener Straße Krisenstimmung, das war schon vor 20 Jahren so. Zwar betrug der Rückstand des Vizemeisters der Vorsaison nur ein Punkt, aber der Kredit von Trainer Erich Ribbeck war aufgebraucht. Sein Versuch, die vom AC Mailand in Mode gebrachte Viererkette in der Bundesliga zu etablieren und den Libero abzuschaffen, kostete Nerven, Zeit und zu viele Punkte.

Die Mannschaft war gegen ihn, die Presse wurde mit Interna gefüttert. Etwa dass der junge Mehmet Scholl ihn im Training nicht ganz unabsichtlich einen Ball gegen den Kopf geschossen habe oder dass Jan Wouters getobt habe: "Mit diesem Trainer werden wir niemals Meister." Manager Uli Hoeneß musste ihn beruhigen, war aber selbst unruhig und entwarf einen Notfallplan. Der Messias saß schließlich in den eigenen Reihen, es war der Vize-Präsident. Bekannter freilich war er als Spieler und Trainer geworden: Kaiser Franz Beckenbauer, zweimaliger Weltmeister, ein Weltstar, eine lebende Bayern-Legende und rein zufällig verfügbar. Schon im Herbst hatte Hoeneß den Kaiser bekniet: "Franz, mach es!", aber der hatte Skrupel. Ribbeck war schließlich sein Freund, Mitglied im renommierten Männerbund "Die Schneeforscher" – man fuhr ein-zweimal im Jahr gemeinsam Ski und vergnügte sich auch beim Après-Ski.

Beckenbauer bittet Ribbeck um Hilfe

Als die Bayern 1992 fast abgestiegen wären, bat Beckenbauer Ribbeck, den Karren aus dem Dreck ziehen. Er hatte ihn geholt, nun sollte er ihn ablösen. Das behagte dem Kaiser zunächst nicht: "Ich komme aber nur, wenn Erich keine Lust mehr hat." Aber der hatte noch Lust, flog im Dezember nach Gran Canaria und gab zuvor noch Durchhalteparolen aus: "Am 6. Januar stehe ich auf dem Trainingsgelände." Ein Irrtum. Am 20. Dezember bekam er im Urlaub Besuch von Präsident Fritz Scherer, der ihm den Rücktritt nahelegte. Ribbeck blieb stur, doch da der Kaiser mittlerweile Blut geleckt hatte ("Immer dieses Repräsentieren für Firmen weltweit – das ist ganz nett, aber eine Hauptaufgabe für mich?") nahmen die Dinge ihren Lauf.

Quasi unterm Weihnachtsbaum sägte der Vorstand Ribbeck dann ab, die Telefone glühten und als Ribbeck wieder in München landete, machten sie ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte: Die volle Meisterprämie (250.000 DM) und Gehalt bis Vertragsende im Juni 1994 (500.000 DM), das Hoeneß so kommentierte: "Der Erich hat ein Geschäft gemacht, da kann ich nur sagen: wenn ich noch mal auf die Welt komme, möchte ich entweder Hund bei Hoeneß oder Trainer bei Bayern werden." Das wurde jetzt erst mal der Kaiser, der am Drei-Königs-Tag bei großem Medienspektakel auf dem Trainingsplatz stand. Typisch Beckenbauer stiftete er gleich Verwirrung: "Es ist mir selbst ein vollkommenes Rätsel, warum ich mir diesen Job antue."

"Akkordarbeit statt Dienst nach Vorschrift"

Für die Spieler gingen die Uhren nun anders, das Training begann eine Stunde früher als bei "Sir Erich", also schon um neun. Und es war deutlich härter. "Akkordarbeit statt Dienst nach Vorschrift", registrierte der Kicker, dem der Kaiser im Interview lapidar entgegnete: "Was heißt hart? Keiner fiel um, keiner ist gestorben." Einer aber war beleidigt, denn Beckenbauer setzte den im Mai ohnehin scheidenden Torwart Raimond Aumann als Kapitän ab und gab die Binde Lothar Matthäus. Das erinnerte an den italienischen Sommer 1990, als Deutschland mit einem Teamchef Beckenbauer und einem Kapitän Matthäus Weltmeister geworden war. Nun sollte es die Deutsche Meisterschaft werden, dann wollte der Kaiser mit Abpfiff des letzten Spiels am 7. Mai wieder abtreten.

14 Spiele verblieben, nachdem die Liga nach 20 Runden in die Pause gegangen war. Nach 37 Trainingstagen gab es die erste Gelegenheit, der VfB Stuttgart kam ins Olympia-Stadion und Beckenbauer sagte: "Wenn wir Meister werden wollen, müssen wir gegen Stuttgart gewinnen." Zumal die Tabelle eine klare Sprache sprach: der VfB war nur Vierzehnter und präsentierte nach dem Rücktritt von Christoph Daum auch einen neuen Trainer: Ex-Bayer Jürgen Röber saß erstmals bei einem Bundesligaspiel auf der Bank. "Prinzipiell wünsche ich dem Franz alles Gute – nur für Sonntag zwischen 20 Uhr und 21. 45 Uhr nicht. Ich würde ihm gern seinen Einstand versalzen." Seit 1970 hatte der VfB nicht mehr in München gewonnen und Röber fand keck "Dann wird’s ja wieder mal Zeit." In der Kabine machte er seine Spieler heiß: "In der Zeitung stand: 'Heute ist Franz-Tag'. Vielleicht heißt es hinterher Walter-Tag oder Buck-Tag."

Das fraglos interessanteste Spiel der Auftaktrunde 1994 wurde live auf SAT.1 übertragen, was wohl manchen Fan vom Stadionbesuch abhielt (nur 34.000 Zuschauer), denn das warme Wohnzimmer hat seine ganz besonderen Vorzüge, wenn es draußen minus sieben Grad hat. Der Kaiser aber trotzte der Kälte und als er um 19.36 Uhr erstmals an diesem Abend den Innenraum betrat, stürzten sich die Kamerateams und Fotografen auf ihn, während der andere Trainer-Debütant Jürgen Röber unbehelligt blieb. Ausdruck einer schier erdrückenden Erwartungshaltung, mit der zumindest die Mannschaft nicht zurechtkam.

Weltmeister Buchwald trifft

Schon nach vier Minuten erzielte ausgerechnet Weltmeister Guido Buchwald per nach Flanke des Ex-Bayern Ludwig Kögl das 0:1. Bayern hatte Probleme, sich Chancen zu erspielen und nur ein unglückliches Handspiel des Ex-Bayern Thomas Strunz im Strafraum führte zum Torerfolg. Lothar Matthäus verwandelte den Handelfmeter (22.), 1:1 hieß es auch zur Pause. Der Ruck, den sich die Obere erhofft hatten, war noch nicht durch die Bayern-Elf gegangen. Nach Wiederanpfiff kam es noch schlimmer: Nach 50 Minuten glückte Fritz Walter das 1:2 und nach 84 Minuten entschied Andreas Buck die Partie mit dem dritten VfB-Tor.

Das Spiel seiner Schützlinge konnte den Kaiser unter seiner Pudelmütze nicht erwärmen, ihn packte Ernüchterung obwohl er verpatzte Premieren gewohnt war. So war es als Spieler mit Bayern und dem HSV und auch als Bundestrainer. Mit seiner Kritik hielt er sich noch zurück, nur in der Kabine gab es ein kurzes Donnerwetter. Öffentlich sagte er: "Der VfB war einfach besser, das war alles. Sie haben den Druck gemacht, den wir uns eigentlich vorgenommen hatten." Dafür sprachen auch 8:5 Chancen. Ansonsten kursierten weitere interessante Theorien für die Pleite. Lothar Matthäus fand: "Einige waren verkrampft weil sei es dem neuen Trainer besonders recht machen wollten."

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Vorstand Kalle Rummenigge sagte abergläubisch: "Ab sofort muss Schluss sein mit Sonntagsspielen, da gehen wir regelmäßig unter." In der Tat war es die fünfte Sonntagspleite in Folge, auch der Kaiser konnte den Bann nicht brechen. Die Münchner Abendzeitung stellte fest: "Schock für Franz: Sie haben nichts dazugelernt. Die gleichen Fehler wie unter Trainer Erich Ribbeck".

Nun zitterten einige bei Bayern, Matthäus vorneweg, gar um die Uefa-Cup-Teilnahme. Nach der Premiere des Kaisers war man erst mal auf Platz fünf abgestürzt und von da war noch keiner nach 21 Spielen noch aufs Meisterpodest gesprungen. Und doch sollte es so kommen. Beckenbauer gab nicht auf und arbeitete akribisch weiter. Torwart-Trainer Toni Schumacher berichtete später: "Der Franz ist ein Wahnsinniger. Von wegen der macht alles mit links, weil er ein Genie ist. Dauernd sehe ich den mit Dutzenden von Spiel-Videos in dunklen Räumen hocken. Er ist bienenfleißig."

Bayern finden Schlüssel zum Erfolg

In den verbleibenden drei Monaten fanden die Bayern den Schlüssel zum Erfolg, gewannen neun von 13 Spielen und verloren nur noch zwei. Und so erfüllte der Kaiser am 7. Mai 1994 nach einem 2:0 über Schalke 04 seinen Auftrag. Bayern München war wieder mal Meister geworden, und ein weiteres Kapitel wurde geschrieben über den Mann, der alles kann.

Auch vom Weizenbierglas die ZDF-Torwand treffen, womit Beckenbauer sein erstes Trainer-Intermezzo bei den Bayern krönte. Dass er 1996 noch mal ran musste, ahnte da noch niemand. Er auch nicht, er wollte sich Wichtigerem widmen: "Mein Handicap im Golf ist schlecht geworden. Aber danach fragt ja keiner."

Was sonst noch am 21. Spieltag geschah

1963/1964: Nur 16 Tore bedeuten Minusrekord in der Auftaktsaison, der erst 1968/1969 gebrochen wird.

1970/1971: Brotmesserwurf auf Sepp Maier bei Bayerns 1:3 in Essen, die Polizei verhaftet einen 18-Jährigen. Sensation am Bökelberg: Meister Gladbach unterliegt Aufsteiger Arminia Bielefeld 0:2.

1976/1977: Mit sechs Unentschieden wird ein Bundesligarekord eingestellt.

1978/1979: Letztes Bundesligaspiel von Gerd Müller, der nach seiner Auswechslung in Frankfurt die Freigabe erbittet und nach Florida zu Fort Lauderdale wechselt. Der Braunschweiger Harald Nickel erzielt gegen Bielefeld (5:2) zwei Elfmetertore aus dem Stand.

1983/1984: Bayern München deklassiert Aufsteiger Kickers Offenbach 9:0.

1985/1986: Kölns Klaus Allofs glückt gegen Bayer Leverkusen das aus größter Entfernung erzielte Tor der Bundesliga. Er überwindet Rüdiger Vollborn aus 60 Metern.

1986/1987: Höchste Heimniederlage für Werder Bremen - 1:7 gegen Borussia Mönchengladbach, die ihren höchsten Auswärtssieg feiert.

1987/1988: Ein Virus befällt 15 Spieler von Eintracht Frankfurt, das Spiel in Stuttgart entfällt.

1989/1990: Andreas Thom debütiert als erster DDR-Nationalspieler nach dem Mauerfall in der Bundesliga und erzielt nach 15 Minuten das 1:0 für Leverkusen beim 3:1 gegen den FC Homburg.

1997/1998: Bayerns Giovane Elber gelingt gegen den HSV das schnellste Bundesliga-Tor - nach 11 Sekunden.

1999/2000: Arminia Bielefeld kassiert in Wolfsburg (0:2) die zehnte Niederlage in Folge und stellt Tasmania Berlins Rekord ein.

2005/2006: Schalke 04 und Bayer Leverkusen liefern das torreichste Spiel des neuen Jahrtausends ab - ein berauschendes 7:4.

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"Es geschah am 21. Spieltag": In der DFB.de-Serie am Donnerstag blickt der Historiker und Autor Udo Muras zurück auf ein besonderes Ereignis am jeweiligen Spieltag einer früheren Saison. Heute: das Debüt von Franz Beckenbauer auf der Bayern-Trainerbank - mit einer Heimniederlage.

Datum: Sonntag, 13. Februar 1994
Ort: Olympiastadion München
Partie: Bayern München - VfB Stuttgart 1:3

Winterpause und Jahreswechsel, das ist auch für Fußballer die Zeit der Besinnung. Bilanzen werden gezogen und neue Vorsätze gefasst, sofern sie denn nötig sind. Aber wenn der FC Bayern München auf dem 3. Platz steht und aus allen Wettbewerben ausgeschieden ist, sind sie nötig. Dann grassiert rundum die Säbener Straße Krisenstimmung, das war schon vor 20 Jahren so. Zwar betrug der Rückstand des Vizemeisters der Vorsaison nur ein Punkt, aber der Kredit von Trainer Erich Ribbeck war aufgebraucht. Sein Versuch, die vom AC Mailand in Mode gebrachte Viererkette in der Bundesliga zu etablieren und den Libero abzuschaffen, kostete Nerven, Zeit und zu viele Punkte.

Die Mannschaft war gegen ihn, die Presse wurde mit Interna gefüttert. Etwa dass der junge Mehmet Scholl ihn im Training nicht ganz unabsichtlich einen Ball gegen den Kopf geschossen habe oder dass Jan Wouters getobt habe: "Mit diesem Trainer werden wir niemals Meister." Manager Uli Hoeneß musste ihn beruhigen, war aber selbst unruhig und entwarf einen Notfallplan. Der Messias saß schließlich in den eigenen Reihen, es war der Vize-Präsident. Bekannter freilich war er als Spieler und Trainer geworden: Kaiser Franz Beckenbauer, zweimaliger Weltmeister, ein Weltstar, eine lebende Bayern-Legende und rein zufällig verfügbar. Schon im Herbst hatte Hoeneß den Kaiser bekniet: "Franz, mach es!", aber der hatte Skrupel. Ribbeck war schließlich sein Freund, Mitglied im renommierten Männerbund "Die Schneeforscher" – man fuhr ein-zweimal im Jahr gemeinsam Ski und vergnügte sich auch beim Après-Ski.

Beckenbauer bittet Ribbeck um Hilfe

Als die Bayern 1992 fast abgestiegen wären, bat Beckenbauer Ribbeck, den Karren aus dem Dreck ziehen. Er hatte ihn geholt, nun sollte er ihn ablösen. Das behagte dem Kaiser zunächst nicht: "Ich komme aber nur, wenn Erich keine Lust mehr hat." Aber der hatte noch Lust, flog im Dezember nach Gran Canaria und gab zuvor noch Durchhalteparolen aus: "Am 6. Januar stehe ich auf dem Trainingsgelände." Ein Irrtum. Am 20. Dezember bekam er im Urlaub Besuch von Präsident Fritz Scherer, der ihm den Rücktritt nahelegte. Ribbeck blieb stur, doch da der Kaiser mittlerweile Blut geleckt hatte ("Immer dieses Repräsentieren für Firmen weltweit – das ist ganz nett, aber eine Hauptaufgabe für mich?") nahmen die Dinge ihren Lauf.

Quasi unterm Weihnachtsbaum sägte der Vorstand Ribbeck dann ab, die Telefone glühten und als Ribbeck wieder in München landete, machten sie ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte: Die volle Meisterprämie (250.000 DM) und Gehalt bis Vertragsende im Juni 1994 (500.000 DM), das Hoeneß so kommentierte: "Der Erich hat ein Geschäft gemacht, da kann ich nur sagen: wenn ich noch mal auf die Welt komme, möchte ich entweder Hund bei Hoeneß oder Trainer bei Bayern werden." Das wurde jetzt erst mal der Kaiser, der am Drei-Königs-Tag bei großem Medienspektakel auf dem Trainingsplatz stand. Typisch Beckenbauer stiftete er gleich Verwirrung: "Es ist mir selbst ein vollkommenes Rätsel, warum ich mir diesen Job antue."

"Akkordarbeit statt Dienst nach Vorschrift"

Für die Spieler gingen die Uhren nun anders, das Training begann eine Stunde früher als bei "Sir Erich", also schon um neun. Und es war deutlich härter. "Akkordarbeit statt Dienst nach Vorschrift", registrierte der Kicker, dem der Kaiser im Interview lapidar entgegnete: "Was heißt hart? Keiner fiel um, keiner ist gestorben." Einer aber war beleidigt, denn Beckenbauer setzte den im Mai ohnehin scheidenden Torwart Raimond Aumann als Kapitän ab und gab die Binde Lothar Matthäus. Das erinnerte an den italienischen Sommer 1990, als Deutschland mit einem Teamchef Beckenbauer und einem Kapitän Matthäus Weltmeister geworden war. Nun sollte es die Deutsche Meisterschaft werden, dann wollte der Kaiser mit Abpfiff des letzten Spiels am 7. Mai wieder abtreten.

14 Spiele verblieben, nachdem die Liga nach 20 Runden in die Pause gegangen war. Nach 37 Trainingstagen gab es die erste Gelegenheit, der VfB Stuttgart kam ins Olympia-Stadion und Beckenbauer sagte: "Wenn wir Meister werden wollen, müssen wir gegen Stuttgart gewinnen." Zumal die Tabelle eine klare Sprache sprach: der VfB war nur Vierzehnter und präsentierte nach dem Rücktritt von Christoph Daum auch einen neuen Trainer: Ex-Bayer Jürgen Röber saß erstmals bei einem Bundesligaspiel auf der Bank. "Prinzipiell wünsche ich dem Franz alles Gute – nur für Sonntag zwischen 20 Uhr und 21. 45 Uhr nicht. Ich würde ihm gern seinen Einstand versalzen." Seit 1970 hatte der VfB nicht mehr in München gewonnen und Röber fand keck "Dann wird’s ja wieder mal Zeit." In der Kabine machte er seine Spieler heiß: "In der Zeitung stand: 'Heute ist Franz-Tag'. Vielleicht heißt es hinterher Walter-Tag oder Buck-Tag."

Das fraglos interessanteste Spiel der Auftaktrunde 1994 wurde live auf SAT.1 übertragen, was wohl manchen Fan vom Stadionbesuch abhielt (nur 34.000 Zuschauer), denn das warme Wohnzimmer hat seine ganz besonderen Vorzüge, wenn es draußen minus sieben Grad hat. Der Kaiser aber trotzte der Kälte und als er um 19.36 Uhr erstmals an diesem Abend den Innenraum betrat, stürzten sich die Kamerateams und Fotografen auf ihn, während der andere Trainer-Debütant Jürgen Röber unbehelligt blieb. Ausdruck einer schier erdrückenden Erwartungshaltung, mit der zumindest die Mannschaft nicht zurechtkam.

Weltmeister Buchwald trifft

Schon nach vier Minuten erzielte ausgerechnet Weltmeister Guido Buchwald per nach Flanke des Ex-Bayern Ludwig Kögl das 0:1. Bayern hatte Probleme, sich Chancen zu erspielen und nur ein unglückliches Handspiel des Ex-Bayern Thomas Strunz im Strafraum führte zum Torerfolg. Lothar Matthäus verwandelte den Handelfmeter (22.), 1:1 hieß es auch zur Pause. Der Ruck, den sich die Obere erhofft hatten, war noch nicht durch die Bayern-Elf gegangen. Nach Wiederanpfiff kam es noch schlimmer: Nach 50 Minuten glückte Fritz Walter das 1:2 und nach 84 Minuten entschied Andreas Buck die Partie mit dem dritten VfB-Tor.

Das Spiel seiner Schützlinge konnte den Kaiser unter seiner Pudelmütze nicht erwärmen, ihn packte Ernüchterung obwohl er verpatzte Premieren gewohnt war. So war es als Spieler mit Bayern und dem HSV und auch als Bundestrainer. Mit seiner Kritik hielt er sich noch zurück, nur in der Kabine gab es ein kurzes Donnerwetter. Öffentlich sagte er: "Der VfB war einfach besser, das war alles. Sie haben den Druck gemacht, den wir uns eigentlich vorgenommen hatten." Dafür sprachen auch 8:5 Chancen. Ansonsten kursierten weitere interessante Theorien für die Pleite. Lothar Matthäus fand: "Einige waren verkrampft weil sei es dem neuen Trainer besonders recht machen wollten."

[bild2]

Vorstand Kalle Rummenigge sagte abergläubisch: "Ab sofort muss Schluss sein mit Sonntagsspielen, da gehen wir regelmäßig unter." In der Tat war es die fünfte Sonntagspleite in Folge, auch der Kaiser konnte den Bann nicht brechen. Die Münchner Abendzeitung stellte fest: "Schock für Franz: Sie haben nichts dazugelernt. Die gleichen Fehler wie unter Trainer Erich Ribbeck".

Nun zitterten einige bei Bayern, Matthäus vorneweg, gar um die Uefa-Cup-Teilnahme. Nach der Premiere des Kaisers war man erst mal auf Platz fünf abgestürzt und von da war noch keiner nach 21 Spielen noch aufs Meisterpodest gesprungen. Und doch sollte es so kommen. Beckenbauer gab nicht auf und arbeitete akribisch weiter. Torwart-Trainer Toni Schumacher berichtete später: "Der Franz ist ein Wahnsinniger. Von wegen der macht alles mit links, weil er ein Genie ist. Dauernd sehe ich den mit Dutzenden von Spiel-Videos in dunklen Räumen hocken. Er ist bienenfleißig."

Bayern finden Schlüssel zum Erfolg

In den verbleibenden drei Monaten fanden die Bayern den Schlüssel zum Erfolg, gewannen neun von 13 Spielen und verloren nur noch zwei. Und so erfüllte der Kaiser am 7. Mai 1994 nach einem 2:0 über Schalke 04 seinen Auftrag. Bayern München war wieder mal Meister geworden, und ein weiteres Kapitel wurde geschrieben über den Mann, der alles kann.

Auch vom Weizenbierglas die ZDF-Torwand treffen, womit Beckenbauer sein erstes Trainer-Intermezzo bei den Bayern krönte. Dass er 1996 noch mal ran musste, ahnte da noch niemand. Er auch nicht, er wollte sich Wichtigerem widmen: "Mein Handicap im Golf ist schlecht geworden. Aber danach fragt ja keiner."

Was sonst noch am 21. Spieltag geschah

1963/1964: Nur 16 Tore bedeuten Minusrekord in der Auftaktsaison, der erst 1968/1969 gebrochen wird.

1970/1971: Brotmesserwurf auf Sepp Maier bei Bayerns 1:3 in Essen, die Polizei verhaftet einen 18-Jährigen. Sensation am Bökelberg: Meister Gladbach unterliegt Aufsteiger Arminia Bielefeld 0:2.

1976/1977: Mit sechs Unentschieden wird ein Bundesligarekord eingestellt.

1978/1979: Letztes Bundesligaspiel von Gerd Müller, der nach seiner Auswechslung in Frankfurt die Freigabe erbittet und nach Florida zu Fort Lauderdale wechselt. Der Braunschweiger Harald Nickel erzielt gegen Bielefeld (5:2) zwei Elfmetertore aus dem Stand.

1983/1984: Bayern München deklassiert Aufsteiger Kickers Offenbach 9:0.

1985/1986: Kölns Klaus Allofs glückt gegen Bayer Leverkusen das aus größter Entfernung erzielte Tor der Bundesliga. Er überwindet Rüdiger Vollborn aus 60 Metern.

1986/1987: Höchste Heimniederlage für Werder Bremen - 1:7 gegen Borussia Mönchengladbach, die ihren höchsten Auswärtssieg feiert.

1987/1988: Ein Virus befällt 15 Spieler von Eintracht Frankfurt, das Spiel in Stuttgart entfällt.

1989/1990: Andreas Thom debütiert als erster DDR-Nationalspieler nach dem Mauerfall in der Bundesliga und erzielt nach 15 Minuten das 1:0 für Leverkusen beim 3:1 gegen den FC Homburg.

1997/1998: Bayerns Giovane Elber gelingt gegen den HSV das schnellste Bundesliga-Tor - nach 11 Sekunden.

1999/2000: Arminia Bielefeld kassiert in Wolfsburg (0:2) die zehnte Niederlage in Folge und stellt Tasmania Berlins Rekord ein.

2005/2006: Schalke 04 und Bayer Leverkusen liefern das torreichste Spiel des neuen Jahrtausends ab - ein berauschendes 7:4.