Es geschah am 2. Spieltag: Freiburger Sternstunde

Was damals trotz des Spiels keiner ahnte: Freiburg landete am Saisonende als Sensations-Dritter sogar vor den Bayern, die nur Sechster wurden. Bayern drei Plätze hinter Freiburg, auch das hätte der Kaiser wohl für einen Übermittlungsfehler gehalten.

Was sonst noch am 2. Spieltag geschah

1969/1970: Erstmals in vier gemeinsamen Bundesliga-Jahren verliert Bayern München, damals Meister, gegen Borussia Mönchengladbach. Die Fohlen drehen das Spiel (2:1) am Bökelberg nach der Pause. Der 19jährige Amateur und Debütant Werner Kaiser überwindet Sepp Maier mit seinem ersten Ballkontakt.

1972/1973: Nach einer Reifenpanne des Busses trampen die Spieler des Wuppertaler SV nach Düsseldorf. Ein Trio wird 5 km vor dem Stadion ausgesetzt und muss laufen. Das Spiel beginnt mit zehn Minuten Verspätung, der WSV verliert zu allem Übel 1:2.

1981/1982: Bielefelds Stürmer Ewald Lienen muss nach einem Foul von Bremens Siegmann ins Krankenhaus, der Oberschenkel ist auf 20 Zentimeter Länge aufgeschlitzt. Lienen unterstellt den Bremern Absicht und Werder-Trainer Otto Rehhagel erhält vor dem Rückspiel Morddrohungen.

1985/1986: Werder Bremen gewinnt im Nord-Derby gegen Aufsteiger Hannover 96 mit 8:2. Rudi Völler schießt drei Tore.

1987/1988: Bayern München feiert gegen den HSV im Olympia-Stadion seinen bis dato höchsten Sieg (6:0). Der neue HSV-Torwart Mladen Pralija patzt mehrmals und erlangt traurige Berühmtheit.

1992/1993: Erster Schalker Sieg in Dortmund (2:0) nach 16 Jahren. Trainer: Udo Lattek



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„Es geschah am ... Spieltag“: In der neuen DFB.de-Serie blickt der Historiker und Autor Udo Muras zurück auf ein besonderes Ereignis am jeweiligen Spieltag einer früheren Saison. Heute: Die Bayern-Blamage beim SC Freiburg aus dem Jahr 1994 - Trainer Giovanni Trapattoni und der Rekordmeister gehen 1:5 im Breisgau unter.

Datum: Dienstag, 23. August 1994
Ort: Dreisam-Stadion Freiburg
Partie: SC Freiburg – Bayern München 5:1

Als Franz Beckenbauer, an diesem Abend in Hamburg in seiner Eigenschaft als Co-Kommentator weit weg vom Ort des Geschehens, den Zwischenstand vom Spiel seiner Bayern erfuhr, raunte er ins Mikrofon: „A geh, ein Übermittlungsfehler“. Wer wollte es auch schon glauben? SC Freiburg gegen Bayern München 3:0 – nach nur 18 Minuten? Doch Zahlen lügen nicht, sie verkünden nur zuweilen ungeheuerliche Wahrheiten.

Dass der Deutsche Meister ausgerechnet unter seinem für Defensiv-Fußball stehenden neuen italienischen Trainer Giovanni Trapattoni dermaßen unter die Räder kommen würde, das war so eine Ungeheuerlichkeit. Er spielte ja nicht bei einem Titelkonkurrenten, sondern beim gerade dem Abstieg entronnenen Fußballzwerg aus dem Schwarzwald. Aber diese Zwerge wurden zu Riesen an diesem Dienstagabend, an dem die Fachwelt sich an Namen wie Spanring, Kohl, Neitzel oder Heinrich ergötzte.

Verteidiger Martin Spanring schoss das 1:0 in der 11. Minute, Ralf Kohl, den alle nur „Kanzler“ riefen, erhöhte in der 17. auf 2:0 und vom Anstoß weg verloren die Bayern ein weiteres Mal den Ball, den Rodolfo Cardoso prompt wieder im Tor von Oliver Kahn versenkte. 0:3 nach 18 Minuten – das gab es in der Bayern-Historie nur einmal, 1973 auf Schalke. Damals rettete Bayern noch ein 5:5, doch diesmal waren sie nicht zu retten. Nicht gegen diese Freiburger. „Das war Fußball wie in Trance, als die drei Tore fielen“, sagte Spanring hinterher noch völlig entrückt. Bayern-Manager Uli Hoeneß fand weniger pathetische, aber dennoch deutliche Worte: „Das Ganze lief nach dem Motto ‚Bitte nach Ihnen` ab“. Dabei war es ja nur ein Teil des Ganzen: nach Christian Zieges Anschlusstor flackerte kurz Hoffnung auf beim Meister.

Doch Freiburg hielt sein Niveau an diesem rauschenden Sommerabend und kam auch nach der Pause zu Toren: Cardoso verwandelte einen Elfmeter (58.) und Jörg Heinrich knallte aus 16 Metern in den Winkel (68.). Bayerns Franzose Jean-Pierre Papin leistete sich noch ein Frustfoul und flog vom Platz, dann erlöste Schiedsrichter Weber (Essen) den Rekordmeister. 5:1 also – Freiburg feierte seinen bis dahin höchsten Bundesliga-Sieg, dem in den folgenden 17 Jahren nur zwei höhere (jeweils 5:0) folgen sollten. Trainer Volker Finke sagte „dass dies nur mit dieser Mannschaft möglich ist, die wir in den letzten Jahren entwickelt haben. Ohne Arroganz: andere schaffen das in fünf Jahren nicht.“

In historischen Dimensionen dachte auch Bayern-Präsident Fritz Scherer, der der Süddeutschen Zeitung gestand: „In neun Amtsjahren habe ich die Mannschaft noch nie so zusammenbrechen sehen.“ Trainer Giovanni Trapattoni, der schon beim Pflichtspieleinstand eine Blamage (0:1 im Pokal gegen Vestenbergsgreuth) erdulden musste, tat Scherer am meisten leid: „Der Mann dachte dass er hier eine Fußballmannschaft übernimmt.“ Trapattoni verhängte nach guter italienischer Sitte ein striktes „Silenzio Stampa“, was zumindest Lothar Matthäus im Nachhinein begrüßt haben dürfte: „Wenn ich alles sagen würde was in meinem Kopf los ist, würde ich Probleme kriegen.“

Trapattoni selbst radebrechte am Tag bevor er seinen ersten Deutschkurs belegte auf der Pressekonferenz Sätze wie „No Fehler Nerlinger. Fehler mia!“. Bayerns heutiger Sportdirektor Christian Nerlinger wurde bereits nach 20 Minuten ausgewechselt, aber eigentlich hätte es jeden treffen können. Die SZ attestierte den Bayern jedenfalls „den Arbeitseifer einer Thekentruppe.“ Am schlimmsten traf die Sieggewohnten wohl der Satz des Freiburgers Maximilian Heidenreich: „Dabei mag ich die Bayern – zum Schluss taten sie mir leid.“

Was damals trotz des Spiels keiner ahnte: Freiburg landete am Saisonende als Sensations-Dritter sogar vor den Bayern, die nur Sechster wurden. Bayern drei Plätze hinter Freiburg, auch das hätte der Kaiser wohl für einen Übermittlungsfehler gehalten.

Was sonst noch am 2. Spieltag geschah

1969/1970: Erstmals in vier gemeinsamen Bundesliga-Jahren verliert Bayern München, damals Meister, gegen Borussia Mönchengladbach. Die Fohlen drehen das Spiel (2:1) am Bökelberg nach der Pause. Der 19jährige Amateur und Debütant Werner Kaiser überwindet Sepp Maier mit seinem ersten Ballkontakt.

1972/1973: Nach einer Reifenpanne des Busses trampen die Spieler des Wuppertaler SV nach Düsseldorf. Ein Trio wird 5 km vor dem Stadion ausgesetzt und muss laufen. Das Spiel beginnt mit zehn Minuten Verspätung, der WSV verliert zu allem Übel 1:2.

1981/1982: Bielefelds Stürmer Ewald Lienen muss nach einem Foul von Bremens Siegmann ins Krankenhaus, der Oberschenkel ist auf 20 Zentimeter Länge aufgeschlitzt. Lienen unterstellt den Bremern Absicht und Werder-Trainer Otto Rehhagel erhält vor dem Rückspiel Morddrohungen.

1985/1986: Werder Bremen gewinnt im Nord-Derby gegen Aufsteiger Hannover 96 mit 8:2. Rudi Völler schießt drei Tore.

1987/1988: Bayern München feiert gegen den HSV im Olympia-Stadion seinen bis dato höchsten Sieg (6:0). Der neue HSV-Torwart Mladen Pralija patzt mehrmals und erlangt traurige Berühmtheit.

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1992/1993: Erster Schalker Sieg in Dortmund (2:0) nach 16 Jahren. Trainer: Udo Lattek

2002/2003: Nach einem furiosen 5:0 gegen Energie Cottbus ist der VfL Bochum erstmals überhaupt Tabellenführer.

2003/2004: Hitzerekord in der Liga: auf den neun Plätzen herrschen Temperaturen von 42 bis zu 49 Grad.

2010/2011: Sieben Auswärtssiege markieren einen neuen Bundesligarekord. Mainz 05 gewinnt nach 0:3-Rückstand in Wolfsburg noch 4:3. So etwas gab es zuletzt 1991. Gladbachs 6:3 in Leverkusen beendet die längste Misserfolgsserie der Liga-Historie – 26 Spiele hatte Borussia gegen Bayer nicht gewonnen.