Es geschah am 16. Spieltag: Drei Eigentore in einem Spiel

"Es geschah am 16. Spieltag": In der DFB.de-Serie am Donnerstag blickt der Historiker und Autor Udo Muras zurück auf ein besonderes Ereignis am jeweiligen Spieltag einer früheren Saison. Heute: Hannovers Eigentorrekord.

Datum: Samstag, 12. Dezember 2009
Ort: Borussen-Park Mönchengladbach
Partie: Mönchengladbach – Hannover 5:3

Im Herbst 2009 leiden nicht nur Fußball-Fans mit Hannover 96. Der schreckliche Freitod von Nationaltorhüter Robert Enke im November hat das Land erschüttert und tief bewegt. Er löst eine Debatte über den offenen Umgang mit Depressionen aus und generell über Druck im Leistungssport. Enkes Mitspielern fällt die Rückkehr zur Normalität besonders schwer, keines der folgenden vier Spiele haben die Niedersachsen gewinnen können.

Vor dem Gastspiel bei Borussia Mönchengladbach rückt die Abstiegszone allmählich immer näher. Dennoch ist es gemäß Tabelle ein eher unspektakuläres Mittelfeldduell: Elfter gegen Zwölfter. Und doch wird diese Partie einen Tag vor dem dritten Advent 2009 in die Geschichtsbücher der Bundesliga eingehen – wegen des ungeheuren Pechs jener Mannschaft, die doch schon genug gestraft scheint. Sie holt sich an diesem Tag den Eigentorrekord - eine "Bestmarke", die keiner will.

Es beginnt in der 14. Minute: Hannovers neue Nummer eins, Torwart Florian Fromlowitz, will den Ball vor dem schnellen Gladbacher Marco Reus klären und schießt den mitgelaufenen Kollegen Karim Haggui an. Vom Bein des Tunesiers trudelt der Ball ins verlassene Tor – aus 17 Metern gehen auch Kullerbälle rein, wenn kein Torwart mehr da ist, 1:0. Borussia ist euphorisiert, 96 geschockt. Schon fünf Minuten später köpft Rob Friend das 2:0. Kurz danach scheidet 96-Spieler Jan Rosenthal verletzt aus, es scheint wahrlich ein Pechtag zu werden.

Aber die Gäste fighten zurück, Didier Ya Konan kann noch vor der Pause verkürzen, 1:2. Das Ergebnis schmeichelt 96 dennoch, denn Gladbach lässt viele Chancen aus. "Nur deshalb konnten die Gäste, deren Moral bei allen Unzulänglichkeiten ein Kompliment verdient hatte, überhaupt so lange auf einen Punkt hoffen", analysiert der Kicker.

Die größte der Unzulänglichkeiten dieses rabenschwarzen Tages liefert dann der für Rosenthal eingewechselte Constant Djakpa. In der 58. Minute erhält er 25 Meter vor dem eigenen Tor auf dem linken Flügel den Ball und will das Spiel mit einem Querpass auf die rechte Seite verlagern. Doch der Ball „rutscht ihm über den Schlappen“, wie die Fußballer sagen, und schlägt als Rohrkrepierer im eigenen Tor ein. Eigentor Nummer zwei, 3:1 für die Borussia! Am nächsten Tag witzelt Leverkusens Trainer Jupp Heynckes im DSF-Doppelpass: „Ich denke, der hatte den Schuhspanner noch nicht raus genommen.“ Wer den Schaden hat…

Auch die Mönchengladbacher haben kein Mitleid mit dem sich selbst schlagenden Gegner und setzen noch einen drauf: Michael Bradley trifft per Freistoß zum 4:1 (68.). Wer von Entscheidung spricht, wird aber schnell eines Besseren belehrt, schon im Gegenzug verkürzt Ya Konan auf 2:4. Erst als der Doppelschütze nach 84 Minuten vom Platz fliegt und sich der Pechkübel für 96 weiter füllt, wähnt sich Borussia in trügerischer Sicherheit. Doch selbst in Unterzahl gibt Hannover nicht auf, und als Christian Schulz in der 87. Minute auf 3:4 verkürzt, wird es noch mal spannend.



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"Es geschah am 16. Spieltag": In der DFB.de-Serie am Donnerstag blickt der Historiker und Autor Udo Muras zurück auf ein besonderes Ereignis am jeweiligen Spieltag einer früheren Saison. Heute: Hannovers Eigentorrekord.

Datum: Samstag, 12. Dezember 2009
Ort: Borussen-Park Mönchengladbach
Partie: Mönchengladbach – Hannover 5:3

Im Herbst 2009 leiden nicht nur Fußball-Fans mit Hannover 96. Der schreckliche Freitod von Nationaltorhüter Robert Enke im November hat das Land erschüttert und tief bewegt. Er löst eine Debatte über den offenen Umgang mit Depressionen aus und generell über Druck im Leistungssport. Enkes Mitspielern fällt die Rückkehr zur Normalität besonders schwer, keines der folgenden vier Spiele haben die Niedersachsen gewinnen können.

Vor dem Gastspiel bei Borussia Mönchengladbach rückt die Abstiegszone allmählich immer näher. Dennoch ist es gemäß Tabelle ein eher unspektakuläres Mittelfeldduell: Elfter gegen Zwölfter. Und doch wird diese Partie einen Tag vor dem dritten Advent 2009 in die Geschichtsbücher der Bundesliga eingehen – wegen des ungeheuren Pechs jener Mannschaft, die doch schon genug gestraft scheint. Sie holt sich an diesem Tag den Eigentorrekord - eine "Bestmarke", die keiner will.

Es beginnt in der 14. Minute: Hannovers neue Nummer eins, Torwart Florian Fromlowitz, will den Ball vor dem schnellen Gladbacher Marco Reus klären und schießt den mitgelaufenen Kollegen Karim Haggui an. Vom Bein des Tunesiers trudelt der Ball ins verlassene Tor – aus 17 Metern gehen auch Kullerbälle rein, wenn kein Torwart mehr da ist, 1:0. Borussia ist euphorisiert, 96 geschockt. Schon fünf Minuten später köpft Rob Friend das 2:0. Kurz danach scheidet 96-Spieler Jan Rosenthal verletzt aus, es scheint wahrlich ein Pechtag zu werden.

Aber die Gäste fighten zurück, Didier Ya Konan kann noch vor der Pause verkürzen, 1:2. Das Ergebnis schmeichelt 96 dennoch, denn Gladbach lässt viele Chancen aus. "Nur deshalb konnten die Gäste, deren Moral bei allen Unzulänglichkeiten ein Kompliment verdient hatte, überhaupt so lange auf einen Punkt hoffen", analysiert der Kicker.

Die größte der Unzulänglichkeiten dieses rabenschwarzen Tages liefert dann der für Rosenthal eingewechselte Constant Djakpa. In der 58. Minute erhält er 25 Meter vor dem eigenen Tor auf dem linken Flügel den Ball und will das Spiel mit einem Querpass auf die rechte Seite verlagern. Doch der Ball „rutscht ihm über den Schlappen“, wie die Fußballer sagen, und schlägt als Rohrkrepierer im eigenen Tor ein. Eigentor Nummer zwei, 3:1 für die Borussia! Am nächsten Tag witzelt Leverkusens Trainer Jupp Heynckes im DSF-Doppelpass: „Ich denke, der hatte den Schuhspanner noch nicht raus genommen.“ Wer den Schaden hat…

Auch die Mönchengladbacher haben kein Mitleid mit dem sich selbst schlagenden Gegner und setzen noch einen drauf: Michael Bradley trifft per Freistoß zum 4:1 (68.). Wer von Entscheidung spricht, wird aber schnell eines Besseren belehrt, schon im Gegenzug verkürzt Ya Konan auf 2:4. Erst als der Doppelschütze nach 84 Minuten vom Platz fliegt und sich der Pechkübel für 96 weiter füllt, wähnt sich Borussia in trügerischer Sicherheit. Doch selbst in Unterzahl gibt Hannover nicht auf, und als Christian Schulz in der 87. Minute auf 3:4 verkürzt, wird es noch mal spannend.

Erst in der dritten Minute der Nachspielzeit herrscht Klarheit. Haggui will klären und spitzelt einen Steilpass auf Reus mit langem Bein aus 22 Metern auf Fromlowitz zurück. Denkt er jedenfalls. Doch sein Torwart ist ihm schon ein Stück entgegengeeilt und nicht mehr da, wo ihn Haggui vermutet. Kurzum: wieder ein Eigentor, 5:3 für Gladbach, Abpfiff!

Das Spiel setzt neue Maßstäbe: Erst einmal, gleich im ersten Bundesliga-Jahr 1963, hat es bei 1. FC Kaiserslautern gegen VfB Stuttgart drei Eigentore in einem Spiel gegeben – aber noch nie von einer Mannschaft. Und noch nie gab es drei Eigentore von außerhalb des Strafraums. Insgesamt fallen an diesem Spieltag, vor allem dank 96, vier Eigentore – nur einmal gab es mehr, fünf am zehnten Spieltag 1963/1964.

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Zwei Eigentore eines Spielers sind immerhin eine Rekordeinstellung: Hagguis Schicksal teilten schon fünf Kollegen seit 1963. Als Haggui in diesen exklusiven Klub eintritt, muss er „lachen, weil es so unfassbar war. Aber ich bin sehr unglücklich, das tut weh.“ Kollege Hanno Balitsch findet: „Das ist sicherlich sachlich nicht zu erklären. Es war Slapstick pur teilweise.“ Die Bild-Zeitung verleiht den armen Hannoveranern mittels einer Fotomontage die „Eigentor-Kanone“. Und wieder muss der Geschädigte nicht für den Spott sorgen.

Manchem neutralen Beobachter vergeht aber das Lachen, hat doch gerade erst die Bochumer Staatsanwaltschaft den Fokus auf 32 Spiele in unteren Klassen gelegt, die angeblich manipuliert worden sein sollen. Da hat ein Spiel mit drei Eigentoren einer Mannschaft gerade noch gefehlt, und in Internet-Foren finden sich entsprechende Kommentare. Doch wer sich die Tore ansieht, ahnt sofort, dass Absicht das letzte ist, was ihnen zu Grunde gelegen haben kann. Der Kicker schreibt am folgenden Montag über Djakpas Eigentor: „Sicher ist nur eins: Man könnte ihm hundertmal den Ball so exakt servieren, er würde diesen ‚Kunstschuss’ nie mehr hinkriegen.“ Karim Haggui gebührt das Schlusswort, das noch immer Gültigkeit hat: „Ich bin sicher, so was wird sich nicht wiederholen.“

Was sonst noch am 16. Spieltag geschah

1966/1967: Meister 1860 München entlässt trotz eines 2:1 gegen Werder Bremen Trainer Max Merkel.

1967/1968: Fünf Tore von Franz Brungs beim 7:3 gegen Bayern machen Nürnberg zum Herbstmeister. Stuttgart gegen Neunkirchen wird wegen Nebels abgebrochen.

1971/1972: Bayern München gegen Borussia Dortmund 11:1, der höchste Bayern-Sieg in der Bundesligageschichte.

1985/1986: Schalke gegen BVB 6:1 nach 0:0 zur Pause. Schweres Foul von Bayerns Klaus Augenthaler gegen Bremens Rudi Völler beim Spitzenspiel, das 3:1 für Bayern endet.

1987/1988: Jürgen Klinsmann trifft beim 3:0 des VfB Stuttgart gegen die Bayern per Fallrückzieher – das "Tor des Jahres" 1987.

1988/1989: Jürgen Wegmann vom FC Bayern erzielt per Seitfallzieher das "Tor des Jahres" 1988 beim 1:0 gegen Nürnberg.

1992/1993: Bochums Uwe Wegmann trifft nach 16 Sekunden gegen Bayern – damals das fünftschnellste Tor der Bundesligahistorie.

2007/2008: Zuschauer-Saisonrekord mit 441.906 mFans in den Stadien – Novum für einen Winter-Spieltag.

2008/2009: Hannovers Feldspieler Jan Rosenthal hält in Wolfsburg einen Elfmeter von Edin Dzeko. Schnellstes Torwart-Rot: Bochums Daniel Fernandes fliegt in Frankfurt nach fünf Minuten vom Platz.