Erkenbrecher und Neumünster: "Eine unglaubliche Geschichte"

Uwe Erkenbrecher, seit Mitte März Trainer beim Nord-Regionalligisten VfR Neumünster, bringt für den Kampf um den Klassenverbleib jede Menge Erfahrung mit. Die abstiegsbedrohten "Veilchen" sind bereits die 24. (!) Trainerstation des 59-Jährigen, der schon in acht der 16 Bundesländer sowie als "Weltenbummler" im Iran, in Indonesien und in Estland tätig war.

Allein dreimal arbeitete "Erke", der mit seiner Familie im niedersächsischen Calberlah im Dreieck Wolfsburg/Gifhorn/Braunschweig heimisch geworden ist, für den VfL Wolfsburg, war dort unter anderem Cheftrainer, Nachwuchskoordinator, U 23-, Co- und Interimstrainer.

Am Sonntag (ab 15 Uhr) gibt es für Uwe Erkenbrecher im Heimspiel gegen die VfL-Reserve ein Wiedersehen mit seinem früheren Verein. Während sich die "Wölfe" auf Titelkurs befinden, muss der VfR nach nur einem Punkt aus den ersten sieben Partien unter der Regie seines neuen Trainers mehr denn je um den Klassenverbleib bangen.

Im aktuellen DFB.de-Interview mit dem Journalisten Ralf Debat spricht Erkenbrecher über die "Herkulesaufgabe" gegen den souveränen Spitzenreiter, die Strukturen beim VfR Neumünster, seine schönsten Stationen und die Entwicklung beim VfL Wolfsburg.

DFB.de: Hand auf's Herz, Herr Erkenbrecher: Hatten Sie sich die Aufgabe in Neumünster so schwer vorgestellt?

Uwe Erkenbrecher: Um ganz ehrlich zu sein: Nein. Als ich die Mannschaft vor meinem Amtsantritt im Spiel beim Tabellendritten Goslarer SC unter die Lupe genommen hatte, verkaufte sie sich dort trotz des 0:2 sehr ordentlich. Das Problem war allerdings schon damals die mangelnde Durchschlagskraft in der Offensive - und daran hat sich bisher leider auch nichts geändert. Dass wir in den sieben Partien unter meiner Regie lediglich zwei Treffer erzielt haben, sagt schon einiges aus. Beispielsweise ist es uns noch kein einziges Mal gelungen, in Führung zu gehen. Hinzu kommen große Verletzungsprobleme, die wir mit unserem kleinen Kader nicht auffangen können.

DFB.de: Neumünster ist bereits Ihre 24. Trainerstation. Haben Sie den Wechsel zum VfR schon einmal bereut?

Erkenbrecher: Das gibt es bei mir nicht. Schließlich hatte ich im Vorfeld der Verpflichtung sehr lange und intensive Gespräche mit dem Vereinsvorsitzenden Detlev Klusemann geführt und wusste daher, was auf mich zukommt. Allen Verantwortlichen war klar, dass es nach dem überraschenden sechsten Tabellenplatz aus dem Vorjahr und der Teilnahme am DFB-Pokal diesmal deutlich schwieriger würde, den Klassenverbleib zu sichern. Mit den zahlreichen Profiklubs in unserer Liga kann der VfR mit seinen Strukturen aktuell nicht mithalten. Aber der Verein befindet sich im Umbruch und ist sehr bemüht, die Voraussetzungen für die Zukunft nachhaltig zu verbessern.



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Uwe Erkenbrecher, seit Mitte März Trainer beim Nord-Regionalligisten VfR Neumünster, bringt für den Kampf um den Klassenverbleib jede Menge Erfahrung mit. Die abstiegsbedrohten "Veilchen" sind bereits die 24. (!) Trainerstation des 59-Jährigen, der schon in acht der 16 Bundesländer sowie als "Weltenbummler" im Iran, in Indonesien und in Estland tätig war.

Allein dreimal arbeitete "Erke", der mit seiner Familie im niedersächsischen Calberlah im Dreieck Wolfsburg/Gifhorn/Braunschweig heimisch geworden ist, für den VfL Wolfsburg, war dort unter anderem Cheftrainer, Nachwuchskoordinator, U 23-, Co- und Interimstrainer.

Am Sonntag (ab 15 Uhr) gibt es für Uwe Erkenbrecher im Heimspiel gegen die VfL-Reserve ein Wiedersehen mit seinem früheren Verein. Während sich die "Wölfe" auf Titelkurs befinden, muss der VfR nach nur einem Punkt aus den ersten sieben Partien unter der Regie seines neuen Trainers mehr denn je um den Klassenverbleib bangen.

Im aktuellen DFB.de-Interview mit dem Journalisten Ralf Debat spricht Erkenbrecher über die "Herkulesaufgabe" gegen den souveränen Spitzenreiter, die Strukturen beim VfR Neumünster, seine schönsten Stationen und die Entwicklung beim VfL Wolfsburg.

DFB.de: Hand auf's Herz, Herr Erkenbrecher: Hatten Sie sich die Aufgabe in Neumünster so schwer vorgestellt?

Uwe Erkenbrecher: Um ganz ehrlich zu sein: Nein. Als ich die Mannschaft vor meinem Amtsantritt im Spiel beim Tabellendritten Goslarer SC unter die Lupe genommen hatte, verkaufte sie sich dort trotz des 0:2 sehr ordentlich. Das Problem war allerdings schon damals die mangelnde Durchschlagskraft in der Offensive - und daran hat sich bisher leider auch nichts geändert. Dass wir in den sieben Partien unter meiner Regie lediglich zwei Treffer erzielt haben, sagt schon einiges aus. Beispielsweise ist es uns noch kein einziges Mal gelungen, in Führung zu gehen. Hinzu kommen große Verletzungsprobleme, die wir mit unserem kleinen Kader nicht auffangen können.

DFB.de: Neumünster ist bereits Ihre 24. Trainerstation. Haben Sie den Wechsel zum VfR schon einmal bereut?

Erkenbrecher: Das gibt es bei mir nicht. Schließlich hatte ich im Vorfeld der Verpflichtung sehr lange und intensive Gespräche mit dem Vereinsvorsitzenden Detlev Klusemann geführt und wusste daher, was auf mich zukommt. Allen Verantwortlichen war klar, dass es nach dem überraschenden sechsten Tabellenplatz aus dem Vorjahr und der Teilnahme am DFB-Pokal diesmal deutlich schwieriger würde, den Klassenverbleib zu sichern. Mit den zahlreichen Profiklubs in unserer Liga kann der VfR mit seinen Strukturen aktuell nicht mithalten. Aber der Verein befindet sich im Umbruch und ist sehr bemüht, die Voraussetzungen für die Zukunft nachhaltig zu verbessern.

DFB.de: Noch sprechen wir also in Neumünster von Amateurfußball?

Erkenbrecher: Absolut, wenn auch zumindest semi-professionell verkauft. Training ist immer abends um 18.30 Uhr. Fast alle Spieler gehen einem Beruf nach, etwa als Immobilien-, Einzelhandels- oder Speditionskaufmann, befinden sich gerade in der Ausbildung oder absolvieren ein Studium. Da liegt der Fokus nicht allein auf dem Fußball. Aber wie gesagt: Der Verein will auch auf dieser Ebene vorankommen und den nächsten Schritt machen. Ich möchte sehr gerne dabei helfen, auch mit konzeptionellen Ideen im Bereich der Sportlichen Leitung. Erst einmal müssen wir dafür aber den Verbleib in der Regionalliga sichern. Das steht jetzt klar im Vordergrund.

DFB.de: Trotz der Negativserie von insgesamt elf Spieltagen ohne Sieg stehen die Chancen auf den Klassenverbleib gar nicht einmal schlecht. Da der SV Wilhelmshaven als Zwangsabsteiger feststeht, beträgt das Polster vor dem nächsten Konkurrenten SC Victoria Hamburg vier Spieltage vor dem Saisonende immerhin noch vier Punkte. Wie bewerten Sie die Ausgangsposition?

Erkenbrecher: Die Chancen sind ordentlich, das stimmt. Allerdings nur, weil auch die Victoria und der SV Eichede in den vergangenen Monaten kaum gepunktet haben. Darauf können und wollen wir uns aber nicht verlassen. Um es ganz klar zu sagen: Unsere Situation, 2014 noch kein einziges Spiel gewonnen zu haben, ist mehr als unbefriedigend und bitter. Wir müssen das möglichst schnell ändern, um auf die sichere Seite zu kommen.

DFB.de: Jetzt kommt am Sonntag ausgerechnet der Spitzenreiter VfL Wolfsburg II nach Neumünster. Sie selbst waren während Ihrer Trainerkarriere gleich dreimal bei den "Wölfen" tätig, unter anderem zu Beginn der 90er Jahre als Cheftrainer in der damals noch drittklassigen Oberliga und anschließend in der 2. Bundesliga. War die heutige Entwicklung des Vereins damals schon absehbar?

Erkenbrecher: Nein, das konnte sich wohl niemand vorstellen. Der Fußball war nur eine von zahlreichen Abteilungen des Vereins, teilweise standen Gewichtheben, Judo oder Leichtathletik mehr im Blickpunkt. VW war zwar schon damals Arbeitgeber vieler Spieler, das Engagement war jedoch bei weitem nicht mit der heutigen Zeit vergleichbar. Entscheidend für den Verein war aus meiner Sicht, dass Peter Pander und Manfred Aschenbrenner 1991 die Gründung des Schwerpunkts Leistungsfußball vorangetrieben haben. Danach ging es nahezu kontinuierlich aufwärts. Trotzdem ist es eine fast unglaubliche Geschichte, was sich beim VfL seitdem auf allen Ebenen entwickelt hat. Das gilt für die Profis, den Frauenfußball und auch für den Nachwuchsbereich, der heute nahezu führend in Deutschland ist.

DFB.de: Sie waren selbst auch viele Jahre U 23-Trainer bei den "Wölfen". Aktuell führt die VfL-Reserve mit vier Punkten Vorsprung die Tabelle an. Trauen Sie der Mannschaft die Meisterschaft und den Aufstieg in die 3. Liga zu?

Erkenbrecher: Auf jeden Fall. Zwar war auch der VfL in dieser Saison nicht ganz frei von Schwächen, wird sich die Meisterschaft aber jetzt nicht mehr nehmen lassen und hat dann ganz bestimmt auch gute Chancen, sich gegen den Relegationsgegner aus dem Südwesten durchzusetzen. Valerien Ismael ist ein junger, ehrgeiziger Trainer, der in Wolfsburg außerdem nahezu optimale Möglichkeiten vorfindet. Für die Nachwuchsförderung wäre der Sprung in die 3. Liga noch mal ein weiterer Pluspunkt.

DFB.de: Der VfL hat in 30 Saisonspielen 77 Tore erzielt, Ihre Mannschaft gerade einmal 28. Das Hinspiel in Wolfsburg ging allerdings 3:0 an den VfR Neumünster. Ist eine solche Sensation zu wiederholen?

Erkenbrecher: Unser Ziel wird es zunächst einmal sein, uns möglichst gut zu verkaufen und das Publikum mit einem engagierten Auftritt für uns zu gewinnen. Gegen den Spitzenreiter kann es für uns nur um Bonuspunkte gehen. Um etwas ganz Großes zu schaffen, müsste schon alles zusammenpassen und optimal für uns laufen. Schließlich werden uns die Wolfsburger allein schon wegen des Ergebnisses aus dem Hinspiel diesmal nicht auf die leichte Schulter nehmen und alles dafür tun, um einen erneuten Ausrutscher zu vermeiden.

DFB.de: Sie sind als Trainer bereits weit herumgekommen, haben in Deutschland auch Traditionsvereine wie Rot-Weiss Essen und Carl Zeiss Jena, weitere aufstrebende Klubs wie die SpVgg Greuther Fürth und den SC Paderborn 07 oder auch verschiedene Nachwuchsmannschaften wie beim 1. FC Köln betreut. Wo war es denn am schönsten?

Erkenbrecher: Da möchte ich mich nicht festlegen. Alle Stationen hatten jeweils auf eine eigene Art und Weise ihren Reiz. Ich habe verschiedene Mentalitäten kennen und schätzen gelernt. Ob es nun in Fürth, Hamburg, Essen, Köln oder Berlin war. Der Aufstieg mit Wolfsburg in die 2. Bundesliga gehörte sicher ebenso zu den Höhepunkten wie mein erstes Engagement beim VfB Lübeck, als die Familie hautnah mit dabei war. Auch in Paderborn, wo beispielsweise die heutigen Trainer Roger Schmidt und Pavel Dotchev meine Kapitäne waren, hatte ich ein überragendes Jahr. Den Verein damals im Winter zu verlassen, um gemeinsam mit Roland Koch in den Iran zu gehen, war vielleicht der einzige größere Fehler, den ich mir persönlich ankreiden muss.

DFB.de: Was haben Sie von Ihren Engagements im Ausland mitgenommen?

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Erkenbrecher: Die Zeit im Iran war nur kurz und ist auch schon lange her. Wesentlich intensiver war es in Indonesien. In diesem riesigen Land waren wir nahezu ständig mit dem Flugzeug unterwegs. Es gab hohe Ambitionen und auch eine große Euphorie. Zu einem WM-Qualifikationsspiel kamen mal 95.000 Menschen. Das Problem waren zwei konkurrierende Ligen, die zusammengeführt werden sollten. Da wurde der Spielbetrieb plötzlich für ein Jahr eingestellt. Es war aber etwas ganz Besonderes, diese neue Kultur kennen zu lernen und die wunderbare Natur zu erleben.

DFB.de: Bis zum Ende des vergangenen Jahres waren Sie dann beim estnischen Erstligisten JK Tammeka Tartu tätig. Warum sind Sie nach Deutschland zurückgekehrt?

Erkenbrecher: Wir hatten den Klassenverbleib geschafft und ich wäre sehr gerne dort geblieben. Die Planungen liefen bereits. Dann aber hat der Verein aus wirtschaftlichen Gründen keine Lizenz mehr erhalten. Das ist mir leider nicht zum ersten Mal passiert.

DFB.de: Mit Ihrer Ehefrau Petra wohnen Sie in Calberlah, übrigens rund 240 Kilometer von Neumünster entfernt. Ihre beiden Sönne Yannick und Steffen waren früher in Wolfsburg, Lübeck und Braunschweig hoffnungsvolle Nachwuchsfußballer. Was ist aus Ihnen geworden?

Erkenbrecher: Yannick arbeitet schon seit einigen Jahren als Sportjournalist und Reporter für den TV-Sender Sky, lebt seitdem in München. Auch Steffen musste seine aktive Laufbahn nach einer Knie-OP beenden. Er ist jetzt bei uns in Calberlah Co-Trainer in der Landesliga und schließt gerade sein Studium zum Wirtschafts-Ingenieur ab.

DFB.de: Sie werden in diesem Jahr runde 60. Denken Sie noch nicht ans Aufhören?

Erkenbrecher: Keineswegs. Ich würde gerne noch einmal höherklassig arbeiten und traue mir das auch auf jeden Fall zu. Man muss halt nur die entsprechende Chance bekommen. So könnte ich mir etwa sehr gut vorstellen, in enger Zusammenarbeit mit einem jungen, aufstrebenden Trainer meine Erfahrungen einzubringen. Vielleicht ist das ja aber auch ein Weg, den der VfR Neumünster in etwas fernerer Zukunft einschlagen könnte.