EM-Qualifikation: Luft nach oben für den Weltmeister

Vier Sterne und vier Spiele seit einem Sommer voller magischer Momente: Dem Zauber von Rio folgten bodenständige Resultate, dem Weltmeister fehlte die Effizienz, der Start in die EM-Qualifikation lässt Raum nach oben. Zwei Spiele stehen im Jahr 2014 noch an, die Nationalmannschaft hat es in der Hand, einem wunderbaren Jahr ein würdiges Ende zu bereiten. Zum Abschluss gibt es einen großartigen Kinofilm – und das Treffen des neuen Weltmeisters mit dem alten.

Das Beste zum Schluss – so war es in den vergangenen Jahren immer. Die Nationalmannschaft spielte zum Jahresausklang gegen namhafte Gegner, 2012 gegen die Niederlande, 2013 gegen England. Das Beste zum Schluss könnte auch als Präambel über dem finalen Spiel des Jahres 2014 stehen, und in vielen Jahren der DFB-Historie wäre diese Paarung fraglos der Höhepunkt gewesen: Am 18. November spielt die deutsche Auswahl in Vigo gegen Spanien, für Deutschland geht es gegen das Team, das den Weltfußball in der vergangenen Dekade dominiert hat. "Wir freuen uns sehr auf dieses Spiel", sagt Bundestrainer Joachim Löw. "Wir wollen ein fantastisches Jahr mit einem Sieg beschließen."

Der Bundestrainer wählte das Verb mit Bedacht: beschließen. Denn gekrönt werden kann das Jahr nicht, zum Schluss kann das Beste nicht kommen, das Beste war schon. Deutschland gegen Spanien ist das Duell des aktuellen Weltmeisters gegen seinen Vorgänger, die Rollenverteilung ist für das DFB-Team günstig: Der Gastgeber ist der Vorgänger, Deutschland der Weltmeister. Im Finale von Rio löste das Team um Kapitän Philipp Lahm mit einem Sieg gegen Argentinien Spanien als Könige der Fußballwelt ab. "Seit Brasilien hat diese Konstellation einen noch größeren Reiz", sagt Löw. "Die spanische Mannschaft musste in diesem Jahr mit großen Enttäuschungen umgehen, sie wird alles tun, um mit einem positiven Bild aus dem Jahr zu gehen. Das Spiel gegen den Weltmeister ist für unsere Vorgänger eine große Chance."

Spanien-Spiel bietet Möglichkeit zur Korrektur

Das gilt auch für die deutsche Mannschaft, wobei das Wort "groß" den Vergleich verzerrt. Aber immerhin: Gegen Spanien hat der Weltmeister die Möglichkeit, das Bild zu korrigieren, das seit den EM-Qualifikationsspielen gegen Polen am 11. Oktober und Irland am 14. Oktober teilweise gezeichnet wird. Und es stimmt schon: Der Sommer war golden, der Herbst eher nicht. Einiges ging schief in Warschau und Gelsenkirchen, sogar die Rückreise lief nicht rund. Mit der Bahn wollte Joachim Löw am Tag nach dem 1:1 gegen Irland die Heimreise antreten, eine gemütliche Zugfahrt von Essen nach Freiburg, so der Plan. Der Plan ging nicht auf, die Lokführer streikten, Löw stand am Bahnhof – und unvermittelt ohne Zug da. Ähnlich war es zuvor bei den Spielen gegen Polen und Irland gewesen. Sechs Punkte waren eingeplant, der Plan ging nicht auf, unvermittelt stand der Bundestrainer nach zwei Spielen ohne Sieg da. Und war bedient. "Wir sind natürlich alle sehr enttäuscht", sagte er. "Wir hatten uns aus den beiden Spielen in Polen und gegen Irland eine andere Punkteausbeute vorgestellt."

Die postweltmeisterschaftliche Bilanz des Weltmeisters ist insgesamt nicht weltmeisterlich. Die Neuauflage des WM-Finales wurde verloren, in Düsseldorf erzielten die Argentinier am 3. September vier Tore und die Deutschen nur zwei. Vier Spiele hat das DFB-Team seit dem Finale im Maracanã bestritten, erfolgreich war die deutsche Auswahl lediglich beim 2:1 am 7. September in Dortmund zum Auftakt der EM-Qualifikation gegen Schottland. Nach drei Spieltagen der Qualifikation zur Europameisterschaft 2016 in Frankreich belegt das DFB-Team mit vier Punkten lediglich Platz vier der Gruppe D. Und wahr ist: Dieser Bilanz fehlt Brillianz.

Auf Rausch folgt Kater

Steckt der Weltmeister in einer Krise, ist das nach einem Titel womöglich normal? Die Vorgänger der aktuellen Weltmeister haben ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass dem Rausch ein Kater folgen kann. 1954 setzte es bei den fünf Spielen nach dem Wunder von Bern vier Niederlagen und einen Sieg, 1974 war die Bilanz nur unerheblich besser. Gegen Bulgarien und Griechenland reichte es nur zu einem Unentschieden, gegen England unterlagen die frisch gekürten Weltmeister 0:2. Gesiegt wurde auch, geglänzt dabei nicht, 2:1 gegen die Schweiz und 1:0 gegen Malta.

Andere Nationen, das gleiche Bild. 2006 verlor Italien nach dem WM-Triumph im Berliner Olympiastadion mit 0:2 gegen Kroatien und 1:3 gegen Frankreich, gegen Litauen musste sich die Squadra Azzurra mit einem 1:1 begnügen. Auch Spanien bildet keine Ausnahme. Die Iberer gewannen im Jahr 2010 nach dem Jubel von Johannesburg noch drei Spiele, 4:0 gegen Liechtenstein, 3:1 gegen Litauen, 3:2 gegen Schottland. Gegen Argentinien gab es eine Klatsche, 1:4. Noch deutlicher fiel die Niederlage gegen den Nachbarn aus, gegen Portugal unterlag der Weltmeister mit 0:4. Auf jeden Gipfel folgt ein Tal – auch im Fußball scheint dies ganz normal. Und in diese Reihe fügt sich nun auch das Team von Joachim Löw.



Vier Sterne und vier Spiele seit einem Sommer voller magischer Momente: Dem Zauber von Rio folgten bodenständige Resultate, dem Weltmeister fehlte die Effizienz, der Start in die EM-Qualifikation lässt Raum nach oben. Zwei Spiele stehen im Jahr 2014 noch an, die Nationalmannschaft hat es in der Hand, einem wunderbaren Jahr ein würdiges Ende zu bereiten. Zum Abschluss gibt es einen großartigen Kinofilm – und das Treffen des neuen Weltmeisters mit dem alten.

Das Beste zum Schluss – so war es in den vergangenen Jahren immer. Die Nationalmannschaft spielte zum Jahresausklang gegen namhafte Gegner, 2012 gegen die Niederlande, 2013 gegen England. Das Beste zum Schluss könnte auch als Präambel über dem finalen Spiel des Jahres 2014 stehen, und in vielen Jahren der DFB-Historie wäre diese Paarung fraglos der Höhepunkt gewesen: Am 18. November spielt die deutsche Auswahl in Vigo gegen Spanien, für Deutschland geht es gegen das Team, das den Weltfußball in der vergangenen Dekade dominiert hat. "Wir freuen uns sehr auf dieses Spiel", sagt Bundestrainer Joachim Löw. "Wir wollen ein fantastisches Jahr mit einem Sieg beschließen."

Der Bundestrainer wählte das Verb mit Bedacht: beschließen. Denn gekrönt werden kann das Jahr nicht, zum Schluss kann das Beste nicht kommen, das Beste war schon. Deutschland gegen Spanien ist das Duell des aktuellen Weltmeisters gegen seinen Vorgänger, die Rollenverteilung ist für das DFB-Team günstig: Der Gastgeber ist der Vorgänger, Deutschland der Weltmeister. Im Finale von Rio löste das Team um Kapitän Philipp Lahm mit einem Sieg gegen Argentinien Spanien als Könige der Fußballwelt ab. "Seit Brasilien hat diese Konstellation einen noch größeren Reiz", sagt Löw. "Die spanische Mannschaft musste in diesem Jahr mit großen Enttäuschungen umgehen, sie wird alles tun, um mit einem positiven Bild aus dem Jahr zu gehen. Das Spiel gegen den Weltmeister ist für unsere Vorgänger eine große Chance."

Spanien-Spiel bietet Möglichkeit zur Korrektur

Das gilt auch für die deutsche Mannschaft, wobei das Wort "groß" den Vergleich verzerrt. Aber immerhin: Gegen Spanien hat der Weltmeister die Möglichkeit, das Bild zu korrigieren, das seit den EM-Qualifikationsspielen gegen Polen am 11. Oktober und Irland am 14. Oktober teilweise gezeichnet wird. Und es stimmt schon: Der Sommer war golden, der Herbst eher nicht. Einiges ging schief in Warschau und Gelsenkirchen, sogar die Rückreise lief nicht rund. Mit der Bahn wollte Joachim Löw am Tag nach dem 1:1 gegen Irland die Heimreise antreten, eine gemütliche Zugfahrt von Essen nach Freiburg, so der Plan. Der Plan ging nicht auf, die Lokführer streikten, Löw stand am Bahnhof – und unvermittelt ohne Zug da. Ähnlich war es zuvor bei den Spielen gegen Polen und Irland gewesen. Sechs Punkte waren eingeplant, der Plan ging nicht auf, unvermittelt stand der Bundestrainer nach zwei Spielen ohne Sieg da. Und war bedient. "Wir sind natürlich alle sehr enttäuscht", sagte er. "Wir hatten uns aus den beiden Spielen in Polen und gegen Irland eine andere Punkteausbeute vorgestellt."

Die postweltmeisterschaftliche Bilanz des Weltmeisters ist insgesamt nicht weltmeisterlich. Die Neuauflage des WM-Finales wurde verloren, in Düsseldorf erzielten die Argentinier am 3. September vier Tore und die Deutschen nur zwei. Vier Spiele hat das DFB-Team seit dem Finale im Maracanã bestritten, erfolgreich war die deutsche Auswahl lediglich beim 2:1 am 7. September in Dortmund zum Auftakt der EM-Qualifikation gegen Schottland. Nach drei Spieltagen der Qualifikation zur Europameisterschaft 2016 in Frankreich belegt das DFB-Team mit vier Punkten lediglich Platz vier der Gruppe D. Und wahr ist: Dieser Bilanz fehlt Brillianz.

Auf Rausch folgt Kater

Steckt der Weltmeister in einer Krise, ist das nach einem Titel womöglich normal? Die Vorgänger der aktuellen Weltmeister haben ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass dem Rausch ein Kater folgen kann. 1954 setzte es bei den fünf Spielen nach dem Wunder von Bern vier Niederlagen und einen Sieg, 1974 war die Bilanz nur unerheblich besser. Gegen Bulgarien und Griechenland reichte es nur zu einem Unentschieden, gegen England unterlagen die frisch gekürten Weltmeister 0:2. Gesiegt wurde auch, geglänzt dabei nicht, 2:1 gegen die Schweiz und 1:0 gegen Malta.

Andere Nationen, das gleiche Bild. 2006 verlor Italien nach dem WM-Triumph im Berliner Olympiastadion mit 0:2 gegen Kroatien und 1:3 gegen Frankreich, gegen Litauen musste sich die Squadra Azzurra mit einem 1:1 begnügen. Auch Spanien bildet keine Ausnahme. Die Iberer gewannen im Jahr 2010 nach dem Jubel von Johannesburg noch drei Spiele, 4:0 gegen Liechtenstein, 3:1 gegen Litauen, 3:2 gegen Schottland. Gegen Argentinien gab es eine Klatsche, 1:4. Noch deutlicher fiel die Niederlage gegen den Nachbarn aus, gegen Portugal unterlag der Weltmeister mit 0:4. Auf jeden Gipfel folgt ein Tal – auch im Fußball scheint dies ganz normal. Und in diese Reihe fügt sich nun auch das Team von Joachim Löw.

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Seine persönliche Beförderungskrise hat der Bundestrainer am Tag nach dem Spiel gegen Irland ziemlich souverän und ziemlich schnell gelöst. Löw tat das Naheliegende: Er machte auf der Stelle kehrt, setzte sich in ein Auto und rollte auf vier Rädern nach Schönau. Auf der Fahrt hatte er Zeit, noch einmal an 180 Minuten Fußball zu denken. Was war schlecht, was war gut, welche positiven Ansätze hat er gesehen, welche negativen Tendenzen gilt es zu stoppen?

Löw: "Erwartungen umgesetzt"

Ergebnis seiner Überlegungen ist, dass an einigen Stellen nachjustiert werden muss, zur großen Sorge aber kein Anlass besteht. Der Bundestrainer hat in 180 Minuten Fußball nicht 180 gute Aktionen gesehen, aber viele. "In beiden Spielen haben wir uns etliche Chancen erspielt und kaum Chancen zugelassen", sagt Löw. "Meine Mannschaft hat weitgehend umgesetzt, was ich von ihr erwartet habe." Eigentlich hatte sie sogar ein wenig besser gespielt, als Löw dies vermutet hatte. Löw war davon ausgegangen, dass die Spieler nach der WM noch immer ein wenig müde sind, körperlich und mental, dass die Beine schon leichter waren, dass die Mechanismen geölt werden müssen. Davon war nicht viel zu sehen, die Mannschaft hat zwar nicht auf WM-Niveau agiert, auf hohem Niveau sehr wohl. "Was das Spielerische angeht, gibt es keinen Grund zur großen Unzufriedenheit", sagt Löw.

Wenn da nicht diese Kleinigkeiten wären – die Ergebnisse. Und Zahlen lügen nicht. Doch sprechen sie die ganze Wahrheit? Das 0:2 gegen Polen sagt nichts aus über ein Chancenverhältnis von 28:5, das 1:1 gegen Irland nichts über den Zeitpunkt des Ausgleichs. "Wir haben mitunter schlechter gespielt und gewonnen. Jetzt haben wir gut gespielt und verloren", sagte Toni Kroos nach dem Spiel gegen Polen. "Wir wissen, dass wir viel Glück hatten", räumte Irland-Trainer Martin O‘Neill nach dem 1:1 von Gelsenkirchen ein. "Das Spiel hätte auch ganz anders laufen und viel früher entschieden sein können."

Die Ergebnisse sagen auch nichts über die Spieler, die nicht zur Verfügung standen. Die Weltmeister Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker fehlten und werden dies auch künftig tun, hinzu kamen die Verletzten Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira, Mesut Özil und Marco Reus, gegen Irland fielen daneben zudem André Schürrle und Christoph Kramer wegen einer Grippe aus. Auch Löw sagte nichts über die Spieler, die ihm gefehlt haben, vielmehr sprach er über die Spieler wie Manuel Neuer, Thomas Müller, Jérôme Boateng und Toni Kroos und deren auffälliges Bemühen, mehr Verantwortung zu übernehmen. "Sie haben das sehr gut gemacht. Sie waren präsent und haben die Jungen geführt", sagt Löw.

Bellarabi überzeugt

Zur Wahrheit der beiden Spiele gehört auch das erfreuliche Debüt von Karim Bellarabi, der Leverkusener zeigte in beiden Spielen, dass Löw mit ihm eine Option mehr hat – auch nach der Rückkehr der verletzten Spieler. Bellarabi hatte den Bundestrainer im Spiel gegen Polen derart überzeugt, dass dieser einen Tag vor dem Spiel gegen Irland von seiner Linie abwich und öffentlich Teile seiner Startformation verriet. "Bellarabi wird von Beginn an dabei sein", sagte Löw.

Natürlich hat die Sportliche Leitung auch das Spiel gegen die Iren noch einmal besprochen und analysiert. Die Löw‘schen Gedanken auf der Autofahrt vom Ruhrgebiet nach Südbaden waren nur Teil der Vorbereitung dessen, was der Bundestrainer gemeinsam mit seinem neuen Assistenten Thomas Schneider, Torwarttrainer Andreas Köpke und dem ScoutingTeam um Urs Siegenthaler im Nachgang der Oktoberspiele aufgearbeitet hat. Zu lange aufhalten wollte sich Löw mit den Misserfolgen zumindest verbal und öffentlich dennoch nicht, vielmehr gilt es für den Weltmeister, einen Haken zu setzen und den Blick zu heben. "Jetzt müssen wir nach vorne schauen", sagt Löw.

Weltmeister erobern Kinoleinwand

Wenn er dies macht, sieht er für seine Mannschaft im Jahr 2014 noch zwei wichtige Spiele, auch deshalb muss sein Team im November Zukunft und Vergangenheit gleichermaßen im Blick haben. Denn bevor das Leder über den Rasen rollt, rollt es über die Leinwand – noch einmal wird das Team von der schönen Zeit in Brasilien eingeholt. Am 10. November erhalten die Spieler in der deutschen Hauptstadt im Schloss Bellevue aus den Händen von Bundespräsident Joachim Gauck das Silberne Lorbeerblatt. Am Abend wohnt der Weltmeister der Premiere des Kinofilms "Die Mannschaft" bei, der aus den Bildern entstanden ist, die das DFB-TV-Team um Uli Voigt während der Zeit in Brasilien ganz nah an der Mannschaft eingefangen hat. Und aus einigen mehr.

In Erinnerungen schwelgen sollen die Spieler nur während des Films, auf den Lorbeeren ausruhen darf sich das Team nicht – der Weltmeister muss zurück in die Zukunft. Von Berlin aus geht es für Manuel Neuer und seine Kollegen nach Nürnberg, wo am 14. November das EM-Qualifikationsspiel gegen Gibraltar ansteht. David spielt gegen Goliath, die Nummer eins der Welt spielt gegen den jüngsten Mitgliedsverband der UEFA, größer könnte das Gefälle kaum sein. Klar ist: Das DFBTeam hat in diesem Jahr schon erheblich schwierigere Aufgaben gestellt bekommen und gelöst. Darin liegt nur eine Gefahr, wenn der Weltmeister den Gegner nicht ernst nimmt. "Wir werden die Partie seriös und mit voller Konzentration in Angriff nehmen", verspricht Löw.

Dann wird der vorletzte Akt beendet sein, vier Tage später folgt der Schlussakkord, das Spiel in Spanien. Wie gesagt: Das Beste kommt im Jahr 2014 nicht zum Schluss – etwas sehr Gutes hoffentlich schon.