EM-Duelle: Deutschland ungeschlagen gegen Italien

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Zwar ist überall zu hören und zu lesen, dass die deutsche Bilanz gegen Italien so schlecht sei und es noch keinen Sieg bei einem Turnier gegeben habe. Doch wer sich die beiden bisherigen EM-Partien anschaut, kann andersherum sagen: Deutschland ist gegen Italien ungeschlagen und hat sogar einen gefühlten Sieg errungen. Zahlen, die Mut machen fürs EM-Halbfinale heute (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Warschau gegen die Squadra Azzura.

Das erste Duell bei einer EM war auch das Eröffnungsspiel 1988 in Deutschland. DFB-Präsident Hermann Neuberger erhöhte den Druck auf die deutsche Auswahl: "Von diesem Auftakt hängt die Stimmungslage der Öffentlichkeit beim Turnier ganz wesentlich ab." Als Vizeweltmeister und Gastgeber ging Deutschland als Favorit ins Rennen. Im Übrigen war Kaiser-Zeit, Franz Beckenbauer hieß der Teamchef. Und der hatte geunkt: "Wer hier verliert, kann sich gleich per Handschlag verabschieden."

Mit aktuellen und designierten Italien-Legionären

Für Lothar Matthäus und Andreas Brehme war der 10. Juni 1988 ein ganz besonderer Tag, das Duo wechselte anschließend von Bayern München zu Inter Mailand und wollte schon mal seine Visitenkarte bei den künftigen Kollegen und Kontrahenten in der Serie A abgeben. Thomas Berthold und Rudi Völler spielten bereits in Italien.

Letzterer mit mäßigem Erfolg freilich. Beim AS Rom hatte Völler ein schweres erstes Jahr gehabt, und auch in der Heimat stand er in der Kritik. Seit fünf Länderspielen oder 472 Minuten hatte es kein Völler-Tor gegeben, für einen wie ihn beinahe Besorgnis erregend. Beckenbauer setzte trotzdem auf ihn: "Wenn der Rudi spielen will, spielt er."

Und so spielte er auch am Eröffnungstag der EM in Düsseldorf. Mittelfeldrenner Wolfgang Rolff war dagegen mit Darmgrippe ausgefallen, für ihn spielte Olaf Thon. Es war die offensivere Lösung und ein Signal des Kaisers. Er wollte die ersten Punkte im Sturm erobern.

Startfieber und 25 Minuten Powerplay

Doch seine Elf hatte ein gewisses Startfieber ergriffen, Abwehrchef Matthias Herget produzierte schon nach 25 Sekunden einen krassen Fehlpass, Giuseppe Giannini schoss sofort drauf – aber knapp daneben. In der siebten Minute musste Torwart Eike Immel Kopf und Nase riskieren, um vor Gianluca Vialli zu retten. Dieser schoss ihm nämlich den Ball auf die Nase.

68.000 Zuschauer abzüglich der 20.000 Italiener waren einigermaßen froh, als es zur Pause des Klassikers noch 0:0 stand. Außer einem Klinsmann-Kopfball war keine deutsche Chance zu verzeichnen. Was der Kaiser schon vorher gewusst hatte: "Es wird schwer sein, überhaupt zu Chancen zu kommen."

Dass es kein klassisches Eröffnungsspiel wurde, also ohne Tore und Klasse, war in gewisser Weise Matthias Herget zu verdanken. Dem an diesem Tage indisponierten und gnadenlos ausgepfiffenen Libero unterlief in der 54. Minute ein Leichtsinnsfehler, den Roberto Mancini zur Gästeführung nutzte. Beckenbauer grollte: "So ein Tor darf es einfach nicht geben."

Brehme findet die Lücke

Das dachten sich die Italiener drei Minute später auch, als der englische Schiedsrichter Keith Hackett Walter Zenga beim Abschlag einen Schrittfehler attestierte – drei erlaubte die heute längst überholte Regel, Zenga machte vier. So gab es mitten im Strafraum indirekten Freistoß, den Zenga als "kleinliche Entscheidung" missbilligte. Eine mit großer Wirkung: Littbarski tickte an, Brehme schoss flach und fand ein Loch in der Mauer (56.). Bei diesem 1:1 blieb es. Brehme, der Neu-Italiener, war "restlos glücklich".

68.000 im Rheinstadion und 300 Millionen vor den Bildschirmen in 73 Ländern waren zumindest zufrieden. Denn sie sahen ausnahmsweise ein gutes Eröffnungsspiel – mit etwas Schatten. Bezeichnend Beckenbauers Fazit: "Wir haben 25 Minuten lang das Spiel bestimmt, ein richtiges Powerplay aufgezogen. Dann haben wir den Faden verloren, haben ihn wieder gefunden und wieder verloren. So ging es das ganze Spiel." Immerhin erreichten beide das Halbfinale, dann war Endstation.

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Sacchi: "Verdammt, meine Spieler haben Angst"

Am 19. Juni 1996 in Manchester war es anders. Diesmal traf man sich im letzten Vorrundenspiel, und einer musste höchstwahrscheinlich ausscheiden. Deutschland hatte seine ersten Spiele gewonnen, und doch war das Weiterkommen nicht sicher. Erstmals galt bei einer EM der direkte Vergleich, und der hatte es in sich. Bei einer Niederlage gegen Italien und einem hohen Sieg Tschechiens gegen schon ausgeschiedene Russen wären selbst sechs Punkte nicht genug. Italien wiederum brauchte mindestens sechs, also einen Sieg.

Und das große Italien fühlte sich schwach. "Verdammt, meine Spieler haben Angst. Das wird unser großes Problem. Wir wissen dass uns die Deutschen rausschmeißen, wenn sie die Chance dazu bekommen", unkte Trainer Arrigo Sacchi.

Kanzler Kohl auf der Tribüne

So lag knisternde Spannung in der Luft, als der alte Rivale in Old Trafford vor 53.000 zum Tanz mit dem Ball bat. Bundeskanzler Helmut Kohl und Tennis-Idol Boris Becker saßen auf der Ehrentribüne. Endspielstimmung in der Vorrunde, der Klassiker machte es möglich. Es wurde das erwartet schwere Spiel.

Bundestrainer Berti Vogts hatte sein Team auf drei Positionen geändert: Für den gesperrten Markus Babbel spielte Steffen Freund, den verletzten Stefan Reuter ersetzte Thomas Strunz und aus taktischen Gründen erhielt Fredi Bobic den Vorzug vor Oliver Bierhoff. Die keineswegs beabsichtigte Folge: Erstmals waren die Deutschen bei dieser EM nicht überlegen, nach Chancen siegte Italien 7:3. Tore aber fielen keine.

Köpke: "Heute hätte ich Rot gesehen"

Der Spielfilm: Andreas Köpke verhinderte einen frühen Rückstand und hielt nach neun Minuten sogar einen Elfmeter von Gianfranco Zola, den er selbst verursacht hatte: "Heute hätte ich dafür Rot gesehen", sagte der damalige Frankfurter in diesen Tagen erst wieder. Im Kicker erhielt er damals eine glatte 1, denn er hielt nicht nur den Elfmeter, sondern rettete mehrmals in brenzligen Situationen. Gegen Fuser (6., 47.), gegen Donadoni 24.), gegen Carboni (56.). In der 84. Minute bügelte er einen Fehler von Matthias Sammer aus und rettete vor Casiraghi das 0:0.

Da war Deutschland bereits in Unterzahl: Nach dem Platzverweis per Gelb-Roter des Babbel-Vertreters Thomas Strunz (59.), der Donadoni gefoult hatte, verteidigte die DFB-Auswahl in Unterzahl den einen Punkt, den sie letztlich gar nicht brauchte. Für Italien wäre er Gold wert gewesen. Die Squadra Azzura reiste heim, weil die Tschechen gegen Russland 3:3 spielten.

Italien also weinte nach einem Unentschieden, das einer Niederlage gleich kam – auch auf Papier. Die Gazetta dello Sport schrieb: „Italien, perfekter Mord. Zu viele Fehler – wir kehren heim. Auf der Anklagebank sitzt Sacchi. Und Sacchi endet an der Klagemauer.“ Tatsächlich wurde der „Mister“ entlassen. Deutschland dagegen marschierte über Italien zum EM-Triumph von Wembley. Wenn das kein gutes Omen ist.

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Zwar ist überall zu hören und zu lesen, dass die deutsche Bilanz gegen Italien so schlecht sei und es noch keinen Sieg bei einem Turnier gegeben habe. Doch wer sich die beiden bisherigen EM-Partien anschaut, kann andersherum sagen: Deutschland ist gegen Italien ungeschlagen und hat sogar einen gefühlten Sieg errungen. Zahlen, die Mut machen fürs EM-Halbfinale heute (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Warschau gegen die Squadra Azzura.

Das erste Duell bei einer EM war auch das Eröffnungsspiel 1988 in Deutschland. DFB-Präsident Hermann Neuberger erhöhte den Druck auf die deutsche Auswahl: "Von diesem Auftakt hängt die Stimmungslage der Öffentlichkeit beim Turnier ganz wesentlich ab." Als Vizeweltmeister und Gastgeber ging Deutschland als Favorit ins Rennen. Im Übrigen war Kaiser-Zeit, Franz Beckenbauer hieß der Teamchef. Und der hatte geunkt: "Wer hier verliert, kann sich gleich per Handschlag verabschieden."

Mit aktuellen und designierten Italien-Legionären

Für Lothar Matthäus und Andreas Brehme war der 10. Juni 1988 ein ganz besonderer Tag, das Duo wechselte anschließend von Bayern München zu Inter Mailand und wollte schon mal seine Visitenkarte bei den künftigen Kollegen und Kontrahenten in der Serie A abgeben. Thomas Berthold und Rudi Völler spielten bereits in Italien.

Letzterer mit mäßigem Erfolg freilich. Beim AS Rom hatte Völler ein schweres erstes Jahr gehabt, und auch in der Heimat stand er in der Kritik. Seit fünf Länderspielen oder 472 Minuten hatte es kein Völler-Tor gegeben, für einen wie ihn beinahe Besorgnis erregend. Beckenbauer setzte trotzdem auf ihn: "Wenn der Rudi spielen will, spielt er."

Und so spielte er auch am Eröffnungstag der EM in Düsseldorf. Mittelfeldrenner Wolfgang Rolff war dagegen mit Darmgrippe ausgefallen, für ihn spielte Olaf Thon. Es war die offensivere Lösung und ein Signal des Kaisers. Er wollte die ersten Punkte im Sturm erobern.

Startfieber und 25 Minuten Powerplay

Doch seine Elf hatte ein gewisses Startfieber ergriffen, Abwehrchef Matthias Herget produzierte schon nach 25 Sekunden einen krassen Fehlpass, Giuseppe Giannini schoss sofort drauf – aber knapp daneben. In der siebten Minute musste Torwart Eike Immel Kopf und Nase riskieren, um vor Gianluca Vialli zu retten. Dieser schoss ihm nämlich den Ball auf die Nase.

68.000 Zuschauer abzüglich der 20.000 Italiener waren einigermaßen froh, als es zur Pause des Klassikers noch 0:0 stand. Außer einem Klinsmann-Kopfball war keine deutsche Chance zu verzeichnen. Was der Kaiser schon vorher gewusst hatte: "Es wird schwer sein, überhaupt zu Chancen zu kommen."

Dass es kein klassisches Eröffnungsspiel wurde, also ohne Tore und Klasse, war in gewisser Weise Matthias Herget zu verdanken. Dem an diesem Tage indisponierten und gnadenlos ausgepfiffenen Libero unterlief in der 54. Minute ein Leichtsinnsfehler, den Roberto Mancini zur Gästeführung nutzte. Beckenbauer grollte: "So ein Tor darf es einfach nicht geben."

Brehme findet die Lücke

Das dachten sich die Italiener drei Minute später auch, als der englische Schiedsrichter Keith Hackett Walter Zenga beim Abschlag einen Schrittfehler attestierte – drei erlaubte die heute längst überholte Regel, Zenga machte vier. So gab es mitten im Strafraum indirekten Freistoß, den Zenga als "kleinliche Entscheidung" missbilligte. Eine mit großer Wirkung: Littbarski tickte an, Brehme schoss flach und fand ein Loch in der Mauer (56.). Bei diesem 1:1 blieb es. Brehme, der Neu-Italiener, war "restlos glücklich".

68.000 im Rheinstadion und 300 Millionen vor den Bildschirmen in 73 Ländern waren zumindest zufrieden. Denn sie sahen ausnahmsweise ein gutes Eröffnungsspiel – mit etwas Schatten. Bezeichnend Beckenbauers Fazit: "Wir haben 25 Minuten lang das Spiel bestimmt, ein richtiges Powerplay aufgezogen. Dann haben wir den Faden verloren, haben ihn wieder gefunden und wieder verloren. So ging es das ganze Spiel." Immerhin erreichten beide das Halbfinale, dann war Endstation.

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Sacchi: "Verdammt, meine Spieler haben Angst"

Am 19. Juni 1996 in Manchester war es anders. Diesmal traf man sich im letzten Vorrundenspiel, und einer musste höchstwahrscheinlich ausscheiden. Deutschland hatte seine ersten Spiele gewonnen, und doch war das Weiterkommen nicht sicher. Erstmals galt bei einer EM der direkte Vergleich, und der hatte es in sich. Bei einer Niederlage gegen Italien und einem hohen Sieg Tschechiens gegen schon ausgeschiedene Russen wären selbst sechs Punkte nicht genug. Italien wiederum brauchte mindestens sechs, also einen Sieg.

Und das große Italien fühlte sich schwach. "Verdammt, meine Spieler haben Angst. Das wird unser großes Problem. Wir wissen dass uns die Deutschen rausschmeißen, wenn sie die Chance dazu bekommen", unkte Trainer Arrigo Sacchi.

Kanzler Kohl auf der Tribüne

So lag knisternde Spannung in der Luft, als der alte Rivale in Old Trafford vor 53.000 zum Tanz mit dem Ball bat. Bundeskanzler Helmut Kohl und Tennis-Idol Boris Becker saßen auf der Ehrentribüne. Endspielstimmung in der Vorrunde, der Klassiker machte es möglich. Es wurde das erwartet schwere Spiel.

Bundestrainer Berti Vogts hatte sein Team auf drei Positionen geändert: Für den gesperrten Markus Babbel spielte Steffen Freund, den verletzten Stefan Reuter ersetzte Thomas Strunz und aus taktischen Gründen erhielt Fredi Bobic den Vorzug vor Oliver Bierhoff. Die keineswegs beabsichtigte Folge: Erstmals waren die Deutschen bei dieser EM nicht überlegen, nach Chancen siegte Italien 7:3. Tore aber fielen keine.

Köpke: "Heute hätte ich Rot gesehen"

Der Spielfilm: Andreas Köpke verhinderte einen frühen Rückstand und hielt nach neun Minuten sogar einen Elfmeter von Gianfranco Zola, den er selbst verursacht hatte: "Heute hätte ich dafür Rot gesehen", sagte der damalige Frankfurter in diesen Tagen erst wieder. Im Kicker erhielt er damals eine glatte 1, denn er hielt nicht nur den Elfmeter, sondern rettete mehrmals in brenzligen Situationen. Gegen Fuser (6., 47.), gegen Donadoni 24.), gegen Carboni (56.). In der 84. Minute bügelte er einen Fehler von Matthias Sammer aus und rettete vor Casiraghi das 0:0.

Da war Deutschland bereits in Unterzahl: Nach dem Platzverweis per Gelb-Roter des Babbel-Vertreters Thomas Strunz (59.), der Donadoni gefoult hatte, verteidigte die DFB-Auswahl in Unterzahl den einen Punkt, den sie letztlich gar nicht brauchte. Für Italien wäre er Gold wert gewesen. Die Squadra Azzura reiste heim, weil die Tschechen gegen Russland 3:3 spielten.

Italien also weinte nach einem Unentschieden, das einer Niederlage gleich kam – auch auf Papier. Die Gazetta dello Sport schrieb: „Italien, perfekter Mord. Zu viele Fehler – wir kehren heim. Auf der Anklagebank sitzt Sacchi. Und Sacchi endet an der Klagemauer.“ Tatsächlich wurde der „Mister“ entlassen. Deutschland dagegen marschierte über Italien zum EM-Triumph von Wembley. Wenn das kein gutes Omen ist.