Professor Jan Ekstrand hat eine Liste, auf die viele Fußballfans und
Manager allzu gerne einen Blick werfen würden. Der Schwede weiß, welche
Top-Fußballtrainer in Europa besonders gut für die Knochen und
Kniegelenke ihrer Spieler sind. Und welche nicht. Welche Cheftrainer
ihre Spieler so hart belasten, dass es häufiger kracht. "Top Secret",
lacht der Orthopäde aus Linköping, der lange Arzt der schwedischen
Nationalmannschaft war und heute die Medizinische Kommission der UEFA
leitet.
Ekstrand hat Europas Topklubs beobachtet. Der FC Barcelona, Real
Madrid, Chelsea und Arsenal, aus Deutschland der FC Bayern München,
Borussia Dortmund und der Hamburger SV machten mit und meldeten Ekstrand
ihre Verletzungen. Die Ergebnisse der UEFA-Langzeitstudie stellte
Ekstrand auf dem zweiten DFB-Wissenschaftskongress in Frankfurt vor. DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth hat mit ihm gesprochen.
DFB.de: Professor Ekstrand, Sie interessieren sich für Verletzungen im Spitzenfußball. Wie groß ist Ihr Datenstamm?
Jan Ekstrand: Groß und damit einmalig. Über neun Jahre haben
wir 75 Profiklubs aus 18 Ländern beobachtet. Klubs aus der Champions
League, der Premier League und anderen europäischen Profiligen haben uns
wöchentlich über ihre Verletzungen informiert. Wir haben Daten zu
16.000 Verletzungen und 1,2 Millionen Trainingseinheiten.
DFB.de: Sie leiten aus Ihren Ergebnissen ab, dass Verletzungen vermeidbar sind. Wie geht das?
Ekstrand: Statistisch kann jeder Klub einiges dazutun, dass
die Spieler gesünder bleiben. Die Fitness der Spieler ist absolut
entscheidend, Kraft und Beweglichkeit. Aber in der Spitze stößt man
dabei schnell an die Decke, da gibt es kaum noch Möglichkeiten, mehr zu
machen.
DFB.de: Was also unterscheidet die Trainer, die erfolgreich Verletzungen vermeiden?
Ekstrand: Eine intelligente Saisonplanung, eine Dosierung der
Trainingsbelastung, das Einhalten von Erholungsphasen – das alles trägt
messbar dazu bei, dass Verletzungen vermieden werden. In einem Profiteam
von 25 bis 28 Spielern kommt es pro Saison zu rund 50 Verletzungen. Die
Hälfte fällt eine Woche oder weniger aus, aber acht oder neun Fälle
müssen einen Monat oder länger pausieren.
[bild1] Professor Jan Ekstrand hat eine Liste, auf die viele Fußballfans und
Manager allzu gerne einen Blick werfen würden. Der Schwede weiß, welche
Top-Fußballtrainer in Europa besonders gut für die Knochen und
Kniegelenke ihrer Spieler sind. Und welche nicht. Welche Cheftrainer
ihre Spieler so hart belasten, dass es häufiger kracht. "Top Secret",
lacht der Orthopäde aus Linköping, der lange Arzt der schwedischen
Nationalmannschaft war und heute die Medizinische Kommission der UEFA
leitet.
Ekstrand hat Europas Topklubs beobachtet. Der FC Barcelona, Real
Madrid, Chelsea und Arsenal, aus Deutschland der FC Bayern München,
Borussia Dortmund und der Hamburger SV machten mit und meldeten Ekstrand
ihre Verletzungen. Die Ergebnisse der UEFA-Langzeitstudie stellte
Ekstrand auf dem zweiten DFB-Wissenschaftskongress in Frankfurt vor. DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth hat mit ihm gesprochen.
DFB.de: Professor Ekstrand, Sie interessieren sich für Verletzungen im Spitzenfußball. Wie groß ist Ihr Datenstamm?
Jan Ekstrand: Groß und damit einmalig. Über neun Jahre haben
wir 75 Profiklubs aus 18 Ländern beobachtet. Klubs aus der Champions
League, der Premier League und anderen europäischen Profiligen haben uns
wöchentlich über ihre Verletzungen informiert. Wir haben Daten zu
16.000 Verletzungen und 1,2 Millionen Trainingseinheiten.
DFB.de: Sie leiten aus Ihren Ergebnissen ab, dass Verletzungen vermeidbar sind. Wie geht das?
Ekstrand: Statistisch kann jeder Klub einiges dazutun, dass
die Spieler gesünder bleiben. Die Fitness der Spieler ist absolut
entscheidend, Kraft und Beweglichkeit. Aber in der Spitze stößt man
dabei schnell an die Decke, da gibt es kaum noch Möglichkeiten, mehr zu
machen.
DFB.de: Was also unterscheidet die Trainer, die erfolgreich Verletzungen vermeiden?
Ekstrand: Eine intelligente Saisonplanung, eine Dosierung der
Trainingsbelastung, das Einhalten von Erholungsphasen – das alles trägt
messbar dazu bei, dass Verletzungen vermieden werden. In einem Profiteam
von 25 bis 28 Spielern kommt es pro Saison zu rund 50 Verletzungen. Die
Hälfte fällt eine Woche oder weniger aus, aber acht oder neun Fälle
müssen einen Monat oder länger pausieren.
DFB.de: Sie haben einen Modellfall aufgestellt, was das finanziell bedeutet.
Ekstrand: Wenn ein Topklub einen Spitzenspieler holt und 20
Millionen Euro bezahlt, noch mal drei Millionen pro Jahr Gehalt bezahlt,
und dieser Spieler fällt für einen Monat aus, dann kostet das den Klub
583.000 Euro. Mal ganz abgesehen davon, dass Klubs mit weniger
Verletzungen erkennbar erfolgreicher abschneiden. Die Zahlen lügen
nicht: Es rechnet sich, gesund zu bleiben.
DFB.de: Wie viel Überzeugungsarbeit müssen Sie leisten?
Ekstrand: Den Topteams in Europa sind die Ergebnisse bewusst.
Aber wir müssen unser Wissen weiter verbreiten, denn das stärkt den
Fußball. Fußballtrainer kommen nicht sehr gerne auf unsere Kongresse,
weil wir dort zu oft mit lateinischen Wörtern um uns werfen. Wir müssen
unbedingt alle verantwortlichen Trainer und Vereinsvorstände erreichen.
DFB.de: Welche Verletzung kommt statistisch am häufigsten vor?
Ekstrand: Die Zerrung des Oberschenkelmuskels, das sind 13 Prozent. An zweiter Stelle liegt die Leistenzerrung mit neun Prozent.
DFB.de: Haben Sie auch Daten, wie lange ein Spieler ausfällt?
[bild2] Ekstrand: Das macht unsere Forschung so wichtig, denn dadurch
bekommen die Klubs einen Anhaltspunkt. Die erste Frage des Trainers nach
einer schweren Verletzung ist doch immer 'Wie lange fällt er aus?'. Bei
einem Riss des vorderen Kreuzbandes dauert die Verletzungspause im
Schnitt 194 Tage. Ein Knöchelbruch braucht 87 Tage.
DFB.de: Verletzen sich Spieler der 3. Liga häufiger oder seltener als Spieler in der Champions League?
Ekstrand: Beim Training haben wir keinen Unterschied
feststellen können, da liegen die Werte fast gleich. Bei Spielen ist der
stärkste Wettbewerb auch der härteste. Das Verletzungsrisiko in der
Champions League ist deutlich höher als in den nationalen Ligen.
DFB.de: Welche anderen Faktoren haben Sie festgestellt?
Ekstrand: Die Spieler der verlierenden Mannschaft verletzen
sich statistisch gesehen häufiger. In den Topligen am Mittelmeer –
Frankreich, Spanien, Portugal – liegen die Verletzungswerte deutlich
unter Nordeuropa, etwa den skandinavischen Ligen. Konstanz trägt auch
dazu bei, dass weniger Verletzungen vorkommen. Wer mehrfach den Trainer
in einer Saison austauscht, der trägt ein höheres Risiko, dass Spieler
sich verletzen. Was wenig überraschen wird: technisch starke Teams, die
'one-touch-football' beherrschen, leben gesünder.
DFB.de: Verletzen sich Spieler heute häufiger als vor zehn Jahren?
Ekstrand: Das belegen unsere Daten nicht, trotzdem das Spiel in dieser Zeitspanne sicher schneller geworden ist.
DFB.de: Kehren verletzte Spieler zu früh zurück?
Ekstrand: In der Bundesliga nicht. Hier werden die
Ausfallzeiten, etwa auch bei Knieverletzungen, gut beachtet. Überhaupt
sind hier auch die medizinischen Abteilungen personell gut ausgestattet.
Das ermöglicht die individuelle Betreuung eines verletzten Spielers –
was übrigens zur schnelleren Genesung führt.
DFB.de: Hat Sie etwas an den Ergebnissen der Studie überrascht?
Ekstrand: Wir haben fast keinen Effekt der Prävention
feststellen können. Einige Klubs machen sehr viel in diesem Bereich, der
Ertrag scheint mir überschaubar.
DFB.de: Können Sie sagen, welche Trainer besonders vorbeugend arbeiten?
Ekstrand: Das zeigen unsere Daten ganz deutlich, aber das ist definitiv eine geheime Liste.