Eintracht-Junioren: "In der Hessenliga wären viele Spieler deutlich unterfordert"

Der Tagesablauf von Armin Kraaz, seit 2010 Leiter des Nachwuchsleistungszentrums bei Eintracht Frankfurt, ist aktuell mehr als gut gefüllt. In der kommenden Woche steht die Zertifizierung des NLZ beim Bundesligisten aus der Bankenmetropole an, die alle drei Jahre durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) durchgeführt wird. Bei der jüngsten Überprüfung im Jahr 2011 war die Nachwuchsabteilung der Hessen mit der höchstmöglichen Wertung von "drei Sternen" ausgezeichnet worden.

Nicht verwunderlich bei der guten Nachwuchsarbeit der Frankfurter, dass zuletzt beim 0:4 im Bundesligaspiel gegen Bayern München mit Marc Stendera, Marco Russ und Timothy Chandler sowie dem eingewechselten Sonny Kittel gleich vier Eigengewächse auf dem Platz standen. Lediglich die Tabellenstände der "Adler" in der A- und B-Junioren-Bundesliga sorgen bei Kraaz für etwas Ernüchterung. Im aktuellen DFB.de-Interview spricht der 49-Jährige, der als Jugendspieler mit der Eintracht Vizemeister (U 17) und Deutscher Meister (U 19) wurde sowie als Profi den DFB-Pokal gewinnen konnte, mit dem Journalisten Dominik Sander über die Gründe für die Negativserien, die neue Rolle von Eintracht-Aufstiegsheld Alexander Schur und alternative Ausbildungsmodelle.

DFB.de: Die U 19 von Eintracht Frankfurt hängt in der Staffel Süd/Südwest der A-Junioren-Bundesliga in der Abstiegszone fest, die seit sieben Runden sieglose U 17 muss den Blick ebenfalls nach unten richten. Ist beim Eintracht-Nachwuchs aktuell der Wurm drin, Herr Kraaz?

Armin Kraaz: Wenn wir die beiden Junioren-Bundesligamannschaften isoliert betrachten, dann finden wir ohne Zweifel eine nicht zufriedenstellende Situation vor. Bei der U 19 wussten wir, dass wir nicht den stärksten Jahrgang haben und dass es in dieser Spielzeit um den Klassenverbleib geht. Bei der U 17, die ihr Potenzial durch den verheißungsvollen Saisonstart gezeigt hatte, sind die Gründe für die Negativserie nicht sofort ersichtlich. Andere Nachwuchsteams wie die U 15 und U 16 sind dagegen in ihren Ligen auf dem Vormarsch und gut platziert. So ziehen wir insgesamt ein durchwachsenes Fazit.

DFB.de: Welchen Einfluss können Sie als Leiter des Nachwuchsleistungszentrum in solchen Situationen nehmen?

Kraaz: Bei den wöchentlichen Analysen versuchen wir, an den kleinen Stellschrauben zu drehen. Für die U 19 fallen vor allem die Verletzungen von Jungprofi Luca Waldschmidt und Ibrahim Yilmaz schwer ins Gewicht. Trotzdem hat sich die Mannschaft in den vergangenen drei Partien, darunter ein 2:0 gegen den FC Bayern, leistungsmäßig stabilisiert. Bis Weihnachten geht es darum, gegen vier Gegner aus dem unteren Tabellendrittel möglichst die Abstiegszone zu verlassen und dann mit Yilmaz und Waldschmidt gestärkt in die Rückrunde zu gehen. Unsere U 17-Mannschaft schafft es aktuell nicht, die engen Duelle für sich zu entschieden. Wir sind aber guter Dinge, dass der Knoten bald wieder platzen wird.

DFB.de: Wie sehr schaltet sich Alexander Schur, der in der Vorsaison noch für die U 23-Mannschaft verantwortlich war und seit dem Sommer als Nachwuchscheftrainer arbeitet, aktiv ein?

Kraaz: Alexander Schur war durch die anstehende Zertifizierung unseres Nachwuchsleistungszentrums stark eingebunden, ist aber an den beiden höchsten Nachwuchsteams besonders eng dran. Er organisiert und führt regelmäßig das Individualtraining durch und steht auch den Trainern mit seiner großen Erfahrung zur Seite. Wir können jetzt schon sagen, dass die neugeschaffene Position des Nachwuchscheftrainers einen erheblichen Zugewinn für unser NLZ bedeutet.

DFB.de: Die zweite Mannschaft wurde im Frühjahr vom Spielbetrieb in der Regionalliga Südwest zurückgezogen. Wie wichtig wäre vor diesem Hintergrund der Verbleib von U 19 und U 17 in den Junioren-Bundesligen?

Kraaz: Zwingend notwendig, da gibt es keine Diskussion. In der Hessenliga wären nicht wenige Spieler deutlich unterfordert. Zwölf Erst- und Zweitligisten bei 14 Mannschaften zeigen aber auch, wie hoch das Niveau in Süd/Südwest-Staffel der A-Junioren-Bundesliga inzwischen ist. So erwischt es - wie schon in der Vergangenheit den 1. FC Nürnberg oder den 1. FC Kaiserslautern - immer mindestens eine Hochburg. Wir gehen aber nicht davon aus, dass es in dieser Saison uns treffen wird.

DFB.de: Welche Erfahrungen konnten Sie bisher ohne die U 23 sammeln?

Kraaz: Administrativ und organisatorisch ist es eine kleine Entlastung. Beispielsweise stehen uns mehr Trainingsplätze zur Verfügung. Sportlich lässt sich erst in drei bis vier Jahren sagen, wie richtig diese Entscheidung war.

DFB.de: Welches Ausbildungsmodell verfolgen Sie bei der Eintracht nach dem U 19-Bereich?

Kraaz: Wir halten es für eine vernünftige Lösung, unsere besten Talente mit einem Lizenzspielervertrag auszustatten und ihnen zu ermöglichen, mit gestandenen Profis zu trainieren. Falls sie den Sprung nach einer Anlaufzeit nicht schaffen, könnten sie durch eine Ausleihe in der 2. Bundesliga oder 3. Liga Spielpraxis erhalten. Das Niveau bei einer U 23 in der vierten Liga ist für diese Talente zu niedrig. Eine mögliche Alternative wäre es aus meiner Sicht auch, die Altersstruktur im Juniorenbereich zu ändern. Beispielsweise eine U16-/U18-/U20-Bundesliga einzuführen, damit die Talente noch eine weitere Spielzeit auf Bundesliganiveau spielen können. Wer bis dahin nicht den Sprung nach oben schafft, der wird es auch in Zukunft schwer haben.

DFB.de: Stehen beim neuen Bundesligatrainer Thomas Schaaf die eigenen Talente mehr im Fokus als zuvor?

Kraaz: Da möchte ich keine Vergleiche anstellen. In den vergangenen zehn Jahren gehörte die Eintracht in Sachen Durchlässigkeit zu den besten vier, fünf Vereinen. Die Zusammenarbeit mit Bruno Hübner, Thomas Schaaf und seinen Co-Trainern funktioniert ausgezeichnet und ist von gegenseitigem Interesse und Respekt geprägt. Gerade Marc Stendera, der in der vergangenen Saison wegen eines Kreuzbandrisses lange Zeit pausieren musste, entwickelt sich prächtig.

DFB.de: Ist es durch die wachsende Konkurrenz schwer, großen Talenten einen Verbleib bei der Eintracht schmackhaft zu machen?

Kraaz: Konkurrenz belebt das Geschäft. Nachdem in den vergangenen Jahren Vereine wie der FC Augsburg, 1899 Hoffenheim und RB Leipzig in den Profibereich vorgedrungen sind, ist es aber nicht kuscheliger geworden. (lächelt) Die Frage stellt sich aktuell vor allem im U 15-Bereich, weil wir die Spieler in diesem Alter noch nicht langfristig binden können. So haben wir damals beispielsweise auch Emre Can verloren, der jetzt beim englischen Spitzenklub FC Liverpool unter Vertrag steht.

DFB.de: Im Nachwuchsbereich des Vereins arbeiten mit Ihnen, Alexander Schur oder Uwe Bindewald bei der U 17 einige langjährige und erfolgreiche Eintracht-Spieler. Wie viel Wert legen Sie auf Identifikation?

Kraaz: Ganz klar: Neben der guten Durchlässigkeit zu den Profis möchten wir uns auch durch einen hohen Identifikationsfaktor auszeichnen. Alexander Schur und Uwe Bindewald waren als Spieler zwei wichtige Figuren für die Eintracht, ich bin auch schon ein paar Jahre dabei. Beide haben ihre Bodenständigkeit beibehalten und machen einen sehr guten Job. Jeder Verein verfolgt seine Ansätze. Wir schauen aber in erster Linie darauf, dass unsere Trainer und Spieler vorwiegend aus dem Rhein/Main-Gebiet und Hessen stammen und wir damit in Hessen die Nummer eins sind - und auch bleiben.

[mspw]

Der Tagesablauf von Armin Kraaz, seit 2010 Leiter des Nachwuchsleistungszentrums bei Eintracht Frankfurt, ist aktuell mehr als gut gefüllt. In der kommenden Woche steht die Zertifizierung des NLZ beim Bundesligisten aus der Bankenmetropole an, die alle drei Jahre durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) durchgeführt wird. Bei der jüngsten Überprüfung im Jahr 2011 war die Nachwuchsabteilung der Hessen mit der höchstmöglichen Wertung von "drei Sternen" ausgezeichnet worden.

Nicht verwunderlich bei der guten Nachwuchsarbeit der Frankfurter, dass zuletzt beim 0:4 im Bundesligaspiel gegen Bayern München mit Marc Stendera, Marco Russ und Timothy Chandler sowie dem eingewechselten Sonny Kittel gleich vier Eigengewächse auf dem Platz standen. Lediglich die Tabellenstände der "Adler" in der A- und B-Junioren-Bundesliga sorgen bei Kraaz für etwas Ernüchterung. Im aktuellen DFB.de-Interview spricht der 49-Jährige, der als Jugendspieler mit der Eintracht Vizemeister (U 17) und Deutscher Meister (U 19) wurde sowie als Profi den DFB-Pokal gewinnen konnte, mit dem Journalisten Dominik Sander über die Gründe für die Negativserien, die neue Rolle von Eintracht-Aufstiegsheld Alexander Schur und alternative Ausbildungsmodelle.

DFB.de: Die U 19 von Eintracht Frankfurt hängt in der Staffel Süd/Südwest der A-Junioren-Bundesliga in der Abstiegszone fest, die seit sieben Runden sieglose U 17 muss den Blick ebenfalls nach unten richten. Ist beim Eintracht-Nachwuchs aktuell der Wurm drin, Herr Kraaz?

Armin Kraaz: Wenn wir die beiden Junioren-Bundesligamannschaften isoliert betrachten, dann finden wir ohne Zweifel eine nicht zufriedenstellende Situation vor. Bei der U 19 wussten wir, dass wir nicht den stärksten Jahrgang haben und dass es in dieser Spielzeit um den Klassenverbleib geht. Bei der U 17, die ihr Potenzial durch den verheißungsvollen Saisonstart gezeigt hatte, sind die Gründe für die Negativserie nicht sofort ersichtlich. Andere Nachwuchsteams wie die U 15 und U 16 sind dagegen in ihren Ligen auf dem Vormarsch und gut platziert. So ziehen wir insgesamt ein durchwachsenes Fazit.

DFB.de: Welchen Einfluss können Sie als Leiter des Nachwuchsleistungszentrum in solchen Situationen nehmen?

Kraaz: Bei den wöchentlichen Analysen versuchen wir, an den kleinen Stellschrauben zu drehen. Für die U 19 fallen vor allem die Verletzungen von Jungprofi Luca Waldschmidt und Ibrahim Yilmaz schwer ins Gewicht. Trotzdem hat sich die Mannschaft in den vergangenen drei Partien, darunter ein 2:0 gegen den FC Bayern, leistungsmäßig stabilisiert. Bis Weihnachten geht es darum, gegen vier Gegner aus dem unteren Tabellendrittel möglichst die Abstiegszone zu verlassen und dann mit Yilmaz und Waldschmidt gestärkt in die Rückrunde zu gehen. Unsere U 17-Mannschaft schafft es aktuell nicht, die engen Duelle für sich zu entschieden. Wir sind aber guter Dinge, dass der Knoten bald wieder platzen wird.

DFB.de: Wie sehr schaltet sich Alexander Schur, der in der Vorsaison noch für die U 23-Mannschaft verantwortlich war und seit dem Sommer als Nachwuchscheftrainer arbeitet, aktiv ein?

Kraaz: Alexander Schur war durch die anstehende Zertifizierung unseres Nachwuchsleistungszentrums stark eingebunden, ist aber an den beiden höchsten Nachwuchsteams besonders eng dran. Er organisiert und führt regelmäßig das Individualtraining durch und steht auch den Trainern mit seiner großen Erfahrung zur Seite. Wir können jetzt schon sagen, dass die neugeschaffene Position des Nachwuchscheftrainers einen erheblichen Zugewinn für unser NLZ bedeutet.

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DFB.de: Die zweite Mannschaft wurde im Frühjahr vom Spielbetrieb in der Regionalliga Südwest zurückgezogen. Wie wichtig wäre vor diesem Hintergrund der Verbleib von U 19 und U 17 in den Junioren-Bundesligen?

Kraaz: Zwingend notwendig, da gibt es keine Diskussion. In der Hessenliga wären nicht wenige Spieler deutlich unterfordert. Zwölf Erst- und Zweitligisten bei 14 Mannschaften zeigen aber auch, wie hoch das Niveau in Süd/Südwest-Staffel der A-Junioren-Bundesliga inzwischen ist. So erwischt es - wie schon in der Vergangenheit den 1. FC Nürnberg oder den 1. FC Kaiserslautern - immer mindestens eine Hochburg. Wir gehen aber nicht davon aus, dass es in dieser Saison uns treffen wird.

DFB.de: Welche Erfahrungen konnten Sie bisher ohne die U 23 sammeln?

Kraaz: Administrativ und organisatorisch ist es eine kleine Entlastung. Beispielsweise stehen uns mehr Trainingsplätze zur Verfügung. Sportlich lässt sich erst in drei bis vier Jahren sagen, wie richtig diese Entscheidung war.

DFB.de: Welches Ausbildungsmodell verfolgen Sie bei der Eintracht nach dem U 19-Bereich?

Kraaz: Wir halten es für eine vernünftige Lösung, unsere besten Talente mit einem Lizenzspielervertrag auszustatten und ihnen zu ermöglichen, mit gestandenen Profis zu trainieren. Falls sie den Sprung nach einer Anlaufzeit nicht schaffen, könnten sie durch eine Ausleihe in der 2. Bundesliga oder 3. Liga Spielpraxis erhalten. Das Niveau bei einer U 23 in der vierten Liga ist für diese Talente zu niedrig. Eine mögliche Alternative wäre es aus meiner Sicht auch, die Altersstruktur im Juniorenbereich zu ändern. Beispielsweise eine U16-/U18-/U20-Bundesliga einzuführen, damit die Talente noch eine weitere Spielzeit auf Bundesliganiveau spielen können. Wer bis dahin nicht den Sprung nach oben schafft, der wird es auch in Zukunft schwer haben.

DFB.de: Stehen beim neuen Bundesligatrainer Thomas Schaaf die eigenen Talente mehr im Fokus als zuvor?

Kraaz: Da möchte ich keine Vergleiche anstellen. In den vergangenen zehn Jahren gehörte die Eintracht in Sachen Durchlässigkeit zu den besten vier, fünf Vereinen. Die Zusammenarbeit mit Bruno Hübner, Thomas Schaaf und seinen Co-Trainern funktioniert ausgezeichnet und ist von gegenseitigem Interesse und Respekt geprägt. Gerade Marc Stendera, der in der vergangenen Saison wegen eines Kreuzbandrisses lange Zeit pausieren musste, entwickelt sich prächtig.

DFB.de: Ist es durch die wachsende Konkurrenz schwer, großen Talenten einen Verbleib bei der Eintracht schmackhaft zu machen?

Kraaz: Konkurrenz belebt das Geschäft. Nachdem in den vergangenen Jahren Vereine wie der FC Augsburg, 1899 Hoffenheim und RB Leipzig in den Profibereich vorgedrungen sind, ist es aber nicht kuscheliger geworden. (lächelt) Die Frage stellt sich aktuell vor allem im U 15-Bereich, weil wir die Spieler in diesem Alter noch nicht langfristig binden können. So haben wir damals beispielsweise auch Emre Can verloren, der jetzt beim englischen Spitzenklub FC Liverpool unter Vertrag steht.

DFB.de: Im Nachwuchsbereich des Vereins arbeiten mit Ihnen, Alexander Schur oder Uwe Bindewald bei der U 17 einige langjährige und erfolgreiche Eintracht-Spieler. Wie viel Wert legen Sie auf Identifikation?

Kraaz: Ganz klar: Neben der guten Durchlässigkeit zu den Profis möchten wir uns auch durch einen hohen Identifikationsfaktor auszeichnen. Alexander Schur und Uwe Bindewald waren als Spieler zwei wichtige Figuren für die Eintracht, ich bin auch schon ein paar Jahre dabei. Beide haben ihre Bodenständigkeit beibehalten und machen einen sehr guten Job. Jeder Verein verfolgt seine Ansätze. Wir schauen aber in erster Linie darauf, dass unsere Trainer und Spieler vorwiegend aus dem Rhein/Main-Gebiet und Hessen stammen und wir damit in Hessen die Nummer eins sind - und auch bleiben.