Einmal Serie A und zurück: Fiores Anti-Märchen

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Von der Regionalliga in die italienische Serie A. Es klingt zu schön, um wahr zu sein. Und das ist es wahrscheinlich auch. Marco Fiore erlebt in diesem Sommer eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Eigentlich sollte der 23-Jährige, der aus dem Sauerland stammt und in der 4. Liga für den SV Wilhelmshaven spielte, in der bevorstehenden Saison sein Debüt in der Serie A feiern. Fiore freute sich bereits auf Duelle mit dem AC Mailand, Inter, Juventus Turin und dem AS Rom. Doch nun droht der große Traum zu platzen, ehe er richtig angefangen hat.

Fiore kennt sich aus mit Rückschlägen. Als vielversprechendes Talent war er in der Jugend zum FC Schalke 04 gekommen, ausgebildet beim BSV Lendringsen und der DJK Grün-Weiß Menden, zusätzlich gefördert am DFB-Stützpunkt. Der Italiener machte 46 Spiele in der A-Jugend-Bundesliga, dazu einige Partien für Schalkes zweite Mannschaft. Der große Durchbruch in Gelsenkirchen blieb ihm verwehrt. Also ging es nach Wilhelmshaven, Regionalliga Nord. Nach einer Saison war auch dort Schluss – und das Italien-Abenteuer begann.

Im Urlaub entdeckt

Am Anfang stand der Zufall. Fiore war im Urlaub in Sizilien. Sein Vertrag beim SV Wilhelmshaven war ausgelaufen, sein Berater suchte nach einem neuen Klub in Deutschland. "Aus Jux und Dollerei" nahm Fiore an einem Turnier teil, der Erstligist Catania Calcio wurde auf ihn aufmerksam. Kurz darauf lag dem Mittelfeldspieler ein Vertragsangebot vor. Fiore unterschrieb – und wurde gleich an den Viertligisten SS Milazzo abgegeben. Absprachegemäß. In Italien ist es gängige Praxis, Spieler in unterklassigen Vereinen unterzubringen und sie dort durch ein Stahlbad zu schicken, da die Profiklubs keine zweiten Mannschaften wie in Deutschland haben. Es ist das Prinzip der Farmteams, ähnlich dem aus dem nordamerikanischen Profisport.

Sich in der Serie C2 zu behaupten, ist kein Zuckerschlecken. Weder auf noch abseits des Rasens. Gerade in Sizilien. "Es war eine riesige Umstellung. Obwohl ich die Sprache konnte, habe ich rund ein halbes Jahr gebraucht, um mich einzugewöhnen", erzählt Fiore: "Man muss allem hinterherrennen, ich konnte mich anfangs gar nicht auf meinen Job konzentrieren." Die ersten Spiele verpasste Fiore, weil seine Spielerlaubnis noch nicht da war. Der Verein überließ es schließlich dem Spieler selbst, über seinen Vater Kontakt zum DFB aufnehmen und den Pass zu organisieren.

Sportlich fand sich der Mittelfeldspieler, dessen älterer Bruder Giancarlo fünf Zweitliga-Einsätze für den KFC Uerdingen absolviert hat, schnell zurecht. Milazzo wurde Dritter, schied im Play-off-Halbfinale um den Aufstieg aus. Fiore war zwischenzeitlich einem Kollegen aus Litauen zugeteilt worden, um ihn durch manche Tücke des Alltags und Vereinslebens zu lotsen. "In Sizilien spricht vielleicht jeder 20. Englisch, da ist es für fremde Spieler sehr schwierig", verdeutlicht der 23-Jährige.

Vorbild Roberto Soriano

Schwierig ließ sich auch die zweite Saison an. Nach einem personellen Umbruch startete Milazzo mit einem Punkt aus zehn Spielen. Am Ende reichte es trotzdem zum Klassenerhalt, und Fiore hatte stark genug agiert, um sich für Catania Calcio zu empfehlen. Die Serie A, jetzt war sie ganz nahe. Roberto Soriano hatte es vorgemacht. In Hessen geboren, hatte Sorianos Weg über Darmstadt 98 und Bayern München an den Stiefel geführt. Seit zwei Jahren steht der ehemalige italienische U-Nationalspieler bei Sampdoria Genua unter Vertrag.

Catania liegt fast 1300 Kilometer entfernt von Genua. Es ist die Heimat eines soliden Mittelklasseklubs ohne Glamour. In der abgelaufenen Saison belegte das Team den elften Platz, hinter Chievo Verona, vor Atalanta Bergamo. Respektable zehn Punkte betrug der Abstand zu Inter Mailand und einem Europa-League-Rang. Italiens Weltmeistertrainer von 1982, Enzo Bearzot, hat einst das Trikot von Catania getragen, ebenso der frühere deutsche Nationalspieler und WM-Teilnehmer Horst Szymaniak.

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Try-out in Catania

Marco Fiore sollte es auch tun, wird es aber wohl nicht. Er hat zwar einen frischen Drei-Jahres-Vertrag und einen Platz im Kader, nur umfasst der Kader zurzeit über 40 Spieler. Fiore fühlt sich "an einen amerikanischen Footballklub" erinnert. Dort gibt es Try-outs und anschließend einen Cut. Auch Catania will und muss sich von Spielern trennen. "Sonst müssten ja jede Woche 23 Leute auf die Tribüne", stellt Fiore fest.

Trainer und Sportlicher Leiter sind neu in Catania, also wird neu gedacht. Die ursprünglichen Planungen sind über den Haufen geworden. Schlechte Aussichten für Marco Fiore. Die Geschichte vom kleinen sportlichen Märchen muss umgeschrieben werden. Täglich wartet Fiore auf Nachricht, ob und wann er umziehen muss, ob er verliehen oder verkauft wird. Eine Rückkehr nach Deutschland ist möglich. Von geplatzten Träumen mag der 23-Jährige nicht sprechen. "Ich habe einen gültigen Drei-Jahres-Vertrag bei einem Erstligisten, das ist immer noch ein Traum", meint er. Und mit Rückschlägen hat Marco Fiore längst umzugehen gelernt.

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Von der Regionalliga in die italienische Serie A. Es klingt zu schön, um wahr zu sein. Und das ist es wahrscheinlich auch. Marco Fiore erlebt in diesem Sommer eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Eigentlich sollte der 23-Jährige, der aus dem Sauerland stammt und in der 4. Liga für den SV Wilhelmshaven spielte, in der bevorstehenden Saison sein Debüt in der Serie A feiern. Fiore freute sich bereits auf Duelle mit dem AC Mailand, Inter, Juventus Turin und dem AS Rom. Doch nun droht der große Traum zu platzen, ehe er richtig angefangen hat.

Fiore kennt sich aus mit Rückschlägen. Als vielversprechendes Talent war er in der Jugend zum FC Schalke 04 gekommen, ausgebildet beim BSV Lendringsen und der DJK Grün-Weiß Menden, zusätzlich gefördert am DFB-Stützpunkt. Der Italiener machte 46 Spiele in der A-Jugend-Bundesliga, dazu einige Partien für Schalkes zweite Mannschaft. Der große Durchbruch in Gelsenkirchen blieb ihm verwehrt. Also ging es nach Wilhelmshaven, Regionalliga Nord. Nach einer Saison war auch dort Schluss – und das Italien-Abenteuer begann.

Im Urlaub entdeckt

Am Anfang stand der Zufall. Fiore war im Urlaub in Sizilien. Sein Vertrag beim SV Wilhelmshaven war ausgelaufen, sein Berater suchte nach einem neuen Klub in Deutschland. "Aus Jux und Dollerei" nahm Fiore an einem Turnier teil, der Erstligist Catania Calcio wurde auf ihn aufmerksam. Kurz darauf lag dem Mittelfeldspieler ein Vertragsangebot vor. Fiore unterschrieb – und wurde gleich an den Viertligisten SS Milazzo abgegeben. Absprachegemäß. In Italien ist es gängige Praxis, Spieler in unterklassigen Vereinen unterzubringen und sie dort durch ein Stahlbad zu schicken, da die Profiklubs keine zweiten Mannschaften wie in Deutschland haben. Es ist das Prinzip der Farmteams, ähnlich dem aus dem nordamerikanischen Profisport.

Sich in der Serie C2 zu behaupten, ist kein Zuckerschlecken. Weder auf noch abseits des Rasens. Gerade in Sizilien. "Es war eine riesige Umstellung. Obwohl ich die Sprache konnte, habe ich rund ein halbes Jahr gebraucht, um mich einzugewöhnen", erzählt Fiore: "Man muss allem hinterherrennen, ich konnte mich anfangs gar nicht auf meinen Job konzentrieren." Die ersten Spiele verpasste Fiore, weil seine Spielerlaubnis noch nicht da war. Der Verein überließ es schließlich dem Spieler selbst, über seinen Vater Kontakt zum DFB aufnehmen und den Pass zu organisieren.

Sportlich fand sich der Mittelfeldspieler, dessen älterer Bruder Giancarlo fünf Zweitliga-Einsätze für den KFC Uerdingen absolviert hat, schnell zurecht. Milazzo wurde Dritter, schied im Play-off-Halbfinale um den Aufstieg aus. Fiore war zwischenzeitlich einem Kollegen aus Litauen zugeteilt worden, um ihn durch manche Tücke des Alltags und Vereinslebens zu lotsen. "In Sizilien spricht vielleicht jeder 20. Englisch, da ist es für fremde Spieler sehr schwierig", verdeutlicht der 23-Jährige.

Vorbild Roberto Soriano

Schwierig ließ sich auch die zweite Saison an. Nach einem personellen Umbruch startete Milazzo mit einem Punkt aus zehn Spielen. Am Ende reichte es trotzdem zum Klassenerhalt, und Fiore hatte stark genug agiert, um sich für Catania Calcio zu empfehlen. Die Serie A, jetzt war sie ganz nahe. Roberto Soriano hatte es vorgemacht. In Hessen geboren, hatte Sorianos Weg über Darmstadt 98 und Bayern München an den Stiefel geführt. Seit zwei Jahren steht der ehemalige italienische U-Nationalspieler bei Sampdoria Genua unter Vertrag.

Catania liegt fast 1300 Kilometer entfernt von Genua. Es ist die Heimat eines soliden Mittelklasseklubs ohne Glamour. In der abgelaufenen Saison belegte das Team den elften Platz, hinter Chievo Verona, vor Atalanta Bergamo. Respektable zehn Punkte betrug der Abstand zu Inter Mailand und einem Europa-League-Rang. Italiens Weltmeistertrainer von 1982, Enzo Bearzot, hat einst das Trikot von Catania getragen, ebenso der frühere deutsche Nationalspieler und WM-Teilnehmer Horst Szymaniak.

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Try-out in Catania

Marco Fiore sollte es auch tun, wird es aber wohl nicht. Er hat zwar einen frischen Drei-Jahres-Vertrag und einen Platz im Kader, nur umfasst der Kader zurzeit über 40 Spieler. Fiore fühlt sich "an einen amerikanischen Footballklub" erinnert. Dort gibt es Try-outs und anschließend einen Cut. Auch Catania will und muss sich von Spielern trennen. "Sonst müssten ja jede Woche 23 Leute auf die Tribüne", stellt Fiore fest.

Trainer und Sportlicher Leiter sind neu in Catania, also wird neu gedacht. Die ursprünglichen Planungen sind über den Haufen geworden. Schlechte Aussichten für Marco Fiore. Die Geschichte vom kleinen sportlichen Märchen muss umgeschrieben werden. Täglich wartet Fiore auf Nachricht, ob und wann er umziehen muss, ob er verliehen oder verkauft wird. Eine Rückkehr nach Deutschland ist möglich. Von geplatzten Träumen mag der 23-Jährige nicht sprechen. "Ich habe einen gültigen Drei-Jahres-Vertrag bei einem Erstligisten, das ist immer noch ein Traum", meint er. Und mit Rückschlägen hat Marco Fiore längst umzugehen gelernt.