Eine lange, aufregende Reise geht zu Ende

Seit acht Jahren ist Bundestrainer Joachim Löw der Architekt des deutschen Spielstils. Der Mann, der Fußball "Made in Germany" wieder zum internationalen Gütesiegel machte. Der Mann mit der besten Bilanz aller Bundestrainer. Das ist er auch nach dem 13. Juli 2014 noch. Aber seit diesem Tag ist er noch mehr: Weltmeister. Der Autor begleitet Löw als Journalist schon seit einigen Jahren. Auf DFB.de teilt er seine Eindrücke und Erfahrungen einer außergewöhnlichen WM.

Ich habe Joachim Löw schon oft getroffen. Nach einem Interview während der Europameisterschaft 2012 haben wir anschließend eine Partie Tischfußball zusammen gespielt. Vor der Weltmeisterschaft 2014 sichteten wir für eine Geschichte gemeinsam die schönsten WM-Bilder. Es waren stets nette Begegnungen. Doch nie habe ich mich mehr gefreut, ihn zu sehen, als Mitte Juni am Strand von Santo André.

Die Heimat der deutschen Nationalmannschaft während der WM in Brasilien ist ein Paradies. Ein kleines Fischerdorf mit zwei Straßen, drei kleinen Einkaufsläden und einigen spektakulär guten Fischrestaurants. Das Schönste an dem Örtchen ist aber der Strand. In einem sanften Bogen schwingt er sich die Küste entlang, gesäumt von Palmen auf der einen und dem Atlantik auf der anderen Seite. Wenn Ebbe ist, kann man hier wunderbar joggen. Hier traf ich eines Morgens durch Zufall den Bundestrainer.

"Ich wusste, wir werden Weltmeister"

Die Hände lässig in den Taschen einer kurzen Trainingshose, die Pilotenbrille auf der Nase, wanderte er am Strand entlang, den Blick fast träumerisch über das Meer gerichtet. Wir plauderten über die Weltmeisterschaft und verabschiedeten uns. Anschließend wusste ich: Deutschland wird Weltmeister. Weil Deutschland den tiefenentspanntesten Löw aller Zeiten hat. Drei Wochen, einen unfassbaren Kantersieg gegen Brasilien und dem wahnsinnig spannenden Finale gegen Argentinien später, war es so weit: Löw reckte den Goldpokal in den Nachthimmel von Rio de Janeiro.

Weltmeister wird man nur mit einem starken Trainer. Solche Trainer werden nicht geboren, sie entstehen in einem langen Prozess. Auch Joachim Löw begann nicht als starker Trainer. Zwar gewann er schon 1997 mit dem VfB Stuttgart den DFB-Pokal. Doch sein Weg an die Spitze war lang und steinig: Fenerbahçe Istanbul, Karlsruher SC, Adanaspor, FC Tirol Innsbruck, Austria Wien – nirgends blieb er länger als ein Jahr.

Wer weiß, wo er im Sommer 2014 gewesen wäre, wenn nicht Jürgen Klinsmann ihn 2004 zu seinem Assistenten gemacht hätte und damit zu einem der Väter des deutschen Fußball-Umbruchs. Am Strand von Santo André wäre er dann vermutlich nicht gewesen. Jedenfalls nicht als der vielleicht coolste Coach der Welt. Ein Weltmeistertrainer, um den die Welt Deutschland beneidet.

"Sie könnten Model sein"

Er trinkt Espresso statt Filterkaffee, trägt taillierte Hemden statt Trainingsjacke, nippt am Rotwein statt am Bier. In einem Interview hauchte eine Journalistin einmal: "Sie sind der erste Bundestrainer, dessen Gesicht wirklich jeder vor Augen hat. Sie könnten Model sein. Das liegt auch an Ihrem Haarschnitt, so als ob die Beatles nie gegangen wären..." Man stelle sich vor, eine ähnliche Frage wäre Jupp Derwall oder Helmut Schön gestellt worden. Sie wären wohl wahlweise schreiend weggelaufen oder vor Lachen unter den Tisch gesackt.

Klinsmann und Löw schenkten dem Fußball ab 2004 etwas Besonderes: Eine nie gekannte Leichtigkeit, gepaart mit akribischer Ernsthaftigkeit und einem neuen Look. "Fußball hat für mich immer etwas mit Ästhetik und Leichtigkeit zu tun", hat Löw einmal gesagt. Und: "Ich habe schon früher viel von Trainern gehalten, die Mut zum Risiko hatten. Es war immer mein innerer Drang, so als Trainer zu sein. Ich gehe gern Risiken ein." Das war faszinierend für die deutschen Fans. Mit großen Augen bestaunte die Öffentlichkeit die Nationalmannschaft, als sie 2010 England und Argentinien aus den Schuhen spielte. Nach den trüben Jahren zu Anfang des Jahrtausends, als die DFB-Auswahl zweimal in Folge in der Gruppenphase einer Europameisterschaft scheiterte, war das wie Mozart nach einem Metal-Konzert.

Wachsame Öffentlichkeit

Doch es war auch ein bisschen unheimlich. Löw wagte einen Gegenentwurf zum gängigen Modell. Seine "flache Hierarchie" wurde nach Siegen gelobt und nach Rückschlägen verdammt. Und je weiter er mit seiner Mannschaft kam, desto ungeduldiger wurde die Öffentlichkeit.

Bei der WM 2008 war Spanien zu stark, das war okay. 2010 in Südafrika auch noch. Aber spätestenszwei Jahre später nach dem verlorenen EM-Halbfinale gegen Italien zürnte Fußball-Deutschland mit seinem Bundestrainer. Musste er wirklich Toni Kroos bringen, der zuvor noch kein Spiel von Beginn bestritten hatte? War es klug, Mesut Özil aus dem Zentrum nach außen zu beordern? Hatte Löw gar seine eigene Spielphilosophie verraten und die Taktik zu sehr nach dem Gegner ausgerichtet?

Die Heftigkeit der Debatte erschütterte Löw. Zuvor war er auf einer Welle der Sympathie geschwommen und bei den Wahlen der beliebtesten Deutschen regelmäßig auf einen der gewählt worden. Und nun diskutierten die Experten, ob das Mitsingen der Hymne Pflicht sein sollte, klagten über fehlende Alphatiere und verhätschelte Nationalspieler. Scheindebatten, die weit am Thema vorbeigingen. Aber warum?

Nur wer heftig liebt, kann schwer getroffen werden. Die Öffentlichkeit reagierte wie ein verstoßener Liebhaber auf das EM-Aus. War die Nationalmannschaft nicht prädestiniert dafür, endlich einen Titel zu holen? Einen Titel, auf den Deutschland schon so lange wartete?

Bedingungsloser Weg

Im Moment der Niederlage zeigte sich, dass Löw noch nicht jenes Renommee hatte, auf das einige seiner Kollegen und Vorgänger sich berufen konnten. Löw ist als Fußballer kein Weltstar gewesen wie Franz Beckenbauer oder Rudi Völler. Als Trainer hatte er keine großen Klubs trainiert wie Louis van Gaal oder Luiz Felipe Scolari. Er wusste spätestens nach dem Italien-Spiel, dass er einen Titel braucht, um wieder in Ruhe arbeiten zu können. Dieser Titel sollte in Brasilien kommen. Im Vorfeld der WM zeigte sich, dass Löw bereit war, diesen entscheidenden Schritt zu gehen. Denn nur die Großen sind bereit, dem Erfolg alles unterzuordnen.

Löws ideale Vorstellung von Fußball sieht aus wie das, was 2010 in Südafrika zu sehen war. Atemberaubende Passfolgen, überfallartiges Umschaltspiel. Dass dabei mitunter die Defensive litt, kalkulierte er ein. Ein 4:3 war ihm lieber als ein 1:0. Fußball als Spektakel. Doch dann reifte in ihm die Erkenntnis: Damit komme ich in Brasilien nicht weit.

Große Herausforderung

Die WM im Herzensland des Fußballs, das wusste Löw, würde Anforderungen an die Mannschaft stellen, die weit über das normale Maß hinausgehen würden. Schon wer in Recife oder Fortaleza die Stadiontreppen hochgeht, ist bei 30 Grad und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit schweißgebadet. Wie es ist, bei diesem Klima 90 Minuten unter teilweise direktem Sonneneinfall zu spielen, mochten sich die Beobachter gar nicht ausmalen.

Diese Bedingungen stellen hohe Anforderungen an die Fitness, das ist sogar jedem Hobbytrainer klar. Doch Kondition allein reicht nicht. Löw ahnte: Er musste sein Ideal vom Tempofußball anpassen, um in Brasilien Erfolg zu haben. Das tat er. Mit zunächst vier gelernten Innenverteidigern in der Abwehrkette und drei defensiven Mittelfeldspielern davor ging er das Turnier an, stellte erst nach dem Achtelfi nale um, als er merkte, dass seine Schlüsselspieler Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira nach Verletzungen wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte waren.

Lange, aber erfolgreiche Reise

Sukzessive steigerte sich die DFB-Auswahl, nahm den Rhythmus des Turniers auf, biss sich in die WM hinein. Die 7:1-Gala gegen Brasilien im Halbfi nale geht in die Geschichte ein als das vielleicht unglaublichste WM-Spiel aller Zeiten. Doch erst im Finale zeigte Löws Team alle Facetten, die ein Weltmeister braucht: Kampfkraft, spielerische Klasse, mannschaftliche Geschlossenheit und Geduld. Als das Werk vollbracht war, sagte Bastian Schweinsteiger zu uns Journalisten: "Lasst den Jogi hochleben. Er hat es am meisten verdient."

Hinter Löw liegt eine lange Reise. Hat er sich dabei verändert? Eigentlich nicht. Er ist authentisch geblieben. Er zwingt sich nicht zum Hochdeutsch, schwingt keine trapattoniesken Reden, verpasst sich keine Kampffrisur, trägt nie Dreitagebart. "Ich habe schnell gemerkt: Ich kann nur überzeugen, wenn ich nach meiner Intuition handle und meinem Gefühl folge", sagte er einmal. Löw wollte es immer als Löw an die Spitze schaffen. Das ist ihm gelungen.

Nun steht er in einer Reihe mit Sepp Herberger, Helmut Schön und Franz Beckenbauer. Legenden, die alle ihren eigenen Weg ganz nach oben gefunden haben. Löw nahm den letzten Schritt auf den Trainer-Olymp mit jener Gelassenheit, die ihn stets umgeben hat. Im Augenblick des Triumphes gab es keine wüsten Gesten, keine Abrechnung mit den Kritikern, die ihn zuvor so gern ins Visier genommen hatten und nun Lobeshymnen anstimmten. Es war eine elegante Freude, die Löw ausstrahlte, fernab aller Bierduschen. Er steht Deutschland gut zu Gesicht, dieser Weltmeistertrainer.

[dfb]

Seit acht Jahren ist Bundestrainer Joachim Löw der Architekt des deutschen Spielstils. Der Mann, der Fußball "Made in Germany" wieder zum internationalen Gütesiegel machte. Der Mann mit der besten Bilanz aller Bundestrainer. Das ist er auch nach dem 13. Juli 2014 noch. Aber seit diesem Tag ist er noch mehr: Weltmeister. Der Autor begleitet Löw als Journalist schon seit einigen Jahren. Auf DFB.de teilt er seine Eindrücke und Erfahrungen einer außergewöhnlichen WM.

Ich habe Joachim Löw schon oft getroffen. Nach einem Interview während der Europameisterschaft 2012 haben wir anschließend eine Partie Tischfußball zusammen gespielt. Vor der Weltmeisterschaft 2014 sichteten wir für eine Geschichte gemeinsam die schönsten WM-Bilder. Es waren stets nette Begegnungen. Doch nie habe ich mich mehr gefreut, ihn zu sehen, als Mitte Juni am Strand von Santo André.

Die Heimat der deutschen Nationalmannschaft während der WM in Brasilien ist ein Paradies. Ein kleines Fischerdorf mit zwei Straßen, drei kleinen Einkaufsläden und einigen spektakulär guten Fischrestaurants. Das Schönste an dem Örtchen ist aber der Strand. In einem sanften Bogen schwingt er sich die Küste entlang, gesäumt von Palmen auf der einen und dem Atlantik auf der anderen Seite. Wenn Ebbe ist, kann man hier wunderbar joggen. Hier traf ich eines Morgens durch Zufall den Bundestrainer.

"Ich wusste, wir werden Weltmeister"

Die Hände lässig in den Taschen einer kurzen Trainingshose, die Pilotenbrille auf der Nase, wanderte er am Strand entlang, den Blick fast träumerisch über das Meer gerichtet. Wir plauderten über die Weltmeisterschaft und verabschiedeten uns. Anschließend wusste ich: Deutschland wird Weltmeister. Weil Deutschland den tiefenentspanntesten Löw aller Zeiten hat. Drei Wochen, einen unfassbaren Kantersieg gegen Brasilien und dem wahnsinnig spannenden Finale gegen Argentinien später, war es so weit: Löw reckte den Goldpokal in den Nachthimmel von Rio de Janeiro.

Weltmeister wird man nur mit einem starken Trainer. Solche Trainer werden nicht geboren, sie entstehen in einem langen Prozess. Auch Joachim Löw begann nicht als starker Trainer. Zwar gewann er schon 1997 mit dem VfB Stuttgart den DFB-Pokal. Doch sein Weg an die Spitze war lang und steinig: Fenerbahçe Istanbul, Karlsruher SC, Adanaspor, FC Tirol Innsbruck, Austria Wien – nirgends blieb er länger als ein Jahr.

Wer weiß, wo er im Sommer 2014 gewesen wäre, wenn nicht Jürgen Klinsmann ihn 2004 zu seinem Assistenten gemacht hätte und damit zu einem der Väter des deutschen Fußball-Umbruchs. Am Strand von Santo André wäre er dann vermutlich nicht gewesen. Jedenfalls nicht als der vielleicht coolste Coach der Welt. Ein Weltmeistertrainer, um den die Welt Deutschland beneidet.

"Sie könnten Model sein"

Er trinkt Espresso statt Filterkaffee, trägt taillierte Hemden statt Trainingsjacke, nippt am Rotwein statt am Bier. In einem Interview hauchte eine Journalistin einmal: "Sie sind der erste Bundestrainer, dessen Gesicht wirklich jeder vor Augen hat. Sie könnten Model sein. Das liegt auch an Ihrem Haarschnitt, so als ob die Beatles nie gegangen wären..." Man stelle sich vor, eine ähnliche Frage wäre Jupp Derwall oder Helmut Schön gestellt worden. Sie wären wohl wahlweise schreiend weggelaufen oder vor Lachen unter den Tisch gesackt.

Klinsmann und Löw schenkten dem Fußball ab 2004 etwas Besonderes: Eine nie gekannte Leichtigkeit, gepaart mit akribischer Ernsthaftigkeit und einem neuen Look. "Fußball hat für mich immer etwas mit Ästhetik und Leichtigkeit zu tun", hat Löw einmal gesagt. Und: "Ich habe schon früher viel von Trainern gehalten, die Mut zum Risiko hatten. Es war immer mein innerer Drang, so als Trainer zu sein. Ich gehe gern Risiken ein." Das war faszinierend für die deutschen Fans. Mit großen Augen bestaunte die Öffentlichkeit die Nationalmannschaft, als sie 2010 England und Argentinien aus den Schuhen spielte. Nach den trüben Jahren zu Anfang des Jahrtausends, als die DFB-Auswahl zweimal in Folge in der Gruppenphase einer Europameisterschaft scheiterte, war das wie Mozart nach einem Metal-Konzert.

Wachsame Öffentlichkeit

Doch es war auch ein bisschen unheimlich. Löw wagte einen Gegenentwurf zum gängigen Modell. Seine "flache Hierarchie" wurde nach Siegen gelobt und nach Rückschlägen verdammt. Und je weiter er mit seiner Mannschaft kam, desto ungeduldiger wurde die Öffentlichkeit.

Bei der WM 2008 war Spanien zu stark, das war okay. 2010 in Südafrika auch noch. Aber spätestenszwei Jahre später nach dem verlorenen EM-Halbfinale gegen Italien zürnte Fußball-Deutschland mit seinem Bundestrainer. Musste er wirklich Toni Kroos bringen, der zuvor noch kein Spiel von Beginn bestritten hatte? War es klug, Mesut Özil aus dem Zentrum nach außen zu beordern? Hatte Löw gar seine eigene Spielphilosophie verraten und die Taktik zu sehr nach dem Gegner ausgerichtet?

Die Heftigkeit der Debatte erschütterte Löw. Zuvor war er auf einer Welle der Sympathie geschwommen und bei den Wahlen der beliebtesten Deutschen regelmäßig auf einen der gewählt worden. Und nun diskutierten die Experten, ob das Mitsingen der Hymne Pflicht sein sollte, klagten über fehlende Alphatiere und verhätschelte Nationalspieler. Scheindebatten, die weit am Thema vorbeigingen. Aber warum?

Nur wer heftig liebt, kann schwer getroffen werden. Die Öffentlichkeit reagierte wie ein verstoßener Liebhaber auf das EM-Aus. War die Nationalmannschaft nicht prädestiniert dafür, endlich einen Titel zu holen? Einen Titel, auf den Deutschland schon so lange wartete?

Bedingungsloser Weg

Im Moment der Niederlage zeigte sich, dass Löw noch nicht jenes Renommee hatte, auf das einige seiner Kollegen und Vorgänger sich berufen konnten. Löw ist als Fußballer kein Weltstar gewesen wie Franz Beckenbauer oder Rudi Völler. Als Trainer hatte er keine großen Klubs trainiert wie Louis van Gaal oder Luiz Felipe Scolari. Er wusste spätestens nach dem Italien-Spiel, dass er einen Titel braucht, um wieder in Ruhe arbeiten zu können. Dieser Titel sollte in Brasilien kommen. Im Vorfeld der WM zeigte sich, dass Löw bereit war, diesen entscheidenden Schritt zu gehen. Denn nur die Großen sind bereit, dem Erfolg alles unterzuordnen.

Löws ideale Vorstellung von Fußball sieht aus wie das, was 2010 in Südafrika zu sehen war. Atemberaubende Passfolgen, überfallartiges Umschaltspiel. Dass dabei mitunter die Defensive litt, kalkulierte er ein. Ein 4:3 war ihm lieber als ein 1:0. Fußball als Spektakel. Doch dann reifte in ihm die Erkenntnis: Damit komme ich in Brasilien nicht weit.

Große Herausforderung

Die WM im Herzensland des Fußballs, das wusste Löw, würde Anforderungen an die Mannschaft stellen, die weit über das normale Maß hinausgehen würden. Schon wer in Recife oder Fortaleza die Stadiontreppen hochgeht, ist bei 30 Grad und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit schweißgebadet. Wie es ist, bei diesem Klima 90 Minuten unter teilweise direktem Sonneneinfall zu spielen, mochten sich die Beobachter gar nicht ausmalen.

Diese Bedingungen stellen hohe Anforderungen an die Fitness, das ist sogar jedem Hobbytrainer klar. Doch Kondition allein reicht nicht. Löw ahnte: Er musste sein Ideal vom Tempofußball anpassen, um in Brasilien Erfolg zu haben. Das tat er. Mit zunächst vier gelernten Innenverteidigern in der Abwehrkette und drei defensiven Mittelfeldspielern davor ging er das Turnier an, stellte erst nach dem Achtelfi nale um, als er merkte, dass seine Schlüsselspieler Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira nach Verletzungen wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte waren.

Lange, aber erfolgreiche Reise

Sukzessive steigerte sich die DFB-Auswahl, nahm den Rhythmus des Turniers auf, biss sich in die WM hinein. Die 7:1-Gala gegen Brasilien im Halbfi nale geht in die Geschichte ein als das vielleicht unglaublichste WM-Spiel aller Zeiten. Doch erst im Finale zeigte Löws Team alle Facetten, die ein Weltmeister braucht: Kampfkraft, spielerische Klasse, mannschaftliche Geschlossenheit und Geduld. Als das Werk vollbracht war, sagte Bastian Schweinsteiger zu uns Journalisten: "Lasst den Jogi hochleben. Er hat es am meisten verdient."

Hinter Löw liegt eine lange Reise. Hat er sich dabei verändert? Eigentlich nicht. Er ist authentisch geblieben. Er zwingt sich nicht zum Hochdeutsch, schwingt keine trapattoniesken Reden, verpasst sich keine Kampffrisur, trägt nie Dreitagebart. "Ich habe schnell gemerkt: Ich kann nur überzeugen, wenn ich nach meiner Intuition handle und meinem Gefühl folge", sagte er einmal. Löw wollte es immer als Löw an die Spitze schaffen. Das ist ihm gelungen.

Nun steht er in einer Reihe mit Sepp Herberger, Helmut Schön und Franz Beckenbauer. Legenden, die alle ihren eigenen Weg ganz nach oben gefunden haben. Löw nahm den letzten Schritt auf den Trainer-Olymp mit jener Gelassenheit, die ihn stets umgeben hat. Im Augenblick des Triumphes gab es keine wüsten Gesten, keine Abrechnung mit den Kritikern, die ihn zuvor so gern ins Visier genommen hatten und nun Lobeshymnen anstimmten. Es war eine elegante Freude, die Löw ausstrahlte, fernab aller Bierduschen. Er steht Deutschland gut zu Gesicht, dieser Weltmeistertrainer.