Eine Erfolgsgeschichte - 50 Jahre Bundesliga: Die Saison 1970/1971

Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich startet DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: 1970.

Nach den berauschenden Spielen der Nationalmannschaft bei der WM in Mexiko herrschte berechtigte Vorfreude auf eine spannende und unterhaltsame Saison. Diese Attribute verdiente sich das achte Bundesliga-Jahr vollkommen, leider auch in einer sehr unerfreulichen Hinsicht. Spannend war es in der Tat, bis zuletzt. Erstmals wechselte noch am 34. Spieltag die Tabellenführung und Borussia Mönchengladbach verteidigte dank eines 4:1 in Frankfurt ihren Titel vor den Bayern, denen Borussias Nachbar MSV Duisburg mit einem 2:0 die Meisterschaft vermasselte.

Im Abstiegskampf steckten am letzten Spieltag noch vier Mannschaften, von denen eine Rot-Weiß Essen in die Regionalliga begleiten sollte. Es traf Kickers Offenbach – und die Frage ist berechtigt, was wohl gewesen wäre, wenn nicht?

Wäre der Bundesliga dann der größte Skandal erspart geblieben, den sie in 49 Jahren produziert hat? Die Manipulationen, die angeblich schon ab März 1971 im Abstiegskampf um sich griffen, hatte es so oder so gegeben und ließen sich nicht mehr ungeschehen machen. Doch wären sie jemals herausgekommen und wenn ja, dann wann und in welchem Umfang? Noch heute sind Fragen offen; mindestens elf Spiele waren suspekt, nachweislich manipuliert aber nur sechs. Wie viele Versuche es gegeben hat, das wissen nur die Täter selbst.

Kickers Offenbach jedenfalls hatte Beweise. Präsident Horst-Gregorio Canellas präsentierte am Sonntag nach Saisonschluss auf der Gartenparty zu seinem 50. Geburtstag den geladenen Gästen aus der Fußball-Szene Tonbandaufnahmen. Sie belegten, dass Spieler bereit waren, für Geld Punkte zu verkaufen. Es gab Hinweise darauf, dass sich Mannschaften wie Arminia Bielefeld und RW Oberhausen sowie die Kickers selbst Siege erkauften und sportlich sorgenfreie Mannschaften wie Hertha BSC, Schalke 04 oder der 1. FC Köln auf diese Weise ihr Urlaubsgeld verbessern wollten. Eine Lawine kam ins Rollen. Der ARD-Intendant verlangte in einem Kommentar, "den kriminellen Unsinn namens Fußball" zu stoppen.

Die Zuschauerzahlen stürzten in den Keller und Ermittlungen zogen sich über Jahre. Konsequenzen der Ermittlungen gab es bereits für den Abstieg der nächsten Saison, vorläufig aber hatte die Tabelle Bestand. Sie spuckte einen verdienten Meister aus, der Leidtragender am ersten Skandal der Saison aber freilich drei Nummern kleiner war und keinen kriminellen Hintergrund hatte.

Im April 1971 brach im Heimspiel gegen Werder Bremen der Torpfosten, weil Herbert Laumen nach einer Flanke gehechtet und mit allzu viel Wucht anstelle des Balles im Netz gelandet war. Der Holzpfosten brach und war nicht wieder zu reparieren, woran Borussia beim Stand von 1:1 kurz vor Schluss auch wenig Interesse hatte. Das DFB-Sportgericht verurteilte die Gladbacher wegen offensichtlicher Passivität – die Bremer hatten sich mehr Mühe gegeben beim Wiederaufbau – streng: ein 0:2 am grünen Tisch. Es machte die Meisterschaft noch spannender.

Noch ein Kuriosum beeinflusste den Titelkampf: Am 1. Mai 1971 glaubte Duisburgs Verteidiger Michael Bella einen Pfiff zu hören und nahm wegen der scheinbaren Unterbrechung den Ball im Strafraum in die Hand. Borussias Klaus-Dieter Sieloff verwandelte den fälligen Elfmeter dankend, es blieb das einzige Tor.

Dennoch war der Titel der Weisweiler-Elf keineswegs nur Glückssache. "Wir haben damals Fußball wie von einem anderen Stern gespielt", fand Jupp Heynckes im Rückblick. Der aus Hannover zurück gekehrte Linksaußen schoss damals 19 Tore, Kollege Laumen 20. Für die Torjäger-Kanone reichte es aber nicht. Selbst Gerd Müller (24) musste sich 70/71 einem Mittelfeldspieler beugen: Lothar Kobluhn von RW Oberhausen schoss sensationelle 24 Tore. Die ihm gebührende Kanone für den Torschützenkönig erhielt er aber erst 35 Jahre später. Im April 2008 war auch für den "Kicker" genug Zeit verstrichen, um doch noch einen der wenigen Gewinner in einer schmutzigen Saison auszuzeichnen.

Was war sonst neu im Jahr, in dem die Bundesliga ihre Unschuld verlor? In der Rückrunde wurden die Gelben und Roten Karten eingeführt. Duisburgs Hannes Linßen sah im Januar 1971 als Erster den gelben Karton. Mit Berti Vogts wurde erstmals ein Mönchengladbacher Fußballer des Jahres. Weltenbummler Rudi Gutendorf ging als erster Trainer mit zwei Entlassungen innerhalb einer Saison in die Annalen ein: Schalke feuerte ihn im September, Offenbach im Februar. Und diese Kickers waren der erste Absteiger, den es wegen der schlechteren Tordifferenz erwischte. Ein Tor fehlte. Und wieder bleibt die Frage: was wäre gewesen, wenn nicht?

Fakten der achten Saison:

Tore: 926 (3,03 pro Spiel)
Torschützenkönig: Lothar Kobluhn (RW Oberhausen/24)
Zuschauer: 6.304.856 (20.604 pro Spiel)
Meister: Borussia Mönchengladbach
Absteiger: RW Essen, Kickers Offenbach
Aufsteiger: VfL Bochum, Fortuna Düsseldorf
Trainerentlassungen: 4

[um]

[bild1]

Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich startet DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: 1970.

Nach den berauschenden Spielen der Nationalmannschaft bei der WM in Mexiko herrschte berechtigte Vorfreude auf eine spannende und unterhaltsame Saison. Diese Attribute verdiente sich das achte Bundesliga-Jahr vollkommen, leider auch in einer sehr unerfreulichen Hinsicht. Spannend war es in der Tat, bis zuletzt. Erstmals wechselte noch am 34. Spieltag die Tabellenführung und Borussia Mönchengladbach verteidigte dank eines 4:1 in Frankfurt ihren Titel vor den Bayern, denen Borussias Nachbar MSV Duisburg mit einem 2:0 die Meisterschaft vermasselte.

Im Abstiegskampf steckten am letzten Spieltag noch vier Mannschaften, von denen eine Rot-Weiß Essen in die Regionalliga begleiten sollte. Es traf Kickers Offenbach – und die Frage ist berechtigt, was wohl gewesen wäre, wenn nicht?

Wäre der Bundesliga dann der größte Skandal erspart geblieben, den sie in 49 Jahren produziert hat? Die Manipulationen, die angeblich schon ab März 1971 im Abstiegskampf um sich griffen, hatte es so oder so gegeben und ließen sich nicht mehr ungeschehen machen. Doch wären sie jemals herausgekommen und wenn ja, dann wann und in welchem Umfang? Noch heute sind Fragen offen; mindestens elf Spiele waren suspekt, nachweislich manipuliert aber nur sechs. Wie viele Versuche es gegeben hat, das wissen nur die Täter selbst.

Kickers Offenbach jedenfalls hatte Beweise. Präsident Horst-Gregorio Canellas präsentierte am Sonntag nach Saisonschluss auf der Gartenparty zu seinem 50. Geburtstag den geladenen Gästen aus der Fußball-Szene Tonbandaufnahmen. Sie belegten, dass Spieler bereit waren, für Geld Punkte zu verkaufen. Es gab Hinweise darauf, dass sich Mannschaften wie Arminia Bielefeld und RW Oberhausen sowie die Kickers selbst Siege erkauften und sportlich sorgenfreie Mannschaften wie Hertha BSC, Schalke 04 oder der 1. FC Köln auf diese Weise ihr Urlaubsgeld verbessern wollten. Eine Lawine kam ins Rollen. Der ARD-Intendant verlangte in einem Kommentar, "den kriminellen Unsinn namens Fußball" zu stoppen.

Die Zuschauerzahlen stürzten in den Keller und Ermittlungen zogen sich über Jahre. Konsequenzen der Ermittlungen gab es bereits für den Abstieg der nächsten Saison, vorläufig aber hatte die Tabelle Bestand. Sie spuckte einen verdienten Meister aus, der Leidtragender am ersten Skandal der Saison aber freilich drei Nummern kleiner war und keinen kriminellen Hintergrund hatte.

Im April 1971 brach im Heimspiel gegen Werder Bremen der Torpfosten, weil Herbert Laumen nach einer Flanke gehechtet und mit allzu viel Wucht anstelle des Balles im Netz gelandet war. Der Holzpfosten brach und war nicht wieder zu reparieren, woran Borussia beim Stand von 1:1 kurz vor Schluss auch wenig Interesse hatte. Das DFB-Sportgericht verurteilte die Gladbacher wegen offensichtlicher Passivität – die Bremer hatten sich mehr Mühe gegeben beim Wiederaufbau – streng: ein 0:2 am grünen Tisch. Es machte die Meisterschaft noch spannender.

Noch ein Kuriosum beeinflusste den Titelkampf: Am 1. Mai 1971 glaubte Duisburgs Verteidiger Michael Bella einen Pfiff zu hören und nahm wegen der scheinbaren Unterbrechung den Ball im Strafraum in die Hand. Borussias Klaus-Dieter Sieloff verwandelte den fälligen Elfmeter dankend, es blieb das einzige Tor.

[bild2]

Dennoch war der Titel der Weisweiler-Elf keineswegs nur Glückssache. "Wir haben damals Fußball wie von einem anderen Stern gespielt", fand Jupp Heynckes im Rückblick. Der aus Hannover zurück gekehrte Linksaußen schoss damals 19 Tore, Kollege Laumen 20. Für die Torjäger-Kanone reichte es aber nicht. Selbst Gerd Müller (24) musste sich 70/71 einem Mittelfeldspieler beugen: Lothar Kobluhn von RW Oberhausen schoss sensationelle 24 Tore. Die ihm gebührende Kanone für den Torschützenkönig erhielt er aber erst 35 Jahre später. Im April 2008 war auch für den "Kicker" genug Zeit verstrichen, um doch noch einen der wenigen Gewinner in einer schmutzigen Saison auszuzeichnen.

Was war sonst neu im Jahr, in dem die Bundesliga ihre Unschuld verlor? In der Rückrunde wurden die Gelben und Roten Karten eingeführt. Duisburgs Hannes Linßen sah im Januar 1971 als Erster den gelben Karton. Mit Berti Vogts wurde erstmals ein Mönchengladbacher Fußballer des Jahres. Weltenbummler Rudi Gutendorf ging als erster Trainer mit zwei Entlassungen innerhalb einer Saison in die Annalen ein: Schalke feuerte ihn im September, Offenbach im Februar. Und diese Kickers waren der erste Absteiger, den es wegen der schlechteren Tordifferenz erwischte. Ein Tor fehlte. Und wieder bleibt die Frage: was wäre gewesen, wenn nicht?

Fakten der achten Saison:

Tore: 926 (3,03 pro Spiel)
Torschützenkönig: Lothar Kobluhn (RW Oberhausen/24)
Zuschauer: 6.304.856 (20.604 pro Spiel)
Meister: Borussia Mönchengladbach
Absteiger: RW Essen, Kickers Offenbach
Aufsteiger: VfL Bochum, Fortuna Düsseldorf
Trainerentlassungen: 4