Eine Erfolgsgeschichte - 50 Jahre Bundesliga: Die Saison 1965/66

Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich startet DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: 1965.

Der Start in die erste Saison mit 18 Klubs war nicht sonderlich originell: Das erste Tor erzielte Timo Konietzka in der ersten Minute. Alles schon mal dagewesen, bei der Bundesliga-Premiere 1963 war der Stürmer mit dem Bürstenhaarschnitt ebenfalls der Schnellste. Und doch war alles anders. Diesmal traf er für 1860 München, den kommenden Meister, und nicht für Borussia Dortmund, den damals amtierenden. Und er traf nicht gegen Werder Bremen, sondern gegen eine ganz neue Bundesliga-Mannschaft: den FC Bayern München.

Denn 1965/1966 war gewissermaßen das Jahr der großen Entdeckungen. Zwei der drei Aufsteiger sollten die Bundesliga bis heute hin ungeheuer bereichern, ihre besten Spieler wurden zu lebenden Legenden. Und auch der Dritte machte sich unsterblich - lächerlich. Der Reihe nach: Die Bayern stürmten mit ihren kommenden Weltstars Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Gerd Müller die Liga, waren viermal Tabellenführer und liefen auf Platz drei ein. Dieser Aufsteigerrekord sollte 32 Jahre halten. Auch waren sie der erste Aufsteiger, der den DFB-Pokal gewann (4:2 gegen Meidericher SV). Franz Beckenbauer wurde schon nach dem sechsten Bundesligaspiel Nationalspieler, stand nach der Saison bei der WM im Wembley-Finale und wurde mit erst 21 Fußballer des Jahres 1966 – a star was born. Sein drolliger Trainer Tschik Cajkovski sagte schon im Herbst 1965 stolz: "Meine Mannschaft ist ein Wunder."

Auch die Gladbacher "Fohlen-Elf", wie man sie wegen ihrer ungestümen Spielart nannte, sorgte für Furore. Beispielsweise beim 8:3 gegen Rekordmeister 1. FC Nürnberg. Da ihr zum Leidwesen von Trainer Hennes Weisweiler freilich jegliches Defensiv-Verständnis abging, landete sie mit 68 Gegentoren auf dem 13. Platz. Aber die Liga schwärmte von Namen wie Netzer, Vogts, Rupp und Laumen. Sie waren ein Versprechen auf große Zeiten.

Die Gegenwart aber regierte 1860 München, das wiederum von Max Merkel regiert wurde. Das Motto des Wiener Meister-Trainers: "Mit Zuckerbrot und Peitsche!" Seine Spieler hatten regelrecht Angst vor ihm, aber die macht ja bekanntlich Beine. Allen voran dem extrovertierten Jugoslawen Petar Radenkovic, dem ersten stürmenden Torwart der Bundesliga. Er kam nicht nur bei Eckbällen nach vorn, sondern wagte zur Freude der Massen mitten im Spiel so manches Dribbling. Auch wenn es zuweilen schief ging...

Vor ihm gaben sechs Nationalspieler den Takt an: Alfred Heiß, Rudi Brunnenmeier, Timo Konietzka, Peter Grosser, Hans Rebele und Hans Küppers schossen 79 der 80 Saisontore. Zur WM fuhr trotzdem keiner, ein Kuriosum der DFB-Historie. Zuhause blieben die "Löwen" ungeschlagen, ihre einzige Meisterschaft aber sicherten sie sich auswärts. Am 33. Spieltag siegten die Münchner im Stadion Rote Erde bei Tabellenführer Borussia Dortmund, der als gerade gekürter Europacupsieger nicht mehr genügend entgegenzusetzen hatte, 2:0.

"Die zusätzlichen Europacupspiele haben uns geschlaucht", entschuldigte Trainer Willy Multhaup, der Werder Bremen nach dem Titel 1965 verlassen hatte, um die Schale nach Dortmund zu bringen. Das misslang, aber der erste Europacupsieg einer deutschen Mannschaft (2:1 gegen Liverpool) war ein mehr als ausreichender Trost. Und so stiegen im Frühsommer 1966 in München nach dem abschließenden 1:1 der "Löwen" gegen den HSV gleich zwei Siegesfeiern. Die kleinen Bayern holten den Pokal, die großen "Löwen" die Meisterschale. Es war das letzte Jahr der alten Ordnung in der Bayern–Metropole, danach setzten die "Roten" zum Überholen an.

Berlins beste Mannschaft war gewiss nicht Tasmania, aber bekanntlich durfte der Klub die geteilte Stadt nach Herthas Rauswurf aus sportpolitischen Gründen vertreten. Die Spieler erfuhren 1965 im Sommerurlaub davon. Im Radio ergingen nämlich flehentliche Aufrufe des Vorstands, sie möchten sich bitte zum Training einfinden, man sei jetzt in der Bundesliga. Das unverhoffte Glück wurde zur Farce. Zwar gewann "Tas", mit dem alternden Nationalspieler Horst Szymaniak noch spektakulär verstärkt, sein Auftaktspiel (2:0 gegen Karlsruhe), doch mit dem zweiten Sieg ließen sich die Berliner bis zum letzten Heimspiel Zeit. Immerhin bewiesen sie Sportsgeist, beförderten sie doch Borussia Neunkirchen zurück in die Regionalliga.

Alle anderen hatten dagegen ziemlich leichtes Spiel mit Tasmania, das Rekorde für die Ewigkeit aufstellte: 15:108 Tore, 8:60 Punkte sicherten ihr den letzten Platz in der ewigen Bundesligatabelle. Nie wartete ein Team länger auf einen Sieg (31 Spiele). Nie verlor eine Heimmannschaft höher (0:9 gegen Meiderich) und nie wollten weniger Fans ein Spiel sehen als im Januar 1966 (827). Dabei holte der Absteiger gegen Gladbach im gähnend leeren Olympiastadion sogar einen seiner seltenen Punkte (0:0).

Bessere Erinnerungen an die dritte Saison hatte Lothar Emmerich. Der Dortmunder Linksaußen schoss 31 Tore, wurde vor Konietzka Torschützenkönig und spielte bei der WM – und dann nie wieder im DFB-Trikot. Etwas unauffällig im Hintergrund mit 14 Toren hielt sich ein gewisser Gerd Müller. Auch er kam aus dem Nichts im Jahr der großen Entdeckungen.

Fakten der dritten Saison:

Tore: 987 (3,23 pro Spiel)
Torschützenkönig: Lothar Emmerich (BVB) 31 Tore
Zuschauer: 7.094.666 (23.185 pro Spiel)
Meister: 1860 München
Absteiger: Tasmania Berlin, Borussia Neunkirchen
Aufsteiger: Fortuna Düsseldorf, Rot-Weiß Essen
Trainerentlassungen: 4

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Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich startet DFB.de eine neue Serie. In "Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga" fasst DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: 1965.

Der Start in die erste Saison mit 18 Klubs war nicht sonderlich originell: Das erste Tor erzielte Timo Konietzka in der ersten Minute. Alles schon mal dagewesen, bei der Bundesliga-Premiere 1963 war der Stürmer mit dem Bürstenhaarschnitt ebenfalls der Schnellste. Und doch war alles anders. Diesmal traf er für 1860 München, den kommenden Meister, und nicht für Borussia Dortmund, den damals amtierenden. Und er traf nicht gegen Werder Bremen, sondern gegen eine ganz neue Bundesliga-Mannschaft: den FC Bayern München.

Denn 1965/1966 war gewissermaßen das Jahr der großen Entdeckungen. Zwei der drei Aufsteiger sollten die Bundesliga bis heute hin ungeheuer bereichern, ihre besten Spieler wurden zu lebenden Legenden. Und auch der Dritte machte sich unsterblich - lächerlich. Der Reihe nach: Die Bayern stürmten mit ihren kommenden Weltstars Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Gerd Müller die Liga, waren viermal Tabellenführer und liefen auf Platz drei ein. Dieser Aufsteigerrekord sollte 32 Jahre halten. Auch waren sie der erste Aufsteiger, der den DFB-Pokal gewann (4:2 gegen Meidericher SV). Franz Beckenbauer wurde schon nach dem sechsten Bundesligaspiel Nationalspieler, stand nach der Saison bei der WM im Wembley-Finale und wurde mit erst 21 Fußballer des Jahres 1966 – a star was born. Sein drolliger Trainer Tschik Cajkovski sagte schon im Herbst 1965 stolz: "Meine Mannschaft ist ein Wunder."

Auch die Gladbacher "Fohlen-Elf", wie man sie wegen ihrer ungestümen Spielart nannte, sorgte für Furore. Beispielsweise beim 8:3 gegen Rekordmeister 1. FC Nürnberg. Da ihr zum Leidwesen von Trainer Hennes Weisweiler freilich jegliches Defensiv-Verständnis abging, landete sie mit 68 Gegentoren auf dem 13. Platz. Aber die Liga schwärmte von Namen wie Netzer, Vogts, Rupp und Laumen. Sie waren ein Versprechen auf große Zeiten.

Die Gegenwart aber regierte 1860 München, das wiederum von Max Merkel regiert wurde. Das Motto des Wiener Meister-Trainers: "Mit Zuckerbrot und Peitsche!" Seine Spieler hatten regelrecht Angst vor ihm, aber die macht ja bekanntlich Beine. Allen voran dem extrovertierten Jugoslawen Petar Radenkovic, dem ersten stürmenden Torwart der Bundesliga. Er kam nicht nur bei Eckbällen nach vorn, sondern wagte zur Freude der Massen mitten im Spiel so manches Dribbling. Auch wenn es zuweilen schief ging...

Vor ihm gaben sechs Nationalspieler den Takt an: Alfred Heiß, Rudi Brunnenmeier, Timo Konietzka, Peter Grosser, Hans Rebele und Hans Küppers schossen 79 der 80 Saisontore. Zur WM fuhr trotzdem keiner, ein Kuriosum der DFB-Historie. Zuhause blieben die "Löwen" ungeschlagen, ihre einzige Meisterschaft aber sicherten sie sich auswärts. Am 33. Spieltag siegten die Münchner im Stadion Rote Erde bei Tabellenführer Borussia Dortmund, der als gerade gekürter Europacupsieger nicht mehr genügend entgegenzusetzen hatte, 2:0.

"Die zusätzlichen Europacupspiele haben uns geschlaucht", entschuldigte Trainer Willy Multhaup, der Werder Bremen nach dem Titel 1965 verlassen hatte, um die Schale nach Dortmund zu bringen. Das misslang, aber der erste Europacupsieg einer deutschen Mannschaft (2:1 gegen Liverpool) war ein mehr als ausreichender Trost. Und so stiegen im Frühsommer 1966 in München nach dem abschließenden 1:1 der "Löwen" gegen den HSV gleich zwei Siegesfeiern. Die kleinen Bayern holten den Pokal, die großen "Löwen" die Meisterschale. Es war das letzte Jahr der alten Ordnung in der Bayern–Metropole, danach setzten die "Roten" zum Überholen an.

Berlins beste Mannschaft war gewiss nicht Tasmania, aber bekanntlich durfte der Klub die geteilte Stadt nach Herthas Rauswurf aus sportpolitischen Gründen vertreten. Die Spieler erfuhren 1965 im Sommerurlaub davon. Im Radio ergingen nämlich flehentliche Aufrufe des Vorstands, sie möchten sich bitte zum Training einfinden, man sei jetzt in der Bundesliga. Das unverhoffte Glück wurde zur Farce. Zwar gewann "Tas", mit dem alternden Nationalspieler Horst Szymaniak noch spektakulär verstärkt, sein Auftaktspiel (2:0 gegen Karlsruhe), doch mit dem zweiten Sieg ließen sich die Berliner bis zum letzten Heimspiel Zeit. Immerhin bewiesen sie Sportsgeist, beförderten sie doch Borussia Neunkirchen zurück in die Regionalliga.

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Alle anderen hatten dagegen ziemlich leichtes Spiel mit Tasmania, das Rekorde für die Ewigkeit aufstellte: 15:108 Tore, 8:60 Punkte sicherten ihr den letzten Platz in der ewigen Bundesligatabelle. Nie wartete ein Team länger auf einen Sieg (31 Spiele). Nie verlor eine Heimmannschaft höher (0:9 gegen Meiderich) und nie wollten weniger Fans ein Spiel sehen als im Januar 1966 (827). Dabei holte der Absteiger gegen Gladbach im gähnend leeren Olympiastadion sogar einen seiner seltenen Punkte (0:0).

Bessere Erinnerungen an die dritte Saison hatte Lothar Emmerich. Der Dortmunder Linksaußen schoss 31 Tore, wurde vor Konietzka Torschützenkönig und spielte bei der WM – und dann nie wieder im DFB-Trikot. Etwas unauffällig im Hintergrund mit 14 Toren hielt sich ein gewisser Gerd Müller. Auch er kam aus dem Nichts im Jahr der großen Entdeckungen.

Fakten der dritten Saison:

Tore: 987 (3,23 pro Spiel)
Torschützenkönig: Lothar Emmerich (BVB) 31 Tore
Zuschauer: 7.094.666 (23.185 pro Spiel)
Meister: 1860 München
Absteiger: Tasmania Berlin, Borussia Neunkirchen
Aufsteiger: Fortuna Düsseldorf, Rot-Weiß Essen
Trainerentlassungen: 4