"Ein Trainer muss kein Zuchtmeister sein"

Frage: Sie haben fast zehn Jahre in Spanien und Portugal gearbeitet und hochklassigen Fußball kennen gelernt. Wo steht die Bundesliga im internationalen Vergleich?

Heynckes: Mein Faible für Spanien ist ja bekannt. Der FC Barcelona ist nicht umsonst Sieger der Champions League geworden. In Spanien wird der kultivierteste und kreativste Fußball gespielt. Aber 2008, im Jahr davor, standen zwei englische Mannschaften (Manchester United und FC Chelsea) im Finale. Hinter den Engländern kommt schon der deutsche Fußball. Frankreich darf man nicht vergessen, die Italiener haben, was die Attraktivität betrifft, etwas nachgelassen. Für die Bundesliga gilt: Die Breite in der Spitze war noch nie so groß wie augenblicklich. Wolfsburg, Hamburg, Stuttgart, der FC Bayern, Bremen und vielleicht auch wir von Bayer haben richtig gutes Fußball-Potenzial. Wir bewegen uns in Richtung spanischem Fußball.

Frage: Als ehemaliger Nationalspieler - Welt- und Europameister - sind Sie eng mit der Nationalmannschaft verbunden. Wie ist das augenblickliche Team in der Geschichte des DFB einzuordnen?

Heynckes: Wir haben durch die Erfolge in den U 17-, U 19- und U 21-Mannschaften, die ja das Sprungbrett zur A-Nationalmannschaft sind, eine hervorragende Ausgangssituation. Da kommt was nach. Das braucht natürlich seine Zeit. Ich bin sehr optimistisch, dass wir in den nächsten Jahren eine noch bessere Nationalmannschaft bekommen, mit der wir auch wieder große Titel gewinnen können. Joachim Löw und sein Team haben das sehr gut gemacht. Die WM in Südafrika wird eine Bewährungsprobe werden, aber ich bin sicher, wir werden uns da exzellent vorbereitet mit einem guten Team bestens präsentieren.

Frage: Aus ihrem Klub sind René Adler, Simon Rolfes, Stefan Kießling, Gonzalo Castro und der derzeit verletzte Patrick Helmes Nationalspieler. Keiner von ihnen ist derzeit aber Stammspieler. Wie sehen Sie deren Entwicklung?

Heynckes: Ich habe ihnen gesagt, ihre Chancen würden steigen, wenn sie als Mannschaft in der Bundesliga Erfolg haben. Dann rücken sie automatisch enger an einen Stammplatz. Castro hat großes Talent, er ist auf dem besten Weg, daraus mehr zu machen. Kießling entwickelt sich gut, Rolfes ist schon jetzt ein heißer Kandidat. Er wird noch besser werden. Adler ist für mich ein Super-Torwart. Ich habe ja aus den vielen Jahren meiner Tätigkeit gute Vergleichsmöglichkeiten: Er ist mit seinen 24 Jahren sehr weit in seiner Persönlichkeitsstruktur, seine Körpersprache, wie er sich auf dem Platz und außerhalb präsentiert, das ist hervorragend. Auch vom Intellekt bringt er viel mit. Er wird bei uns zur Führungsperson, er spricht Dinge kritisch an. Er kann die Nummer 1 werden, wenn ein Trainer bedingungslos zu ihm steht.

Frage: So wie sie es bei ihrem Intermezzo in München mit Lukas Podolski getan haben?

Heynckes: Genau. Man hat ja gesehen, wie sich dieses Vertrauen auszahlen kann. Auch Schweinsteiger hat ja plötzlich wieder viel besser gespielt.



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Nach dem kurzen, aber erfolgreichen Aushilfsjob beim FC Bayern München sitzt Jupp Heynckes seit Saisonbeginn bei Bayer 04 Leverkusen auf der Trainerbank. "Mit dem Alter kommt auch die Gelassenheit", sagt der 64-Jährige im aktuellen Interview auf DFB.de.

Die alte Leidenschaft ist geblieben. Mit einer jungen Mannschaft will Heynckes erfrischenden, erfolgreichen Fußball spielen lassen. Mit dem Journalisten Ludger Schulze hat er vor dem Länderspiel der Nationalmannschaft am Samstag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Leverkusen gegen Südafrika über den Umgang mit Talenten, das Niveau der Bundesliga und die Perspektiven des deutschen Fußballs gesprochen.

Frage: Herr Heynckes, Sie haben eines der erstaunlichsten Comebacks der Bundesliga gefeiert. Nach langer Auszeit stürzen Sie sich wieder ins Getümmel. Warum tun Sie sich das an - Sie hätten doch behaglich die Rosen schneiden und die Äpfel ernten können auf Ihrem Grundstück nahe Mönchengladbach?

Jupp Heynckes: Wir haben auch Himbeeren, Erdbeeren und Pflaumen, sogar Kiwis im Garten. Aber die Frage ist falsch gestellt: Ich tue mir nichts an. In den fünf Wochen bei Bayern München in der vergangenen Saison habe ich gemerkt, welch große Freude mir die Arbeit mit jungen Leuten macht. Genau deswegen habe ich auch Bayer 04 Leverkusen zugesagt. Der Verein ist organisatorisch bestens aufgestellt, die Mannschaft kann attraktiven Fußball spielen. Ich persönlich kann die Begleitumstände besser als früher kanalisieren, Erfolg wie Misserfolg. Mit dem Alter kommt auch die Gelassenheit, man lernt, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Hingabe und Leidenschaft allerdings sind mir von früher geblieben.

Frage: Sie haben schon bei ganz großen Klubs, auch in Spanien und Portugal, gearbeitet. Welche Arbeitsmöglichkeiten finden Sie vergleichsweise in Leverkusen vor?

Heynckes: Bedingt auch durch das modernisierte Stadion: perfekte Bedingungen. Wir haben eine fantastische sportliche Infrastruktur, gleichwertig mit dem FC Bayern. Alle Abteilungen sind hervorragend organisiert, die Scouting-Abteilung ist groß und sehr gut, in Rudi Völler habe ich einen Ansprechpartner, der ein großer Spieler war und nun eine Integrationsfigur im Klub ist und mit dem ich hervorragend harmoniere. Und Wolfgang Holzhäuser als Chef der Fußball-Abteilung ist ein humorvoller Mann mit einem sehr hellen Kopf.

Frage: Was ist der Unterschied zwischen Bayern München und Bayer Leverkusen?

Heynckes: Der FC Bayern hat eine größere Tradition und größere Erfolge in der Vergangenheit.

Frage: Sie haben fast zehn Jahre in Spanien und Portugal gearbeitet und hochklassigen Fußball kennen gelernt. Wo steht die Bundesliga im internationalen Vergleich?

Heynckes: Mein Faible für Spanien ist ja bekannt. Der FC Barcelona ist nicht umsonst Sieger der Champions League geworden. In Spanien wird der kultivierteste und kreativste Fußball gespielt. Aber 2008, im Jahr davor, standen zwei englische Mannschaften (Manchester United und FC Chelsea) im Finale. Hinter den Engländern kommt schon der deutsche Fußball. Frankreich darf man nicht vergessen, die Italiener haben, was die Attraktivität betrifft, etwas nachgelassen. Für die Bundesliga gilt: Die Breite in der Spitze war noch nie so groß wie augenblicklich. Wolfsburg, Hamburg, Stuttgart, der FC Bayern, Bremen und vielleicht auch wir von Bayer haben richtig gutes Fußball-Potenzial. Wir bewegen uns in Richtung spanischem Fußball.

Frage: Als ehemaliger Nationalspieler - Welt- und Europameister - sind Sie eng mit der Nationalmannschaft verbunden. Wie ist das augenblickliche Team in der Geschichte des DFB einzuordnen?

Heynckes: Wir haben durch die Erfolge in den U 17-, U 19- und U 21-Mannschaften, die ja das Sprungbrett zur A-Nationalmannschaft sind, eine hervorragende Ausgangssituation. Da kommt was nach. Das braucht natürlich seine Zeit. Ich bin sehr optimistisch, dass wir in den nächsten Jahren eine noch bessere Nationalmannschaft bekommen, mit der wir auch wieder große Titel gewinnen können. Joachim Löw und sein Team haben das sehr gut gemacht. Die WM in Südafrika wird eine Bewährungsprobe werden, aber ich bin sicher, wir werden uns da exzellent vorbereitet mit einem guten Team bestens präsentieren.

Frage: Aus ihrem Klub sind René Adler, Simon Rolfes, Stefan Kießling, Gonzalo Castro und der derzeit verletzte Patrick Helmes Nationalspieler. Keiner von ihnen ist derzeit aber Stammspieler. Wie sehen Sie deren Entwicklung?

Heynckes: Ich habe ihnen gesagt, ihre Chancen würden steigen, wenn sie als Mannschaft in der Bundesliga Erfolg haben. Dann rücken sie automatisch enger an einen Stammplatz. Castro hat großes Talent, er ist auf dem besten Weg, daraus mehr zu machen. Kießling entwickelt sich gut, Rolfes ist schon jetzt ein heißer Kandidat. Er wird noch besser werden. Adler ist für mich ein Super-Torwart. Ich habe ja aus den vielen Jahren meiner Tätigkeit gute Vergleichsmöglichkeiten: Er ist mit seinen 24 Jahren sehr weit in seiner Persönlichkeitsstruktur, seine Körpersprache, wie er sich auf dem Platz und außerhalb präsentiert, das ist hervorragend. Auch vom Intellekt bringt er viel mit. Er wird bei uns zur Führungsperson, er spricht Dinge kritisch an. Er kann die Nummer 1 werden, wenn ein Trainer bedingungslos zu ihm steht.

Frage: So wie sie es bei ihrem Intermezzo in München mit Lukas Podolski getan haben?

Heynckes: Genau. Man hat ja gesehen, wie sich dieses Vertrauen auszahlen kann. Auch Schweinsteiger hat ja plötzlich wieder viel besser gespielt.

Frage: Das unbedingte Vertrauen in einen Spieler wirkt sich unmittelbar auf dem Platz aus?

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Heynckes: Ja. Man muss ihnen zwar zeigen, was sie besser machen können, das schon. Da muss man ehrlich und offen zu ihnen sein. Aber den vielfältigen Druck, der auf ihnen lastet, den muss man von so weit wie möglich ihnen nehmen; Druck von Vereinsseite, von Medien, von Sponsoren, Freunden und Beratern. Da muss der Trainer Vertrauensperson sein, nicht Zuchtmeister.

Frage: Leverkusen ist der Ort des Länderspiels gegen Südafrika. Was erwartet die Nationalmannschaft im neuen Stadion?

Heynckes: Es ist ein Schmuckkästchen, es wird eine tolle Stimmung herrschen.

Frage: Im entscheidenden Qualifikationsspiel in Moskau muss das Team von Bundestrainer Joachim Löw auf Kunstrasen spielen. Hat die Mannschaft auf so ungewohntem Untergrund überhaupt eine Chance?

Heynckes: Natürlich. Man wird sich ja bestimmt entsprechend vorbereiten und auf Kunstrasen trainieren. Selbstverständlich werden wir uns qualifizieren, wir haben das ja immer geschafft. Wir haben die Fähigkeit, uns in solch entscheidenden Spielen auf den Punkt zu konzentrieren. Gegen die Russen muss man sehr diszipliniert spielen und hinten gut stehen, aggressiv sein und den Gegenspielern wenig Raum geben. Dann hat man gegen sie Erfolg.