Eigenrauch: „Der DFB hat in Leipzig ein Zeichen gesetzt“

Frage: Die UEFA hat vor wenigen Tagen bekannt gegeben, künftig im Fall von rassistischem Fanverhalten Spiele abzubrechen. Geht diese Maßnahme nicht zu weit?

Yves Eigenrauch: Die UEFA kann gar nicht weit genug gehen. Alle müssen im Kampf gegen Rassismus Courage zeigen. Ich würde mir wünschen, dass mal eine ganze Mannschaft, wenn ein schwarzer Mitspieler diffamiert wird, komplett den Platz verlässt, und wenn es nur für zehn Minuten ist. Das wäre ein gutes und wirksames Zeichen.

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Für die Fans hat Yves Eigenrauch immer schon großen Einsatz gezeigt: ob als willensstarker Verteidiger, der zwischen 1991 und 2002 insgesamt 229 Bundesligaspiele für den FC Schalke 04 bestritt, oder in seiner heutigen Aufgabe als Mitarbeiter der mehrfach ausgezeichneten Faninitiative „Dem Ball is’ egal, wer ihn tritt“.

Schon in den Tagen, als er in Königsblau gegnerische Stürmer ausschaltete, engagierte sich der heute 36-jährige Eigenrauch für anti-rassistische Fanarbeit: „Wir waren damals ein paar Leute, die es einfach zu blöd fanden, dass grandiosen Spielern wie Anthony Yeboah und Souleyman Sané beim Auflaufen Bananen entgegenflogen. So ist das Schalker Fan-Projekt entstanden.“ Keine Überraschung also, dass Eigenrauch am Fan-Kongress „Fußball ist unser Leben – eine Annäherung“ in Leipzig teilnahm.

1997 gewann er mit Schalke 04 den UEFA-Pokal, 2001 und 2002 den DFB-Pokal. Für einen Verteidiger ist seine Fairplay-Bilanz bemerkenswert: In seiner gesamten Bundesligazeit erhielt er nur 16 Verwarnungen, vom Platz gestellt wurde er nie. Ausgewechselt wurde dagegen Ronaldo: Nach 112 Minuten schlich der Weltstar am 18. März 1998 vom Platz, nachdem „Yyyyyves“, wie ihn die Schalker Fans riefen, dem Brasilianer im UEFA-Cup-Viertelfinalspiel komplett den Schneid abgekauft hatte. Ein Karriere-Höhepunkt.

Im „DFB.de-Gespräch der Woche“ mit DFB-Internetredakteur Thomas Hackbarth äußert sich Yves Eigenrauch zu dem kontroversen Thema „Stadionverbote“ und berichtet aus seiner Kindheit, als er in der D-Jugend selbst erfahren musste, wie Diskriminierung funktioniert.

Frage: Herr Eigenrauch, im großen Hörsaal der Leipziger Universität war fast jeder Platz besetzt. Die Resonanz auf den ersten bundesweiten Fan-Kongress war überwältigend. DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger eröffnete, DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt sprach das Schlusswort. Wie bewerten Sie den Fan-Kongress?

Yves Eigenrauch: Vom DFB ist durch die Einladung ein Signal ausgegangen, hier wurde ein Zeichen gesetzt. Die Stimme der Fans wird gehört, und das wird von den Fans sehr positiv aufgenommen. Es wird sachlich und informiert debattiert, in Leipzig ging es wirklich um die Inhalte. Wenn man sich, wie ich, schon eine Weile mit der Materie beschäftigt, weiss man auch, dass es schwer sein wird, alle Interessen zu bündeln. Aber der Dialog darf nach Leipzig nicht einschlafen.

Frage: Der Kongress bringt beim kontroversen Thema „Stadionverbote“ eine deutliche Annäherung. Der DFB will für mehr Gerechtigkeit und Transparenz sorgen. Der Einzelfall soll nach Möglichkeit beurteilt werden. Schon zum Jahresbeginn 2008 will der DFB, auch im Dialog mit den Fans, die Richtlinien anpassen. Wie denken Sie als ehemaliger Bundesliga-Spieler über Stadionverbote?

Yves Eigenrauch: Klar ist doch, dass die Fan-Repräsentanten niemals die komplette Abschaffung des Stadionverbots gefordert haben. Gleichzeitig kann es beim Stadionverbot nicht ausschließlich um eine Maßnahme zur Ausgrenzung gehen. Dann nämlich verlagert sich das Problem nur. Ich unterstütze die Idee, künftig Verbote bei leichteren Vergehen auch auf Bewährung auszusprechen.

Frage: Das klingt sehr verständnisvoll. Ist denn nicht irgendwann das Maß voll? Müssen nicht auch Fans für ihr Fehlverhalten Verantwortung übernehmen?

Yves Eigenrauch: Fans haben nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Etwa beim Thema Diskriminierung würde ich mir mehr Engagement wünschen. Hier muss noch mehr ein Bewusstsein einsetzen, dass Fußball unser Sport ist, und dass wir uns das Erlebnis Fußball nicht durch rassistische Parolen im Stadion kaputt machen lassen.

Frage: Sehen Sie aufgrund der Arbeit der Fan-Projekte eine Besserung bei dem Bemühen, Rassismus und Diskriminierung aus den Stadien zu vertreiben?

Yves Eigenrauch: Das sind ja auch gesellschaftliche Probleme. Die Verantwortlichen, ob beim Verband, auf Seiten der Vereine oder in den Fanprojekten, werden diese Aufgabe nicht alleine lösen können. Als D-Jugendlicher habe ich selbst erleben müssen, wie Diskriminierung funktioniert. Ich war der beste Spieler meiner Mannschaft, aber weil ich schulterlange Haare hatte, durfte ich ein halbes Jahr nicht spielen. Das Trainergespann unseres Jugendteams sagte einfach: ‚So kommst du uns nicht auf den Platz’.

Frage: „Dem Ball is’ egal, wer ihn tritt“ läuft sehr erfolgreich. Für die Aktivitäten rund um die FIFA WM 2006 wurde Ihrer Faninitiative vom DFB der Julius Hirsch Preis verliehen. Sind Sie mit den Fortschritten zufrieden?

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Yves Eigenrauch: Unsere Aktion ‚Zeig Rassismus die Rote Karte’ fand in den Medien großen Niederschlag und wurde etwa an den Schulen mit großer Begeisterung angenommen. Sicher reichen solche plakative Aktionen nicht aus, aber sie sind ein Denkanstoß. Fanarbeit muss immer langfristig angelegt sein. Wichtig ist die tägliche Basisarbeit. Daneben muss erkannt werden, dass die einzelnen Projekte auch um die Bewilligung von Geldern konkurrieren. Aber diese Konkurrenz darf nicht übertrieben werden. Die Sache muss im Mittelpunkt stehen.

Frage: Wie ist denn die Situation in der Bundesliga unter den Spielern selbst? Kommt es dort zu rassistischen Beschimpfungen?

Yves Eigenrauch: Im Spiel versuchen immer ein paar Jungs, den Gegner zu provozieren. Dabei wird dann auch mal ein rassistischer Spruch abgefeuert. Unter den Profis gilt oft das Gesetz: ‚Auf dem Platz zählt nicht’. Gleichzeitig sollten die Spieler an ihre Vorbildfunktion denken. Gerade der Nachwuchs guckt sich solche Verhaltensmuster ab. Bei vielen wichtigen Themen kann der Fußball jedenfalls unglaublich viel bewegen. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten.

Frage: Die UEFA hat vor wenigen Tagen bekannt gegeben, künftig im Fall von rassistischem Fanverhalten Spiele abzubrechen. Geht diese Maßnahme nicht zu weit?

Yves Eigenrauch: Die UEFA kann gar nicht weit genug gehen. Alle müssen im Kampf gegen Rassismus Courage zeigen. Ich würde mir wünschen, dass mal eine ganze Mannschaft, wenn ein schwarzer Mitspieler diffamiert wird, komplett den Platz verlässt, und wenn es nur für zehn Minuten ist. Das wäre ein gutes und wirksames Zeichen.