Ehrenamt: "Keener da, mach du mal"

25.324 Vereine mit 161.727 Mannschaften verteilen sich auf 357.000 Quadratkilometer Deutschland. Überall wird Herausragendes geleistet, um die Vereine zu führen und weiterzuentwickeln. Der Fußball lebt vom und durch das Ehrenamt. Welchen Belastungen sind Ehrenamtler ausgesetzt, welche Wertschätzung erhalten sie? Und was ist der ganz besondere Kick? DFB.de fragte vier Ehrenamtler aus dem Club 100 des Deutschen Fußball-Bundes - ziemlich weit im Osten und Westen, im Süden und Norden Deutschlands.

Als wäre es gestern gewesen, sieht er den kleinen Jogi Löw vor sich. "Technisch sehr gut, auffallend gut konnte der kicken." Klaus Asal war Mitte der 70er-Jahre Jugendleiter beim Fußballverein in Hausen, einer Gemeinde im Dreiländereck Frankreich, Schweiz und Deutschland. Schwarzwald, Landkreis Lörrach. Hausens Nachbarort heißt Schönau. Dort rannte der heutige Bundestrainer dem Fußball hinterher, damals, als er noch ein kleiner Junge war. "In den Spielen gegen Schönau mit dem jungen Jogi gab es für uns immer auf die Mütze", erzählt Asal.

Vier Jahrzehnte sind seitdem vergangen. Seinem kleinen Klub hat er eine bemerkenswerte Nachwuchsabteilung aufgebaut. 16 Juniorenteams sind im Spielbetrieb angemeldet. Klaus Asal ist heute Rentner und irgendwie auch nicht. Denn aktiv ist er fast mehr als je zuvor. Seit neuestem liegen Solarzellen auf dem Dach des Vereinsheims. "Ich habe jetzt ja Zeit", sagt er schmunzelnd.

"Learning by doing"

1,7 Millionen Menschen in Deutschland engagieren sich freiwillig für den Fußball. 370.000 von Ihnen machen das, was Klaus Asal macht. Sie üben ein Ehrenamt in ihren Vereinen aus. Doch es wird immer schwerer neue Menschen zu finden, die sich engagieren möchten. Dies liegt auch an den veränderten Erwartungen an die ehrenamtliche Tätigkeit. Ehrenamt früher – das war eine dauerhafte emotionale Bindung, selbstlos und zumeist nach dem Prinzip "learning by doing". Heute und morgen geht es oft um ein zeitlich befristetes, pragmatisch ausgewähltes Engagement. Die Erwartungen an die Kompetenzen der Ehrenamtlichen steigen stetig. Die Möglichkeiten, etwas Sinnvolles für sich zu tun, aber auch.

Viel weiter westlich als Gangelt geht nicht. Deutschland buchtet sich hier oberhalb von Aachen nochmal aus, eigentlich liegt die Region schon in den Niederlanden. Frank Kreiten ist einer der jungen Ehrenamtler, die den Ball ins Rollen bringen. Menschen wie den Studenten will der DFB mit seiner Anerkennungskultur und dem DFB-Ehrenamtspreis wertschätzen und motivieren. Zum Weitermachen. Zum mehr machen. Seit 2010 ist Kreiten Geschäftsführer von Eintracht Birgden und, nach der Fusion im Jahr 2012, des Nachfolgevereins SVG Birgden-Langbroich-Schierwaldenrath. "Ich wurde damals ins kalte Wasser geworfen, anfangs war es nicht so leicht", sagt der knapp 30 Jährige. "Mir fehlte vor sechs Jahren noch ein Stück weit die Persönlichkeit für diese Aufgabe."

Er hat sich inzwischen im kalten Wasser freigeschwommen. Und ihm ist warm geworden. Kreiten hat seine 550 Mitglieder im Griff. Die erste Mannschaft spielt, nach ihrem Aufstieg aus der B-Liga in der Saison 2013/2014, in der kommenden Saison im dritten Jahr in Folge in der Kreisliga A. Diesen Sommer schließt er sein Lehramtsstudium ab. Als Geschäftsführer will er weiter machen.

Motive: Gesellschaftliche Mitgestaltung und persönliches Wachstum

Wenn man Ehrenamtler (nicht nur aus dem Sport) nach ihrem Motiv befragt, ist die Topantwort: gesellschaftliche Mitgestaltung. Menschen möchten die Welt, die sie umgibt, beeinflussen. Gestalten. Andere treiben ihre berufliche Karriere voran. Und manche, wie Frank Kreiten, der junge Ehrenamtler aus dem Westen des Landes, versprechen sich persönliches Wachstum.

Strausberg liegt 30 Kilometer östlich von Berlin. Fährt man noch mal eine Stunde weiter, steht man in Polen. "Wie's so is, keener da, mach du mal", erzählt Detlef Grunert die Kurzfassung von viereinhalb Jahrzehnten als Präsident des SV Gartenstadt. Der 17-Jährige wurde Präsident des frisch gegründeten Klubs und ist es bis heute geblieben. Vor ein paar Tagen feierte er 45 Jahre erfolgreicher Präsidentschaft. Viele Hochs, einige Tiefs. Grunert erinnert sich an die Wendejahre. "Plötzlich hatten wir immer weniger Kinder im Klub. Aber nicht weil die Eltern in den Westen gezogen wären. Die fuhren nur jedes Wochenende nach Berlin zum Einkaufen."

Heute ist seine Frau Marina Schatzmeisterin, seine Tochter Steffi Geschäftsführerin, in einem Verein, der Herzenssache und Familienangelegenheit gleichermaßen ist. Immer mittwochs spielt das Team "Old Soccer", da läuft er immer noch selbst über den Platz. "Ein bisschen knödeln", nennt er's. Doch was ist in 15 Jahren, wenn Detlef Grunert sich vielleicht mehr um den eigenen Garten statt um den SV Gartenstadt kümmern will? Die Suche nach dem jungen Ehrenamt ist akut. Hier wie überall.

Ehrenamtliches Engagement: Deutlicher Rückgang zu beobachten

Der Berliner Sportsoziologe Professor Dr. Sebastian Braun beschäftigt sich mit der Erforschung ehrenamtlichen Engagements. "Wir beobachten einen deutlichen Rückgang, das hat nichts mit Messfehlern zu tun", sagt der Wissenschaftler der Humboldt-Universität. "Verstetigt sich diese Erosion, würde es den Fußball in seiner Vielfalt gefährden."

Braun berät den DFB seit Jahren, seine Ratschläge haben zu einem veränderten Verständnis ehrenamtlichen Engagements geführt. Der DFB hat seine Anerkennungskultur weiterentwickelt. Weg von dem reinen persönlichen Mehrwert, hin zu Ehrungen im eigenen Verein, im eigenen sozialen Umfeld. In diesem Jahr wurden erstmalig persönliche Ehrungen in den Vereinen der Club 100-Mitglieder durchgeführt. Bundesweit 100-mal. Offizielle Vertreter der Landes- und Kreisverbände bringen zu den Ehrungen zudem ein "Vereinsgeschenk" mit. Zwei Mini-Tore und fünf adidas-Fußbälle. Somit profitiert auch der jeweilige Verein vom herausragenden Einsatz des Preisträgers.

"Wat Besseres gibt it nich"

Auf der Ostseeinsel Rügen leitet Manfred Rüting die Fußballabteilung des VfL Bergen. Die ersten Herren spielen in der Landesliga. Der ehemalige deutsche Juniorennationalspieler Stefan Person kommt vom VfL Bergen. Früher waren die Winter hart hier auf den Kreidefelsen. Der KFZ-Mechaniker Manfred Rüting ist 61 Jahre alt und sagt: "Seit ich sieben wurde, renne ich über den Fußballplatz. Damals haben mich Ältere als Trainer übers Land gefahren, heute gebe ich etwas zurück." Manfred Rütings Urteil über sein Leben im Ehrenamt fällt nordisch eindeutig aus: "Wat Besseres gibt it nich."

Und auch die Praxis liefert Erkenntnisse. Etwa dass Erfolge im großen Fußball die Basis boomen lassen. "Nach einer erfolgreichen WM verdoppelt sich bei uns immer die Zahl der angemeldeten Kinder", berichtet Klaus Asal aus dem Schwarzwald. Überhaupt leiste der Fußball viel, meint der 68-Jährige. "Gerade in einem Dorf wie bei uns ist es wichtig, dass sich die Leute immer wieder engagieren." Dabei kann der Job auch schlauchen. Kreiten: "Klar gab es während der besonders intensiven Studienphase Momente, wo du dich fragst, warum tu ich mir das eigentlich an." Und dann bleiben sie doch dabei. Kreiten tief im Westen, Asal unten im Süden, Grunert aus dem wilden Osten und Rüting aus dem hohen Norden sind glücklich in ihrem Ehrenamt.

Seit 1. Juni läuft die diesjährige Ausschreibungsphase des DFB-Ehrenamtspreis 2016. Mehr Informationen gibt es hier.

[th]

25.324 Vereine mit 161.727 Mannschaften verteilen sich auf 357.000 Quadratkilometer Deutschland. Überall wird Herausragendes geleistet, um die Vereine zu führen und weiterzuentwickeln. Der Fußball lebt vom und durch das Ehrenamt. Welchen Belastungen sind Ehrenamtler ausgesetzt, welche Wertschätzung erhalten sie? Und was ist der ganz besondere Kick? DFB.de fragte vier Ehrenamtler aus dem Club 100 des Deutschen Fußball-Bundes - ziemlich weit im Osten und Westen, im Süden und Norden Deutschlands.

Als wäre es gestern gewesen, sieht er den kleinen Jogi Löw vor sich. "Technisch sehr gut, auffallend gut konnte der kicken." Klaus Asal war Mitte der 70er-Jahre Jugendleiter beim Fußballverein in Hausen, einer Gemeinde im Dreiländereck Frankreich, Schweiz und Deutschland. Schwarzwald, Landkreis Lörrach. Hausens Nachbarort heißt Schönau. Dort rannte der heutige Bundestrainer dem Fußball hinterher, damals, als er noch ein kleiner Junge war. "In den Spielen gegen Schönau mit dem jungen Jogi gab es für uns immer auf die Mütze", erzählt Asal.

Vier Jahrzehnte sind seitdem vergangen. Seinem kleinen Klub hat er eine bemerkenswerte Nachwuchsabteilung aufgebaut. 16 Juniorenteams sind im Spielbetrieb angemeldet. Klaus Asal ist heute Rentner und irgendwie auch nicht. Denn aktiv ist er fast mehr als je zuvor. Seit neuestem liegen Solarzellen auf dem Dach des Vereinsheims. "Ich habe jetzt ja Zeit", sagt er schmunzelnd.

"Learning by doing"

1,7 Millionen Menschen in Deutschland engagieren sich freiwillig für den Fußball. 370.000 von Ihnen machen das, was Klaus Asal macht. Sie üben ein Ehrenamt in ihren Vereinen aus. Doch es wird immer schwerer neue Menschen zu finden, die sich engagieren möchten. Dies liegt auch an den veränderten Erwartungen an die ehrenamtliche Tätigkeit. Ehrenamt früher – das war eine dauerhafte emotionale Bindung, selbstlos und zumeist nach dem Prinzip "learning by doing". Heute und morgen geht es oft um ein zeitlich befristetes, pragmatisch ausgewähltes Engagement. Die Erwartungen an die Kompetenzen der Ehrenamtlichen steigen stetig. Die Möglichkeiten, etwas Sinnvolles für sich zu tun, aber auch.

Viel weiter westlich als Gangelt geht nicht. Deutschland buchtet sich hier oberhalb von Aachen nochmal aus, eigentlich liegt die Region schon in den Niederlanden. Frank Kreiten ist einer der jungen Ehrenamtler, die den Ball ins Rollen bringen. Menschen wie den Studenten will der DFB mit seiner Anerkennungskultur und dem DFB-Ehrenamtspreis wertschätzen und motivieren. Zum Weitermachen. Zum mehr machen. Seit 2010 ist Kreiten Geschäftsführer von Eintracht Birgden und, nach der Fusion im Jahr 2012, des Nachfolgevereins SVG Birgden-Langbroich-Schierwaldenrath. "Ich wurde damals ins kalte Wasser geworfen, anfangs war es nicht so leicht", sagt der knapp 30 Jährige. "Mir fehlte vor sechs Jahren noch ein Stück weit die Persönlichkeit für diese Aufgabe."

Er hat sich inzwischen im kalten Wasser freigeschwommen. Und ihm ist warm geworden. Kreiten hat seine 550 Mitglieder im Griff. Die erste Mannschaft spielt, nach ihrem Aufstieg aus der B-Liga in der Saison 2013/2014, in der kommenden Saison im dritten Jahr in Folge in der Kreisliga A. Diesen Sommer schließt er sein Lehramtsstudium ab. Als Geschäftsführer will er weiter machen.

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Motive: Gesellschaftliche Mitgestaltung und persönliches Wachstum

Wenn man Ehrenamtler (nicht nur aus dem Sport) nach ihrem Motiv befragt, ist die Topantwort: gesellschaftliche Mitgestaltung. Menschen möchten die Welt, die sie umgibt, beeinflussen. Gestalten. Andere treiben ihre berufliche Karriere voran. Und manche, wie Frank Kreiten, der junge Ehrenamtler aus dem Westen des Landes, versprechen sich persönliches Wachstum.

Strausberg liegt 30 Kilometer östlich von Berlin. Fährt man noch mal eine Stunde weiter, steht man in Polen. "Wie's so is, keener da, mach du mal", erzählt Detlef Grunert die Kurzfassung von viereinhalb Jahrzehnten als Präsident des SV Gartenstadt. Der 17-Jährige wurde Präsident des frisch gegründeten Klubs und ist es bis heute geblieben. Vor ein paar Tagen feierte er 45 Jahre erfolgreicher Präsidentschaft. Viele Hochs, einige Tiefs. Grunert erinnert sich an die Wendejahre. "Plötzlich hatten wir immer weniger Kinder im Klub. Aber nicht weil die Eltern in den Westen gezogen wären. Die fuhren nur jedes Wochenende nach Berlin zum Einkaufen."

Heute ist seine Frau Marina Schatzmeisterin, seine Tochter Steffi Geschäftsführerin, in einem Verein, der Herzenssache und Familienangelegenheit gleichermaßen ist. Immer mittwochs spielt das Team "Old Soccer", da läuft er immer noch selbst über den Platz. "Ein bisschen knödeln", nennt er's. Doch was ist in 15 Jahren, wenn Detlef Grunert sich vielleicht mehr um den eigenen Garten statt um den SV Gartenstadt kümmern will? Die Suche nach dem jungen Ehrenamt ist akut. Hier wie überall.

Ehrenamtliches Engagement: Deutlicher Rückgang zu beobachten

Der Berliner Sportsoziologe Professor Dr. Sebastian Braun beschäftigt sich mit der Erforschung ehrenamtlichen Engagements. "Wir beobachten einen deutlichen Rückgang, das hat nichts mit Messfehlern zu tun", sagt der Wissenschaftler der Humboldt-Universität. "Verstetigt sich diese Erosion, würde es den Fußball in seiner Vielfalt gefährden."

Braun berät den DFB seit Jahren, seine Ratschläge haben zu einem veränderten Verständnis ehrenamtlichen Engagements geführt. Der DFB hat seine Anerkennungskultur weiterentwickelt. Weg von dem reinen persönlichen Mehrwert, hin zu Ehrungen im eigenen Verein, im eigenen sozialen Umfeld. In diesem Jahr wurden erstmalig persönliche Ehrungen in den Vereinen der Club 100-Mitglieder durchgeführt. Bundesweit 100-mal. Offizielle Vertreter der Landes- und Kreisverbände bringen zu den Ehrungen zudem ein "Vereinsgeschenk" mit. Zwei Mini-Tore und fünf adidas-Fußbälle. Somit profitiert auch der jeweilige Verein vom herausragenden Einsatz des Preisträgers.

"Wat Besseres gibt it nich"

Auf der Ostseeinsel Rügen leitet Manfred Rüting die Fußballabteilung des VfL Bergen. Die ersten Herren spielen in der Landesliga. Der ehemalige deutsche Juniorennationalspieler Stefan Person kommt vom VfL Bergen. Früher waren die Winter hart hier auf den Kreidefelsen. Der KFZ-Mechaniker Manfred Rüting ist 61 Jahre alt und sagt: "Seit ich sieben wurde, renne ich über den Fußballplatz. Damals haben mich Ältere als Trainer übers Land gefahren, heute gebe ich etwas zurück." Manfred Rütings Urteil über sein Leben im Ehrenamt fällt nordisch eindeutig aus: "Wat Besseres gibt it nich."

Und auch die Praxis liefert Erkenntnisse. Etwa dass Erfolge im großen Fußball die Basis boomen lassen. "Nach einer erfolgreichen WM verdoppelt sich bei uns immer die Zahl der angemeldeten Kinder", berichtet Klaus Asal aus dem Schwarzwald. Überhaupt leiste der Fußball viel, meint der 68-Jährige. "Gerade in einem Dorf wie bei uns ist es wichtig, dass sich die Leute immer wieder engagieren." Dabei kann der Job auch schlauchen. Kreiten: "Klar gab es während der besonders intensiven Studienphase Momente, wo du dich fragst, warum tu ich mir das eigentlich an." Und dann bleiben sie doch dabei. Kreiten tief im Westen, Asal unten im Süden, Grunert aus dem wilden Osten und Rüting aus dem hohen Norden sind glücklich in ihrem Ehrenamt.

Seit 1. Juni läuft die diesjährige Ausschreibungsphase des DFB-Ehrenamtspreis 2016. Mehr Informationen gibt es hier.

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