Dutt: "Wissen bündeln und verteilen"

Dutt: Im sportlichen Bereich natürlich die U-Trainer. Im organisatorischen Bereich Ulf Schott als Direktor Spielbetrieb und das Teammanagement. Zudem meine Kollegen im DFB-Präsidium.

DFB.de: Ihr erster offizieller Termin im neuen Amt war dann auch die Präsidiumssitzung am 6. August. War die Aufnahme ins höchste Gremium des deutschen Fußballs eine Ihrer Bedingungen zum Amtsantritt?

Dutt: Nein, bereits durch die Berufung von Matthias Sammer und Oliver Bierhoff hat das Präsidium die Notwendigkeit bestätigt, dass der Sportdirektor und der Manager der Nationalmannschaft dem Gremium als sportliche Ansprechpartner angehören. Das habe ich vorab mit Generalsekretär Helmut Sandrock besprochen, und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Sportdirektor auch Einfluss in diesem Gremium nehmen soll.

DFB.de: Ein Tagesordnungspunkt war damals die EM-Analyse von Bundestrainer Joachim Löw. Wie wirkte die öffentliche Debatte über das Singen der Nationalhymne auf Sie als Sohn eines indischen Vaters?

Dutt: Ich kann Teile dieser Debatte schon nachvollziehen. Aber es kann nicht sein, dass dieser Thematik durch Polemik eine höhere Bedeutung als dem Tagesgeschäft gegeben wird. Mein Ziel ist es, dazu beizutragen, dieser Diskussion eine gewisse Natürlichkeit zu verleihen. Man muss sich vor Augen führen, dass bei vielen erst der Fußball mit der WM 2006 dafür gesorgt hat, dass die eigene Identität mit der Nation etwas Selbstverständliches geworden ist. Das Singen der Hymne sorgt für ein positives Gemeinschaftsgefühl.

DFB.de: Ein weiterer Termin war dann das Länderspiel gegen Argentinien in Frankfurt am 15. August, wo Sie die Mitglieder des "Club 100" der Aktion Ehrenamt geehrt haben. Was bedeutet Ehrenamt für Sie?

Dutt: Das war ein ungewohnter Tag für mich mit einem sportlichen Höhepunkt und vielen Terminen am Spieltag. Ich setze mich gerne für das Ehrenamt ein. Meine Vita beginnt in kleinen Vereinen. Ohne Menschen, die sich für die Sache engagieren, gäbe es diese Klubs und den Fußball in Deutschland wohl gar nicht. Ich habe großen Respekt vor dem Ehrenamt.

DFB.de: Zwei Tage später stand die erste Personalentscheidung an. Sie haben Christian Wück zum neuen Trainer der U 16-Nationalmannschaft gemacht. Wie sehen Sie die DFB-Trainerriege?



[bild1]

Er blickt voraus auf künftige Aufgaben und Ziele. Und er sagt: "Wir wollen Pokale holen, tragen aber auch Verantwortung für die Ausbildung der Talente und deren Persönlichkeitsentwicklung." Seit vergangenem Freitag ist DFB-Sportdirektor Robin Dutt 100 Tage im Amt. Im DFB.de-Gespräch der Woche hat Redakteur Maximilian Geis mit ihm durch seinen Terminkalender geblättert.

DFB.de: Herr Dutt, betrachtet man die ersten Termine nach Ihrem Amtsantritt der Reihe nach, erhält man einen sehr guten Überblick über das Aufgabenfeld des DFB-Sportdirektors…

Robin Dutt: Ja, das ist sicher richtig. (lacht)

DFB.de: Gut, blättern wir im Kalender zurück. Sie haben offiziell am 1. August als DFB-Sportdirektor angefangen. Sind Ihre Erwartungen seitdem erfüllt worden, oder werden Sie manchmal noch überrascht?

Dutt: Ich habe nichts gravierend Überraschendes festgestellt. Es ist aber beispiellos, wie der DFB organisatorisch die Rahmenbedingungen für den Fußball in Deutschland schafft. Wenn man von diesem Netzwerk und diesen Bedingungen profitieren kann, ist man schon angenehm überrascht. Aber grundsätzlich hält meine Bestandsaufnahme über die Arbeit, vor allem mit den U-Teams, noch an.

DFB.de: Was stellen Sie sich unter den Eckpfeilern der Nachwuchsarbeit, also dem Kerngeschäft des DFB-Sportdirektors, vor?

Dutt: Zentraler Begriff ist für mich hierbei Durchgängigkeit. Wir müssen bei den Ausbildungsinhalten darauf achten, dass wir ständig zielführend Spieler auf die A-Nationalmannschaft vorbereiten. Und dies muss ständig überprüft und, wo es nötig ist, aktualisiert werden. Darüber hinaus ist es mir ein besonderes Anliegen, die Position der Vereine zu stärken. Es muss eine enge Kommunikation zwischen dem DFB und den Klubs herrschen. Wir müssen inhaltlich und emotional eine Verbindung haben. Und zwar unabhängig von der Ebene, auf der Fußball gespielt wird. Das beginnt im Breitenfußball, im Schulfußball und setzt sich bis zum Elitefußball fort. Wir müssen die Vereine vor Ort stärken.

DFB.de: Wer sind die Köpfe, mit denen Sie bisher den meisten Austausch gehabt haben?

Dutt: Im sportlichen Bereich natürlich die U-Trainer. Im organisatorischen Bereich Ulf Schott als Direktor Spielbetrieb und das Teammanagement. Zudem meine Kollegen im DFB-Präsidium.

DFB.de: Ihr erster offizieller Termin im neuen Amt war dann auch die Präsidiumssitzung am 6. August. War die Aufnahme ins höchste Gremium des deutschen Fußballs eine Ihrer Bedingungen zum Amtsantritt?

Dutt: Nein, bereits durch die Berufung von Matthias Sammer und Oliver Bierhoff hat das Präsidium die Notwendigkeit bestätigt, dass der Sportdirektor und der Manager der Nationalmannschaft dem Gremium als sportliche Ansprechpartner angehören. Das habe ich vorab mit Generalsekretär Helmut Sandrock besprochen, und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Sportdirektor auch Einfluss in diesem Gremium nehmen soll.

DFB.de: Ein Tagesordnungspunkt war damals die EM-Analyse von Bundestrainer Joachim Löw. Wie wirkte die öffentliche Debatte über das Singen der Nationalhymne auf Sie als Sohn eines indischen Vaters?

Dutt: Ich kann Teile dieser Debatte schon nachvollziehen. Aber es kann nicht sein, dass dieser Thematik durch Polemik eine höhere Bedeutung als dem Tagesgeschäft gegeben wird. Mein Ziel ist es, dazu beizutragen, dieser Diskussion eine gewisse Natürlichkeit zu verleihen. Man muss sich vor Augen führen, dass bei vielen erst der Fußball mit der WM 2006 dafür gesorgt hat, dass die eigene Identität mit der Nation etwas Selbstverständliches geworden ist. Das Singen der Hymne sorgt für ein positives Gemeinschaftsgefühl.

DFB.de: Ein weiterer Termin war dann das Länderspiel gegen Argentinien in Frankfurt am 15. August, wo Sie die Mitglieder des "Club 100" der Aktion Ehrenamt geehrt haben. Was bedeutet Ehrenamt für Sie?

Dutt: Das war ein ungewohnter Tag für mich mit einem sportlichen Höhepunkt und vielen Terminen am Spieltag. Ich setze mich gerne für das Ehrenamt ein. Meine Vita beginnt in kleinen Vereinen. Ohne Menschen, die sich für die Sache engagieren, gäbe es diese Klubs und den Fußball in Deutschland wohl gar nicht. Ich habe großen Respekt vor dem Ehrenamt.

DFB.de: Zwei Tage später stand die erste Personalentscheidung an. Sie haben Christian Wück zum neuen Trainer der U 16-Nationalmannschaft gemacht. Wie sehen Sie die DFB-Trainerriege?

Dutt: Wir haben eine gute Mischung im Trainerstab, das ist ein Kennzeichen unserer Arbeit. So ist es auch in der Bundesliga, wo der ehemalige Weltmeister, der Zweitligaspieler, der Experte aus dem Ausland und Urgesteine die Teams betreuen. Das sind viele Facetten, und diese Mischung tut auch unseren U-Teams gut. Es hilft allen, wenn verschiedene Typen mit unterschiedlichen Sichtweisen eine gemeinsame Lösung für ein Problem suchen.

DFB.de: Zum ersten Mal wieder den Duft des Rasens in der Nase hatten Sie dann bei Ihren Aufenthalten während bei den Jahrgängen U 17 und U 19, die beide die erste Runde der EM-Qualifikation geschafft haben.

Dutt: Ich war im Herbst bewusst mit den Jahrgängen unterwegs, die in der EM-Qualifikation stehen. Dort versuche ich, viel zu beobachten und in engem Austausch mit den Trainern gewisse Dinge anzusprechen, die mir auffallen. Die Ergebnisse werden Teil meiner Bestandsaufnahme sein.

DFB.de: Zuletzt gab es im Rahmen der Olympischen Spiele Diskussionen um Zielvereinbarungen und Titelvorgaben. Wie sehen Sie diese Extramotivation?

Dutt: Mein Ziel ist es, für eine nachhaltige Ausbildung zu sorgen, deren logische Konsequenz dann Titel sind. Wir wollen Pokale holen, tragen aber auch Verantwortung für die Ausbildung der Talente und deren Persönlichkeitsentwicklung.

DFB.de: Wie steht's mit der besonderen Bedeutung der viel zitierten Siegermentalität?

Dutt: Aus meiner Sicht gibt es vier entscheidende Faktoren im Fußball: Technik, Taktik, Athletik und Persönlichkeit. Man muss in allen Bereichen top sein und darf keinen einzelnen besonders akzentuieren. Man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen.

DFB.de: Ihren persönlichen Migrationshintergrund haben wir bereits angesprochen. Wie wollen Sie Spieler an den DFB binden, die auch für ein anderes Land starten können?

Dutt: Man muss jeden Fall individuell betrachten, das sind wir jedem unserer Talente schuldig. Daher muss man die jeweiligen Hintergründe von Fall zu Fall prüfen. Letztendlich muss beim Spieler eine Überzeugung reifen, die aus zwei Bausteinen besteht: Es muss eine emotionale Verbindung zum Land geben, und die sportlichen Perspektiven müssen stimmen. Wir müssen verstehen, dass in der Brust eines Menschen zwei Herzen schlagen können. Aber es müssen grundsätzliche Regelungen gefunden werden, damit kein "Nationalmannschafts-Hopping" von einem Land zum anderen möglich ist.

DFB.de: Mit Samed Yesil sorgt ein deutsches Talent für Furore, das sich kürzlich für einen Wechsel zum FC Liverpool entschieden hat. Wie stehen Sie zu einer Ausbildung im Ausland?

Dutt: Ich würde unsere Talente grundsätzlich natürlich lieber in Deutschland sehen. Wenn sie im Verein keine Gelegenheit bekommen, sich auf hohem Niveau anzubieten, dann gibt es ja auch immer die Möglichkeit einer Ausleihe oder Ähnliches. Aber man muss auch hierbei viele Faktoren berücksichtigen. Vielleicht tut Samed diese Erfahrung auch gut, und er profitiert für seine Entwicklung davon.

DFB.de: Am 11. September in Wien haben Sie das zweite Spiel der Nationalmannschaft in Ihrer neuen Funktion besucht. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Sportlichen Leitung des A-Teams?

Dutt: Grundsätzlich sehr angenehm. Ich war positiv davon überrascht, dass man mir bei der A-Mannschaft quasi auf Knopfdruck eine detaillierte Spielauffassung präsentieren konnte. Daran hat neben Joachim Löw auch Hansi Flick einen maßgeblichen Anteil. Wir haben nun erste Ideen der Spielauffassung vorgestellt. In ein paar Wochen können wir damit dann an die Öffentlichkeit gehen.

DFB.de: Wie schwer fällt es Ihnen eigentlich, nicht mehr täglich auf dem Platz zu stehen?

Dutt: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das spurlos an mir vorbeigeht. Es war schon sehr ungewohnt, Bundesligaspiele auf der Tribüne zu beobachten. Aber mittlerweile habe ich in meinem neuen Amt sehr viel Spaß in der Rolle des Beobachters und strategischen Arbeiters. Und es war ja auch eine zentrale Anforderung, einen Fußball-Lehrer auf dem Posten des DFB-Sportdirektors zu haben.

DFB.de: Ist das konzeptionelle, mittel- bis langfristige Arbeiten als Sportdirektor vielleicht der größte Vorteil gegenüber der Kurzfristigkeit im Tagesgeschäft Bundesliga?

Dutt: Klar, so kurzfristig kann keine Kritik aufkeimen. Man erhält aber auch kein Lob. (lacht) Es hat beides Vor- und Nachteile.

DFB.de: Wie wollen Sie Breiten- und Eliteförderung in Einklang bringen?

Dutt: Nachhaltige Ausbildung geht nur über die Breite. Aber das dauert seine Zeit. Manche Entwicklungen sind eine Sache von Jahren. Mit dem Start des Talentförderprogramms 2002 wurden einige Dinge in der technischen Ausbildung korrigiert. Aber das dauerte vier, fünf Jahre. Jetzt werden linke Außenverteidiger gesucht. Da müssen wir den nächsten Schritt machen und das Programm optimieren.

DFB.de: Auch der Mangel im Sturmzentrum wird Sie beschäftigen.

Dutt: Die technische Ausbildung ist definitiv besser geworden. Aber wir haben nun so gute Techniker in allen Mannschaftsteilen, dass diese häufig den Spezialisten auf ihren Positionen vorgezogen werden. Darunter leidet dann auch deren Ausbildung. Ein Innenverteidiger muss neben der Verteidigung die Spieleröffnung beherrschen. So muss der Mittelstürmer auch defensiv arbeiten und Räume zustellen, und der Linksverteidiger muss seine Seite zumachen und offensiv unterstützen. Das ist komplex, und dafür braucht man Spezialisten.

DFB.de: Wie gehen Sie dann in den nächsten Monaten die fußballinhaltliche Arbeit an?

Dutt: Wir erarbeiten gerade ein Konzept dafür, das wir am Jahresende präsentieren wollen. Wir sehen uns als gemeinsame Ausbilder mit den Klubs. Deren Position gilt es zu stärken und enge Kommunikationswege zu definieren. Wenn die Spieler bei uns sind, müssen sie möglichst viele Informationen zu den Anforderungen erhalten, die wir beim DFB erwarten. Natürlich soll das kein Einheitsbrei sein, und die Trainer können eine eigene Note einbringen. Aber wir müssen darauf achten, dass die Ausbildungselemente in den einzelnen Jahrgängen aufeinander aufbauen.

DFB.de: Gibt es Innovationen, die Sie in die Arbeit beim DFB einbringen werden?

[bild2]

Dutt: Meiner Ansicht nach muss sich der Verband mit allen Dingen befassen, für die im Tagesgeschäft der Vereine keine Zeit bleibt. Wir müssen als Verband eine Serviceeinheit für die Vereine sein. Der DFB muss als Vorarbeiter Empfehlungen entwickeln, die wir dann den Vereinen vorstellen können. In den Klubs steckt viel Wissen und Erfahrung, weil sie sich die meiste Zeit mit dem Thema Fußball beschäftigen. Es ist unsere Aufgabe, dieses Wissen abzurufen, zu bündeln und zu verteilen.

DFB.de: Liegt Ihnen persönlich ein bestimmter Teilbereich Ihrer Arbeit am Herzen?

Dutt: Da möchte ich die pädagogische Ausbildung nennen. Wenige Talente werden Spitzenspieler. Der Großteil kommt nicht durch und wird kein Profispieler. Daher müssen wir gemeinsam eine vernünftige schulische Ausbildung gewährleisten. Das ist unsere absolute Verantwortung als Verband. Wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass auch in den Vereinen Personen in diesem Bereich mitwirken und die Spieler unterstützen, wenn der Traum vom Profifußball zerplatzt.

DFB.de: Verfolgen Sie einen Zeitplan, oder haben Sie sich Zwischenziele gesetzt?

Dutt: Ich möchte erreichen, dass im Sommer 2013 eine DFB-Handschrift in unserem Spiel zu erkennen ist. Eine Einschätzung, wie zügig wir in der Kommunikation und im Wissensmanagement vorankommen, traue ich mir heute noch nicht zu. Wir können die Strukturen zwar schnell auf die Beine bringen. Aber die Umsetzung dauert vielleicht Jahre. Wir wollen die Umfänge unserer Botschaften reduzieren und die Qualität erhöhen. Jetzt ist die Zeit für Anstöße.