Dr. Zwanziger: "Wenn es nach mir geht, ist im Oktober Schluss"

DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger wird dem Deutschen Fußball-Bund über das Jahr 2013 nicht mehr als Präsident zur Verfügung stehen. Auf der Jahresabschlussfeier des Verbandes in Neu-Isenburg verkündete der 66-Jährige den Gästen aus Präsidium und Vorstand, dass er nicht noch einmal kandidieren werde. Sollten die Gremien des Verbandes zustimmen, will Zwanziger, der noch bis 2015 seine FIFA-Aufgaben wahrnehmen möchte, bereits im Oktober des kommenden Jahres den Weg für einen Nachfolger frei machen. Im Interview mit DFB.de spricht der vierfache Großvater über die Gründe für seine Entscheidung, seine 20 Jahre beim DFB und die Zeit "danach".

DFB.de: Herr Dr. Zwanziger, Sie werden nicht noch einmal als DFB-Präsident kandidieren. Eine Überraschung allemal, auch ein spontaner Entschluss?

Dr. Theo Zwanziger: Nein, ganz im Gegenteil. Diese Entscheidung ist seit langem vorbereitet. Es ist ja hinlänglich bekannt, dass ich eigentlich schon beim Bundestag im vergangenen Jahr nicht noch einmal kandidieren wollte. Dies habe ich damals auch unserem Generalsekretär Wolfgang Niersbach frühzeitig so mitgeteilt und bereits vor der WM in Südafrika schriftlich hinterlegt.

DFB.de: Was hat Sie bewogen, Ihren ursprünglichen Entschluss nicht umzusetzen?

Zwanziger: Es waren gleich drei Gründe: Zum einen musste ich nach der WM doch einsehen, dass die Zeit bis zum Bundestag in Essen für eine Neuorientierung des DFB sehr knapp gewesen wäre. Ich hätte somit im personellen Bereich keine ordentliche Übergabe garantieren können, und das hätte man mir intern und öffentlich dann zu Recht vorwerfen können. Zudem war ich sehr stolz auf das charaktervolle Verhalten unseres Bundestrainers Joachim Löw, der bei seiner Vertragsverlängerung nach der WM davon ausging, dass auch ich als Präsident weitermachen würde. Und zu guter Letzt haben mich DFB-Schatzmeister Horst R. Schmidt und Wolfgang Niersbach nachdrücklich darum gebeten, meine Entscheidung noch einmal zu überdenken. Das habe ich getan. Auch weil ich gespürt habe, dass mich ein paar Dinge doch noch reizen.

DFB.de: Welche?

Zwanziger: Ohne Frage vor allem die Frauen-WM im eigenen Land. Ich habe mich seit jeher stark für die Entwicklung des Mädchen- und Frauenfußballs hierzulande eingesetzt und daran mitgewirkt, diese Weltmeisterschaft in Deutschland ausrichten zu können. Dann ist es doch verständlich, dass man so ein Turnier auch in verantwortlicher Rolle erleben will. Hinzu kam mein Bemühen, den Fußball verstärkt an den demokratischen Werten unserer Gesellschaft zu orientieren. Ich hatte noch großes Interesse, entsprechende Satzungsbestimmungen mitzuformulieren und die Strukturen, das heißt Inhalte und Organisation, aber auch die personelle Ausrichtung, mitzuformen. All dies ist inzwischen erledigt. Der DFB ist auch in diesem Bereich bestens für die Zukunft aufgestellt.

DFB.de: Und jetzt sehen Sie keine besonderen Herausforderungen mehr für Sie persönlich an der Spitze des deutschen Fußballs?

Zwanziger: Für den nationalen Bereich ist das so, ja. Im Oktober des nächsten Jahres werde ich 20 Jahre in führenden Positionen beim Deutschen Fußball-Bund tätig sein. Das ist eine sehr lange Zeit. Ich war Beauftragter für soziale Integration, Büroleiter des damaligen Präsidenten Egidius Braun, Schatzmeister, Geschäftsführender Präsident und schließlich Präsident. In dieser Zeit hat sich der deutsche Fußball weiterentwickelt, und ich konnte stets meinen Teil dazu beitragen. Mit Egidius Braun verbindet mich das soziale Bewusstsein, mit Gerhard Mayer-Vorfelder das ständige Streben nach einer verbesserten Nachwuchsförderung. Für mich selbst war es auf diesen Grundlagen zudem ungeheuer wichtig, den DFB auch stärker als gesellschaftspolitische Kraft in Deutschland zu etablieren. Fußball ist eben nicht nur Spielbetrieb, er gibt Orientierung und vermittelt Werte. Deshalb war mir auch der Einsatz gegen Diskriminierung und für Integration ungemein wichtig. Die Tatsache, dass wir uns jetzt beispielsweise auch den wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Umweltschutz und Klima stellen, entspricht genau dieser Verantwortung. Also, in der Tat, besondere Herausforderungen sehe ich für mich heute nicht mehr.

DFB.de: Sie blicken also zufrieden zurück auf diese lange Zeit beim DFB?

Zwanziger: Ja, natürlich. Welcher Präsident eines Fußballverbandes hat in seiner Amtszeit zwei Weltmeisterschaften ausrichten dürfen? Ich bin sehr stolz darauf, dass ich an der internationalen Wertschätzung unseres Verbandes mitwirken durfte, die wir durch diese Turniere erreicht haben. Franz Beckenbauer, Steffi Jones, Horst R. Schmidt, Wolfgang Niersbach und ich – wir waren in all diesen Jahren wirklich ein tolles Team.

DFB.de: Ein Team, das jetzt auseinander bröckelt?

Zwanziger: Das ist nun einmal der Lauf der Dinge. Es müssen irgendwann auch mal wieder neue Leute kommen, mit neuen Ideen, anderen Vorstellungen. Nur so können sich der Fußball und der DFB ständig weiterentwickeln. Man muss einfach wissen, wann die Zeit des Abschieds gekommen ist und sich die Freiheit für diese Entscheidung immer selbst bewahren. Ich brauche dafür keine Altersgrenze und auch keine guten Ratschläge. Ich weiß, wann für mich persönlich mit einer bestimmten Epoche Schluss sein muss. Und nachdem ich sie schon einmal verlängert habe, ist dieser Zeitpunkt nunmehr endgültig gekommen.

DFB.de: Was bleibt noch bis Oktober nächsten Jahres?

Zwanziger: Das sind im Wesentlichen drei Dinge. Ich möchte in den nächsten Wochen, am besten noch vor Weihnachten, vor allem mit Wolfgang Niersbach, Horst R. Schmidt und den Präsidenten der Mitgliedsverbände meine Nachfolge besprechen und hoffe, dass wir schnell ein Personalkonzept entwerfen können, das diesem Verband gerecht wird. Kompetenz, Engagement und Charakter sind die wesentlichen Merkmale, die eine Person haben muss, wenn sie in den Führungsgremien des DFB arbeiten will. Ich bin seit einigen Monaten diesbezüglich mit einer Persönlichkeit im Gespräch, die ich für sehr geeignet halte. Einen Namen möchte ich aber noch nicht nennen. Zumal ich ohnehin nur Vorschläge machen kann, die Verantwortung tragen Präsidium und Vorstand.

DFB.de: Was gibt es bis zum kommenden Herbst darüber hinaus zu tun?

Zwanziger: Natürlich freue ich mich vor allem auf die Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine. Es ist eine große Ehre für mich, diese sympathische deutsche Nationalmannschaft dort begleiten zu dürfen. Auch wenn ich – wie bereits 2010 angekündigt - nicht als Delegationsleiter fungieren werde. Ich wünsche Jogi Löw, seinem Trainerteam und seiner wunderbaren Mannschaft schon heute viel Glück und Erfolg. Auch der Amateurfußball-Kongress im Februar, der von meinem Freund Hermann Korfmacher vorbereitet wird, muss meine Aufmerksamkeit finden. Und schließlich gibt es im Mai ja auch noch die beiden Champions League-Endspiele in München, hoffentlich mit deutscher Beteiligung.

DFB.de: Haben auch die vielfältigen Krisenszenarien der vergangenen Monate Ihre Entscheidung beeinflusst?

Zwanziger: Es wäre eine Lüge, wenn ich diese Frage mit „Nein“ beantworten würde. Jedes Spannungsfeld wird medial gleich zu einer Krise hochstilisiert, das kostet schon eine Menge Kraft. Dabei übersehen die Medien jedoch hin und wieder, dass der DFB nicht nur sportlich besser denn je dasteht, sondern insgesamt ein gesellschaftliches Standing hat wie nie zuvor. Aber gerade dann ist es natürlich besonders schön, sich an ihm und vor allem den Führungspersönlichkeiten zu reiben. Das wird auch in Zukunft so sein, das muss man akzeptieren. Schließlich wird niemand gezwungen, DFB-Präsident zu werden.

DFB.de: Welche Rolle bei der Entscheidungsfindung hat die teilweise doch Recht harsche Kritik an Ihnen als Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees gespielt?

Zwanziger: Die hat mich schon sehr enttäuscht. Nach meiner Wahl werde ich für Entscheidungen verantwortlich gemacht, mit denen ich nichts, aber auch rein gar nichts zu tun hatte und die ich kritisiere. Gerade auch von den Personen, die mich zu der Entscheidung, Verantwortung in der FIFA zu übernehmen, gedrängt haben. In diesen Wochen habe ich feststellen müssen, dass sich die Arbeit im FIFA-Exekutivkomitee und als DFB-Präsident zumindest in der aktuellen Zeit und den kommenden Jahren kaum vereinbaren lässt. Alles, was negativ über den Weltverband und somit auch mich geschrieben und geredet wird, schadet wegen meiner Doppelfunktion automatisch auch dem Ansehen des DFB. Das will ich vermeiden.

DFB.de: Also haben Sie sich entschieden, ein Amt, das des DFB-Präsidenten, aufzugeben.

Zwanziger: Richtig, denn ich denke, dass ich in der FIFA noch einiges bewegen kann. Die Arbeit an den Statuten dort macht mir Spaß, und wenn es schlussendlich neue, transparente und demokratische Strukturen beim Weltverband gibt, an denen ein Deutscher tatkräftig mitgearbeitet hat, dann ist das für den DFB ja auch nicht schlecht. Aus diesem Grund werde ich mein Mandat bei der FIFA bis 2015 erfüllen.

DFB.de: In Ihre Amtszeit fallen nicht nur sportliche und gesellschaftliche Erfolge, sondern auch die Bewältigung von vermeintlichen und wirklichen Krisen.

Zwanziger: In der Tat, da gab mehr als genug. Vor der WM 2006 gab es den Streit um das Mannschaftsquartier mit Jürgen Klinsmann, den Wettskandal um Robert Hoyzer, den Streit um die richtige Besetzung der Sportdirektorenposition zwischen Matthias Sammer und Bernhard Peters. Die Stiftung Warentest wollte uns aufzeigen, dass unsere Stadien marode seien, und die Verbraucherschützer haben ihren Einfluss auf die Personalisierung der Tickets geltend gemacht. Wir haben alle diese Situationen angenommen und letztlich im Interesse des DFB gemeistert.

DFB.de: Danach ging es „munter“ weiter...

Zwanziger: Das stimmt. Später gab es den Schuhkrieg der Nationalspieler, die Streitkandidatur zwischen Lennart Johansson und Michel Platini um das Amt des UEFA-Präsidenten, die Diskussion vor der Vertragsverlängerung mit Adidas, Durchsuchungen des Kartellamts, die langwierige Diskussion um Sonntagsspiele, der schreckliche Trauerfall um Robert Enke, neue Wettskandale und das gravierende Fehlverhalten eines Schiedsrichterobmanns. Alles Dinge, die wir zum Großteil gut bewältigt haben. Leider haben viele davon in der medialen Wirklichkeit zu einer völlig irreführenden und verselbstständigten Kommunikation geführt, die nicht mehr aufzuhalten ist. Immer dann, wenn Kommunikation sich verselbstständigt, einige Medien meinen, ihre eigenen Geschichten erfinden zu müssen und sie anschließend auch noch herablassend und teilweise respektlos kommentieren, dann weißt du, dass bei allem Engagement die Realität und die mediale Welt nicht mehr in Einklang zu bringen sind. Kommunikation wird immer eine große Herausforderung beim DFB sein. Gerade deshalb ist es auch wichtig, es in dieser medialen Welt mit der Amtszeit nicht zu übertreiben.

DFB.de: Oktober 2012 oder zum Bundestag 2013, wann ist denn nun wirklich Schluss?

Zwanziger: Wenn es nach mir persönlich geht, dann im Oktober 2012. Dies hätte auch den Vorteil, dass der neue Präsident bereits im Amt wäre, wenn im Mai 2013 mein Mandat im UEFA-Exekutivkomitee ausläuft. So könnte er, die Zustimmung der anderen Verbände vorausgesetzt, auch dort meine Nachfolge antreten.

DFB.de: Haben Sie schon konkrete Pläne für die Zeit nach Ihrem Ausscheiden?

Zwanziger: Wer mich besser kennt, der weiß, dass ich mich auf alle Lebenssituationen frühzeitig vorbereite. Natürlich will ich vor allem mehr Zeit für meine Familie, vor allem meine vier Enkelkinder haben. Zudem habe ich eine kleine Privatstiftung im Fußballverband Rheinland gegründet, und der DFB hat mich über meine Amtszeit hinaus zum Vorsitzenden der Kulturstiftung bestimmt. Dafür bin ich sehr dankbar, denn das ist eine Aufgabe, die mir sehr am Herzen liegt. Vielleicht werde ich auch ein Buch schreiben und mich wieder mehr dem Frauen-, Mädchen- und Amateurfußball besonders in meiner Heimatnähe widmen. Egal wie, langweilig wird es mir auf keinen Fall.

Das meinen DFB-User:

"Ein besonnener, liberaler, ein sehr guter Präsident. Seine Entscheidung verdient Respekt. Alles Gute, Herr Dr. Zwanziger" (Claus Warnecke)

"Mit Herrn Dr. Theo Zwanziger verliert der DFB einen hervorragenden, sachlichen und dazu menschlichen Präsidenten. Es ist sehr schade, dass in dem heutigen medialen Zeitalter seine wahren Verdienste um den Deutschen Fußball nicht richtig gewürdigt werden. Gerade in der Außendarstellung, nicht nur der Nationalmannschaft, sondern auch an der Basis hat der Deutsche Fußball von seiner Amtszeit profitiert. Sein Krisenmanegment nach dem tragischen Tod von Robert Enke oder dem Suizidversuch von Herrn Rafati werden mir durch seine menschliche Art in Erinnerung bleiben. Für mich ist es geradezu zynisch, das er in solchen Krisen in Frage gestellt wurde. Ich und viele Fußballfans wünschen sich sicherlich, das der Verband in diesem Sinne weitergeführt wird. Bleibt mir noch ihm eine weitere gute Hand bei seinen weiteren Projekte zu wünschen!" (Markus Schlosser, Holzappel)

"Ich finde es schade, dass Herr Zwanziger sein Amt als DFB-Präsident aufgibt. Er war die ganze Zeit immer ein verlässlicher Präsident und hat zu meiner Zeit als Vorsitzender der Bundesbehindertenfanarbeitsgemeinschaft (BBAG) e.V immer ein offenes Ohr für mich gehabt, wenn es um behinderte Fussballfans ging. Für meinen langjährigen Nachfolger gibt es nichts Besseres als Herrn Niersbach als Ansprechpartner zu haben. Herr Niersbach habe ich immer als sehr guten Generalsektretär im DFB kennen gelernt und als einer, der für den DFB lebt und akribisch arbeitet und als würdigen Nachfolger für Dr. Zwanziger in Zukunft den DFB leitet. Ich wünsche Herrn Niersbach alles Gute und immer eine glückliche Hand in seinen Entscheidungen als DFB-Präsident." (Waldemar Schwendemann, Offenburg)

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DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger wird dem Deutschen Fußball-Bund über das Jahr 2013 nicht mehr als Präsident zur Verfügung stehen. Auf der Jahresabschlussfeier des Verbandes in Neu-Isenburg verkündete der 66-Jährige den Gästen aus Präsidium und Vorstand, dass er nicht noch einmal kandidieren werde. Sollten die Gremien des Verbandes zustimmen, will Zwanziger, der noch bis 2015 seine FIFA-Aufgaben wahrnehmen möchte, bereits im Oktober des kommenden Jahres den Weg für einen Nachfolger frei machen. Im Interview mit DFB.de spricht der vierfache Großvater über die Gründe für seine Entscheidung, seine 20 Jahre beim DFB und die Zeit "danach".

DFB.de: Herr Dr. Zwanziger, Sie werden nicht noch einmal als DFB-Präsident kandidieren. Eine Überraschung allemal, auch ein spontaner Entschluss?

Dr. Theo Zwanziger: Nein, ganz im Gegenteil. Diese Entscheidung ist seit langem vorbereitet. Es ist ja hinlänglich bekannt, dass ich eigentlich schon beim Bundestag im vergangenen Jahr nicht noch einmal kandidieren wollte. Dies habe ich damals auch unserem Generalsekretär Wolfgang Niersbach frühzeitig so mitgeteilt und bereits vor der WM in Südafrika schriftlich hinterlegt.

DFB.de: Was hat Sie bewogen, Ihren ursprünglichen Entschluss nicht umzusetzen?

Zwanziger: Es waren gleich drei Gründe: Zum einen musste ich nach der WM doch einsehen, dass die Zeit bis zum Bundestag in Essen für eine Neuorientierung des DFB sehr knapp gewesen wäre. Ich hätte somit im personellen Bereich keine ordentliche Übergabe garantieren können, und das hätte man mir intern und öffentlich dann zu Recht vorwerfen können. Zudem war ich sehr stolz auf das charaktervolle Verhalten unseres Bundestrainers Joachim Löw, der bei seiner Vertragsverlängerung nach der WM davon ausging, dass auch ich als Präsident weitermachen würde. Und zu guter Letzt haben mich DFB-Schatzmeister Horst R. Schmidt und Wolfgang Niersbach nachdrücklich darum gebeten, meine Entscheidung noch einmal zu überdenken. Das habe ich getan. Auch weil ich gespürt habe, dass mich ein paar Dinge doch noch reizen.

DFB.de: Welche?

Zwanziger: Ohne Frage vor allem die Frauen-WM im eigenen Land. Ich habe mich seit jeher stark für die Entwicklung des Mädchen- und Frauenfußballs hierzulande eingesetzt und daran mitgewirkt, diese Weltmeisterschaft in Deutschland ausrichten zu können. Dann ist es doch verständlich, dass man so ein Turnier auch in verantwortlicher Rolle erleben will. Hinzu kam mein Bemühen, den Fußball verstärkt an den demokratischen Werten unserer Gesellschaft zu orientieren. Ich hatte noch großes Interesse, entsprechende Satzungsbestimmungen mitzuformulieren und die Strukturen, das heißt Inhalte und Organisation, aber auch die personelle Ausrichtung, mitzuformen. All dies ist inzwischen erledigt. Der DFB ist auch in diesem Bereich bestens für die Zukunft aufgestellt.

DFB.de: Und jetzt sehen Sie keine besonderen Herausforderungen mehr für Sie persönlich an der Spitze des deutschen Fußballs?

Zwanziger: Für den nationalen Bereich ist das so, ja. Im Oktober des nächsten Jahres werde ich 20 Jahre in führenden Positionen beim Deutschen Fußball-Bund tätig sein. Das ist eine sehr lange Zeit. Ich war Beauftragter für soziale Integration, Büroleiter des damaligen Präsidenten Egidius Braun, Schatzmeister, Geschäftsführender Präsident und schließlich Präsident. In dieser Zeit hat sich der deutsche Fußball weiterentwickelt, und ich konnte stets meinen Teil dazu beitragen. Mit Egidius Braun verbindet mich das soziale Bewusstsein, mit Gerhard Mayer-Vorfelder das ständige Streben nach einer verbesserten Nachwuchsförderung. Für mich selbst war es auf diesen Grundlagen zudem ungeheuer wichtig, den DFB auch stärker als gesellschaftspolitische Kraft in Deutschland zu etablieren. Fußball ist eben nicht nur Spielbetrieb, er gibt Orientierung und vermittelt Werte. Deshalb war mir auch der Einsatz gegen Diskriminierung und für Integration ungemein wichtig. Die Tatsache, dass wir uns jetzt beispielsweise auch den wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Umweltschutz und Klima stellen, entspricht genau dieser Verantwortung. Also, in der Tat, besondere Herausforderungen sehe ich für mich heute nicht mehr.

DFB.de: Sie blicken also zufrieden zurück auf diese lange Zeit beim DFB?

Zwanziger: Ja, natürlich. Welcher Präsident eines Fußballverbandes hat in seiner Amtszeit zwei Weltmeisterschaften ausrichten dürfen? Ich bin sehr stolz darauf, dass ich an der internationalen Wertschätzung unseres Verbandes mitwirken durfte, die wir durch diese Turniere erreicht haben. Franz Beckenbauer, Steffi Jones, Horst R. Schmidt, Wolfgang Niersbach und ich – wir waren in all diesen Jahren wirklich ein tolles Team.

DFB.de: Ein Team, das jetzt auseinander bröckelt?

Zwanziger: Das ist nun einmal der Lauf der Dinge. Es müssen irgendwann auch mal wieder neue Leute kommen, mit neuen Ideen, anderen Vorstellungen. Nur so können sich der Fußball und der DFB ständig weiterentwickeln. Man muss einfach wissen, wann die Zeit des Abschieds gekommen ist und sich die Freiheit für diese Entscheidung immer selbst bewahren. Ich brauche dafür keine Altersgrenze und auch keine guten Ratschläge. Ich weiß, wann für mich persönlich mit einer bestimmten Epoche Schluss sein muss. Und nachdem ich sie schon einmal verlängert habe, ist dieser Zeitpunkt nunmehr endgültig gekommen.

DFB.de: Was bleibt noch bis Oktober nächsten Jahres?

Zwanziger: Das sind im Wesentlichen drei Dinge. Ich möchte in den nächsten Wochen, am besten noch vor Weihnachten, vor allem mit Wolfgang Niersbach, Horst R. Schmidt und den Präsidenten der Mitgliedsverbände meine Nachfolge besprechen und hoffe, dass wir schnell ein Personalkonzept entwerfen können, das diesem Verband gerecht wird. Kompetenz, Engagement und Charakter sind die wesentlichen Merkmale, die eine Person haben muss, wenn sie in den Führungsgremien des DFB arbeiten will. Ich bin seit einigen Monaten diesbezüglich mit einer Persönlichkeit im Gespräch, die ich für sehr geeignet halte. Einen Namen möchte ich aber noch nicht nennen. Zumal ich ohnehin nur Vorschläge machen kann, die Verantwortung tragen Präsidium und Vorstand.

DFB.de: Was gibt es bis zum kommenden Herbst darüber hinaus zu tun?

Zwanziger: Natürlich freue ich mich vor allem auf die Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine. Es ist eine große Ehre für mich, diese sympathische deutsche Nationalmannschaft dort begleiten zu dürfen. Auch wenn ich – wie bereits 2010 angekündigt - nicht als Delegationsleiter fungieren werde. Ich wünsche Jogi Löw, seinem Trainerteam und seiner wunderbaren Mannschaft schon heute viel Glück und Erfolg. Auch der Amateurfußball-Kongress im Februar, der von meinem Freund Hermann Korfmacher vorbereitet wird, muss meine Aufmerksamkeit finden. Und schließlich gibt es im Mai ja auch noch die beiden Champions League-Endspiele in München, hoffentlich mit deutscher Beteiligung.

DFB.de: Haben auch die vielfältigen Krisenszenarien der vergangenen Monate Ihre Entscheidung beeinflusst?

Zwanziger: Es wäre eine Lüge, wenn ich diese Frage mit „Nein“ beantworten würde. Jedes Spannungsfeld wird medial gleich zu einer Krise hochstilisiert, das kostet schon eine Menge Kraft. Dabei übersehen die Medien jedoch hin und wieder, dass der DFB nicht nur sportlich besser denn je dasteht, sondern insgesamt ein gesellschaftliches Standing hat wie nie zuvor. Aber gerade dann ist es natürlich besonders schön, sich an ihm und vor allem den Führungspersönlichkeiten zu reiben. Das wird auch in Zukunft so sein, das muss man akzeptieren. Schließlich wird niemand gezwungen, DFB-Präsident zu werden.

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DFB.de: Welche Rolle bei der Entscheidungsfindung hat die teilweise doch Recht harsche Kritik an Ihnen als Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees gespielt?

Zwanziger: Die hat mich schon sehr enttäuscht. Nach meiner Wahl werde ich für Entscheidungen verantwortlich gemacht, mit denen ich nichts, aber auch rein gar nichts zu tun hatte und die ich kritisiere. Gerade auch von den Personen, die mich zu der Entscheidung, Verantwortung in der FIFA zu übernehmen, gedrängt haben. In diesen Wochen habe ich feststellen müssen, dass sich die Arbeit im FIFA-Exekutivkomitee und als DFB-Präsident zumindest in der aktuellen Zeit und den kommenden Jahren kaum vereinbaren lässt. Alles, was negativ über den Weltverband und somit auch mich geschrieben und geredet wird, schadet wegen meiner Doppelfunktion automatisch auch dem Ansehen des DFB. Das will ich vermeiden.

DFB.de: Also haben Sie sich entschieden, ein Amt, das des DFB-Präsidenten, aufzugeben.

Zwanziger: Richtig, denn ich denke, dass ich in der FIFA noch einiges bewegen kann. Die Arbeit an den Statuten dort macht mir Spaß, und wenn es schlussendlich neue, transparente und demokratische Strukturen beim Weltverband gibt, an denen ein Deutscher tatkräftig mitgearbeitet hat, dann ist das für den DFB ja auch nicht schlecht. Aus diesem Grund werde ich mein Mandat bei der FIFA bis 2015 erfüllen.

DFB.de: In Ihre Amtszeit fallen nicht nur sportliche und gesellschaftliche Erfolge, sondern auch die Bewältigung von vermeintlichen und wirklichen Krisen.

Zwanziger: In der Tat, da gab mehr als genug. Vor der WM 2006 gab es den Streit um das Mannschaftsquartier mit Jürgen Klinsmann, den Wettskandal um Robert Hoyzer, den Streit um die richtige Besetzung der Sportdirektorenposition zwischen Matthias Sammer und Bernhard Peters. Die Stiftung Warentest wollte uns aufzeigen, dass unsere Stadien marode seien, und die Verbraucherschützer haben ihren Einfluss auf die Personalisierung der Tickets geltend gemacht. Wir haben alle diese Situationen angenommen und letztlich im Interesse des DFB gemeistert.

DFB.de: Danach ging es „munter“ weiter...

Zwanziger: Das stimmt. Später gab es den Schuhkrieg der Nationalspieler, die Streitkandidatur zwischen Lennart Johansson und Michel Platini um das Amt des UEFA-Präsidenten, die Diskussion vor der Vertragsverlängerung mit Adidas, Durchsuchungen des Kartellamts, die langwierige Diskussion um Sonntagsspiele, der schreckliche Trauerfall um Robert Enke, neue Wettskandale und das gravierende Fehlverhalten eines Schiedsrichterobmanns. Alles Dinge, die wir zum Großteil gut bewältigt haben. Leider haben viele davon in der medialen Wirklichkeit zu einer völlig irreführenden und verselbstständigten Kommunikation geführt, die nicht mehr aufzuhalten ist. Immer dann, wenn Kommunikation sich verselbstständigt, einige Medien meinen, ihre eigenen Geschichten erfinden zu müssen und sie anschließend auch noch herablassend und teilweise respektlos kommentieren, dann weißt du, dass bei allem Engagement die Realität und die mediale Welt nicht mehr in Einklang zu bringen sind. Kommunikation wird immer eine große Herausforderung beim DFB sein. Gerade deshalb ist es auch wichtig, es in dieser medialen Welt mit der Amtszeit nicht zu übertreiben.

DFB.de: Oktober 2012 oder zum Bundestag 2013, wann ist denn nun wirklich Schluss?

Zwanziger: Wenn es nach mir persönlich geht, dann im Oktober 2012. Dies hätte auch den Vorteil, dass der neue Präsident bereits im Amt wäre, wenn im Mai 2013 mein Mandat im UEFA-Exekutivkomitee ausläuft. So könnte er, die Zustimmung der anderen Verbände vorausgesetzt, auch dort meine Nachfolge antreten.

DFB.de: Haben Sie schon konkrete Pläne für die Zeit nach Ihrem Ausscheiden?

Zwanziger: Wer mich besser kennt, der weiß, dass ich mich auf alle Lebenssituationen frühzeitig vorbereite. Natürlich will ich vor allem mehr Zeit für meine Familie, vor allem meine vier Enkelkinder haben. Zudem habe ich eine kleine Privatstiftung im Fußballverband Rheinland gegründet, und der DFB hat mich über meine Amtszeit hinaus zum Vorsitzenden der Kulturstiftung bestimmt. Dafür bin ich sehr dankbar, denn das ist eine Aufgabe, die mir sehr am Herzen liegt. Vielleicht werde ich auch ein Buch schreiben und mich wieder mehr dem Frauen-, Mädchen- und Amateurfußball besonders in meiner Heimatnähe widmen. Egal wie, langweilig wird es mir auf keinen Fall.

Das meinen DFB-User:

"Ein besonnener, liberaler, ein sehr guter Präsident. Seine Entscheidung verdient Respekt. Alles Gute, Herr Dr. Zwanziger" (Claus Warnecke)

"Mit Herrn Dr. Theo Zwanziger verliert der DFB einen hervorragenden, sachlichen und dazu menschlichen Präsidenten. Es ist sehr schade, dass in dem heutigen medialen Zeitalter seine wahren Verdienste um den Deutschen Fußball nicht richtig gewürdigt werden. Gerade in der Außendarstellung, nicht nur der Nationalmannschaft, sondern auch an der Basis hat der Deutsche Fußball von seiner Amtszeit profitiert. Sein Krisenmanegment nach dem tragischen Tod von Robert Enke oder dem Suizidversuch von Herrn Rafati werden mir durch seine menschliche Art in Erinnerung bleiben. Für mich ist es geradezu zynisch, das er in solchen Krisen in Frage gestellt wurde. Ich und viele Fußballfans wünschen sich sicherlich, das der Verband in diesem Sinne weitergeführt wird. Bleibt mir noch ihm eine weitere gute Hand bei seinen weiteren Projekte zu wünschen!" (Markus Schlosser, Holzappel)

"Ich finde es schade, dass Herr Zwanziger sein Amt als DFB-Präsident aufgibt. Er war die ganze Zeit immer ein verlässlicher Präsident und hat zu meiner Zeit als Vorsitzender der Bundesbehindertenfanarbeitsgemeinschaft (BBAG) e.V immer ein offenes Ohr für mich gehabt, wenn es um behinderte Fussballfans ging. Für meinen langjährigen Nachfolger gibt es nichts Besseres als Herrn Niersbach als Ansprechpartner zu haben. Herr Niersbach habe ich immer als sehr guten Generalsektretär im DFB kennen gelernt und als einer, der für den DFB lebt und akribisch arbeitet und als würdigen Nachfolger für Dr. Zwanziger in Zukunft den DFB leitet. Ich wünsche Herrn Niersbach alles Gute und immer eine glückliche Hand in seinen Entscheidungen als DFB-Präsident." (Waldemar Schwendemann, Offenburg)