Dr. Hans-Dieter Drewitz: "Ein 1:0 reicht mir"

DFB.de: Hört sich nach einem schmalen Grat an, einerseits immer Titel zu wollen und andererseits, erreichte Leistungen auch ohne Titel zu würdigen.

Drewitz: Genau. Man wirft Matthias Sammer immer vor, dass für ihn nur erste Plätze zählen. Natürlich will er Titel, aber er sieht auch, welche Möglichkeiten ein Team hat. Was er aber unbedingt will, ist, dass eine deutsche Mannschaft, wenn sie zu einem Turnier antritt, den Titel als Ziel ausgibt und nicht das Halbfinale oder Viertelfinale. Das Team muss bis zuletzt den Sieg wollen. Wenn das nicht der Fall ist, wird die Niederlage schon einkalkuliert.

DFB.de: Trotzdem wird es auch immer Niederlagen geben.

Drewitz: Wenn ich alles gegeben habe und es reicht nur zum zweiten Platz, dann kann ich damit auch zufrieden sein. Außerdem ist eine Niederlage keine Schande. Erst nach Niederlagen erkennt man, ob man eine Mannschaft hat oder nur gute Einzelspieler. Eine Niederlage kann manchmal wie eine gute Impfung sein.

DFB.de: Die U 17 hat in 13 Spielen bisher 13 Siege gefeiert. Jetzt wäre ein schlechter Zeitpunkt für eine Niederlage, oder?

Drewitz: Stimmt. Beim Portugalspiel und bei einem Endspiel sollte das nicht passieren.

DFB.de: Das letzte Spiel gegen Portugal ist mit einem Endspiel vergleichbar. Was wünschen sie dem deutschen Team?

Drewitz: Entgegen des Slogans des DFB, dass Fußball mehr als ein 1:0 ist, wäre ich am Sonntag auch mit einem 1:0 zufrieden (lacht).



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Dr. Hans-Dieter Drewitz, DFB-Vizepräsident für Jugendfußball, hat die U 17 bei der Eliterunde als Delegationsleiter die letzten Tage begleitet. Nun reist er weiter nach Bergkamen zum DFB-Futsal-Cup der C-Junioren. Peter Frymuth, Vorsitzender des DFB-Jugendausschusses, wird ihn als Delegationsleiter ersetzen.

Im Interview mit DFB.de-Redakteur Peter Scheffler zieht Dr. Drewitz eine Zwischenbilanz und spricht über Siegermentalität und das "Endspiel" gegen Portugal.

DFB.de: Herr Dr. Drewitz, sie haben die Mannschaft in den ersten beiden Spielen gesehen. Wie sieht ihr Zwischenfazit aus?

Dr. Hans-Dieter Drewitz: Das Klassenziel wurde erreicht. Wir haben beide Spiele gewonnen und sind Tabellenerster. Das zweite Spiel ist immer ein bisschen schwer, das kennen wir auch von der A-Mannschaft, auch gegen vermeintlich leichtere Gegner. Die Mannschaft war aber gut vorbereitet. Was unser Trainer über die Bulgaren gesagt hat, über ihre Zweikampfstärke und Kämpfermentalität, bestätigte sich. Das zeigt, dass die Gegnerbeobachtung sich gelohnt hat.

DFB.de: Was die Vorbereitung angeht, kann sich der DFB nichts vorwerfen, oder? Stefan Böger lobte vor dem Turnier die Möglichkeiten, die für Jugendmannschaften erstklassig seien.

Drewitz: Wir als Verband können die Tore nicht schießen, aber wir tun alles dafür, dass die Vorbereitung und die Rahmenbedingungen stimmen.

DFB.de: Und wie sind die Rahmenbedingungen in Bremen?

Drewitz: Das sind tolle Rahmenbedingungen hier. Bremen ist eine fußballbegeisterte Stadt. Das merkt man bei den Organisatoren und den ausrichtenden Vereinen. Dafür bedanke ich mich im Namen des DFB.

DFB.de: Sie haben schon viele Jugendmannschaften kennen gelernt. Wo sehen Sie diese U 17 im Vergleich zu anderen?

Drewitz: Ich zähle sie zu den besseren Mannschaften. Die Spieler sind körperlich und technisch sehr stark. Leider kam das Team gegen Bulgarien ein bisschen aus dem Gleichgewicht. Das erlebt man bei Auswahlmannschaften, vor allem im U-Bereich, immer wieder. Die Verletzung von Kapitän Leon Goretzka konnte nicht so gut verkraftet werden. Man hat gesehen, dass er uns gefehlt hat.

DFB.de: Erinnert die Situation sie an die U 17-Europameisterschaft im letzten Jahr. Auch dort stand das Team vor einem echten Endspiel in der Gruppenphase.

Drewitz: Genau. Bei der EM 2011 standen wir nach dem ersten und dem zweiten Spieltag an letzter Stelle. Erst mit dem letzten Sieg gegen Rumänien haben wir uns vorne festgesetzt. Das war eine ganz harte Nuss.

DFB.de: Matthias Sammer sagte nach dem Türkeispiel, dass es den deutschen Mannschaften noch an der nötigen Siegermentalität fehlt. Sehen Sie das auch so?

Drewitz: Das ist eine Grundfrage, die ich mit Matthias Sammer besprochen habe, als er Sportdirektor wurde. Es ist etwas, was uns beide bewegt. Oft sind wir mit den U-Teams kurz vor einem Titel und im letzten Moment läuft es nicht. Es gibt gewisse Situationen, in denen Spiele entschieden werden. Da können wir noch besser werden. Einstellung, Kampfgeist, gegenseitiges Aufbauen, wenn es schlecht läuft, hier besteht Nachholbedarf.

DFB.de: Wie kann man so etwas fördern?

Drewitz: Wir tun das bereits mit unserem Zehn-Punkte-Plan in der Spielerfibel, die alle Teams besitzen. Das darf nicht aufgesetzt sein, es muss von Herzen kommen. Außerdem müssen die Trainer das Gespür für eine Hierarchie in der Mannschaft entwickeln und diese dann fördern. Man muss aber auch aufpassen, dass wir zweite und dritte Plätze nicht entwerten. Die anderen können auch Fußball spielen.

DFB.de: Hört sich nach einem schmalen Grat an, einerseits immer Titel zu wollen und andererseits, erreichte Leistungen auch ohne Titel zu würdigen.

Drewitz: Genau. Man wirft Matthias Sammer immer vor, dass für ihn nur erste Plätze zählen. Natürlich will er Titel, aber er sieht auch, welche Möglichkeiten ein Team hat. Was er aber unbedingt will, ist, dass eine deutsche Mannschaft, wenn sie zu einem Turnier antritt, den Titel als Ziel ausgibt und nicht das Halbfinale oder Viertelfinale. Das Team muss bis zuletzt den Sieg wollen. Wenn das nicht der Fall ist, wird die Niederlage schon einkalkuliert.

DFB.de: Trotzdem wird es auch immer Niederlagen geben.

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Drewitz: Wenn ich alles gegeben habe und es reicht nur zum zweiten Platz, dann kann ich damit auch zufrieden sein. Außerdem ist eine Niederlage keine Schande. Erst nach Niederlagen erkennt man, ob man eine Mannschaft hat oder nur gute Einzelspieler. Eine Niederlage kann manchmal wie eine gute Impfung sein.

DFB.de: Die U 17 hat in 13 Spielen bisher 13 Siege gefeiert. Jetzt wäre ein schlechter Zeitpunkt für eine Niederlage, oder?

Drewitz: Stimmt. Beim Portugalspiel und bei einem Endspiel sollte das nicht passieren.

DFB.de: Das letzte Spiel gegen Portugal ist mit einem Endspiel vergleichbar. Was wünschen sie dem deutschen Team?

Drewitz: Entgegen des Slogans des DFB, dass Fußball mehr als ein 1:0 ist, wäre ich am Sonntag auch mit einem 1:0 zufrieden (lacht).

DFB.de: Das hieße EM-Qualifikation.

Drewitz: Genau. Ich wünsche der Mannschaft, dass sie die Chance hat, an der EM teilzunehmen und dann zu zeigen, was in ihr steckt. 23 Siege in zwei Jahren sind toll, aber eine EM ist etwas, was immer in Erinnerung bleiben wird.

DFB.de: Sie selbst werden das letzte Spiel nicht im Stadion verfolgen können.

Drewitz: Nein. Ich reise nach Bergkamen zum DFB-Futsal-Cup der C-Junioren. Ich habe den Futsal schon immer unterstützt und freue mich, das wieder live erleben zu dürfen. Die U 17 wird das auch ohne mich packen. Ich verlasse mich da auf Peter Frymuth, der mich exzellent vertreten wird.