Dieter Hoeneß: "Es war noch nicht mal ein Kopfball"

34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Vor dem 31. Spieltag der Bundesliga erinnert sich der heute 61 Jahre alte Dieter Hoeneß im DFB.de-Interview mit dem Historiker Udo Muras an den Tag, als er Bayern München in Braunschweig zum Meister schoss, an weitere seltsame Vorkommnisse in Duellen mit Eintracht Braunschweig und an Meisterschaften, die noch viel schöner waren als die von 1985.

DFB.de: Herr Hoeneß, auch vor 29 Jahren fuhren die Bayern als Tabellenführer zum Schlusslicht Eintracht Braunschweig. Aber damals ging es nur für Ihr Team um etwas, heute ist es umgekehrt. Was wissen Sie noch über den 8. Juni 1985?

Dieter Hoeneß: Es war der letzte Spieltag, und wir konnten Meister werden. War die Eintracht schon abgestiegen - oder war ich am Ende noch der Böse?

DFB.de: Keine Sorge, die waren in der Tat schon weg und blieben es für 28 Jahre. Ihr Tor entschied lediglich die Meisterfrage…

Hoeneß: Dann bin ich ja beruhigt. Ich weiß noch, dass der Platz in einem katastrophalen Zustand war und sich ein sehr zähes Spiel entwickelte. Wir haben uns alle sehr schwer getan damals. Es war sehr verkrampft und rein sportlich kein besonderes Ereignis. Ich habe das Spiel nicht in guter Erinnerung.

DFB.de: Aber ihr Tor machte die Bayern zum Meister, man schrieb die 49. Minute!

Hoeneß: Ja, und es war nicht mal ein Kopfball, was ja meine Spezialität war. Um uns Werder Bremen vom Leib zu halten, hätte ein Punkt genügt. Am Ende waren es dann zwei, und es war für uns alle schön, wieder mal die Schale in der Hand zu halten.

DFB.de: Nach vier Jahren, um genau zu sein. Eine lange Zeit für Bayern München…

Hoeneß: Stimmt, aber dazwischen haben wir noch zweimal den Pokal gewonnen und 1982 im Landesmeisterfinale gestanden. Aber nun begann eine neue Ära mit Spielern wie Lothar Matthäus und Ludwig "Wiggerl" Kögl, mit denen wir den Titelhattrick schafften.

DFB.de: Sie persönlich wurden mit Bayern allein fünfmal Meister. Welchen Stellenwert hat der Titel von 1985 für Sie?

Hoeneß: Also auf dem Rückflug knallten die Korken, da haben wir so richtig die Sau rausgelassen. In München ging es weiter, mein Bruder Uli hatte was organisiert. Da wir keine Finals mehr hatten, gab es keinen Grund, sich zurückzuhalten. Wo wir letztlich in dieser Nacht gelandet sind, weiß ich nicht mehr so genau.

DFB.de: Das war aber nicht ganz die Antwort auf die Frage…

Hoeneß: Also wenn Sie mich so fragen, dann war der Titel von 1986, als wir Bremen noch am letzten Spieltag überholten und die Schlussminuten quasi am Transistorradio verbrachten, der schönste. Es ist auch etwas anderes, ob man daheim oder auswärts Meister wird. Und die erste Meisterschaft 1980 war natürlich etwas Besonderes.

DFB.de: Auch damals spielten Sie gegen Absteiger Braunschweig und gewannen in München 2:1.

Hoeneß: Da schienen uns die Braunschweiger gelegen zu haben. Mir ja auch, es gab da übrigens noch ein Spiel von mir…

DFB.de: Das wollten wir auch unbedingt ansprechen: Im Februar 1984 schossen Sie beim 6:0 binnen 22 Minuten fünf Tore. Wie kam es zu dem Bundesligarekord?

Hoeneß: Das war eine unglaubliche Sache. Ich hatte in der ersten Halbzeit einen Pferdekuss bekommen und wollte raus, aber es stand erst 1:0. Da kam mein Bruder Uli, unser Manager, zu mir und beschwor mich, doch bitte weiterzumachen. "Doc" Müller-Wohlfahrt war eigentlich dagegen, massierte mich dann aber.

DFB.de: Ulis beschwörende Worte und Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrts heilende Hände machten es also möglich, dass Sie fünf Tore erzielten?

Hoeneß: Ja. Sicher waren da auch zwei Abstauber dabei. Eintracht-Trainer Alex Ristic hat später gesagt, wäre der Platz drei Meter kürzer gewesen, wäre das Spiel nur 1:0 ausgegangen. Aber ich stand eben da, wo ein Mittelstürmer stehen musste. Ich konnte übrigens in der Woche danach keinen Schritt laufen und fehlte im Training.

DFB.de: Wissen Sie noch, welchem Torwart Sie in all diesen Spielen die Bälle in den Kasten geknallt haben?

Hoeneß: Ja. Das war Nationalspieler Bernd Franke, an den habe ich auch eine "nette" Erinnerung.

DFB.de: Erzählen Sie!

Hoeneß: Der hat mir bei einem Luftduell mit der Faust das Nasenbein gebrochen. Das kann vorkommen. Unser Vereinsarzt schickte mich dann ins Krankenhaus, und da haben sie mir mit einem Steinmeißel ohne Narkose die Nase gerichtet. Ich dachte, der fährt mir ins Hirn rein. Das war ein Vergnügen…

DFB.de: Im Gegensatz zu den vergangenen Bundesligaauftritten der Bayern. Glauben Sie, dass der Meister am Samstag auch in Braunschweig verliert?

Hoeneß: Ich denke, dass die Bayern spätestens seit dem 0:3 gegen Dortmund anders auftreten werden. Schludern passt nicht zum FC Bayern, damit muss jetzt Schluss sein.

Dieter Hoeneß spielte von 1977 bis 1979 für den VfB Stuttgart, danach bis zum Karriereende 1986 für den FC Bayern München. In 288 Einsätzen kam er auf 127 Tore, fünfmal wurde er mit Bayern Deutscher Meister (1980, 1981, 1985 bis 1987). Für die Nationalmannschaft bestritt er sechs Länderspiele und wurde 1986 Vizeweltmeister. Nach der Karriere war Hoeneß Manager beim VfB Stuttgart, Hertha BSC und dem VfL Wolfsburg, heute leitet er eine Spielerberatungsagentur in München.

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34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Vor dem 31. Spieltag der Bundesliga erinnert sich der heute 61 Jahre alte Dieter Hoeneß im DFB.de-Interview mit dem Historiker Udo Muras an den Tag, als er Bayern München in Braunschweig zum Meister schoss, an weitere seltsame Vorkommnisse in Duellen mit Eintracht Braunschweig und an Meisterschaften, die noch viel schöner waren als die von 1985.

DFB.de: Herr Hoeneß, auch vor 29 Jahren fuhren die Bayern als Tabellenführer zum Schlusslicht Eintracht Braunschweig. Aber damals ging es nur für Ihr Team um etwas, heute ist es umgekehrt. Was wissen Sie noch über den 8. Juni 1985?

Dieter Hoeneß: Es war der letzte Spieltag, und wir konnten Meister werden. War die Eintracht schon abgestiegen - oder war ich am Ende noch der Böse?

DFB.de: Keine Sorge, die waren in der Tat schon weg und blieben es für 28 Jahre. Ihr Tor entschied lediglich die Meisterfrage…

Hoeneß: Dann bin ich ja beruhigt. Ich weiß noch, dass der Platz in einem katastrophalen Zustand war und sich ein sehr zähes Spiel entwickelte. Wir haben uns alle sehr schwer getan damals. Es war sehr verkrampft und rein sportlich kein besonderes Ereignis. Ich habe das Spiel nicht in guter Erinnerung.

DFB.de: Aber ihr Tor machte die Bayern zum Meister, man schrieb die 49. Minute!

Hoeneß: Ja, und es war nicht mal ein Kopfball, was ja meine Spezialität war. Um uns Werder Bremen vom Leib zu halten, hätte ein Punkt genügt. Am Ende waren es dann zwei, und es war für uns alle schön, wieder mal die Schale in der Hand zu halten.

DFB.de: Nach vier Jahren, um genau zu sein. Eine lange Zeit für Bayern München…

Hoeneß: Stimmt, aber dazwischen haben wir noch zweimal den Pokal gewonnen und 1982 im Landesmeisterfinale gestanden. Aber nun begann eine neue Ära mit Spielern wie Lothar Matthäus und Ludwig "Wiggerl" Kögl, mit denen wir den Titelhattrick schafften.

DFB.de: Sie persönlich wurden mit Bayern allein fünfmal Meister. Welchen Stellenwert hat der Titel von 1985 für Sie?

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Hoeneß: Also auf dem Rückflug knallten die Korken, da haben wir so richtig die Sau rausgelassen. In München ging es weiter, mein Bruder Uli hatte was organisiert. Da wir keine Finals mehr hatten, gab es keinen Grund, sich zurückzuhalten. Wo wir letztlich in dieser Nacht gelandet sind, weiß ich nicht mehr so genau.

DFB.de: Das war aber nicht ganz die Antwort auf die Frage…

Hoeneß: Also wenn Sie mich so fragen, dann war der Titel von 1986, als wir Bremen noch am letzten Spieltag überholten und die Schlussminuten quasi am Transistorradio verbrachten, der schönste. Es ist auch etwas anderes, ob man daheim oder auswärts Meister wird. Und die erste Meisterschaft 1980 war natürlich etwas Besonderes.

DFB.de: Auch damals spielten Sie gegen Absteiger Braunschweig und gewannen in München 2:1.

Hoeneß: Da schienen uns die Braunschweiger gelegen zu haben. Mir ja auch, es gab da übrigens noch ein Spiel von mir…

DFB.de: Das wollten wir auch unbedingt ansprechen: Im Februar 1984 schossen Sie beim 6:0 binnen 22 Minuten fünf Tore. Wie kam es zu dem Bundesligarekord?

Hoeneß: Das war eine unglaubliche Sache. Ich hatte in der ersten Halbzeit einen Pferdekuss bekommen und wollte raus, aber es stand erst 1:0. Da kam mein Bruder Uli, unser Manager, zu mir und beschwor mich, doch bitte weiterzumachen. "Doc" Müller-Wohlfahrt war eigentlich dagegen, massierte mich dann aber.

DFB.de: Ulis beschwörende Worte und Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrts heilende Hände machten es also möglich, dass Sie fünf Tore erzielten?

Hoeneß: Ja. Sicher waren da auch zwei Abstauber dabei. Eintracht-Trainer Alex Ristic hat später gesagt, wäre der Platz drei Meter kürzer gewesen, wäre das Spiel nur 1:0 ausgegangen. Aber ich stand eben da, wo ein Mittelstürmer stehen musste. Ich konnte übrigens in der Woche danach keinen Schritt laufen und fehlte im Training.

DFB.de: Wissen Sie noch, welchem Torwart Sie in all diesen Spielen die Bälle in den Kasten geknallt haben?

Hoeneß: Ja. Das war Nationalspieler Bernd Franke, an den habe ich auch eine "nette" Erinnerung.

DFB.de: Erzählen Sie!

Hoeneß: Der hat mir bei einem Luftduell mit der Faust das Nasenbein gebrochen. Das kann vorkommen. Unser Vereinsarzt schickte mich dann ins Krankenhaus, und da haben sie mir mit einem Steinmeißel ohne Narkose die Nase gerichtet. Ich dachte, der fährt mir ins Hirn rein. Das war ein Vergnügen…

DFB.de: Im Gegensatz zu den vergangenen Bundesligaauftritten der Bayern. Glauben Sie, dass der Meister am Samstag auch in Braunschweig verliert?

Hoeneß: Ich denke, dass die Bayern spätestens seit dem 0:3 gegen Dortmund anders auftreten werden. Schludern passt nicht zum FC Bayern, damit muss jetzt Schluss sein.

Dieter Hoeneß spielte von 1977 bis 1979 für den VfB Stuttgart, danach bis zum Karriereende 1986 für den FC Bayern München. In 288 Einsätzen kam er auf 127 Tore, fünfmal wurde er mit Bayern Deutscher Meister (1980, 1981, 1985 bis 1987). Für die Nationalmannschaft bestritt er sechs Länderspiele und wurde 1986 Vizeweltmeister. Nach der Karriere war Hoeneß Manager beim VfB Stuttgart, Hertha BSC und dem VfL Wolfsburg, heute leitet er eine Spielerberatungsagentur in München.