"Die Walz aus der Pfalz": Briegel wird 65

Seinen Spitznamen hat er schon ganz zu Beginn seiner Karriere erhalten und bis heute blieb er für viele "die Walz aus der Pfalz". Hans-Peter Briegel, der heute 65 wird, hat das stets mit Humor getragen. Drückte es doch nur das Erstaunen über diesen ungewöhnlichen Kerl aus, der so viel aus seinen Möglichkeiten machte. Bei 188 Zentimetern brachte Briegel schon mit 20 Jahren 90 Kilo auf die Waage.

So sehen Ringer aus, oder Speerwerfer. Briegel war ein Modellathlet, der erst relativ spät zum Fußball kam. Sein Vater schickte ihn nämlich zunächst in die Leichtathletikabteilung des heimischen TV Rodenbach und der Filius sammelte deutsche Jugendmeisterschaften im Dutzend - als Dreispringer, als Weitspringer, als Fünfkämpfer. Die 100 Meter lief er in 10,8 Sekunden. Als Zehnkämpfer nahm er regelmäßig die 7000-Punkte-Marke, beim Weitsprung wurden bis zu 7,48 Meter gemessen, im Hochsprung 1,98 Meter.

Erst mit 17 in den Fußballverein

Vielleicht hätten wir ihn eines Tages bei Olympia gesehen, Mitglied der Juniorennationalmannschaft der Leichtathleten war er bereits. Doch mit 17 trat der Bauernsohn dem Fußballverein bei. Beim SV Rodenbach startete 1972 einer der ungewöhnlichsten Karrieren überhaupt. Viel zu spät - eigentlich.

Was ihm am Ball fehlte, machte Briegel mit Einsatz und Kraft wett. In Rodenbach erzielte er 36 Saisontore, das ließ aufhorchen. Der 1. FC Kaiserslautern schickte einen Spion, der abwinkte: "Zu schwerfällig". Trainer Erich Ribbeck war gnädiger: "Der Junge ist einen Versuch wert". Zwei Jahre sammelte er bei der Oberligamannschaft Erfahrungen, dann ging sie los, die Bundesligakarriere (240 Spiele/47 Tore). Ribbeck glaubte an das Kraftpaket mit dem starken linken Fuß und brachte ihn an einem April-Samstag 1976 ausgerechnet beim FC Bayern, wo der FCK meist Prügel bezog.

"Ich konnte es fast gar nicht fassen, dass ich da rein sollte"

Diesmal nicht, 3:4 prangte von der Anzeigetafel des Olympiastadions. Eine kleine Sensation, 23 Minuten vor Schluss durfte der 20-Jährige daran mitwirken. "Da stand es 3:3 und ich konnte es fast gar nicht fassen, dass ich da rein sollte." Die Zuschauer hätten gelacht, als er sich warmlief. "Die sagten immer: 'ist der aber langsam'", erinnert sich Briegel. Am Ende lachte er. Langsam war er übrigens, siehe oben, nie.

Briegel pendelte in seiner Karriere stets zwischen Mittelfeld und Abwehr, vorwiegend auf der linken Seite, wo er sich dank seiner urwüchsigen Kraft nur selten vom Ball trennen ließ. Wo andere ihre Gegner ausdribbelten, walzte er sie schier nieder.

So kam das mit dem Spitznamen. Zunächst musste er noch einige harte Lektionen lernen. Wenn ihm Bälle versprangen, war ihm der Spott der Zuschauer sicher und es gab Spiele, da bat er schon zur Pause weinend um seine Auswechslung. Da zeigte der harte Kerl seinen weichen Kern.

Im vierten Profijahr zur Nationalmannschaft

Erst in seiner dritten Saison durfte er sich als Stammspieler fühlen und als die Pfälzer 1978/1979 unter Trainer Kalli Feldkamp sogar um die Meisterschaft mitspielten, da fand auch der neue Bundestrainer Jupp Derwall immer öfter den Weg auf den Betzenberg. Er musste eine neue Mannschaft aufbauen nach der WM in Argentinien und Briegel schien ihm geeignet, die Lücken in der Defensive zu schließen. 1976 war der Lauterer Derwalls Spieler in der Amateurnationalelf. Im Oktober 1979 debütierte Briegel beim 5:1 gegen Wales im A-Team. Es blieb sein einziger Einsatz in der EM-Qualifikation, aber Derwall nahm ihn mit nach Italien - und so wurde Briegel am Ende seines vierten Profijahres am 22. Juni 1980 in Rom schon Europameister. Nach dem Ausscheiden von Kapitän Bernard Dietz wurde er der linke Verteidiger der Nation.

Der Kern der jungen Europameister-Elf stand 1982 in Spanien im WM-Finale und gut die Hälfe auch noch im WM-Finale von 1986. Briegel war immer dabei. 1984 verließ er die Pfalz, obwohl er "eigentlich nur für den FCK spielen" wollte, wie er jetzt dem Kicker sagte, und ging nach Italien.

Hier wurde er auf Anhieb Meister. Mit Hellas Verona. Es ist bis heute der einzige "Scudetto" der Veronesen. Briegel wurde gefeiert, als "teutonischer Panzer" huldigte ihm die Presse des Landes. Die deutschen Journalisten wählten Briegel 1985 zum Fußballer des Jahres, erstmals ging diese Auszeichnung an einen Legionär. Ein Jahr später, am 29. Juni 1986, endete seine Karriere im DFB-Dress nach 72 Spielen mit einer unglücklichen Niederlage im WM-Finale von Mexiko, dem Spiel, das er am liebsten noch einmal spielen würde.

Rücktritt nach dem WM-Finale 1986

Denn er spielte eine unglückliche Hauptrolle. Gerade hatten die Deutschen einen 0:2-Rückstand aufgeholt, da passierte es: Die Mannschaft spielte auf Abseits, nur Briegel hatte das irgendwie nicht mitbekommen. So konnte Burruchaga mit Maradonas Pass auf und davon ziehen und das entscheidende 3:2 erzielen. Noch auf dem Platz erklärte Briegel im ZDF seinen Rücktritt. Er war 30, da kann man schon mal gehen. Die Bilanz las sich ja prächtig: Europameister und zweimaliger Vize-Weltmeister.

Das Leben ging weiter, Briegel wechselte innerhalb Italiens zu Sampdoria Genua und trat 1988 als Pokalsieger ab. Dann kehrte er heim in die Pfalz. Am 26. September 1989 kamen 16.000 Zuschauer zu seinem offiziellen Abschiedsspiel auf seinen Betzenberg. Beifall brandete auf bei seiner Ehrenrunde und da standen ihm die Tränen in den Augen. "Solch einen Jubel zu meinem Abschied, das hätte ich nicht erwartet.", sagte er gerührt und beteuerte: "Für mich gibt es nur einen Klub, den FCK".

Kinder in Albanien nach ihm benannt

Es gab dann doch noch ein paar andere Klubs und Stationen in seiner Karriere nach der großen Karriere. Zunächst hängte er drei Monate beim Schweizer Zweitligisten FC Glarus dran. Als Spielertrainer. Dem Fußball blieb er als Trainer (u.a. Wattenscheid 09) und Sportdirektor (FCK) zunächst im eigenen Land treu, dann wurde es internationaler. Jobs in der Türkei (u.a. Besiktas Istanbul) und Albanien, dessen Nationaltrainer er von 2002 bis 2006 war, ebenso in Bahrain (2007), zuletzt noch mal die Türkei (Ankaragücü). Mit wechselndem Erfolg.

Manche Stationen dauerten nur wenige Monate, in Albanien aber wurde er Kult. Nach dem Sieg über den damaligen Europameister Griechenland wurden sogar Kinder nach ihm benannt, im Land der Skipetaren gibt es nun so manchen Hans-Peter.

Heute lebt der zweifache Familienvater wieder in der Pfalz, in Germersheim - dem Heimatort seiner Frau Petra, mit der er seit 1987 verheiratet ist. Er nutzt nun seine Popularität, um Gutes zu tun. Mit seiner Frau sammelt er Geld für die Mexiko-Stiftung des DFB. Seit er 2008 Kinder auf Müllhalden hat schlafen und nach Essen suchen sehen, treibt ihn das um. Sein Engagement für das Kindermissionswerk "Sternsinger" geschieht aus dem gleichen Antrieb. Und wie vor ihm auch die FCK-Idole Fritz Walter und Horst Eckel sieht man auch Briegel in Justizvollzugsanstalten, straffällig gewordenen Jugendlichen Werte zu vermitteln. Dass man im Leben viel erreichen kann, wenn man nur will, das können nur wenige so glaubwürdig rüberbringen wie Hans-Peter Briegel.

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Seinen Spitznamen hat er schon ganz zu Beginn seiner Karriere erhalten und bis heute blieb er für viele "die Walz aus der Pfalz". Hans-Peter Briegel, der heute 65 wird, hat das stets mit Humor getragen. Drückte es doch nur das Erstaunen über diesen ungewöhnlichen Kerl aus, der so viel aus seinen Möglichkeiten machte. Bei 188 Zentimetern brachte Briegel schon mit 20 Jahren 90 Kilo auf die Waage.

So sehen Ringer aus, oder Speerwerfer. Briegel war ein Modellathlet, der erst relativ spät zum Fußball kam. Sein Vater schickte ihn nämlich zunächst in die Leichtathletikabteilung des heimischen TV Rodenbach und der Filius sammelte deutsche Jugendmeisterschaften im Dutzend - als Dreispringer, als Weitspringer, als Fünfkämpfer. Die 100 Meter lief er in 10,8 Sekunden. Als Zehnkämpfer nahm er regelmäßig die 7000-Punkte-Marke, beim Weitsprung wurden bis zu 7,48 Meter gemessen, im Hochsprung 1,98 Meter.

Erst mit 17 in den Fußballverein

Vielleicht hätten wir ihn eines Tages bei Olympia gesehen, Mitglied der Juniorennationalmannschaft der Leichtathleten war er bereits. Doch mit 17 trat der Bauernsohn dem Fußballverein bei. Beim SV Rodenbach startete 1972 einer der ungewöhnlichsten Karrieren überhaupt. Viel zu spät - eigentlich.

Was ihm am Ball fehlte, machte Briegel mit Einsatz und Kraft wett. In Rodenbach erzielte er 36 Saisontore, das ließ aufhorchen. Der 1. FC Kaiserslautern schickte einen Spion, der abwinkte: "Zu schwerfällig". Trainer Erich Ribbeck war gnädiger: "Der Junge ist einen Versuch wert". Zwei Jahre sammelte er bei der Oberligamannschaft Erfahrungen, dann ging sie los, die Bundesligakarriere (240 Spiele/47 Tore). Ribbeck glaubte an das Kraftpaket mit dem starken linken Fuß und brachte ihn an einem April-Samstag 1976 ausgerechnet beim FC Bayern, wo der FCK meist Prügel bezog.

"Ich konnte es fast gar nicht fassen, dass ich da rein sollte"

Diesmal nicht, 3:4 prangte von der Anzeigetafel des Olympiastadions. Eine kleine Sensation, 23 Minuten vor Schluss durfte der 20-Jährige daran mitwirken. "Da stand es 3:3 und ich konnte es fast gar nicht fassen, dass ich da rein sollte." Die Zuschauer hätten gelacht, als er sich warmlief. "Die sagten immer: 'ist der aber langsam'", erinnert sich Briegel. Am Ende lachte er. Langsam war er übrigens, siehe oben, nie.

Briegel pendelte in seiner Karriere stets zwischen Mittelfeld und Abwehr, vorwiegend auf der linken Seite, wo er sich dank seiner urwüchsigen Kraft nur selten vom Ball trennen ließ. Wo andere ihre Gegner ausdribbelten, walzte er sie schier nieder.

So kam das mit dem Spitznamen. Zunächst musste er noch einige harte Lektionen lernen. Wenn ihm Bälle versprangen, war ihm der Spott der Zuschauer sicher und es gab Spiele, da bat er schon zur Pause weinend um seine Auswechslung. Da zeigte der harte Kerl seinen weichen Kern.

Im vierten Profijahr zur Nationalmannschaft

Erst in seiner dritten Saison durfte er sich als Stammspieler fühlen und als die Pfälzer 1978/1979 unter Trainer Kalli Feldkamp sogar um die Meisterschaft mitspielten, da fand auch der neue Bundestrainer Jupp Derwall immer öfter den Weg auf den Betzenberg. Er musste eine neue Mannschaft aufbauen nach der WM in Argentinien und Briegel schien ihm geeignet, die Lücken in der Defensive zu schließen. 1976 war der Lauterer Derwalls Spieler in der Amateurnationalelf. Im Oktober 1979 debütierte Briegel beim 5:1 gegen Wales im A-Team. Es blieb sein einziger Einsatz in der EM-Qualifikation, aber Derwall nahm ihn mit nach Italien - und so wurde Briegel am Ende seines vierten Profijahres am 22. Juni 1980 in Rom schon Europameister. Nach dem Ausscheiden von Kapitän Bernard Dietz wurde er der linke Verteidiger der Nation.

Der Kern der jungen Europameister-Elf stand 1982 in Spanien im WM-Finale und gut die Hälfe auch noch im WM-Finale von 1986. Briegel war immer dabei. 1984 verließ er die Pfalz, obwohl er "eigentlich nur für den FCK spielen" wollte, wie er jetzt dem Kicker sagte, und ging nach Italien.

Hier wurde er auf Anhieb Meister. Mit Hellas Verona. Es ist bis heute der einzige "Scudetto" der Veronesen. Briegel wurde gefeiert, als "teutonischer Panzer" huldigte ihm die Presse des Landes. Die deutschen Journalisten wählten Briegel 1985 zum Fußballer des Jahres, erstmals ging diese Auszeichnung an einen Legionär. Ein Jahr später, am 29. Juni 1986, endete seine Karriere im DFB-Dress nach 72 Spielen mit einer unglücklichen Niederlage im WM-Finale von Mexiko, dem Spiel, das er am liebsten noch einmal spielen würde.

Rücktritt nach dem WM-Finale 1986

Denn er spielte eine unglückliche Hauptrolle. Gerade hatten die Deutschen einen 0:2-Rückstand aufgeholt, da passierte es: Die Mannschaft spielte auf Abseits, nur Briegel hatte das irgendwie nicht mitbekommen. So konnte Burruchaga mit Maradonas Pass auf und davon ziehen und das entscheidende 3:2 erzielen. Noch auf dem Platz erklärte Briegel im ZDF seinen Rücktritt. Er war 30, da kann man schon mal gehen. Die Bilanz las sich ja prächtig: Europameister und zweimaliger Vize-Weltmeister.

Das Leben ging weiter, Briegel wechselte innerhalb Italiens zu Sampdoria Genua und trat 1988 als Pokalsieger ab. Dann kehrte er heim in die Pfalz. Am 26. September 1989 kamen 16.000 Zuschauer zu seinem offiziellen Abschiedsspiel auf seinen Betzenberg. Beifall brandete auf bei seiner Ehrenrunde und da standen ihm die Tränen in den Augen. "Solch einen Jubel zu meinem Abschied, das hätte ich nicht erwartet.", sagte er gerührt und beteuerte: "Für mich gibt es nur einen Klub, den FCK".

Kinder in Albanien nach ihm benannt

Es gab dann doch noch ein paar andere Klubs und Stationen in seiner Karriere nach der großen Karriere. Zunächst hängte er drei Monate beim Schweizer Zweitligisten FC Glarus dran. Als Spielertrainer. Dem Fußball blieb er als Trainer (u.a. Wattenscheid 09) und Sportdirektor (FCK) zunächst im eigenen Land treu, dann wurde es internationaler. Jobs in der Türkei (u.a. Besiktas Istanbul) und Albanien, dessen Nationaltrainer er von 2002 bis 2006 war, ebenso in Bahrain (2007), zuletzt noch mal die Türkei (Ankaragücü). Mit wechselndem Erfolg.

Manche Stationen dauerten nur wenige Monate, in Albanien aber wurde er Kult. Nach dem Sieg über den damaligen Europameister Griechenland wurden sogar Kinder nach ihm benannt, im Land der Skipetaren gibt es nun so manchen Hans-Peter.

Heute lebt der zweifache Familienvater wieder in der Pfalz, in Germersheim - dem Heimatort seiner Frau Petra, mit der er seit 1987 verheiratet ist. Er nutzt nun seine Popularität, um Gutes zu tun. Mit seiner Frau sammelt er Geld für die Mexiko-Stiftung des DFB. Seit er 2008 Kinder auf Müllhalden hat schlafen und nach Essen suchen sehen, treibt ihn das um. Sein Engagement für das Kindermissionswerk "Sternsinger" geschieht aus dem gleichen Antrieb. Und wie vor ihm auch die FCK-Idole Fritz Walter und Horst Eckel sieht man auch Briegel in Justizvollzugsanstalten, straffällig gewordenen Jugendlichen Werte zu vermitteln. Dass man im Leben viel erreichen kann, wenn man nur will, das können nur wenige so glaubwürdig rüberbringen wie Hans-Peter Briegel.

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