Die unbekannte Seite des Bert Trautmann

Trautmann blieb bescheiden

"Ich erinnere mich daran sehr gut", sagte Trautmann in einem Gespräch 2008 und erwies sich dabei als bescheidener Gentleman. "Mit dem englischen Erfolg habe ich eigentlich nicht viel zu tun. Das ist ganz allein die Leistung der Mädels. Etwas anderes würde ich mir nie anmaßen." Denn der City-Keeper war damals nur offizieller Übersetzer und Team-Stewart für die englischen Frauen, die durch den Verein Manchester Corianthians vertreten waren. Deren Manager Percy Ashley hatte angefragt und Trautmann sein "Okay" dazu gegeben. "Aus Neugier natürlich, wie das so ist bei den Fußball spielenden Frauen. Und als junger Mann sowieso", erklärt der Torwart und lächelt dabei durchaus schelmisch. "Ich habe gerne zugesagt, nachdem ich von meinem Verein die Erlaubnis bekommen hatte. Allerdings habe ich lieber meinen Schwiegervater mitgenommen. Wir sind im Auto gefahren und nicht mit der Mannschaft geflogen."

Als City-Held hatte Trautmann natürlich über Jahre guten Kontakt zu den Corinthians. Für ihn sei die Begleitung nach Deutschland deshalb selbstverständlich gewesen und er habe sich sehr darüber gefreut, erinnert sich die Torhüter-Legende. Probleme mit dem "Vereinsokay" habe es nicht gegeben. Ganz im Gegenteil: "Wir hatten ja bei City unseren Ehrenkodex. Auf zehn Seiten gab es darin neben Anweisungen zur Kleidung auch Verhaltensvorschriften, in denen anständiges Benehmen in der Öffentlichkeit und so weiter geregelt war", berichtet Trautmann. "Auftritte, etwa zu Wohlfahrtszwecken, sind gerne gesehen. Soziale Leistung wurde erwartet. Für mich war das ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Ich habe in meiner Zeit etwa 50 bis 80 solcher Auftritte absolviert."

"Emanzipation, gesellschaftliche Stärkung, Gleichberechtigung"

Das sportliche Niveau damals in Berlin? "Vieles war mehr Spaß und Vergnügen. Aber auch sportlich wollte sich niemand eine Blöße geben. Insofern herrschte bei den Fußballfrauen, obwohl viele in der Pause durchaus auch mal eine Zigarette geraucht haben, durchaus Ehrgeiz", so die Erinnerungen. "Für die Frauen stand im Vordergrund, sich in einer von Männern anerkannten Sportart zu präsentieren. Das bedeutete ein Stück weit Emanzipation, gesellschaftliche Stärkung, Gleichberechtigung."

Das Interesse am Turnier damals sei eher lokal begrenzt gewesen. "Die Menschen in Berlin wussten zwar davon, zeigten aber kein Interesse. Sie ließen es nur gewähren. Beim Endspiel war natürlich richtig was los. Das Mommsenstadion war komplett überfüllt. Viele Leute interessierten sich für den Fußball, die Qualität, andere waren nur einfach neugierig und wollten nichts verpassen."

Die ILFA-Manager indes wurden später verhaftet, weil diverse Rechnungen von rund 20.000 DM unbezahlt blieben, Hotelkosten gestundet wurden und für die Engländerinnen sogar die Flugrechnung vom Carrier BEA vorgestreckt wurde. Ein von der ILFA verkalkuliertes Turnier, nachdem in Stuttgart zuvor gute 28.000 DM übrig waren. Dort trennten sich Deutschland und England übrigens am 28. Juli des gleichen Jahres 1:1. Bert Trautmann führte vor 11.000 Zuschauern bei strömendem Regen im Neckarstadion den Anstoß zu jener Partie aus.

[rh]


Er lief in 639 Ligaspielen für Manchester City auf, absolvierte das legendäre Cupfinale von 1956 mit gebrochenem Halswirbel, wurde durch Queen Elisabeth II geehrt sowie als Fußballer des Jahres in England ausgezeichnet. Und als Trainer leistete Bert Trautmann später in mehreren Ländern Entwicklungshilfe. In seiner Foundation kümmerte er sich um Jugendliche. Courage counts – gegen Rassismus, Vorurteile und Gewalt, für Fair Play, Sportsmanship und starke Persönlichkeiten. Die Torwartlegende erhielt das Bundesverdienstkreuz, wurde 2008 beim Herren-Länderspiel gegen England in Berlin (1:2) vom DFB mit der "Ehrennadel mit Brillanten" geehrt. Leistungen und Auftreten haben den am 22. Oktober 1923 geborenen Bremer, der den Lebensabend mit seiner Frau in Spanien bis zu seinem Tod am 19. Juli 2013 genoss, zum Idol gemacht. Die weitgehend unbekannte Seite Trautmanns aber hieß Frauenfußball.

1957 wurde Bernhard Carl "Bert" Trautmann mit den englischen Fußballfrauen sogar Europameister. In Berlin gelang ihm und seiner Mannschaft bei einem Vier-Nationen-Turnier, das die privatwirtschaftlich geführte ILFA (International Ladies Football Association) als Europameisterschaft durchgeführt hatte, der Triumph. Frauenfußball war damals weder beim DFB noch in England gestattet. England, Deutschland, Österreich und die Niederlande bildeten das Turnierfeld. Eine Partie dauerte zweimal 35 Minuten. Die jüngsten Spielerinnen waren 14, Manchesters Torjägerin Doris Ashley 33 Jahre alt. Deutschland brachte mit der 25 Jahre alten Waltraut Wittke aus Oberhausen als Teamoldie eine junge Mannschaft nach Berlin.

"Es wurde heftig und ausgelassen gefeiert"

Während die Vorrundenspiele nur vor kleinem Publikum im Poststadion im Wedding stattfanden, sahen beim Endspiel im Mommsenstadion rund 3000 Neugierige das klare englische 4:0 gegen Deutschland und danach die Pokalübergabe an die Engländerinnen. "Natürlich war das ein klassischer Pokal und er wurde oft gefüllt. Es wurde eher heftig und ausgelassen als dezent gefeiert", erinnert sich Trautmann, der selbst schon öfter mal den Corinthians öffentlich Pokale überreicht hatte, 1952 in Manchester zum Beispiel die "Festival of Britain Trophy".

In Berlin bezwangen die Oranjes Österreich im kleinen Finale mit 8:1. Das Halbfinale hatten die Manchester-Girls, in der auch drei Holländerinnen mitgewirkt hatten, mit 2:1 gegen die Niederlande gewonnen und für die Zuschauer noch eine Zugabe geboten: Über zweimal 15 Minuten wurde Deutschland schon vor dem echten Finale mit 3:1 besiegt. Als Ersatz für die deutsche Partie gegen Österreich, dessen Kickerinnen wegen dichten Nebels in Wien festsaßen die Halbfinaltermine verpassten.

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Trautmann blieb bescheiden

"Ich erinnere mich daran sehr gut", sagte Trautmann in einem Gespräch 2008 und erwies sich dabei als bescheidener Gentleman. "Mit dem englischen Erfolg habe ich eigentlich nicht viel zu tun. Das ist ganz allein die Leistung der Mädels. Etwas anderes würde ich mir nie anmaßen." Denn der City-Keeper war damals nur offizieller Übersetzer und Team-Stewart für die englischen Frauen, die durch den Verein Manchester Corianthians vertreten waren. Deren Manager Percy Ashley hatte angefragt und Trautmann sein "Okay" dazu gegeben. "Aus Neugier natürlich, wie das so ist bei den Fußball spielenden Frauen. Und als junger Mann sowieso", erklärt der Torwart und lächelt dabei durchaus schelmisch. "Ich habe gerne zugesagt, nachdem ich von meinem Verein die Erlaubnis bekommen hatte. Allerdings habe ich lieber meinen Schwiegervater mitgenommen. Wir sind im Auto gefahren und nicht mit der Mannschaft geflogen."

Als City-Held hatte Trautmann natürlich über Jahre guten Kontakt zu den Corinthians. Für ihn sei die Begleitung nach Deutschland deshalb selbstverständlich gewesen und er habe sich sehr darüber gefreut, erinnert sich die Torhüter-Legende. Probleme mit dem "Vereinsokay" habe es nicht gegeben. Ganz im Gegenteil: "Wir hatten ja bei City unseren Ehrenkodex. Auf zehn Seiten gab es darin neben Anweisungen zur Kleidung auch Verhaltensvorschriften, in denen anständiges Benehmen in der Öffentlichkeit und so weiter geregelt war", berichtet Trautmann. "Auftritte, etwa zu Wohlfahrtszwecken, sind gerne gesehen. Soziale Leistung wurde erwartet. Für mich war das ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Ich habe in meiner Zeit etwa 50 bis 80 solcher Auftritte absolviert."

"Emanzipation, gesellschaftliche Stärkung, Gleichberechtigung"

Das sportliche Niveau damals in Berlin? "Vieles war mehr Spaß und Vergnügen. Aber auch sportlich wollte sich niemand eine Blöße geben. Insofern herrschte bei den Fußballfrauen, obwohl viele in der Pause durchaus auch mal eine Zigarette geraucht haben, durchaus Ehrgeiz", so die Erinnerungen. "Für die Frauen stand im Vordergrund, sich in einer von Männern anerkannten Sportart zu präsentieren. Das bedeutete ein Stück weit Emanzipation, gesellschaftliche Stärkung, Gleichberechtigung."

Das Interesse am Turnier damals sei eher lokal begrenzt gewesen. "Die Menschen in Berlin wussten zwar davon, zeigten aber kein Interesse. Sie ließen es nur gewähren. Beim Endspiel war natürlich richtig was los. Das Mommsenstadion war komplett überfüllt. Viele Leute interessierten sich für den Fußball, die Qualität, andere waren nur einfach neugierig und wollten nichts verpassen."

Die ILFA-Manager indes wurden später verhaftet, weil diverse Rechnungen von rund 20.000 DM unbezahlt blieben, Hotelkosten gestundet wurden und für die Engländerinnen sogar die Flugrechnung vom Carrier BEA vorgestreckt wurde. Ein von der ILFA verkalkuliertes Turnier, nachdem in Stuttgart zuvor gute 28.000 DM übrig waren. Dort trennten sich Deutschland und England übrigens am 28. Juli des gleichen Jahres 1:1. Bert Trautmann führte vor 11.000 Zuschauern bei strömendem Regen im Neckarstadion den Anstoß zu jener Partie aus.

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