DFB-Wochenschau: Trauriges Torwartdebüt

Was passierte im deutschen Fußball vor fünf Jahren? Vor 25, 50 oder 100 Jahren? Autor Udo Muras hat in den Archiven gesucht und blickt auf die wichtigsten Jahrestage zurück. Die DFB-Wochenschau - immer mittwochs auf DFB.de.

6. August

Vor 90 Jahren wird das Finale um die Deutsche Meisterschaft wiederholt. 49 Tage nach dem Abbruch der ersten Partie wegen Dunkelheit treffen in Leipzig der HSV und der 1. FC Nürnberg erneut aufeinander. Und wieder gibt es keinen Sieger. Wegen Verletzung (Anton Kugler) und des Platzverweises für Willi Böß (25.) geht der Club mit nur neun Mann in die Verlängerung – Stand 1:1 –, dann fliegt auch Heinrich Träg (100.) nach Tätlichkeit vom Platz. In der Pause der Verlängerung kollabiert Luitpold Popp, er kann nicht mehr spielen.

Ein solcher Fall ist auf diesem Niveau noch nicht da gewesen, auch Schiedsrichter Peco Bauwens ist irritiert. Er bricht das Spiel ab, obwohl laut FIFA-Regeln mindestens sechs Spieler auf dem Feld stehen müssen. Rund 60.000 Zuschauer gehen ratlos, schimpfend, erregt nach Hause. Das Finale ohne Meister hat summa summarum 294 Minuten gedauert.

Nachspiel: Als der DFB kurz darauf auf einer Tagung in Hildesheim den HSV zum Meister erklärt, weil ja Nürnberg am Spielabbruch Schuld gewesen sei, droht der Süddeutsche Fußballverband mit Austritt. In der Revision in Würzburg wird beschlossen, dass es keinen Meister 1922 geben werde. Der HSV lässt nicht locker und bringt die Frage auf dem Bundestag in Jena im November noch mal auf die Tagesordnung. Obwohl die Delegierten mit 53:35 für den Meister HSV stimmen, hat dieser mittlerweile keine Lust mehr auf den Titel am Grünen Tisch und verzichtet nun doch.

Vor 25 Jahren beginnt der zweite Bundesliga-Spieltag schon an einem Donnerstag. Waldhof Mannheim schlägt Borussia Dortmund 1:0. Das Tor des Tages erzielt ein Ex-Dortmunder: Bernd Klotz befördert den BVB auf den letzten Platz.

7. August

Vor 25 Jahren wird der zweite Spieltag mit zwei Freitagspartien fortgesetzt. Eintracht Frankfurt unterliegt dem VfL Bochum 0:1, der 1. FC Köln feiert gegen Kaiserslautern dank eines späten Elfmetertors von Olaf Janssen den ersten Saisonsieg (2:1).

Vor zehn Jahren erreicht der VfB Stuttgart das Finale des UI-Cups. Sean Dundee köpft das einzige Tor bei den Kroaten von Slaven Belupo. Die Finalsieger (im UI-Cup gibt es 2002 vier Finals) erreichen noch den UEFA-Cup, weshalb Manager Rolf Rüssmann von einem Sieg "von enormer Bedeutung" spricht. Die Kulisse spricht eine andere Sprache: 3500 Zuschauer finden sich in Koprivnica ein.

8. August

Vor 50 Jahren wird die Zwischenrunde, gleichbedeutend mit dem Viertelfinale, des DFB-Pokals ausgetragen. Auch in diesem Stadium gibt es noch Schützenfeste: Der 1. FC Nürnberg deklassiert den VfV Hildesheim, immerhin Vizemeister der Nord-Oberliga mit einem 11:0 (2:0). Club-Trainer Herbert Widmayer tröstet den Gegner: "Er hatte das Pech, unsere Elf in einer ganz großen Spiellaune anzutreffen." Auch Schalke 04 nutzt den Heimvorteil beim 4:2, 1860 München leistet aber mehr Widerstand. Die Löwen versielen sogar eine 2:0-Führung, Liebling der Massen ist ein gewisser Reinhard Libuda, denn das Sportmagazin "einen Lichtblick" nennt. Zwei Spiele gehen in die Verlängerung: Eintracht Frankfurt gewinnt beim 1. FC Köln 2:1, der 1. FC Saarbrücken und Fortuna Düsseldorf können sich auch in 120 Minuten nicht auf einen Sieger einigen (2:2). Ein Wiederholungsspiel wird nötig, was niemandem passt, denn der Pokalwettbewerb wird noch im August beendet. Halbfinale und Finale werden binnen sieben Tagen ausgetragen.

Vor 25 Jahren erlangt ein Torwart traurige Berühmtheit. Mladen Pralija, die neue Nummer eins des HSV, macht in München eine äußerst schlechte Figur und erregt bei seinem Debüt vor allem Mitleid. Meister FC Bayern läuft zu Hochform auf und erobert mit dem 6:0 die Tabellenführung. Die hatte bei Anpfiff noch der HSV, dessen Manager Felix Magath beteuert: "Ich bin nach wie vor davon überzeugt, den richtigen Torwart geholt zu haben."

In den restlichen fünf Partien fallen nur neun Tore, auch Werder Bremen (2:0 gegen KSC) und Gladbach (2:1 vs. Uerdingen) starten mit 4:0 Punkten. Vor dem Anpfiff wird Borussias Kapitän Uwe Rahn als Fußballer des Jahres geehrt und erhält den Goldenen Ball des Kicker.

Vor 20 Jahren erhält Weltmeister Klaus Augenthaler ein Jahr nach Karriereende sein Abschiedsspiel. Noch einmal trägt er gegen Juventus Turin (1:4) das Bayern-Trikot. Dann geht der 34-Jährige vom Platz, 20.000 spenden Beifall. Die Bayern befördern ihn auf dem Bankett zum "Ehrenkapitän".

9. August

Vor 70 Jahren findet die zweite Runde im Tschammer-Pokal statt. Die meisten Zuschauer sehen das Gastspiel des Deutschen Meisters Schalke 04, der in Kassel auf Gastgeber Eintracht Frankfurt trifft. 18.000 Zuschauer sehen ein spannendes Spiel, das trotzdem 0:6 endet. Wie das? Bis zur 75. Minute steht es nach Ernst Kuzorras Treffer (33.) nur 0:1, dann erst beginnt der Schalker Kreisel Tore zu produzieren. "Wer unter den 18.000 Zuschauern hätte in der 75. Minute noch diesen Tip gewagt? Die Schalker überfallen meist zu Beginn einer Halbzeit den Gegner, doch der Deutsche Meister liebt das Veränderliche, und darin liegt seine Stärke vor allem", schreibt der Kicker.

Für die Sensation der Rundes sorgt die NTSG Falkenau aus Böhmen, die den Deutschen Vizemeister Vienna Wien 4:0 abfertigt. Der Kicker lobt die Siegerelf aus der 12.000-Einwohner-Stadt: "Sie hatte weder Minderwertigkeitsgefühle noch irgendeine Scheu vor ihrem namhaften Gegner." Das größte Drama sieht man in Straßburg, wo die SS-Mannschaft Waldhof Mannheim 5:4 nach Verlängerung bezwingt. Zur Pause führten noch die Gäste mit 4:2. Weiter im Rennen: etablierte Klubs wie 1860 München (3:1 bei Stuttgarter Kickers), Kickers Offenbach (3:1 vs. Hanau 93), Werder Bremen (2:1 bei Viktoria Köln), VfB Stuttgart (2:0 in Mühlhausen) und Fußball-Zwerge wie TuS Lipine (4:0 gegen Breslau 02) oder Adler Deblin (7:1 vs. Reinecke Brieg). Pokalspiele der ersten Runde sind immer auch ein bisschen Heimatkunde.

Vor zehn Jahren eröffnet Meister Borussia Dortmund mit einem Heimspiel gegen Hertha BSC die 40. Bundesliga-Saison. Der Start ist furios: Der Belgier Bart Goor bringt die Gäste bereits nach 52 Sekunden in Führung. Am Ende heißt es 2:2, weil Hertha auch das letzte Wort hat: Zecke Neuendorf gleicht die BVB-Führung in der 85. Minute aus. Es ist das erste Bundesligaspiel, dem eine Eröffnungsfeier vorausgeht. Die DFL ist ab der Saison 2002/2003 für den Spielbetrieb zuständig und lässt künftig Luftballons steigen und Konfetti regnen, ehe ein Spieljahr beginnt.

10. August

Vor zehn Jahren wird der erste Spieltag der Bundesliga fortgesetzt. In fünf Spielen fallen nur neun Tore, am Bökelberg im Klassiker Gladbach gegen Bayern gar keine. Vier Treffer fallen in Nürnberg, wo der VfL Bochum 3:1 gewinnt und sich danach 24 Stunden im Glanz der Tabellenführung sonnen darf. Der zweite Sieger des Samstagnachmittags: Schalke 04 (1:0 gegen Wolfsburg), mit Neu-Trainer Frank Neubarth. VfB Stuttgart und Kaiserslautern sowie Energie Cottbus und Bayer Leverkusen teilen sich die Punkte (je 1:1).

11. August

Vor zehn Jahren werden die Sonntagspartien des ersten Spieltags ausgetragen. Aufsteiger Arminia Bielefeld putzt Werder Bremen mit 3:0 und ist erster Tabellenführer 2002/2003. Späte Tore gegen dezimierte Gäste (zwei Platzverweise!) machen es möglich. Auch der HSV lässt sich Zeit, bis zur 82. Minute führt Aufsteiger Hannover in Hamburg, dann schießt Jörg Albertz zwei Tore zum 2:1-Endstand.

12. August

Vor 25 Jahren besiegt die Nationalmannschaft Frankreich in einem Testspiel 2:1. In Berlin sehen 31.000 Zuschauer zwei schnelle Tore von Rudi Völler, der schon nach neun Minuten für eine 2:0-Führung gesorgt hat. Eric Cantona verkürzt vor der Pause (42.), in der Schlussminute rettet Eike Immel gegen Cantona den verdienten Sieg. Bestnoten verdient sich der Sturm, der Kicker attestiert Klaus Allofs "sein bestes Länderspiel." Teamchef Franz Beckenbauer, der Bayern Münchens Hans Dorfner zum Debüt verhilft, analysiert: "Wir haben in der ersten halben Stunde hervorragend gespielt, dann haben wir den Faden verloren."

Vor 20 Jahren verzeichnet die Bundesliga vor ihrer 30. Saison einen Dauerkartenrekord: 113.000 Saisontickets sind ein Zuwachs von rund 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr.