DFB-Kulturstiftung: Von Autorenspielern und Fußball-Legenden

Mit ungewöhnlichen Veranstaltungen macht seit einem guten Jahr die DFB-Kulturstiftung auf sich aufmerksam. Die jüngste der drei Stiftungen des DFB forscht an den Schnittstellen von Kunst, Kultur und Fußballgeschichte – mit manch überraschendem Ergebnis. Olliver Tietz, Geschäftsführer der Stiftung, berichtet über Autorenspieler und Fußball-Legenden.

Die Namen Albert Ostermaier und Willy Baumgärtner dürften dem eingefleischten Fußballfan nicht auf Anhieb bekannt sein. Dabei handelt es sich immerhin um Nationalspieler. Ein Torwart und ein Linksaußen. Spieler, denen man den Hang zum Unkonventionellen nachsagt. Manche sagen auch, dass sie eine Macke haben. Aber das spielt hier keine Rolle.

Willy Baumgärtner lief am 5. April 1908 als linker Flügelstürmer zum ersten Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Schweiz in Basel auf. Er ist bis heute der jüngste Spieler in der 100-jährigen Geschichte der Nationalmannschaft, mit 17 Jahren und vier Monaten. Unter seinen Mitspielern, meist Kaufleute, war Baumgärtner ein Exot. Er arbeitete als internationaler Artist, wanderte später nach Brasilien aus und gilt als Mitbegründer des FC Sao Paulo. Ein früher Grenzgänger zwischen Kunst und Fußball.

Ein Artist ist auch Albert Ostermaier, allerdings mit Worten. Der 40-jährige Schriftsteller ist Hausautor am Wiener Burgtheater und am Bayerischen Staatsschauspiel in München. Er ist Träger zahlreicher Literaturpreise. Und er ist Torwart der deutschen Schriftsteller-Nationalmannschaft. Als Oliver Kahn vor kurzem seine Karriere beendete, trug Ostermaier im „aktuellen sportstudio“ eine Ode an Kahn vor. Der war beeindruckt.

Es sind Lebensläufe wie die von Baumgärtner und Ostermaier, die deutlich machen, dass der Fußball in Deutschland zugleich als Teil der Kulturgeschichte begriffen werden muss. „Fußballkultur“, so formuliert es Jochen Hieber, „FAZ“-Kulturredakteur und Kurator der Stiftung, „meint die emphatische Verankerung dieses Spiels in der Kulturgeschichte der Moderne und in den gesamtkulturellen Aktivitäten unserer Gegenwart.“ Mit anderen Worten: Längst vorbei sind die Zeiten, da Fußball als Proletensport galt oder als Zerstreuung für den „kleinen Mann“. Heute erforschen Historiker seine Geschichte; er beschäftigt Feuilletonisten und Künstler. Und, wer noch kann, spielt selbst. Diese Verbindungen aufzuspüren, und durch geeignete Veranstaltungen und Projekte zu verdeutlichen, hat sich die im Juni 2007 gegründete DFB-Kulturstiftung zur Aufgabe gemacht.

Die fast vergessene Lebensgeschichte von Willy Baumgärtner beispielsweise wurde im Auftrag der Stiftung von zwei Berliner Historikern im Rahmen der Wanderausstellung „Die ersten Elf“ rekonstruiert. Nebenbei förderte die Ausstellung zur Frühzeit des Fußballs in Deutschland so manch andere Kostbarkeit zurück ans Tageslicht. Zum Beispiel den Brustadler des damaligen Nationaltrikots. Wichtige Vorarbeiten für ein künftiges nationales Fußballmuseum.

Lebendige Fußballgeschichte erlebten die Zuschauer im Konzertsaal Freiburg, als im März dieses Jahres die „Helden von Wembley“ zur Bühnenveranstaltung „Fußball-Legenden“ zusammenkamen. „Männer, Ihr wart großartig“, rief ein bestens gelaunter Uwe Seeler, Kapitän des WM-Teams von 1966, seinen Kameraden um Helmut Haller, Hans Tilkowski, Wolfgang Weber und Willi Schulz dabei noch einmal zu. Da musste auch Dettmar Cramer, einer der Assistenten von Bundestrainer Helmut Schön, schmunzeln.

Eine Begegnung der ganz anderen Art erlebten zwei Monate später die Zuschauer im Hertha-Amateurstadion Berlin, unter ihnen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, als die Autoren-Nationalmannschaften von Deutschland und Israel aufeinandertrafen. Das deutsche Team – mit Torhüter Albert Ostermaier – gewann 4:2. Später am Abend lasen die Autoren beider Länder im Deutschen Theater aus ihren Werken. Nachum Pachenik rang auf der Bühne mit den Tränen. Seine Mutter war im Ghetto Theresienstadt aufgewachsen. Der Fußball führte ihn – zum ersten Mal im Leben - nach Berlin, ins Land der Täter. „30 Schriftsteller haben etwas Unauslöschliches erfahren“, schrieb der Autor Norbert Kron später in der „WELT“. „Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob man sich auf einer Buchmesse trifft, oder ob man einmal auf dem Fußballplatz zusammengestanden, miteinander geschwitzt und um den Ball gestritten hat.“

Fußball ist eben mehr als ein 1:0 - die Feststellung von DFB-Ehrenpräsident Egidius Braun hat mit der Gründung der DFB-Kulturstiftung eine neue, schillernde Facette gewonnen. Neben Ostermaier und Hieber setzt sich heute im Kuratorium der Stiftung ein illustrer Kreis aus dem fußballaffinen Kulturleben im Sinne der Fußballkultur ein. Unter ihnen Kulturstaatsminister Bernd Neumann, Regisseur Sönke Wortmann, GRÜNEN-Vorsitzende Claudia Roth. Fazit all dieser Veranstaltungen: Die Gründung der DFB-Kulturstiftung ist gelungen, denn gleich zum Auftakt gab es zahlreiche interessante Aktivitäten, die beachtliche Resonanz fanden. Das betont auch DFB-Vizepräsident Karl Rothmund, der Vorsitzende der neuen Stiftung: „Es spricht für einen Verband und vor allem für die Lebendigkeit unseres Fußballs, wenn man mit mehr als 100 Jahren Tradition im Rücken immer noch Neuland betreten kann."

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Mit ungewöhnlichen Veranstaltungen macht seit einem guten Jahr die DFB-Kulturstiftung auf sich aufmerksam. Die jüngste der drei Stiftungen des DFB forscht an den Schnittstellen von Kunst, Kultur und Fußballgeschichte – mit manch überraschendem Ergebnis. Olliver Tietz, Geschäftsführer der Stiftung, berichtet über Autorenspieler und Fußball-Legenden.

Die Namen Albert Ostermaier und Willy Baumgärtner dürften dem eingefleischten Fußballfan nicht auf Anhieb bekannt sein. Dabei handelt es sich immerhin um Nationalspieler. Ein Torwart und ein Linksaußen. Spieler, denen man den Hang zum Unkonventionellen nachsagt. Manche sagen auch, dass sie eine Macke haben. Aber das spielt hier keine Rolle.

Willy Baumgärtner lief am 5. April 1908 als linker Flügelstürmer zum ersten Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Schweiz in Basel auf. Er ist bis heute der jüngste Spieler in der 100-jährigen Geschichte der Nationalmannschaft, mit 17 Jahren und vier Monaten. Unter seinen Mitspielern, meist Kaufleute, war Baumgärtner ein Exot. Er arbeitete als internationaler Artist, wanderte später nach Brasilien aus und gilt als Mitbegründer des FC Sao Paulo. Ein früher Grenzgänger zwischen Kunst und Fußball.

Ein Artist ist auch Albert Ostermaier, allerdings mit Worten. Der 40-jährige Schriftsteller ist Hausautor am Wiener Burgtheater und am Bayerischen Staatsschauspiel in München. Er ist Träger zahlreicher Literaturpreise. Und er ist Torwart der deutschen Schriftsteller-Nationalmannschaft. Als Oliver Kahn vor kurzem seine Karriere beendete, trug Ostermaier im „aktuellen sportstudio“ eine Ode an Kahn vor. Der war beeindruckt.

Es sind Lebensläufe wie die von Baumgärtner und Ostermaier, die deutlich machen, dass der Fußball in Deutschland zugleich als Teil der Kulturgeschichte begriffen werden muss. „Fußballkultur“, so formuliert es Jochen Hieber, „FAZ“-Kulturredakteur und Kurator der Stiftung, „meint die emphatische Verankerung dieses Spiels in der Kulturgeschichte der Moderne und in den gesamtkulturellen Aktivitäten unserer Gegenwart.“ Mit anderen Worten: Längst vorbei sind die Zeiten, da Fußball als Proletensport galt oder als Zerstreuung für den „kleinen Mann“. Heute erforschen Historiker seine Geschichte; er beschäftigt Feuilletonisten und Künstler. Und, wer noch kann, spielt selbst. Diese Verbindungen aufzuspüren, und durch geeignete Veranstaltungen und Projekte zu verdeutlichen, hat sich die im Juni 2007 gegründete DFB-Kulturstiftung zur Aufgabe gemacht.

Die fast vergessene Lebensgeschichte von Willy Baumgärtner beispielsweise wurde im Auftrag der Stiftung von zwei Berliner Historikern im Rahmen der Wanderausstellung „Die ersten Elf“ rekonstruiert. Nebenbei förderte die Ausstellung zur Frühzeit des Fußballs in Deutschland so manch andere Kostbarkeit zurück ans Tageslicht. Zum Beispiel den Brustadler des damaligen Nationaltrikots. Wichtige Vorarbeiten für ein künftiges nationales Fußballmuseum.

Lebendige Fußballgeschichte erlebten die Zuschauer im Konzertsaal Freiburg, als im März dieses Jahres die „Helden von Wembley“ zur Bühnenveranstaltung „Fußball-Legenden“ zusammenkamen. „Männer, Ihr wart großartig“, rief ein bestens gelaunter Uwe Seeler, Kapitän des WM-Teams von 1966, seinen Kameraden um Helmut Haller, Hans Tilkowski, Wolfgang Weber und Willi Schulz dabei noch einmal zu. Da musste auch Dettmar Cramer, einer der Assistenten von Bundestrainer Helmut Schön, schmunzeln.

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Eine Begegnung der ganz anderen Art erlebten zwei Monate später die Zuschauer im Hertha-Amateurstadion Berlin, unter ihnen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, als die Autoren-Nationalmannschaften von Deutschland und Israel aufeinandertrafen. Das deutsche Team – mit Torhüter Albert Ostermaier – gewann 4:2. Später am Abend lasen die Autoren beider Länder im Deutschen Theater aus ihren Werken. Nachum Pachenik rang auf der Bühne mit den Tränen. Seine Mutter war im Ghetto Theresienstadt aufgewachsen. Der Fußball führte ihn – zum ersten Mal im Leben - nach Berlin, ins Land der Täter. „30 Schriftsteller haben etwas Unauslöschliches erfahren“, schrieb der Autor Norbert Kron später in der „WELT“. „Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob man sich auf einer Buchmesse trifft, oder ob man einmal auf dem Fußballplatz zusammengestanden, miteinander geschwitzt und um den Ball gestritten hat.“

Fußball ist eben mehr als ein 1:0 - die Feststellung von DFB-Ehrenpräsident Egidius Braun hat mit der Gründung der DFB-Kulturstiftung eine neue, schillernde Facette gewonnen. Neben Ostermaier und Hieber setzt sich heute im Kuratorium der Stiftung ein illustrer Kreis aus dem fußballaffinen Kulturleben im Sinne der Fußballkultur ein. Unter ihnen Kulturstaatsminister Bernd Neumann, Regisseur Sönke Wortmann, GRÜNEN-Vorsitzende Claudia Roth. Fazit all dieser Veranstaltungen: Die Gründung der DFB-Kulturstiftung ist gelungen, denn gleich zum Auftakt gab es zahlreiche interessante Aktivitäten, die beachtliche Resonanz fanden. Das betont auch DFB-Vizepräsident Karl Rothmund, der Vorsitzende der neuen Stiftung: „Es spricht für einen Verband und vor allem für die Lebendigkeit unseres Fußballs, wenn man mit mehr als 100 Jahren Tradition im Rücken immer noch Neuland betreten kann."