Deutsche Fans in Lissabon: Eine glückliche Minderheit

Etwas über 25 Grad Celsius in der Sonne, keine Wolke am Himmel, eine geringe Luftfeuchtigkeit und ein perfekt gemähter Rasen. Was sich nach perfekten Bedingungen für den WM-Start der deutschen Nationalmannschaft am gestrigen Mittag (13 Uhr Ortszeit) in Salvador da Bahia anhört, beschreibt in diesem Falle jedoch nur die äußeren Bedingungen beim Public Viewing in Lissabon, der Hauptstadt von Auftaktgegner Portugal. Mehrere tausend Portugiesen hatten sich am "Parque Eduardo VII" eingefunden, der vom nationalen Fußballverband für das Turnier in den "Futebol Park" mit großer Leinwand umgewandelt wurde. DFB.de hat sich unter sie gemischt.

Ihr Nationalteam beim WM-Start unterstützen wollen auch Alexandre und Dilma Rodrigues. Das Ehepaar hat sich bereits zwei Stunden vor Anpfiff im Park eingefunden, um einen guten Platz zu ergattern. Die Suche gestaltet sich aber schwieriger als gedacht, was jedoch auch an den sechs Kindern der beiden liegen könnte. Raffael, Rodrigo, Marisa, Diogo, Isabela und Paulo zeigen sich in bester WM-Stimmung und machen schon früh fleißig Gebrauch von ihren Fahnen und Klatschpappen.

Was man denn von dem Spiel gegen die Deutschen erwarte? "Ich denke, wir können heute gewinnen - 2:1 für Portugal", sagt Familienoberhaupt Alexandre vor dem Anpfiff selbstbewusst. Und der Rest? "2:1", lautet die kollektive Antwort. Eine Familie, ein Tipp. Einigkeit herrscht also nicht nur bei den zur Schau getragenen Fanshirts in den Nationalfarben.

"2:1 für Portugal": Eine Familie, ein Tipp

Im Gegensatz zu Familie Rodrigues sind Julian (23 Jahre) und Joana (20) verschiedener Meinung, was den Ausgang des Auftaktspiels der Gruppe G betrifft. Die beiden haben sich über die Universität kennengelernt und sind seit knapp einem halben Jahr ein Paar. Seit der Gruppenauslosung für die WM sorgte selbstverständlich auch das gestrige Match immer wieder für Gesprächsstoff.

"Ich bin trotz der schwierigen Vorbereitung mit vielen verletzten oder angeschlagenen Spielern optimistisch. Deutschland gewinnt 3:1", gibt der gebürtige Ostwestfale zu Protokoll. "Das hoffe ich natürlich nicht", entgegnet seine portugiesische Freundin lachend, will sich aber auch nicht auf ein konkretes Ergebnis festlegen. Das Spiel gucken sie übrigens getrennt, "das ist für uns beide besser so", zeigt sich das Paar zumindest in diesem Punkt homogen.

Dann laufen auch schon die beiden Mannschaften, angeführt von ihren Kapitänen Philipp Lahm und Cristiano Ronaldo, in die Arena Fonta Nova ein. Zunächst die deutsche Hymne, die von der Kamera eingefangene Bundeskanzlerin Angela Merkel erntet vereinzelt Pfiffe. Dann folgt Portugal, und die Menge erwacht das erste Mal richtig zum Leben. Voller Inbrunst schmettern die Iberer ihre "A Portuguesa", wie die von Alfredo Keil komponierte Hymne genannt wird. Und als wolle man die beeindruckende Stimmung ins Spiel tragen, stimmt der Animateur auf der Bühne unterhalb der Leinwand noch schnell ein "Portugal olé, Portugal olé!" an.

Fans bei der WM

Hymnische Begeisterung

Auch Helena und Ricardo sind nun vollends im WM-Modus und singen tatkräftig mit. Die beiden kommen gebürtig aus Lissabon, arbeiten in einer nahegelegenen Bankfiliale und haben vor dem Anpfiff noch schnell Arbeitskleidung gegen ihre Portugal-Trikots getauscht. Sie amüsieren sich über die verwunderten Blicke einiger Weniger, als sich nach dem Anpfiff die gesamte Menschentraube in dem am Hügel gelegenen Park hinsetzt. "Hier wird das beim Public Viewing immer so gemacht. Ist doch auch gemütlicher, oder nicht?" Über die Antwort lässt sich bei wenig Beinfreiheit und selbst am späten Nachmittag - es ist mittlerweile kurz nach 17 Uhr portugiesischer Zeit - immer noch sommerlichen Temperaturen durchaus streiten.

Die anfängliche Euphorie der Portugiesen hat jedoch nicht lange Bestand. Zwölfte Minute, Mario Götze entwischt Joao Pereira und kann nur durch ein Foul gestoppt werden. Elfmeter Thomas Müller, 1:0 für Deutschland. Die sitzende Menge murrt, die deutsche Minderheit springt auf und feiert. Helena und ihr Arbeitskollege diskutieren die Schiedsrichterentscheidung, kommen aber zu dem Schluss, dass der Pfiff "berechtigt" war.

Ihr aufmunterndes "Auf geht’s!" scheint bei der Nationalmannschaft in Brasilien jedoch nicht anzukommen. 20 Minuten später, Ecke, Kopfball Mats Hummels, 0:2 aus portugiesischer Sicht. Bei Familie Rodrigues herrscht mittlerweile wie bei den meisten Zuschauern betretenes Schweigen. "Unser Tipp wird wohl doch nichts mehr", sagt Mutter Dilma in dem Versuch, den Zwischenstand zumindest mit Humor zu nehmen.

Schon zur Halbzeit: Fans verlassen das Gelände

Ihr Ehemann sieht das Spiel weniger gelassen. Als wenige Minuten nach dem zweiten Treffer der DFB-Auswahl Innenverteidiger Pepe wegen einer Tätlichkeit die Rote Karte sieht, lässt er seinem Unmut freien Lauf und flucht Richtung Leinwand. Er ist nicht der Einzige, bei dem die Enttäuschung über den Spielverlauf Überhand gewinnt. Um die Szene zwischen Pepe und Thomas Müller besser sehen zu können, steht ein Großteil der Zuschauer auf und startet ein Pfeifkonzert.

Das wiederum führt dazu, dass sich die sitzengebliebenen Fans lauthals über ihre Landsmänner und -frauen beschweren. Auch Paulo, mit sieben Jahren der jüngste der sechs Rodrigues-Geschwister, stimmt lauthals in die "Hinsetzen"-Rufe ein. Was bei ihm jedoch noch nach Spaß aussieht, ist beim Großteil der Portugiesen vor allem Frust über die Dominanz der deutschen Mannschaft. Nach dem 0:3 durch Thomas Müller äußert sich diese Unzufriedenheit bei einigen dadurch, dass sie das Gelände bereits zur Halbzeit verlassen.

Ronaldo ist überall

Auch der 51-jährige Alexandre hat genug gesehen und beordert die Familie zum Ausgang. Freude steht den Kindern sicher nicht ins Gesicht geschrieben, Widerworte sind bei solchen Entscheidungen des Vaters jedoch zwecklos, auch das weiß der Nachwuchs. Obwohl ihnen die Enttäuschung über den ersten Spielabschnitt anzusehen ist, denkt Ricardo nicht ans Heimgehen: "Nein, das macht man doch nicht! Ich hoffe aber trotzdem, dass es in der zweiten Halbzeit wenigstens für einen Ehrentreffer reicht."

Zustimmendes Kopfnicken bei Helena. Trotzdem: Zuversicht sieht anders aus, zu ungefährlich zeigte sich die Elf um Superstar Cristiano Ronaldo, dessen Konterfei etliche Pappmasken im Fanpark schmückt, im ersten Durchgang.

"Das Spiel ganz schnell abhaken"

Und da es auch in den zweiten 45 Minuten nicht viel besser für die Mannschaft von Trainer Paulo Bento läuft, mag eine euphorische WM-Atmosphäre im "Parque Eduardo VII" am heutigen Tag nicht so richtig aufkommen. Vielmehr sind es die kleinen deutschen Gruppen unter den Zuschauern, die sich noch zwei weitere Male von ihren Plätzen im Gras erheben. In der 78. Minute nach dem dritten Treffer von Thomas Müller sowie vier Minuten später, als der Matchwinner ausgewechselt wird. "Ein super Spieler", erkennen auch die beiden Bankangestellten aus Lissabon an.

"Das Spiel müssen wir schnell vergessen, sonst wird das auch am Sonntag (zweites Gruppenspiel gegen die USA, Anm. d. Red.) nichts", fügen sie noch hinzu. Dabei wirken die beiden relativ verunsichert, der generelle Optimismus im Fanpark ist einer allgemeinen Besorgnis über den weiteren Turnierverlauf gewichen.

Obwohl sie Fußball nicht allzu wichtig nimmt, zeigt sich auch Joana unzufrieden mit dem Ausgang des Spiels. Sie hat sich mittlerweile wieder mit ihrem Freund getroffen. "Zum Glück haben wir das Spiel wenigstens getrennt geguckt", sagt die Studentin mit einem Augenzwinkern. Julian hingegen kann sich sein breites Grinsen nicht verkneifen und zeigt sich "natürlich mehr als zufrieden". Er hatte das Spiel zusammen mit deutschen Freunden geguckt. Somit gehört auch er der Minderheit in Lissabon an, die an diesem Tag etwas zu feiern hat.

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Etwas über 25 Grad Celsius in der Sonne, keine Wolke am Himmel, eine geringe Luftfeuchtigkeit und ein perfekt gemähter Rasen. Was sich nach perfekten Bedingungen für den WM-Start der deutschen Nationalmannschaft am gestrigen Mittag (13 Uhr Ortszeit) in Salvador da Bahia anhört, beschreibt in diesem Falle jedoch nur die äußeren Bedingungen beim Public Viewing in Lissabon, der Hauptstadt von Auftaktgegner Portugal. Mehrere tausend Portugiesen hatten sich am "Parque Eduardo VII" eingefunden, der vom nationalen Fußballverband für das Turnier in den "Futebol Park" mit großer Leinwand umgewandelt wurde. DFB.de hat sich unter sie gemischt.

Ihr Nationalteam beim WM-Start unterstützen wollen auch Alexandre und Dilma Rodrigues. Das Ehepaar hat sich bereits zwei Stunden vor Anpfiff im Park eingefunden, um einen guten Platz zu ergattern. Die Suche gestaltet sich aber schwieriger als gedacht, was jedoch auch an den sechs Kindern der beiden liegen könnte. Raffael, Rodrigo, Marisa, Diogo, Isabela und Paulo zeigen sich in bester WM-Stimmung und machen schon früh fleißig Gebrauch von ihren Fahnen und Klatschpappen.

Was man denn von dem Spiel gegen die Deutschen erwarte? "Ich denke, wir können heute gewinnen - 2:1 für Portugal", sagt Familienoberhaupt Alexandre vor dem Anpfiff selbstbewusst. Und der Rest? "2:1", lautet die kollektive Antwort. Eine Familie, ein Tipp. Einigkeit herrscht also nicht nur bei den zur Schau getragenen Fanshirts in den Nationalfarben.

"2:1 für Portugal": Eine Familie, ein Tipp

Im Gegensatz zu Familie Rodrigues sind Julian (23 Jahre) und Joana (20) verschiedener Meinung, was den Ausgang des Auftaktspiels der Gruppe G betrifft. Die beiden haben sich über die Universität kennengelernt und sind seit knapp einem halben Jahr ein Paar. Seit der Gruppenauslosung für die WM sorgte selbstverständlich auch das gestrige Match immer wieder für Gesprächsstoff.

"Ich bin trotz der schwierigen Vorbereitung mit vielen verletzten oder angeschlagenen Spielern optimistisch. Deutschland gewinnt 3:1", gibt der gebürtige Ostwestfale zu Protokoll. "Das hoffe ich natürlich nicht", entgegnet seine portugiesische Freundin lachend, will sich aber auch nicht auf ein konkretes Ergebnis festlegen. Das Spiel gucken sie übrigens getrennt, "das ist für uns beide besser so", zeigt sich das Paar zumindest in diesem Punkt homogen.

Dann laufen auch schon die beiden Mannschaften, angeführt von ihren Kapitänen Philipp Lahm und Cristiano Ronaldo, in die Arena Fonta Nova ein. Zunächst die deutsche Hymne, die von der Kamera eingefangene Bundeskanzlerin Angela Merkel erntet vereinzelt Pfiffe. Dann folgt Portugal, und die Menge erwacht das erste Mal richtig zum Leben. Voller Inbrunst schmettern die Iberer ihre "A Portuguesa", wie die von Alfredo Keil komponierte Hymne genannt wird. Und als wolle man die beeindruckende Stimmung ins Spiel tragen, stimmt der Animateur auf der Bühne unterhalb der Leinwand noch schnell ein "Portugal olé, Portugal olé!" an.

Fans bei der WM

Hymnische Begeisterung

Auch Helena und Ricardo sind nun vollends im WM-Modus und singen tatkräftig mit. Die beiden kommen gebürtig aus Lissabon, arbeiten in einer nahegelegenen Bankfiliale und haben vor dem Anpfiff noch schnell Arbeitskleidung gegen ihre Portugal-Trikots getauscht. Sie amüsieren sich über die verwunderten Blicke einiger Weniger, als sich nach dem Anpfiff die gesamte Menschentraube in dem am Hügel gelegenen Park hinsetzt. "Hier wird das beim Public Viewing immer so gemacht. Ist doch auch gemütlicher, oder nicht?" Über die Antwort lässt sich bei wenig Beinfreiheit und selbst am späten Nachmittag - es ist mittlerweile kurz nach 17 Uhr portugiesischer Zeit - immer noch sommerlichen Temperaturen durchaus streiten.

Die anfängliche Euphorie der Portugiesen hat jedoch nicht lange Bestand. Zwölfte Minute, Mario Götze entwischt Joao Pereira und kann nur durch ein Foul gestoppt werden. Elfmeter Thomas Müller, 1:0 für Deutschland. Die sitzende Menge murrt, die deutsche Minderheit springt auf und feiert. Helena und ihr Arbeitskollege diskutieren die Schiedsrichterentscheidung, kommen aber zu dem Schluss, dass der Pfiff "berechtigt" war.

Ihr aufmunterndes "Auf geht’s!" scheint bei der Nationalmannschaft in Brasilien jedoch nicht anzukommen. 20 Minuten später, Ecke, Kopfball Mats Hummels, 0:2 aus portugiesischer Sicht. Bei Familie Rodrigues herrscht mittlerweile wie bei den meisten Zuschauern betretenes Schweigen. "Unser Tipp wird wohl doch nichts mehr", sagt Mutter Dilma in dem Versuch, den Zwischenstand zumindest mit Humor zu nehmen.

Schon zur Halbzeit: Fans verlassen das Gelände

Ihr Ehemann sieht das Spiel weniger gelassen. Als wenige Minuten nach dem zweiten Treffer der DFB-Auswahl Innenverteidiger Pepe wegen einer Tätlichkeit die Rote Karte sieht, lässt er seinem Unmut freien Lauf und flucht Richtung Leinwand. Er ist nicht der Einzige, bei dem die Enttäuschung über den Spielverlauf Überhand gewinnt. Um die Szene zwischen Pepe und Thomas Müller besser sehen zu können, steht ein Großteil der Zuschauer auf und startet ein Pfeifkonzert.

Das wiederum führt dazu, dass sich die sitzengebliebenen Fans lauthals über ihre Landsmänner und -frauen beschweren. Auch Paulo, mit sieben Jahren der jüngste der sechs Rodrigues-Geschwister, stimmt lauthals in die "Hinsetzen"-Rufe ein. Was bei ihm jedoch noch nach Spaß aussieht, ist beim Großteil der Portugiesen vor allem Frust über die Dominanz der deutschen Mannschaft. Nach dem 0:3 durch Thomas Müller äußert sich diese Unzufriedenheit bei einigen dadurch, dass sie das Gelände bereits zur Halbzeit verlassen.

Ronaldo ist überall

Auch der 51-jährige Alexandre hat genug gesehen und beordert die Familie zum Ausgang. Freude steht den Kindern sicher nicht ins Gesicht geschrieben, Widerworte sind bei solchen Entscheidungen des Vaters jedoch zwecklos, auch das weiß der Nachwuchs. Obwohl ihnen die Enttäuschung über den ersten Spielabschnitt anzusehen ist, denkt Ricardo nicht ans Heimgehen: "Nein, das macht man doch nicht! Ich hoffe aber trotzdem, dass es in der zweiten Halbzeit wenigstens für einen Ehrentreffer reicht."

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Zustimmendes Kopfnicken bei Helena. Trotzdem: Zuversicht sieht anders aus, zu ungefährlich zeigte sich die Elf um Superstar Cristiano Ronaldo, dessen Konterfei etliche Pappmasken im Fanpark schmückt, im ersten Durchgang.

"Das Spiel ganz schnell abhaken"

Und da es auch in den zweiten 45 Minuten nicht viel besser für die Mannschaft von Trainer Paulo Bento läuft, mag eine euphorische WM-Atmosphäre im "Parque Eduardo VII" am heutigen Tag nicht so richtig aufkommen. Vielmehr sind es die kleinen deutschen Gruppen unter den Zuschauern, die sich noch zwei weitere Male von ihren Plätzen im Gras erheben. In der 78. Minute nach dem dritten Treffer von Thomas Müller sowie vier Minuten später, als der Matchwinner ausgewechselt wird. "Ein super Spieler", erkennen auch die beiden Bankangestellten aus Lissabon an.

"Das Spiel müssen wir schnell vergessen, sonst wird das auch am Sonntag (zweites Gruppenspiel gegen die USA, Anm. d. Red.) nichts", fügen sie noch hinzu. Dabei wirken die beiden relativ verunsichert, der generelle Optimismus im Fanpark ist einer allgemeinen Besorgnis über den weiteren Turnierverlauf gewichen.

Obwohl sie Fußball nicht allzu wichtig nimmt, zeigt sich auch Joana unzufrieden mit dem Ausgang des Spiels. Sie hat sich mittlerweile wieder mit ihrem Freund getroffen. "Zum Glück haben wir das Spiel wenigstens getrennt geguckt", sagt die Studentin mit einem Augenzwinkern. Julian hingegen kann sich sein breites Grinsen nicht verkneifen und zeigt sich "natürlich mehr als zufrieden". Er hatte das Spiel zusammen mit deutschen Freunden geguckt. Somit gehört auch er der Minderheit in Lissabon an, die an diesem Tag etwas zu feiern hat.