Deutsche EM-Auftaktspiele: Viele Siege und nur eine Niederlage

Wenn Deutschland in eine Europameisterschaft startet, so lehrt die Historie, ist mit allem zu rechnen - nur nicht mit einer Niederlage. Das galt bis 2021, dann traf das DFB-Team auf den Weltmeister - und ins eigene Tor. Die Startbilanz aus 13 Turnieren: sieben Siege, fünf Unentschieden, eine Niederlage. DFB.de blickt vor dem Start in die Heim-EM heute (ab 21 Uhr, live im ZDF und bei MagentaTV) gegen Schottland auf 52 Jahre EM-Geschichte zurück.

Alles begann 1972 in Antwerpen gegen Gastgeber Belgien. Die Turniere bis 1980 hatten nur vier Teilnehmer, man startete gleich mit dem Halbfinale. Leichter als es das Ergebnis (2:1) aussagt, fiel der Sieg im ersten deutschen Endrundenspiel überhaupt, für den der damalige Torgarant sorgte: Gerd Müller traf mit Kopf und Fuß und bannte die Sorgen von Bundestrainer Helmut Schön, der auf die eigentlich "unbespielbare Steinwüste" im Stade Bosuil hingewiesen hatte.

1976: "Wir haben wieder einen Müller"

Vier Jahre später traf die deutsche Nationalmannschaft als amtierender Welt- und Europameister wieder auf den Gastgeber, der nun Jugoslawien hieß. Am 17. Juni 1976 ereignete sich in Belgrad vor 70.000 Zuschauern ein Fußballmärchen. Beim Stand von 1:2 wechselte Schön in einem der besten EM-Spiele aller Zeiten den Kölner Debütanten Dieter Müller ein, der nicht nur mit dem ersten Ballkontakt nach 40 Sekunden ausglich, sondern in der Verlängerung zwei weitere Tore erzielte. "Wir haben wieder einen Müller", freute sich Franz Beckenbauer nach dem 4:2-Sieg.

1980 in Italien war der Auftakt erstmals ein Gruppenspiel. Es bot Gelegenheit zur Revanche für das verlorene Finale 1976 gegen die Tschechen und die Deutschen nutzten sie. Karl-Heinz Rummenigge entschied ein mäßiges Eröffnungsspiel in Rom vor nur 10.500 Zuschauern per Kopfballtor zum 1:0-Endstand. Das Echo war dennoch fatal. Frankreichs Sportblatt L’Equipe schrieb: "Dieses Eröffnungsspiel war eines der unerträglichsten und zähesten aller Spiele dieser Art, von denen man seit fast 20 Jahren weiß, dass sie todlangweilig sind."

Ab 1984 drei Remis in Serie

1984 war es nicht besser und vom Ergebnis her noch schlimmer. Der Titelverteidiger und Portugal trennten sich in Straßburg 0:0, die Hitze galt als mildernder Umstand. Bundestrainer Jupp Derwall fand weitere Gründe: "Wir haben die Nervosität, Unruhe und Verkrampftheit gezeigt, wie sie im ersten Spiel üblich ist."

Es war das erste von drei Remis in Folge. 1988 in Düsseldorf gegen Italien und 1992 in Norköpping gegen die Russen (damals GUS) verhinderten jeweils Freistoßtore eine Niederlage. Die Weltmeister Andreas Brehme und Thomas Häßler retteten ein 1:1, Häßler erst in letzter Minute. Das Ausland war beeindruckt: "Sie verlieren nie", seufzte etwa Frankreichs L’Equipe.

Ab 1992: Pechsträhne deutscher Kapitäne

1992 begann die ominöse Pechsträhne deutscher Kapitäne: Rudi Völler schied mit gebrochenem Unterarm aus dem Turnier aus, 1996 erwischte es beim 2:0 in Manchester gegen die Tschechen (2:0) Jürgen Kohler am Knie schon nach neun Minuten. Andy Möller und Christian Ziege trafen schon vor der Pause. Im Endspiel (2:1) sahen sie beide Teams übrigens wieder.

Selbst bei der unbestritten schlimmsten EM aus deutscher Sicht wurde eine Niederlage verhindert. Das einzige Endrundentor 2000 in der Niederlande und Belgien rettete nach schwacher Leistung gegen Rumänien (1:1) einen Punkt. Torschütze: Mehmet Scholl. Der forderte: "Über dieses Spiel muss geredet werden. Wenn wir unsere Fehler nicht abstellen, dann sehe ich schwarz gegen England und Portugal." Er sah richtig, es blieb der einzige Punkt des Teams von Erich Ribbeck. Kapitän Oliver Bierhoff verletzte sich zwar nicht in diesem Spiel, aber im Training danach. Auch für ihn blieb es bei einem Einsatz. Dann endete der "Kapitänsfluch".

2004: Frühes Aus nach der Vorrunde

Auch 2004 stand ein 1:1 auf der Anzeigetafel, darüber aber freuten sich alle im deutschen Lager. Nach mühsamer Qualifikation nur in der Außenseiterrolle, holte das Völler-Team in Porto ein 1:1 gegen Mitfavorit Niederlande. Lange führte Deutschland durch einen Freistoßtreffer von Torsten Frings und ZDF-Kommentator Johannes B. Kerner meldete erfreut in die Heimat: "Hallo Deutschland, merkt ihr was? Die Aufstellung stimmt und die Einstellung auch." In der 79. Minute ließ Ruud van Nistelrooy den Traum vom Sieg platzen. Die Euphorie blieb: Die Bild-Zeitung titelte: "Europa, da sind wir wieder!" Dumm nur, dass es danach bergab ging und das zweite Vorrunden-Aus in Folge eintrat.

Ab 2008 fanden deutsche EM-Spiele unter der Ägide von Joachim Löw statt. Die ersten drei Starts wurden ausnahmslos gewonnen. 2008 in Klagenfurt schoss ausgerechnet Lukas Podolski sein Geburtsland Polen mit zwei Toren ab (2:0). 2012 köpfte Mario Gomez in Lwiw unmittelbar vor seiner geplanten Auswechslung das goldene Tor gegen Portugal (1:0). "Ich muss mit dem vierten Mann hart ins Gericht gehen. Ich wollte schon zwei Minuten früher wechseln, doch er hat so lange gebraucht", witzelte Löw nach dem Spiel.

In Erinnerung blieb auch eine absurde Debatte über den Torschützen, dem Mehmet Scholl, nun ARD-Experte, auf seine unverwechselbare Art Lauffaulheit unterstellte: "Ich hatte zwischendurch Angst, dass er sich wundliegt und mal gewendet werden muss."

2016: Schweinsteigers traumhafter Sprint

2016 in Lille gab es einen harten Kampf mit der Ukraine (2:0), eine spektakuläre Rettungstat von Jerome Boateng und zwei Kopfballtorschützen, die keiner auf der Rechnung hatte. Hummels-Vertreter Shkodran Mustafi erzielte das erste deutsche Turniertor und sein einziges im DFB-Trikot, Joker Bastian Schweinsteiger nach einem 30-Meter-Sprint in seinem Drei-Minuten-Einsatz das zweite. Hinterher war er "ein bisschen außer Atem".

Auch bei der kontinentalen EM 2020, die wegen der Pandemie ins Jahr 2021 verschoben wurde, traf zum Auftakt ein Weltmeister. Doch leider ins falsche Tor. Abwehrchef Mats Hummels wollte nur retten, was nicht zu verhindern war, und sorgte für Frankreichs 1:0 vor mäßig besetzten Rängen in München. Die Pandemie war noch nicht ganz überstanden, es war eine sehr spezielle EM. In Erinnerung blieb von diesem Spiel noch ein fliegender Flitzer von Greenpeace, der unmittelbar vor dem Anpfiff mit einem Motorgleitschirm auf dem Rasen landete und dabei zwei Zuschauer verletzte.

Das sollte sich am Freitag ebenso wenig wiederholen wie eine Niederlage - damit das 0:1 von 2021 die Ausnahme von der Regel bleibt und Deutschland wieder gut in eine EM startet.

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Wenn Deutschland in eine Europameisterschaft startet, so lehrt die Historie, ist mit allem zu rechnen - nur nicht mit einer Niederlage. Das galt bis 2021, dann traf das DFB-Team auf den Weltmeister - und ins eigene Tor. Die Startbilanz aus 13 Turnieren: sieben Siege, fünf Unentschieden, eine Niederlage. DFB.de blickt vor dem Start in die Heim-EM heute (ab 21 Uhr, live im ZDF und bei MagentaTV) gegen Schottland auf 52 Jahre EM-Geschichte zurück.

Alles begann 1972 in Antwerpen gegen Gastgeber Belgien. Die Turniere bis 1980 hatten nur vier Teilnehmer, man startete gleich mit dem Halbfinale. Leichter als es das Ergebnis (2:1) aussagt, fiel der Sieg im ersten deutschen Endrundenspiel überhaupt, für den der damalige Torgarant sorgte: Gerd Müller traf mit Kopf und Fuß und bannte die Sorgen von Bundestrainer Helmut Schön, der auf die eigentlich "unbespielbare Steinwüste" im Stade Bosuil hingewiesen hatte.

1976: "Wir haben wieder einen Müller"

Vier Jahre später traf die deutsche Nationalmannschaft als amtierender Welt- und Europameister wieder auf den Gastgeber, der nun Jugoslawien hieß. Am 17. Juni 1976 ereignete sich in Belgrad vor 70.000 Zuschauern ein Fußballmärchen. Beim Stand von 1:2 wechselte Schön in einem der besten EM-Spiele aller Zeiten den Kölner Debütanten Dieter Müller ein, der nicht nur mit dem ersten Ballkontakt nach 40 Sekunden ausglich, sondern in der Verlängerung zwei weitere Tore erzielte. "Wir haben wieder einen Müller", freute sich Franz Beckenbauer nach dem 4:2-Sieg.

1980 in Italien war der Auftakt erstmals ein Gruppenspiel. Es bot Gelegenheit zur Revanche für das verlorene Finale 1976 gegen die Tschechen und die Deutschen nutzten sie. Karl-Heinz Rummenigge entschied ein mäßiges Eröffnungsspiel in Rom vor nur 10.500 Zuschauern per Kopfballtor zum 1:0-Endstand. Das Echo war dennoch fatal. Frankreichs Sportblatt L’Equipe schrieb: "Dieses Eröffnungsspiel war eines der unerträglichsten und zähesten aller Spiele dieser Art, von denen man seit fast 20 Jahren weiß, dass sie todlangweilig sind."

Ab 1984 drei Remis in Serie

1984 war es nicht besser und vom Ergebnis her noch schlimmer. Der Titelverteidiger und Portugal trennten sich in Straßburg 0:0, die Hitze galt als mildernder Umstand. Bundestrainer Jupp Derwall fand weitere Gründe: "Wir haben die Nervosität, Unruhe und Verkrampftheit gezeigt, wie sie im ersten Spiel üblich ist."

Es war das erste von drei Remis in Folge. 1988 in Düsseldorf gegen Italien und 1992 in Norköpping gegen die Russen (damals GUS) verhinderten jeweils Freistoßtore eine Niederlage. Die Weltmeister Andreas Brehme und Thomas Häßler retteten ein 1:1, Häßler erst in letzter Minute. Das Ausland war beeindruckt: "Sie verlieren nie", seufzte etwa Frankreichs L’Equipe.

Ab 1992: Pechsträhne deutscher Kapitäne

1992 begann die ominöse Pechsträhne deutscher Kapitäne: Rudi Völler schied mit gebrochenem Unterarm aus dem Turnier aus, 1996 erwischte es beim 2:0 in Manchester gegen die Tschechen (2:0) Jürgen Kohler am Knie schon nach neun Minuten. Andy Möller und Christian Ziege trafen schon vor der Pause. Im Endspiel (2:1) sahen sie beide Teams übrigens wieder.

Selbst bei der unbestritten schlimmsten EM aus deutscher Sicht wurde eine Niederlage verhindert. Das einzige Endrundentor 2000 in der Niederlande und Belgien rettete nach schwacher Leistung gegen Rumänien (1:1) einen Punkt. Torschütze: Mehmet Scholl. Der forderte: "Über dieses Spiel muss geredet werden. Wenn wir unsere Fehler nicht abstellen, dann sehe ich schwarz gegen England und Portugal." Er sah richtig, es blieb der einzige Punkt des Teams von Erich Ribbeck. Kapitän Oliver Bierhoff verletzte sich zwar nicht in diesem Spiel, aber im Training danach. Auch für ihn blieb es bei einem Einsatz. Dann endete der "Kapitänsfluch".

2004: Frühes Aus nach der Vorrunde

Auch 2004 stand ein 1:1 auf der Anzeigetafel, darüber aber freuten sich alle im deutschen Lager. Nach mühsamer Qualifikation nur in der Außenseiterrolle, holte das Völler-Team in Porto ein 1:1 gegen Mitfavorit Niederlande. Lange führte Deutschland durch einen Freistoßtreffer von Torsten Frings und ZDF-Kommentator Johannes B. Kerner meldete erfreut in die Heimat: "Hallo Deutschland, merkt ihr was? Die Aufstellung stimmt und die Einstellung auch." In der 79. Minute ließ Ruud van Nistelrooy den Traum vom Sieg platzen. Die Euphorie blieb: Die Bild-Zeitung titelte: "Europa, da sind wir wieder!" Dumm nur, dass es danach bergab ging und das zweite Vorrunden-Aus in Folge eintrat.

Ab 2008 fanden deutsche EM-Spiele unter der Ägide von Joachim Löw statt. Die ersten drei Starts wurden ausnahmslos gewonnen. 2008 in Klagenfurt schoss ausgerechnet Lukas Podolski sein Geburtsland Polen mit zwei Toren ab (2:0). 2012 köpfte Mario Gomez in Lwiw unmittelbar vor seiner geplanten Auswechslung das goldene Tor gegen Portugal (1:0). "Ich muss mit dem vierten Mann hart ins Gericht gehen. Ich wollte schon zwei Minuten früher wechseln, doch er hat so lange gebraucht", witzelte Löw nach dem Spiel.

In Erinnerung blieb auch eine absurde Debatte über den Torschützen, dem Mehmet Scholl, nun ARD-Experte, auf seine unverwechselbare Art Lauffaulheit unterstellte: "Ich hatte zwischendurch Angst, dass er sich wundliegt und mal gewendet werden muss."

2016: Schweinsteigers traumhafter Sprint

2016 in Lille gab es einen harten Kampf mit der Ukraine (2:0), eine spektakuläre Rettungstat von Jerome Boateng und zwei Kopfballtorschützen, die keiner auf der Rechnung hatte. Hummels-Vertreter Shkodran Mustafi erzielte das erste deutsche Turniertor und sein einziges im DFB-Trikot, Joker Bastian Schweinsteiger nach einem 30-Meter-Sprint in seinem Drei-Minuten-Einsatz das zweite. Hinterher war er "ein bisschen außer Atem".

Auch bei der kontinentalen EM 2020, die wegen der Pandemie ins Jahr 2021 verschoben wurde, traf zum Auftakt ein Weltmeister. Doch leider ins falsche Tor. Abwehrchef Mats Hummels wollte nur retten, was nicht zu verhindern war, und sorgte für Frankreichs 1:0 vor mäßig besetzten Rängen in München. Die Pandemie war noch nicht ganz überstanden, es war eine sehr spezielle EM. In Erinnerung blieb von diesem Spiel noch ein fliegender Flitzer von Greenpeace, der unmittelbar vor dem Anpfiff mit einem Motorgleitschirm auf dem Rasen landete und dabei zwei Zuschauer verletzte.

Das sollte sich am Freitag ebenso wenig wiederholen wie eine Niederlage - damit das 0:1 von 2021 die Ausnahme von der Regel bleibt und Deutschland wieder gut in eine EM startet.

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