Der Mann mit dem Stahl-Hammer

Stahl: Klar, ich haue auch immer voll drauf. Wie gegen Hertha.

DFB.de: Ihre Mitspieler nennen Sie "Iron Mike", den "Eisernen Mike". Haben Sie seit Ihrem unglaublichen Tor gegen Berlin einen neuen Spitznamen?

Stahl: Einige. Nach meinem Tor habe ich in einem Supermarkt 61,5 Meter Fleischwurst für einen guten Zweck verkauft, dann haben die Kollegen mich halt eine Woche "Fleischwurst" genannt. Oder "Stahli, the Hammer". Die Jungs sind da ganz kreativ. Aber die meisten hier, Fans wie Mitspieler, nennen mich weiterhin "Iron Mike".

DFB.de: Klingt nicht gerade nach filigraner Spielweise.

Stahl: Doch, doch. Ich bin einer, der ausschließlich von seiner guten Technik lebt. (lacht)

DFB.de: Kann man, wenn man "Stahl" heißt, überhaupt dribbeln, schlenzen und mehr als zehnmal den Ball hochhalten?

Stahl: Na klar. In der Oberliga habe ich mal vier Freistoßtore in einer Saison geschossen, und zwar nicht nur mit Vollspann. Also: Fußball spielen kann ich. In der TuS-Jugend war ich "Zehner". Dann habe ich mein Spiel ein bisschen umgestellt. Ich glaube, ich helfe der Mannschaft so am meisten. Aber wenn der Trainer meint, ich soll wieder als Spielmacher auflaufen, dann mache ich auch das.

DFB.de: Vor diesem Tor gegen Hertha hatten Sie als Profi noch kein einziges Tor geschossen. Wussten Sie eigentlich, wie man jubelt?



[bild1]

Der Ball flog und flog und legte genau 61,5 Meter zurück, dann war er drin, und Michael Stahl war über Nacht ein Held. Der Treffer des 23-jährigen Mittelfeldspielers in der zweiten Runde des DFB-Pokals legte den Grundstein fürs 2:1 des Drittligisten TuS Koblenz gegen Bundesligaabsteiger Hertha BSC Berlin Ende Oktober.

Bei YouTube ist das Video ein Renner, in der ARD wurde Stahls Hammer zum "Tor des Monats Oktober" gewählt. Und im TuS-Fanshop ist das T-Shirt mit der Aufschrift "Stahli, hau ihn einfach weg" der absolute Renner, 500 gingen allein am ersten Tag über die Theke. Gut drei Dutzend Shirts hat Stahl selbst gekauft und an Freunde und Verwandte verschenkt. Auch die zweite Auflage ist schon vergriffen, jetzt kommt bald die dritte raus.

Ein "Tor für die Ewigkeit" nennt Stahl seinen großen Moment. Die Gegenwart heißt 3. Liga und DFB-Pokal. Heute (ab 19 Uhr, live bei Sky) trifft die TuS im Rheinland-Pfalz-Derby des Pokalachtelfinales auf Bundesligist 1. FC Kaiserslautern. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Gereon Tönnihsen spricht Stahl über Sonderaufgaben, sein Vorbild Horst Eckel und das Gefühl, wie es ist, wenn man das erste Profitor schießt.

DFB.de: Herr Stahl, Frage zum Aufwärmen: Sind Sie fit fürs Spiel?

Michael Stahl: Ich denke, schon. Nach unserem letzten Spiel gegen Aalen war ich erkältet. Aber so krank kann ich gar nicht sein, als dass ich mir ein Spiel gegen Kaiserslautern entgehen lassen würde. Da unser Spiel am Wochenende abgesagt wurde, konnte ich noch ein bisschen länger regenerieren. Wenn der Trainer mich aufstellt, bin ich dabei.

DFB.de: Wissen Sie schon, wo Sie am 21. Mai nächsten Jahres sein werden?

Stahl: Nein. Ich habe mir bewusst noch nichts vorgenommen für den Tag.

DFB.de: Bewusst?

Stahl: Weil an dem Tag das DFB-Pokalfinale in Berlin ist.

DFB.de: Und da sind Sie dann dabei?

Stahl: Wer weiß, warten wir es ab. Ein Traum wäre es auf jeden Fall.

DFB.de: Hatten Sie sich schon vor dem Sieg gegen Hertha BSC Berlin über den Termin informiert? Oder nahm dieser Traum erst nachher, wenn auch nur leichte, Konturen an?

Stahl: Nein, erst nach dem Sieg. Vorher haben wir nur gedacht, wie toll das wäre, das Spiel zu gewinnen, es gibt ja auch Prämien dafür. Und seitdem frotzeln wir immer ein bisschen herum, wie schön es doch im Mai in Berlin sein muss. Nicht nur als Tourist. Aber gut, das ist ja im Moment nur Träumerei.

DFB.de: Waren Sie denn schon mal beim DFB-Pokalfinale?

Stahl: Nein, noch nie. Es wird also mal Zeit.

DFB.de: Aber zunächst steht heute das Achtelfinale gegen den 1. FC Kaiserslautern an. Üben Sie schon Torschüsse im Training?

Stahl: Klar, ich haue auch immer voll drauf. Wie gegen Hertha.

DFB.de: Ihre Mitspieler nennen Sie "Iron Mike", den "Eisernen Mike". Haben Sie seit Ihrem unglaublichen Tor gegen Berlin einen neuen Spitznamen?

Stahl: Einige. Nach meinem Tor habe ich in einem Supermarkt 61,5 Meter Fleischwurst für einen guten Zweck verkauft, dann haben die Kollegen mich halt eine Woche "Fleischwurst" genannt. Oder "Stahli, the Hammer". Die Jungs sind da ganz kreativ. Aber die meisten hier, Fans wie Mitspieler, nennen mich weiterhin "Iron Mike".

DFB.de: Klingt nicht gerade nach filigraner Spielweise.

Stahl: Doch, doch. Ich bin einer, der ausschließlich von seiner guten Technik lebt. (lacht)

DFB.de: Kann man, wenn man "Stahl" heißt, überhaupt dribbeln, schlenzen und mehr als zehnmal den Ball hochhalten?

Stahl: Na klar. In der Oberliga habe ich mal vier Freistoßtore in einer Saison geschossen, und zwar nicht nur mit Vollspann. Also: Fußball spielen kann ich. In der TuS-Jugend war ich "Zehner". Dann habe ich mein Spiel ein bisschen umgestellt. Ich glaube, ich helfe der Mannschaft so am meisten. Aber wenn der Trainer meint, ich soll wieder als Spielmacher auflaufen, dann mache ich auch das.

DFB.de: Vor diesem Tor gegen Hertha hatten Sie als Profi noch kein einziges Tor geschossen. Wussten Sie eigentlich, wie man jubelt?

Stahl: Mein bester Kumpel hat mir vor Spielen immer mal wieder gesagt, ich solle so jubeln wie Luca Toni, mit der Hand am Ohr. Aber ich hatte mir vorgenommen, wie ein Bowling-Spieler zu jubeln - also so zu tun, als würde ich die Pins abräumen. Als der Ball dann drin war, habe ich das aber vergessen. Dann bin ich einfach nur noch gerannt. Ich müsste wohl noch ein paar Tore schießen, um das zu verinnerlichen.

DFB.de: Hat sich Ihr Leben seit diesem 26. Oktober 2010 verändert?

Stahl: Ja, doch. Mein Tor wurde bei YouTube bisher mehr als 1,3 Millionen Mal geklickt. Es gab wahnsinnig viele Medienanfragen, das hat mich schon ein Stück weit bekannter gemacht. Ich dachte mir: So schnell kommt das nicht wieder. Genieß’ das Ganze, nimm das mit! Als Drittligaspieler steht man ja sonst nicht so sehr im Fokus. Aus Brasilien hatte sich ein Fernsehsender angekündigt, auch aus den Niederlanden. Einige Anfragen haben wir aber absagen müssen, weil es einfach zu viel geworden wäre. Ich musste mich ja schließlich auch noch auf den Fußball konzentrieren. Unglaublich, was ein einziges Tor für ein Interesse auslösen kann.

DFB.de: Und in der Stadt?

Stahl: Sonst bin ich durch Koblenz gelaufen und wurde nur von den wirklichen Insidern erkannt und angesprochen. Aber seit meinem Tor kommen immer mehr Leute zu mir und fragen, wie es mir geht, wollen Autogramme. Das ist schon lustig.

DFB.de: Haben Sie schon mal über eine zweite Karriere als Kicker im American Football nachgedacht?

Stahl: (lacht)Das will ich nicht ausschließen. Vielleicht, wenn ich mal nicht mehr Fußball spiele und ein interessantes Angebot kommt. Weit und hoch schießen kann ich ja. Mein Motto: Ich hau’ das Ei einfach weg.

DFB.de: Mit diesem Motto sind Sie sogar Torschütze des Monats im Oktober geworden. Wie fühlt sich das an?

Stahl: Als ich die Medaille bekommen habe, habe ich gedacht: Toll, ganz nette Sache. Auf der Fahrt nach Hause ist mir dann aber immer mehr klar geworden, dass so eine Auszeichnung eine Sache für die Ewigkeit ist. Ich bin schon stolz drauf. Die Medaille hat bei mir zu Hause einen Ehrenplatz. Sie steht in einer Vitrine gleich neben einem Foto, auf dem ich als Jugendlicher zusammen mit Horst Eckel zu sehen bin. Ihn durfte ich mal kennenlernen, und ich war sehr beeindruckt von ihm. Zum einen natürlich, weil er Weltmeister ist, wer kann das schon von sich sagen? Zum anderen, weil er total normal geblieben ist, einfach ein freundlicher, bescheidener Mensch. Ein absolutes Vorbild für mich.

DFB.de: Aber es kann sein, dass Sie ihm heute Abend weh tun müssen. Schließlich gehört sein Herz ja den "Roten Teufeln".

Stahl: Ja, das könnte sein, und das täte mir auch leid für ihn. Und wenn der FCK den Klassenverbleib schafft, würde er bestimmt auch darüber hinwegkommen. Außerdem wird er mir bestimmt nicht böse sein, wie auch? Er wird sich sicher nicht mehr an mich erinnern.

DFB.de: Sind Sie als Rheinland-Pfälzer eigentlich FCK-Fan?

Stahl: Nein, ich bin riesiger Werder-Bremen-Fan, obwohl meine ganze Familie für den 1. FC Köln ist. Das kam daher, dass ich als Kind mal von meinem Trainer ein T-Shirt mit der Aufschrift "Werder Bremen" bekommen habe, und seitdem ist das mein Verein. Erst gucke ich, wie Bremen gespielt hat, dann Köln. Bei der TuS kenne ich das Ergebnis ja aus erster Hand.

DFB.de: Bremen ist in der zweiten Pokalrunde ausgeschieden. War Kaiserslautern dann so etwas wie ein Wunschgegner?

Stahl: Absolut, das ist ja ein Derby. Lautern oder Köln, einer von den beiden sollte es schon sein. Dass es jetzt so gekommen ist, ist eine Riesensache. Kaiserslautern hat eine starke Mannschaft mit technisch beschlagenen und auch kopfballstarken Spielern. Wer Favorit ist, muss man keinem erklären. Ganz Koblenz freut sich schon auf dieses Spiel. Die Leute haben teilweise zwei Stunden angestanden, um eine Eintrittskarte zu bekommen. Es kribbelt. In der Stadt rufen einem die Leute hinterher: "Jetzt zählt’s" und "Werft sie raus"!

[bild2]

DFB.de: Ist es für den Außenseiter im DFB-Pokal umso einfacher, je besser der Gegner ist?

Stahl: Auf jeden Fall. Spielt man gegen einen Zweitligisten, weiß man natürlich auch, dass der eigentlich besser ist. Aber man rechnet sich doch eine realistische Chance aus. Entsprechend ist der Druck auch größer. Wenn man gegen einen Bundesligisten spielt, kann man eigentlich nur gewinnen. Keiner erwartet wirklich etwas, man hofft stattdessen auf eine Sensation. Wir haben ein tolles Halbjahr hinter uns und würden das gerne mit einem weiteren Pokalsieg krönen. Doch wir wissen auch, dass das von Runde zu Runde nicht unbedingt einfacher wird.

DFB.de: Bereitet man sich auf solch ein K.o.-Spiel anders vor als auf ein Spiel in der 3. Liga?

Stahl: Ich glaube, wir werden uns genauso gewissenhaft vorbereiten, aber natürlich weiß man, dass es etwas Anderes ist. Das muss man nicht groß erwähnen. Es wird ein Flutlichtspiel, ausverkauftes Haus, ein Topgegner, alles oder nichts. Das ist für jeden von uns besonders. Man wird in einem Atemzug genannt mit Mannschaften wie Bayern München oder dem 1. FC Köln, die im selben Wettbewerb sind wie wir. Man ist in derselben Auslosung dabei, man gehört dazu.

DFB.de: Fällt es schwer, den Schalter umzulegen vom Ligaalltag zum Pokalhighlight?

Stahl: Nein, weil wir wissen, dass die Pokalspiele Zugaben sind, die wir genießen und für die wir alles, wirklich alles geben. Das ist die Kür, die Liga ist die Pflicht. Aber die Ergebnisse der vergangenen Wochen zeigen, dass wir top konzentriert waren. Keiner von uns wollte sich vorwerfen lassen, dass wir die Liga auf Kosten der Pokalspiele vernachlässigen. Und wir wollten unbedingt mit positiven Erlebnissen und Ergebnissen in das Spiel gegen Lautern gehen. Das hatten wir uns nach dem Hertha-Sieg geschworen.

DFB.de: Sie haben erst Fortuna Düsseldorf aus dem Pokal geworfen, dann Hertha BSC. Ist das Stadion Oberwerth zur Pokal-Festung geworden?

Stahl: Die Mannschaften, die hier hinkamen, haben einen Fehler gemacht: Sie wollten die Aufgabe spielerisch lösen und ihre fußballerische Überlegenheit, die ja zweifellos vorhanden ist, ausspielen. Aber wir haben mit den Zuschauern im Rücken riesiges Kämpferherz bewiesen. Das ist unsere große Stärke, ich glaube, das hat unsere Gegner auch beeindruckt. So kann man einiges wettmachen. Mal schauen, wie die Lauterer hier auftreten. Leicht machen werden wir es ihnen sicher nicht.

DFB.de: Haben Sie schon einen Gegenspieler im Auge, dem Sie im Mittelfeld das Leben schwer machen wollen?

Stahl: Bisher hatte ich ja immer eine Sonderaufgabe. Gegen Düsseldorf war ich für Marco Christ zuständig, gegen Berlin für Raffael. Vielleicht kriege ich jetzt Christian Tiffert als Topvorbereiter der Bundesliga aufs Auge gedrückt. Was auch kommt, ich mache es gerne.

DFB.de: Würden Sie gerne mal gegen einen spielen, der genauso spielt wie Sie?

Stahl: Nein, wirklich nicht. Ich bin bissig, aggressiv und kann eine richtige Klette sein. Wenn ich die Aufgabe habe, verfolge ich meinen Gegenspieler die ganze Zeit auf Schritt und Tritt. Das macht den meisten nicht so richtig Spaß. Soll es ja auch nicht.

DFB.de: Und der zweite Auftrag: Aufs Tor schießen, egal aus welcher Entfernung?

Stahl: Nein, nein. Unser Trainer Petrik Sander hat mir nach dem Hertha-Spiel gesagt, dass ich genießen soll, was jetzt kommt und dass es schön ist, wenn mir das Auftrieb gibt. Aber auch, dass ich weiter meinen Kopf einschalten soll, wenn ich spiele.

DFB.de: Also keine 60-Meter-Tore mehr?

Stahl: Wenn ich irgendwo eine Lücke sehe und der Ball gut kommt, dann ziehe ich auch wieder durch. Schauen wir mal, was kommt.

DFB.de: Bitte in zwei Sätzen: Warum kommt die TuS auch gegen Kaiserslautern weiter?

Stahl: Wir haben eine super Truppe mit einem starken Zusammenhalt, in der jeder für den anderen kämpft. Und wir haben Zuschauer, die uns nach vorne peitschen.