Der höchste Auswärtssieg aller Zeiten

Duisburgs Frank Hammerschlag traf immerhin den Pfosten. Nur kurz glühten noch die Hoffnungsfunken der Westdeutschen, die vergeblich auf Tor reklamierten, als Wohlfarth aus Abseitsposition einköpfte (51.). Im Gegenzug fiel das 0:2 von Uwe Müller, natürlich ein Stürmer bei dem Namen. Es war wie alle fünf Tore herrlich herausgespielt. Falkenmayer (68.) wagte sich als einziger Nicht-Stürmer auf die Torschützenliste, dann vollendeten die Joker Cezary Tobollik (78.) und Harald Krämer (80.) das Kunstwerk einer Fußball-Demonstration, die nur die wenigsten in einem derartigen Alles-oder-Nichts-Spiel erwarteten.

"Zebras" retten im Rückspiel ihre Ehre

In Duisburg schüttelten sie sich durch nach der Vorführung, die Torwart Heribert Macherey "um zwei Tore zu hoch" fand. Immerhin hatten sie noch einen Elfmeter vergeben, "Pico" Steininger verschoss (72.) beim Stande von 0:3. Es hätte wenig geändert. "Von einem Bundesliga-Aufstieg sind die Duisburger so weit entfernt wie die Neger vom Nordpol", schrieb der Kicker nach dem einseitigsten und doch spielerisch wohl besten Relegationsspiel zur Bundesliga.

Das Rückspiel konnte da nicht mithalten. Der MSV hielt Wort und zeigte wirklich, "dass wir es besser können", wie Verteidiger Dietmar Schacht versprach. Das 1:1 vor ausverkauftem, aber keineswegs vollem Haus - rund 10.000 Zuschauer blieben trotz Karten zuhause - war keine große Show mehr, rettete aber die Ehre der "Zebras". Meister sind die Frankfurter übrigens bis heute nicht geworden. Und noch zweimal mussten sie in die Relegation - verloren haben sie nie.

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"Es geschah am ersten Relegationsspieltag": In der DFB.de-Serie am Donnerstag blickt der Historiker und Autor Udo Muras zurück auf ein besonderes Ereignis am jeweiligen Spieltag einer früheren Saison. Heute: der höchste Auswärtssieg aller Zeiten in der Relegation.

Datum: Freitag, 1. Juni 1984
Ort: Wedau-Stadion, Duisburg
Partie: MSV Duisburg - Eintracht Frankfurt 0:5

Erst zum dritten Mal wurden nach Ablauf der Saison 1983/1984 Relegationsspiele durchgeführt. Der prickelnde Epilog hatte nach einer langen Spielzeit bis dahin jeweils einen Vertreter der Bundesliga und der 2. Liga triumphieren lassen. Spätestens nach der Schalker Pleite 1983 gegen Bayer Uerdingen wussten die Bundesligisten: Die Relegation ist kein Selbstläufer.

Im Mai 1984 belegte mit Eintracht Frankfurt jedoch eine Mannschaft den ominösen 16. Platz, die nach allgemeiner Ansicht eine große Zukunft hatte - sportlich und wirtschaftlich. Auf der Jahreshauptversammlung vier Tage vor dem Spiel verkündete Präsident Gramlich einen immensen Schuldenabbau und eine neue Ära: "Die Zeiten der Zwietracht sind vorbei. Wir sind wieder eine große Familie." Mit Perspektive - nach dem furiosen Saisonfinale der Hessen sprach man schon vom "Meister von übermorgen". Mit 7:1 Punkten hatten sie die vier letzten Saisonspiele absolviert und durch ein 2:0 beim HSV nebenher den Meister gemacht. Der VfB Stuttgart profitierte vom Coup der Frankfurter am 33. Spieltag.

Berthold und Falkenmayer mischen die Liga auf

Nur wegen der verkorksten Hinserie, die man mit Meister-Trainer Branko Zebec begonnen hatte, war die Eintracht in den Abstiegsstrudel geraten. In der Rückrundentabelle war sie Neunter und der Fußball, den die von Dietrich Weise trainierten jungen Wilden spielten, war in aller Munde. Die Liga musste sich an Namen wie Thomas Berthold und Ralf Falkenmayer noch gewöhnen. Jupp Derwall nahm Falkenmayer sogar noch mit zur EM nach Frankreich.

Wohl selten genoss eine Mannschaft nach einer enttäuschenden Saison dermaßen hohe Sympathiewerte. Der Zuchauerschnitt war gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen (von 21.800 auf 23.100) und vor den Relegationsspielen mit dem MSV rannten die Fans die Türen der Vorverkaufsstellen ein. Das Waldstadion war schon ausverkauft, ehe die Eintracht ihr Hinspiel in Duisburg bestritt. 6000 Fans reisten an die Wedau mit, Optimismus pur.

Die Spieler dämpften: "Ich habe Angst, dass wir jetzt als klarer Favorit abgestempelt werden", sagte Thomas Kroth, Berthold fand: "Es wäre ja Wahnsinn, wenn wir nach unseren vier Superspielen jetzt noch scheitern würden. Es zählt nur noch das Durchkommen." Trainer Weise wies auf "den Pokalcharakter" der Duelle hin, "da ist alles drin".

Duisburg träumt von Bundesligarückkehr

Die Duisburger träumten von der Bundesligarückkehr im zweiten Anlauf - 1982 waren sie erstmals überhaupt abgestiegen. Der peruanische Trainer Luis Zacarias genoss in seinem ersten Jahr an der Wedau einen hohen Stellenwert, die Spieler beeindruckte er nebst Fachwissen und menschlichem Umgang durch seine Künste an der Gitarre. Auch beim MSV machte der Blick auf das Konto in jenen Wochen mehr Spaß als üblich. 31.000 Zuschauer garantierten eine Bruttoeinnahme von 420.000 DM und der Verkauf von Zweitliga-Torschützenkönig Roland Wohlfarth (30 Treffer) an Bayern München hatte man zumindest finanzielle Vorteile.

Auch in Duisburg war der Run auf die Karten so groß, dass besondere Maßnahmen ergriffen werden mussten. Präsident, Vize-Präsident und Sportdirektor halfen beim Kartenverkauf aus. Der Aufstieg wäre den "Zebras", wie sie wegen ihrer gestreiften Trikots heißen, 120.000 DM wert gewesen. Doch die Mannschaftskasse des Zweitligisten wurde nicht voller, schon nach den 90 Hinspiel-Minuten war die Entscheidung gefallen. Nie ging ein Relegationsspiel, von denen es 26 gab, höher aus als an jenem 1. Juni 1984. 0:5 stand bereits nach 80 Minuten auf der Anzeigetafel und es erwies sich von Vorteil, dass kein Sender auf die Idee gekommen war, die Spiele live zu übertragen.

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"Zwischen Bundesliga und 2. Liga liegen Welten"

"Eintracht Frankfurt wird auch in der nächsten Saison in der Bundesliga spielen. Das kann man jetzt schon sagen", begann der Kicker seinen Spielbericht - zu krass war der Leistungsunterschied. "In dieser Partie wurde deutlich, dass zwischen Bundesliga und der 2. Liga doch 'Welten' liegen", schrieb das Fachblatt.

>Roland Wohlfarth sagte es so: "Heute haben wir gesehen, dass man allein mit kämpferischen Mitteln nichts ausrichten kann. In der Bundesliga wird eben nicht nur gerannt, sondern richtiger Fußball gespielt." Von Eintracht Frankfurt beispielsweise, die schon fünf Jahre vor der Ära von Uwe Bein und Andreas Möller spielerische Glanzlichter setzte.

Die Stürmer treffen

In jenen Tagen waren dafür Libero Thomas Kroth, der rotblonde Spielmacher Jürgen Mohr und das schmächtige Supertalent Ralf Falkenmayer zuständig, Thomas Berthold und Ex-Nationalspieler Ronny Borchers kamen mehr über die Dynamik. Und im Sturm trafen alle vier Kandidaten regelmäßig ins Tor. In Duisburg machte Jan Svensson per Kopf den Anfang (28.), mehr Zählbares passierte bis zur Pause nicht.

Duisburgs Frank Hammerschlag traf immerhin den Pfosten. Nur kurz glühten noch die Hoffnungsfunken der Westdeutschen, die vergeblich auf Tor reklamierten, als Wohlfarth aus Abseitsposition einköpfte (51.). Im Gegenzug fiel das 0:2 von Uwe Müller, natürlich ein Stürmer bei dem Namen. Es war wie alle fünf Tore herrlich herausgespielt. Falkenmayer (68.) wagte sich als einziger Nicht-Stürmer auf die Torschützenliste, dann vollendeten die Joker Cezary Tobollik (78.) und Harald Krämer (80.) das Kunstwerk einer Fußball-Demonstration, die nur die wenigsten in einem derartigen Alles-oder-Nichts-Spiel erwarteten.

"Zebras" retten im Rückspiel ihre Ehre

In Duisburg schüttelten sie sich durch nach der Vorführung, die Torwart Heribert Macherey "um zwei Tore zu hoch" fand. Immerhin hatten sie noch einen Elfmeter vergeben, "Pico" Steininger verschoss (72.) beim Stande von 0:3. Es hätte wenig geändert. "Von einem Bundesliga-Aufstieg sind die Duisburger so weit entfernt wie die Neger vom Nordpol", schrieb der Kicker nach dem einseitigsten und doch spielerisch wohl besten Relegationsspiel zur Bundesliga.

Das Rückspiel konnte da nicht mithalten. Der MSV hielt Wort und zeigte wirklich, "dass wir es besser können", wie Verteidiger Dietmar Schacht versprach. Das 1:1 vor ausverkauftem, aber keineswegs vollem Haus - rund 10.000 Zuschauer blieben trotz Karten zuhause - war keine große Show mehr, rettete aber die Ehre der "Zebras". Meister sind die Frankfurter übrigens bis heute nicht geworden. Und noch zweimal mussten sie in die Relegation - verloren haben sie nie.