Das Märchen von Meuselwitz

Morgens, halb zehn in Meuselwitz, Markttag. Es gibt „Turnhosen wie zu DDR-Zeiten“, Radieschen, 60 Cent der Bund, Einlegegurken, geblümte Tischdecken, Thüringer Bratwurst. In ein paar Tagen wird hier ein Großereignis stattfinden, wie es der kleine Ort mit gut 11.000 Einwohnern am Dreiländereck Thüringen–Sachsen-Anhalt–Sachsen nur selten erlebt hat.

Bundesligist 1. FC Köln kommt zum Spiel der ersten DFB-Pokal-Hauptrunde. Doch davon ist noch nichts zu sehen, und dass Lukas Podolski von einem Werbeplakat grinst, ist nicht mehr als ein Zufall.

"Warum sollten wir Fahnen aufhängen?"

„Warum sollten wir hier auch Fahnen aufhängen oder so etwas?“ fragt der Wirt in der Schänke am Marktplatz. „Das Spiel ist doch ohnehin schon fast ausverkauft.“ Alle wissen es, am Sonntag wird der ZFC Meuselwitz gegen Köln spielen.

Das klingt dem Namen nach schon nach großen Unterschieden. Schon am Tag nach der Auslosung hatte sich eine lange Schlange vor dem Verkaufsschalter gebildet – eine neue Erfahrung für den Klub. DFB.de-Redakteur Gereon Tönnihsen hat sich im Ort umgeschaut.

„Früher war das hier nicht so prickelnd“

Das Stadion liegt im Ortsteil Zipsendorf (daher auch das "Z" im Vereinsnamen), drumherum Wald, Wiesen und Einfamilienhäuser. Zipsendorf ist erst 1974 eingemeindet worden, bis dahin zählte die Gemarkung zu Zeitz und damit zu Sachsen. „Mittlerweile ist die Identifikation mit Meuselwitz und Thüringen schon da“, sagt Hubert Wolf, der ZFC-Präsident. In der Saison 1992/1993, als die Kölner zum bis heute letzten Mal im Europapokal spielten, kickte die Elf aus Meuselwitz noch in der Kreisliga. Von Spielen wie dem am Sonntag wurde nicht einmal geträumt.

Hubert Wolf war 23 und gerade erst zum Vorsitzenden gewählt worden. Schritt für Schritt führte er den Verein nach oben, gewann Sponsoren, erneuerte erst die Mannschaft, dann das Stadion, „früher war das hier nicht so prickelnd“. Der Aufstieg in die Regionalliga 2009 war bislang der Höhepunkt der Vereinsgeschichte, doch der wird nicht mehr lange Bestand haben.

Mitte Mai siegte der Klub im Finale des Thüringen-Pokals gegen den VfB Pößneck durch zwei Tore von Kapitän Karsten „Ossi“ Oswald. Damit qualifizierten sich die Meuselwitzer erstmals für den DFB-Pokal. Bei der Auslosung Anfang Juni zog Glücksfee Kim Kulig das große Los für den ZFC. Simon Rolfes las vor: „ZFC Meuselwitz“ und dann „1. FC Köln“. „Ein prima Gegner, ein echter Traditionsverein, der auch hier in der Region viele Fans hat“, sagt Wolf, der eine Computer-Firma besitzt und mit heute 41 immer noch ein junger Präsident ist.

Heimspiel auf der Glaserkuppe

Wären die Bayern gekommen und damit noch mehr Fans, hätte man womöglich nicht auf der „Glaserkuppe“ spielen können, wie das Stadion genannt wird. Dann wären Jena oder Leipzig mögliche Ausweichstätten gewesen. Trainer Damian Halata hat es schon vorher gewusst. „Wir werden als 29. gezogen“, hatte er gesagt, als er mit seinem Präsidenten im Auto nach Mainz zur Auslosung im Sportstudio saß. „Und dann bekommen wir Nürnberg oder Köln.“ Es wurde die 29. Paarung und es wurde Köln. „Ich wusste noch gar nicht, dass der Trainer hellseherische Fähigkeiten hat“, sagt Wolf und lacht. Für das Spiel am Sonntag hat Halata noch keinen Tipp abgegeben, vielleicht sollte er das noch schnell machen.

Wenn der ZFC in der Regionalliga Nord gegen den FC Oberneuland, VFC Plauen oder Energie Cottbus II spielt, sind im Schnitt 1300 Zuschauer da. Ein guter Wert für einen Viertligisten. Am Sonntag sollen es 9108 sein. Gerade werden die neuen Stahltribünen aufgestellt mit Sitz- und Stehplätzen, die das Schmuckkästchen Glaserkuppe in einen Schmuckkasten verwandeln. Das Ganze dauert keine drei Tage. Am Tag nach dem Spiel werden sie schon wieder abgebaut. Dann reichen wieder die üblichen 5200 Plätze aus. Weil dann wieder Alltag ist.

Davon ist der Verein heute noch weit entfernt. Seit der Auslosung, sagt Wolf, habe er keine freie Minute mehr gehabt. Absprachen zum Thema Sicherheit, Umbaumaßnahmen, Akkreditierungen, Pressetermine – immer will irgendjemand irgendetwas von ihm. Er erledigt das mit großer Ruhe, „weil das für den Verein und den Ort doch eine ganz besondere Sache ist. Es ist das erste Mal, dass wir uns auf solch einer Bühne präsentieren können“. Vor einem Jahr war Meuselwitz Spielort der U 17-EM, doch Gastgeber zu sein für einen Bundesligisten in Deutschlands wichtigstem Fußball-Pokal, das sei noch eine Nummer größer. Auch, was den Aufwand angeht.

Meuselwitz und das Abenteuer DFB-Pokal

140 Ehrenamtliche im Einsatz

Es fährt kein Zug nach Meuselwitz. Der Bahnhof ist schon vor Jahren stillgelegt worden. Die Fans kommen mit Bussen oder Autos, anders geht es nicht. Dafür wurde eigens ein zusätzlicher Parkplatz angelegt. 140 Ehrenamtliche sind im Einsatz und noch einmal so viel gewerbliche Kräfte. Sie sorgen für die Sicherheit, verkaufen Würstchen, verteilen Programmhefte. Für das Spiel hat Wolf eigens Schals und Wimpel anfertigen lassen, neue WC-Container wurden aufgestellt, die Zahl der Kioske wurde von vier auf zwölf verdreifacht – denn wer weiß schon, wann es wieder so ein Spiel gibt. „Ein bisschen nervös“ sei er, gesteht der ZFC-Präsident. Weniger was das Sportliche angeht, „denn da sind unsere Chancen doch sehr begrenzt“, sondern mehr wegen der Organisation. Für einen Verein, der nicht einmal 500 Mitglieder und genau einen Fanklub hat, ist das eine große Aufgabe. Ob auch alles klappt?

Nervosität ist für Damian Halata ein Fremdwort. In den 80er-Jahren hat der viermalige Nationalspieler mit Lok Leipzig im Zentralstadion vor 90.000 Zuschauern gegen den SSC Neapel mit Diego Maradona gespielt. 9000 Fans und ein Gegner aus der Bundesliga können den drahtigen 48-Jährigen nicht aus der Ruhe bringen. „Aber natürlich weiß ich auch, wie außergewöhnlich das Spiel für den Ort und die ganze Region ist“, sagt er. Seit acht Jahren ist er mit einer kurzen Unterbrechung Trainer des Klubs, ist dreimal aufgestiegen. Als er die Anfrage bekam, wusste er noch gar nicht, wo Meuselwitz liegt. Dabei ist es bis zu seinem Wohnort Leipzig mit dem Auto nicht einmal eine halbe Stunde.

Dass man Meuselwitz mittlerweile auch anderswo kennt, ist zu einem guten Teil sein Verdienst. Im sportlichen Bereich lässt man ihm freie Hand. Immer ging es aufwärts, jedes Jahr ein bisschen. In der Regionalliga heißt das Ziel Klassenverbleib, wie schon im Vorjahr, als es am Ende Platz zehn wurde. „Wir wollen fünf Tore mehr schießen und fünf Tore weniger kassieren, dann hätten wir ein Torverhältnis von 45:45 und könnten uns rechtzeitig sichern“, sagt er. Fußballer-Arithmetik. In ein paar Jahren wird womöglich die 3. Liga angepeilt. Erst mal weiter wachsen, immer schön bedächtig.

Klitzekleiner Funke Hoffnung

Gesondert auf Köln vorbereitet hat er seine Mannschaft nicht. „Warum sollten wir auch?“ fragt er. Die meisten Spieler kenne man doch ohnehin - und dass sie eine größere Klasse hätten als seine Spieler, müsse man doch auch nicht weiter vertiefen. Das sei eben so bei drei Ligen Unterschied. „Wichtig ist, dass wir unser Spiel machen, wenig zulassen, möglichst lange ein 0:0 halten“, sagt er. Natürlich, ein klitzkleiner Funke Hoffnung sei da, „auch wenn, sollte alles normal laufen, der Sieger Köln heißen wird, es braucht viel Glück.“

Mit Oswald und Daniel Ferl hat er zwei ehemalige Zweitligaspieler in seiner Mannschaft, wobei der Einsatz des Ex-Aacheners Ferl nach Verletzung noch fraglich ist. Er ist nicht der einzige. Zum ersten Saisonspiel in Cottbus (1:0) war man nur mit 15 Spielern angereist. Das sei grenzwertig gewesen, sagt Halata. Vielleicht kommt gegen Köln der eine oder andere wieder.

Beim ZFC sind sie alle Feierabendkicker. Viermal in der Woche wird trainiert, immer nachmittags, der Job geht vor. Kapitän „Ossi“ Oswald arbeitet wie einige seiner Kollegen in der Firma des Präsidenten. Der 35-Jährige ist im Vertrieb tätig. Er geht jetzt in seine dritte Saison beim ZFC, und auch er wusste früher nicht, wo Meuselwitz liegt. Der Klub sei sehr solide geführt, und die berufliche Perspektive habe ihn gereizt. „Irgendwann muss man als Profi den Absprung schaffen“, sagt er.

Oswald hat gegen Köln schon gewonnen

Als Spieler von Dynamo Dresden hat er schon zweimal gegen Köln gespielt, damals in Liga zwei. Eine Niederlage nach 2:0-Führung, ein Sieg kurz vor Schluss - „Letzteres gerne wieder“, sagt er. Ob dafür Stürmer Sebastian Gasch zuständig sei, der gleich neben ihm sitzt? „Klar, alles andere wäre eine Enttäuschung“, sagt Gasch, Oswalds Schreibtisch- und Mannschaftskollege, der ein bisschen aussieht wie der große Bruder von Lewis Holtby. Er lacht, aus Spaß und wohl auch, weil ihm diese Vorstellung ziemlich gut gefällt.

Die Stärken des Teams sieht der Kapitän in der Geschlossenheit, im Zusammenhalt. Nach der Saison ging es auf Mannschaftsfahrt nach Mallorca, und fast alle waren dabei. Als die Pokalauslosung lief, saßen sie im Flieger. Vom Los Köln erfuhren sie erst, als sie wieder gelandet waren. „Wir haben es wahr-, aber nicht aufgenommen“, sagt Oswald und grinst. „War nur Spaß, natürlich haben wir uns gefreut. Wir wollten unbedingt einen Bundesligisten, den haben wir bekommen. Das ist ein Fest für uns alle.“ Aber es soll keines werden, bei dem man gar zu spendierfreudig mit dem Gegner umgeht.

„Der Pokal lebt von den Überraschungen“, sagt Oswald und beschreibt die typische Ausgangslage des Kleinen vor dem Kräftemessen mit dem Großen. Irgendwie hoffen immer alle insgeheim, dass sie die Pokalsensation schaffen, zu Lokalhelden werden und für ein paar Tage auch im ganzen Land für Schlagzeilen sorgen. Aber im Grunde ist es auch schon eine Sensation, dass ein Klub wie Meuselwitz überhaupt so weit gekommen ist. „Es ist ein Märchen“, sagt Damian Halata. Und die gehen bekanntlich immer gut aus.

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Morgens, halb zehn in Meuselwitz, Markttag. Es gibt „Turnhosen wie zu DDR-Zeiten“, Radieschen, 60 Cent der Bund, Einlegegurken, geblümte Tischdecken, Thüringer Bratwurst. In ein paar Tagen wird hier ein Großereignis stattfinden, wie es der kleine Ort mit gut 11.000 Einwohnern am Dreiländereck Thüringen–Sachsen-Anhalt–Sachsen nur selten erlebt hat.

Bundesligist 1. FC Köln kommt zum Spiel der ersten DFB-Pokal-Hauptrunde. Doch davon ist noch nichts zu sehen, und dass Lukas Podolski von einem Werbeplakat grinst, ist nicht mehr als ein Zufall.

"Warum sollten wir Fahnen aufhängen?"

„Warum sollten wir hier auch Fahnen aufhängen oder so etwas?“ fragt der Wirt in der Schänke am Marktplatz. „Das Spiel ist doch ohnehin schon fast ausverkauft.“ Alle wissen es, am Sonntag wird der ZFC Meuselwitz gegen Köln spielen.

Das klingt dem Namen nach schon nach großen Unterschieden. Schon am Tag nach der Auslosung hatte sich eine lange Schlange vor dem Verkaufsschalter gebildet – eine neue Erfahrung für den Klub. DFB.de-Redakteur Gereon Tönnihsen hat sich im Ort umgeschaut.

„Früher war das hier nicht so prickelnd“

Das Stadion liegt im Ortsteil Zipsendorf (daher auch das "Z" im Vereinsnamen), drumherum Wald, Wiesen und Einfamilienhäuser. Zipsendorf ist erst 1974 eingemeindet worden, bis dahin zählte die Gemarkung zu Zeitz und damit zu Sachsen. „Mittlerweile ist die Identifikation mit Meuselwitz und Thüringen schon da“, sagt Hubert Wolf, der ZFC-Präsident. In der Saison 1992/1993, als die Kölner zum bis heute letzten Mal im Europapokal spielten, kickte die Elf aus Meuselwitz noch in der Kreisliga. Von Spielen wie dem am Sonntag wurde nicht einmal geträumt.

Hubert Wolf war 23 und gerade erst zum Vorsitzenden gewählt worden. Schritt für Schritt führte er den Verein nach oben, gewann Sponsoren, erneuerte erst die Mannschaft, dann das Stadion, „früher war das hier nicht so prickelnd“. Der Aufstieg in die Regionalliga 2009 war bislang der Höhepunkt der Vereinsgeschichte, doch der wird nicht mehr lange Bestand haben.

Mitte Mai siegte der Klub im Finale des Thüringen-Pokals gegen den VfB Pößneck durch zwei Tore von Kapitän Karsten „Ossi“ Oswald. Damit qualifizierten sich die Meuselwitzer erstmals für den DFB-Pokal. Bei der Auslosung Anfang Juni zog Glücksfee Kim Kulig das große Los für den ZFC. Simon Rolfes las vor: „ZFC Meuselwitz“ und dann „1. FC Köln“. „Ein prima Gegner, ein echter Traditionsverein, der auch hier in der Region viele Fans hat“, sagt Wolf, der eine Computer-Firma besitzt und mit heute 41 immer noch ein junger Präsident ist.

Heimspiel auf der Glaserkuppe

Wären die Bayern gekommen und damit noch mehr Fans, hätte man womöglich nicht auf der „Glaserkuppe“ spielen können, wie das Stadion genannt wird. Dann wären Jena oder Leipzig mögliche Ausweichstätten gewesen. Trainer Damian Halata hat es schon vorher gewusst. „Wir werden als 29. gezogen“, hatte er gesagt, als er mit seinem Präsidenten im Auto nach Mainz zur Auslosung im Sportstudio saß. „Und dann bekommen wir Nürnberg oder Köln.“ Es wurde die 29. Paarung und es wurde Köln. „Ich wusste noch gar nicht, dass der Trainer hellseherische Fähigkeiten hat“, sagt Wolf und lacht. Für das Spiel am Sonntag hat Halata noch keinen Tipp abgegeben, vielleicht sollte er das noch schnell machen.

Wenn der ZFC in der Regionalliga Nord gegen den FC Oberneuland, VFC Plauen oder Energie Cottbus II spielt, sind im Schnitt 1300 Zuschauer da. Ein guter Wert für einen Viertligisten. Am Sonntag sollen es 9108 sein. Gerade werden die neuen Stahltribünen aufgestellt mit Sitz- und Stehplätzen, die das Schmuckkästchen Glaserkuppe in einen Schmuckkasten verwandeln. Das Ganze dauert keine drei Tage. Am Tag nach dem Spiel werden sie schon wieder abgebaut. Dann reichen wieder die üblichen 5200 Plätze aus. Weil dann wieder Alltag ist.

Davon ist der Verein heute noch weit entfernt. Seit der Auslosung, sagt Wolf, habe er keine freie Minute mehr gehabt. Absprachen zum Thema Sicherheit, Umbaumaßnahmen, Akkreditierungen, Pressetermine – immer will irgendjemand irgendetwas von ihm. Er erledigt das mit großer Ruhe, „weil das für den Verein und den Ort doch eine ganz besondere Sache ist. Es ist das erste Mal, dass wir uns auf solch einer Bühne präsentieren können“. Vor einem Jahr war Meuselwitz Spielort der U 17-EM, doch Gastgeber zu sein für einen Bundesligisten in Deutschlands wichtigstem Fußball-Pokal, das sei noch eine Nummer größer. Auch, was den Aufwand angeht.

Meuselwitz und das Abenteuer DFB-Pokal

140 Ehrenamtliche im Einsatz

Es fährt kein Zug nach Meuselwitz. Der Bahnhof ist schon vor Jahren stillgelegt worden. Die Fans kommen mit Bussen oder Autos, anders geht es nicht. Dafür wurde eigens ein zusätzlicher Parkplatz angelegt. 140 Ehrenamtliche sind im Einsatz und noch einmal so viel gewerbliche Kräfte. Sie sorgen für die Sicherheit, verkaufen Würstchen, verteilen Programmhefte. Für das Spiel hat Wolf eigens Schals und Wimpel anfertigen lassen, neue WC-Container wurden aufgestellt, die Zahl der Kioske wurde von vier auf zwölf verdreifacht – denn wer weiß schon, wann es wieder so ein Spiel gibt. „Ein bisschen nervös“ sei er, gesteht der ZFC-Präsident. Weniger was das Sportliche angeht, „denn da sind unsere Chancen doch sehr begrenzt“, sondern mehr wegen der Organisation. Für einen Verein, der nicht einmal 500 Mitglieder und genau einen Fanklub hat, ist das eine große Aufgabe. Ob auch alles klappt?

Nervosität ist für Damian Halata ein Fremdwort. In den 80er-Jahren hat der viermalige Nationalspieler mit Lok Leipzig im Zentralstadion vor 90.000 Zuschauern gegen den SSC Neapel mit Diego Maradona gespielt. 9000 Fans und ein Gegner aus der Bundesliga können den drahtigen 48-Jährigen nicht aus der Ruhe bringen. „Aber natürlich weiß ich auch, wie außergewöhnlich das Spiel für den Ort und die ganze Region ist“, sagt er. Seit acht Jahren ist er mit einer kurzen Unterbrechung Trainer des Klubs, ist dreimal aufgestiegen. Als er die Anfrage bekam, wusste er noch gar nicht, wo Meuselwitz liegt. Dabei ist es bis zu seinem Wohnort Leipzig mit dem Auto nicht einmal eine halbe Stunde.

Dass man Meuselwitz mittlerweile auch anderswo kennt, ist zu einem guten Teil sein Verdienst. Im sportlichen Bereich lässt man ihm freie Hand. Immer ging es aufwärts, jedes Jahr ein bisschen. In der Regionalliga heißt das Ziel Klassenverbleib, wie schon im Vorjahr, als es am Ende Platz zehn wurde. „Wir wollen fünf Tore mehr schießen und fünf Tore weniger kassieren, dann hätten wir ein Torverhältnis von 45:45 und könnten uns rechtzeitig sichern“, sagt er. Fußballer-Arithmetik. In ein paar Jahren wird womöglich die 3. Liga angepeilt. Erst mal weiter wachsen, immer schön bedächtig.

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Klitzekleiner Funke Hoffnung

Gesondert auf Köln vorbereitet hat er seine Mannschaft nicht. „Warum sollten wir auch?“ fragt er. Die meisten Spieler kenne man doch ohnehin - und dass sie eine größere Klasse hätten als seine Spieler, müsse man doch auch nicht weiter vertiefen. Das sei eben so bei drei Ligen Unterschied. „Wichtig ist, dass wir unser Spiel machen, wenig zulassen, möglichst lange ein 0:0 halten“, sagt er. Natürlich, ein klitzkleiner Funke Hoffnung sei da, „auch wenn, sollte alles normal laufen, der Sieger Köln heißen wird, es braucht viel Glück.“

Mit Oswald und Daniel Ferl hat er zwei ehemalige Zweitligaspieler in seiner Mannschaft, wobei der Einsatz des Ex-Aacheners Ferl nach Verletzung noch fraglich ist. Er ist nicht der einzige. Zum ersten Saisonspiel in Cottbus (1:0) war man nur mit 15 Spielern angereist. Das sei grenzwertig gewesen, sagt Halata. Vielleicht kommt gegen Köln der eine oder andere wieder.

Beim ZFC sind sie alle Feierabendkicker. Viermal in der Woche wird trainiert, immer nachmittags, der Job geht vor. Kapitän „Ossi“ Oswald arbeitet wie einige seiner Kollegen in der Firma des Präsidenten. Der 35-Jährige ist im Vertrieb tätig. Er geht jetzt in seine dritte Saison beim ZFC, und auch er wusste früher nicht, wo Meuselwitz liegt. Der Klub sei sehr solide geführt, und die berufliche Perspektive habe ihn gereizt. „Irgendwann muss man als Profi den Absprung schaffen“, sagt er.

Oswald hat gegen Köln schon gewonnen

Als Spieler von Dynamo Dresden hat er schon zweimal gegen Köln gespielt, damals in Liga zwei. Eine Niederlage nach 2:0-Führung, ein Sieg kurz vor Schluss - „Letzteres gerne wieder“, sagt er. Ob dafür Stürmer Sebastian Gasch zuständig sei, der gleich neben ihm sitzt? „Klar, alles andere wäre eine Enttäuschung“, sagt Gasch, Oswalds Schreibtisch- und Mannschaftskollege, der ein bisschen aussieht wie der große Bruder von Lewis Holtby. Er lacht, aus Spaß und wohl auch, weil ihm diese Vorstellung ziemlich gut gefällt.

Die Stärken des Teams sieht der Kapitän in der Geschlossenheit, im Zusammenhalt. Nach der Saison ging es auf Mannschaftsfahrt nach Mallorca, und fast alle waren dabei. Als die Pokalauslosung lief, saßen sie im Flieger. Vom Los Köln erfuhren sie erst, als sie wieder gelandet waren. „Wir haben es wahr-, aber nicht aufgenommen“, sagt Oswald und grinst. „War nur Spaß, natürlich haben wir uns gefreut. Wir wollten unbedingt einen Bundesligisten, den haben wir bekommen. Das ist ein Fest für uns alle.“ Aber es soll keines werden, bei dem man gar zu spendierfreudig mit dem Gegner umgeht.

„Der Pokal lebt von den Überraschungen“, sagt Oswald und beschreibt die typische Ausgangslage des Kleinen vor dem Kräftemessen mit dem Großen. Irgendwie hoffen immer alle insgeheim, dass sie die Pokalsensation schaffen, zu Lokalhelden werden und für ein paar Tage auch im ganzen Land für Schlagzeilen sorgen. Aber im Grunde ist es auch schon eine Sensation, dass ein Klub wie Meuselwitz überhaupt so weit gekommen ist. „Es ist ein Märchen“, sagt Damian Halata. Und die gehen bekanntlich immer gut aus.