Das Duell, das die WM 1990 entschied

Das Wiedersehen fällt aus. Guido Buchwald ist zur Geburtstagsfeier des DFB-Ehrenpräsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder in Stuttgart geladen und wird beim wichtigen Länderspiel in München heute (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) gegen die von Diego Maradona trainierte argentinische Nationalmannschaft fehlen.

Vor 20 Jahren standen sich die beiden Männer - der klassische deutsche Vorstopper Guido Buchwald, der Schütze des Jahrhunderttors Diego Armando Maradona - im WM-Finale von Rom gegenüber. Andreas Brehmes verwandelter Strafstoß, sicher, aber mindestens genauso entscheidend war Buchwalds Weltklasseleistung gegen Maradona im WM-Endspiel - und der Höhepunkt in der Laufbahn des heute 49-Jährigen.

„Im ersten Mannschaftstraining nach unserem Halbfinalsieg über England hatte Franz Beckenbauer mir gesagt, ich soll mich um ihn im Finale kümmern. Das kam knapp, ohne große Umschweife. ‚Guido, du deckst Maradona’, viel mehr hat er erstmal nicht gesagt“, erinnert sich Guido Buchwald im Gespräch mit DFB.de. „Ich war natürlich sehr stolz, dass Franz mir diese Aufgabe zugetraut hat.“

Deutsche Tüchtigkeit gegen argentinische Genialität

Ein im Weltfußball eher namenloser Abwehrspieler aus dem Schwabenland, der 1986 drei Tage vor der Reise nach Mexiko aus dem deutschen Team geflogen war, sollte Diego Maradona ausschalten, den Weltmeister von 1986, dessen Slalomlauf gegen England bei eben jener WM zum Tor des Jahrhunderts gewählt wurde und der als bester Spieler in Mexiko mit dem "Goldenen Ball" ausgezeichnet worden war. Deutsche Tüchtigkeit sollte südamerikanische Genialität ausschalten.

Das Herz ist Guido Buchwald dennoch nie in die Hose gerutscht. „An sein Tor gegen die Engländer habe ich damals wirklich nicht gedacht. Aber auch 1990 war Diego Maradona der Kopf der argentinischen Mannschaft“, erinnert sich der Schwabe. „Doch ich war selbst gut drauf. In der ersten Minute unseres ersten Gruppenspiels gegen Jugoslawien hatte es so eine Schlüsselszene gegeben. Ich gewann ein Laufduell gegen Savicevic und erkämpfte mir den Ball. Da wusste ich: ‚Das ist meine WM, die gebe ich nicht mehr her.’“

In der deutschen Kabine vor dem WM-Finale herrschte an jenem 8. Juli 1990 eine prächtige Stimmung, wie Buchwald berichtet: „Wir wussten genau, dass wir besser sind als die Argentinier. Wenn sich jeder in den Dienst des anderen stellen würde, konnten wir nicht verlieren.“

Beckenbauer: "Danke Guido, danke für alles"

Und Guido Buchwald, der nach seinem Übersteiger mit anschließender Torflanke auf Jürgen Klinsmann zum 1:0-Zwischenstand im Achtelfinale gegen die Niederlande mit dem Spitznamen „Diego“ geadelt wurde, hatte einen Plan: „Maradonas Antritt auf den ersten fünf bis zehn Metern war Wahnsinn. Wenn er frontal auf einen zulief, hatte man als Verteidiger keine Chance. Ich musste ihn also so wenig wie irgend möglich kontrolliert an den Ball kommen lassen, immer die Passwege zustellen. Zumindest durfte er keine Zeit haben, sich zu drehen. Wenn er an der Seitenlinie mit dem Rücken zu mir an den Ball kam, war das akzeptabel. Alles andere nicht.“

Für Mardona endete der Abend im Olympiastadion von Rom mit bitteren Tränen, Guido Buchwald stand irgendwann Franz Beckenbauer gegenüber. „Danke Guido, danke für alles“, sagte der „Kaiser“, der später schwärmte: „Es war Guidos siebte Weltklasseleistung im siebten WM-Spiel.“

Buchwald hatte das exzentrische Mittelfeldgenie völlig abgemeldet. Von vier Zweikämpfen in der ersten Halbzeit konnte Maradona noch zwei gewinnen, nach der Pause keinen einzigen mehr. Ein einziges Mal schoss er aufs Tor, einen Freistoß. Nur zwei lange Bälle brachte Maradona an den Mann. Buchwald verbuchte keinen Punktsieg gegen Maradona. Es war ein Knock-out.

"Du schon wieder"

Irgendwann nach dem x-ten Tackling soll Maradona entnervt gesagt haben: „Y de nuevo tu por acá - Du schon wieder“. Selbst nach dem Schlusspfiff konnte er den Schwaben nicht abschütteln. Beide wurden zur Dopingprobe gezogen. „Da war es sehr ruhig zwischen uns“, erinnert sich Buchwald.

Bis heute hat er kein Verständnis für Maradonas öffentliche Reaktionen nach dem WM-Triumph der DFB-Auswahl: „Für seine Tränen direkt nach Spielende schon, dass er aber später sagte, wir wären ein unverdienter Weltmeister, kann ich nicht verstehen. Wir hatten zwölf Torchancen, die Argentinier eine einzige.“

Guido Buchwald blickt optimistisch auf WM in Südafrika

Die dritte Finalteilnahme in Folge schloß Deutschland mit dem insgesamt dritten WM-Titel ab. Erstmals hatte eine europäische Mannschaft einen südamerikanischen Gegner in einem WM-Finale bezwungen.

Zwei Sommer später erlebte Guido Buchwald eine weitere Sternstunde. Am letzten Spieltag der Saison 1991/1992 köpfte er den VfB Stuttgart beim 2:1 bei Bayer Leverkusen in der 86. Spielminute zur Deutschen Meisterschaft. Später wechselte der 76-malige deutsche Nationalspieler nach Japan in die J-League. Als Trainer führte er die Urawa Red Diamonds zu Pokalsieg und Meisterschaft.

Einen Titelgewinn hält der Weltmeister von 1990 auch diesen Sommer in Südafrika für möglich: „Ich bin optimistisch. Wir haben eine starke Mannschaft. Dass unsere Spieler aufgrund der Gegebenheiten die meiste Zeit im Teamhotel verbringen müssen, also kaserniert werden, halte ich nicht für einen Nachteil. Wir werden dadurch als Gruppe enger zusammenwachsen und noch konzentrierter in die Spiele gehen.“ Hoffentlich so konzentriert wie Guido Buchwald an jenem 8. Juli 1990.

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Das Wiedersehen fällt aus. Guido Buchwald ist zur Geburtstagsfeier des DFB-Ehrenpräsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder in Stuttgart geladen und wird beim wichtigen Länderspiel in München heute (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) gegen die von Diego Maradona trainierte argentinische Nationalmannschaft fehlen.

Vor 20 Jahren standen sich die beiden Männer - der klassische deutsche Vorstopper Guido Buchwald, der Schütze des Jahrhunderttors Diego Armando Maradona - im WM-Finale von Rom gegenüber. Andreas Brehmes verwandelter Strafstoß, sicher, aber mindestens genauso entscheidend war Buchwalds Weltklasseleistung gegen Maradona im WM-Endspiel - und der Höhepunkt in der Laufbahn des heute 49-Jährigen.

„Im ersten Mannschaftstraining nach unserem Halbfinalsieg über England hatte Franz Beckenbauer mir gesagt, ich soll mich um ihn im Finale kümmern. Das kam knapp, ohne große Umschweife. ‚Guido, du deckst Maradona’, viel mehr hat er erstmal nicht gesagt“, erinnert sich Guido Buchwald im Gespräch mit DFB.de. „Ich war natürlich sehr stolz, dass Franz mir diese Aufgabe zugetraut hat.“

Deutsche Tüchtigkeit gegen argentinische Genialität

Ein im Weltfußball eher namenloser Abwehrspieler aus dem Schwabenland, der 1986 drei Tage vor der Reise nach Mexiko aus dem deutschen Team geflogen war, sollte Diego Maradona ausschalten, den Weltmeister von 1986, dessen Slalomlauf gegen England bei eben jener WM zum Tor des Jahrhunderts gewählt wurde und der als bester Spieler in Mexiko mit dem "Goldenen Ball" ausgezeichnet worden war. Deutsche Tüchtigkeit sollte südamerikanische Genialität ausschalten.

Das Herz ist Guido Buchwald dennoch nie in die Hose gerutscht. „An sein Tor gegen die Engländer habe ich damals wirklich nicht gedacht. Aber auch 1990 war Diego Maradona der Kopf der argentinischen Mannschaft“, erinnert sich der Schwabe. „Doch ich war selbst gut drauf. In der ersten Minute unseres ersten Gruppenspiels gegen Jugoslawien hatte es so eine Schlüsselszene gegeben. Ich gewann ein Laufduell gegen Savicevic und erkämpfte mir den Ball. Da wusste ich: ‚Das ist meine WM, die gebe ich nicht mehr her.’“

In der deutschen Kabine vor dem WM-Finale herrschte an jenem 8. Juli 1990 eine prächtige Stimmung, wie Buchwald berichtet: „Wir wussten genau, dass wir besser sind als die Argentinier. Wenn sich jeder in den Dienst des anderen stellen würde, konnten wir nicht verlieren.“

Beckenbauer: "Danke Guido, danke für alles"

Und Guido Buchwald, der nach seinem Übersteiger mit anschließender Torflanke auf Jürgen Klinsmann zum 1:0-Zwischenstand im Achtelfinale gegen die Niederlande mit dem Spitznamen „Diego“ geadelt wurde, hatte einen Plan: „Maradonas Antritt auf den ersten fünf bis zehn Metern war Wahnsinn. Wenn er frontal auf einen zulief, hatte man als Verteidiger keine Chance. Ich musste ihn also so wenig wie irgend möglich kontrolliert an den Ball kommen lassen, immer die Passwege zustellen. Zumindest durfte er keine Zeit haben, sich zu drehen. Wenn er an der Seitenlinie mit dem Rücken zu mir an den Ball kam, war das akzeptabel. Alles andere nicht.“

Für Mardona endete der Abend im Olympiastadion von Rom mit bitteren Tränen, Guido Buchwald stand irgendwann Franz Beckenbauer gegenüber. „Danke Guido, danke für alles“, sagte der „Kaiser“, der später schwärmte: „Es war Guidos siebte Weltklasseleistung im siebten WM-Spiel.“

Buchwald hatte das exzentrische Mittelfeldgenie völlig abgemeldet. Von vier Zweikämpfen in der ersten Halbzeit konnte Maradona noch zwei gewinnen, nach der Pause keinen einzigen mehr. Ein einziges Mal schoss er aufs Tor, einen Freistoß. Nur zwei lange Bälle brachte Maradona an den Mann. Buchwald verbuchte keinen Punktsieg gegen Maradona. Es war ein Knock-out.

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"Du schon wieder"

Irgendwann nach dem x-ten Tackling soll Maradona entnervt gesagt haben: „Y de nuevo tu por acá - Du schon wieder“. Selbst nach dem Schlusspfiff konnte er den Schwaben nicht abschütteln. Beide wurden zur Dopingprobe gezogen. „Da war es sehr ruhig zwischen uns“, erinnert sich Buchwald.

Bis heute hat er kein Verständnis für Maradonas öffentliche Reaktionen nach dem WM-Triumph der DFB-Auswahl: „Für seine Tränen direkt nach Spielende schon, dass er aber später sagte, wir wären ein unverdienter Weltmeister, kann ich nicht verstehen. Wir hatten zwölf Torchancen, die Argentinier eine einzige.“

Guido Buchwald blickt optimistisch auf WM in Südafrika

Die dritte Finalteilnahme in Folge schloß Deutschland mit dem insgesamt dritten WM-Titel ab. Erstmals hatte eine europäische Mannschaft einen südamerikanischen Gegner in einem WM-Finale bezwungen.

Zwei Sommer später erlebte Guido Buchwald eine weitere Sternstunde. Am letzten Spieltag der Saison 1991/1992 köpfte er den VfB Stuttgart beim 2:1 bei Bayer Leverkusen in der 86. Spielminute zur Deutschen Meisterschaft. Später wechselte der 76-malige deutsche Nationalspieler nach Japan in die J-League. Als Trainer führte er die Urawa Red Diamonds zu Pokalsieg und Meisterschaft.

Einen Titelgewinn hält der Weltmeister von 1990 auch diesen Sommer in Südafrika für möglich: „Ich bin optimistisch. Wir haben eine starke Mannschaft. Dass unsere Spieler aufgrund der Gegebenheiten die meiste Zeit im Teamhotel verbringen müssen, also kaserniert werden, halte ich nicht für einen Nachteil. Wir werden dadurch als Gruppe enger zusammenwachsen und noch konzentrierter in die Spiele gehen.“ Hoffentlich so konzentriert wie Guido Buchwald an jenem 8. Juli 1990.